Arbeitskampf bei AEG verschärft sich

Die am Donnerstag fortgesetzten Verhandlungen zwischen Gewerkschaft, Betriebsrat und dem Electrolux-Management über das von der Schließung bedrohte AEG-Werk in Nürnberg wurden noch am selben Abend ohne Einigung abgebrochen. Seit mittlerweile zwei Wochen befinden sich die 1750 Beschäftigten des AEG-Werks gegen die geplante Schließung im Streik.

Bereits die Verhandlungen vor drei Wochen in München und Ingolstadt waren ohne Einigung abgebrochen worden, nachdem Electrolux sich weigerte ein Angebot vorzulegen, solange es im Nürnberger Werk zu Protesten kommt. Electrolux- und AEG-Management hatten deutlich gemacht, dass sie auf keine Forderungen, die über einen üblichen Sozialplan hinausgehen, eingehen werden.

Dem entsprechend war auch das vom Unternehmen als "substanziell" bezeichnete Angebot. Der Sozialplan, den die Konzernleitung vorlegte, sah entweder eine Abfindung in Höhe von 0,7 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr vor, oder aber den Eintritt in eine Qualifizierungsgesellschaft bei Fortzahlung des Gehalts für zwölf Monate.

Die Vertreter von Gewerkschaft und Betriebsrat hatten sich bisher stets kompromissbereit gezeigt. Sie sahen sich allerdings außerstande, das Angebot des Managements bei der Belegschaft durchzusetzen. "Wenn wir dieses Angebot der Belegschaft vorlegen, wird es in die Tonne getreten", erklärte der AEG-Beauftragte der IG Metall Jürgen Wechsler. Die ursprüngliche Forderung der Gewerkschaft lag bei drei Monatsgehältern Abfindung pro Beschäftigungsjahr und einer längerfristigen Auffanggesellschaft bzw. Ersatzarbeitsplätzen. Allerdings würde man sich, nach den Worten des Chefs der bayrischen IG-Metall Werner Neugebauer, auch auf einen Kompromiss mit weniger Abfindung einlassen.

Der Arbeitskampf bei AEG hatte sich in der vergangenen Woche weiter zugespitzt. Am Freitag traten auch die Beschäftigten der Logistik-Abteilung in Nürnberg in einen unbefristeten Streik. Am Montag darauf folgte die Belegschaft im Warenverteilzentrum im nordreinwestfälischen Dormagen. Sie protestieren damit gegen die massiven Lohnkürzungen, die ihnen durch das Electrolux-Management aufgezwungen wurde.

Die Logistiksparte wurde, wie auch weitere Abteilungen, in eine eigenständige GmbH umgewandelt. Für deren bundesweit etwa 160 Beschäftigte sollten nicht wie bisher die Tarife der Metallbranche, sondern die weit niedrigeren Groß- und Einzelhandelstarife gelten. Für die in Nürnberg, Rothenburg und Dormagen Beschäftigten würde dies Einbußen von bis zu 45 Prozent bedeuten.

Mit 90prozentiger Zustimmung in der Urabstimmung sprachen sich auch in der Logistikabteilung die Beschäftigen für den Arbeitskampf aus. Zuvor wurde unter den Werksangehörigen mit 97 Prozent Zustimmung bereits eines der klarsten Abstimmungsergebnisse in der Geschichte der IG Metall erreicht. Ebenfalls in den Streik treten werden voraussichtlich ab Mitte nächster Woche die 200 Beschäftigten der Ersatzteilsparte Distriparts in Rothenburg, die ebenfalls eine Beibehaltung des Metalltarifvertrags fordern.

Durch den Arbeitskampf gerät der Electrolux-Konzern mittlerweile stark unter Druck. Aufgrund des Streiks kommt es zu Produktions- und Lieferengpässen bei AEG-Geräten, da die Standorte in Polen noch nicht mit den notwendigen Maschinen ausgerüstet sind. Auch Werke im europäischen Ausland können den Produktionsausfall momentan nicht ausgleichen. Hinzu kommt, dass in Nürnberg Teile produziert werden, die in anderen Werken dringend gebraucht werden und die AEG nicht kurzfristig anderweitig beschaffen kann. Der Chef von Elektrolux Hans Straberg räumte am Sonntag außerdem ein, dass sein Konzern mittlerweile nicht nur Probleme mit der Lieferung, sondern auch mit dem Image bei den Kunden habe.

Ziel der Verhandlungsrunde von Donnerstag war es, eine weitere Verschärfung des Konflikts zu vermeiden. Als Electrolux Mitte Dezember die Schließung ankündigte, erklärte die bayrische Landesregierung noch, man werde keinesfalls eingreifen, um das Unternehmen nicht zu verprellen. Vergangene Woche soll Ministerpräsident Stoiber dagegen laut Medienberichten seine Kontakte zu einer schwedischen Investorengruppe die 27 Prozent der Electroluxanteile genutzt und so Druck für neue Verhandlungen ausgeübt haben. Bei dem daraufhin folgenden Treffen zwischen Gewerkschaft, Betriebsrat und Electroluxchef Straberg nahmen auch Stoiber und Wirtschaftsminister Erwin Huber teil.

Stoiber beschwor am Montag die "ethische Verantwortung der Unternehmen". Der Arbeitskampf bei AEG sei "weit mehr als ein Tarifkonflikt". Es gehe grundsätzlich "um die Akzeptanz der Wirtschaftsordnung bei den Menschen". Vorschnell erklärte er nach dem Gespräch am Sonntag, dass nun auch ein Fortbestand des Nürnberger Werks nicht mehr ausgeschlossen sei.

Doch bereits am Montag zeigte das Electrolux-Management, dass es bei den anstehenden Verhandlungen zu keinerlei Zugeständnissen bereit ist. Im Gegenteil: Weiterhin setzt das Management auf Drohungen und Provokationen.

Der für die Produktion in Europa zuständige Manager Horst Winkler bekräftigte abermals, dass die Schließung des Nürnberger Werks beschlossene Sache sei. Als er am Montag in Nürnberg vor die Presse trat, nannte er den Arbeitskampf abfällig "ein Industrieschauspiel" und erklärte, dass in den Chefetagen von Electrolux bereits der Einsatz von Streikbrechern diskutiert wird. Das würde unweigerlich zu einer weiteren Verschärfung der Lage führen.

Unverhohlen drohte Winkler, dass es zu weiteren und noch schnelleren Verlagerungen von Arbeitsplätzen führen werde, falls die Belegschaften Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen nicht akzeptieren. Bei einer Fortsetzung des Streiks bedrohe die "Rücksichtslosigkeit" der Streikenden die noch verbleibenden "kerngesunden" 2.000 Arbeitsplätze in Deutschland, warnte er.

Die Gewerkschaften hingegen zeigen ihre prinzipielle Unfähigkeit, für die Interessen der Belegschaft und die Verteidigung der Arbeitsplätze einzutreten. In Nürnberg treten fast täglich Gewerkschaftsführer vor der Belegschaft auf, geben sich kämpferisch und erklären, der Erhalt aller Arbeitsplätze sei das eigentliche Streikziel. Was davon zu halten ist, zeigten sie dann am letzten Sonntag. Sie boten dem Konzernchef die Halbierung der Belegschaft an, wenn im Gegenzug der Standort Nürnberg erhalten bleibe. Straberg lehnte dies rundheraus ab. Die Produktionskosten seien in Deutschland generell zu hoch.

Hinter den Kulissen haben Betriebsrat und IG Metall bereits eine Vereinbarung mit der AEG-Leitung getroffen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Streiks für das Unternehmen gering zu halten. Danach werden aus dem Zentrallager in Nürnberg, das ebenfalls bestreikt wird, täglich etwa 4000 Haushaltsgeräte ausgeliefert, ein Viertel der sonst üblichen Menge. Dafür werden überwiegend Leiharbeiter eingesetzt. Von verärgerten AEG-Arbeitern auf diesen Streikbruch angesprochen, erwiderte der AEG-Beauftragte der IG Metall Wechsler nur: "Wenn die Streikleitung entschieden hat, marschieren alle in dieselbe Richtung".

Während die Solidarität zwischen den Belegschaften des Nürnberger Werks und der Logistik-Abteilung sehr groß ist, versuchen die offiziellen Vertreter sie gezielt zu untergraben. So erklärte der Streikführer in Dormagen, Wittich Rossmann, als er auf den Arbeitskampf der Logistiksparte angesprochen wurde, dieser habe "nichts mit dem Protest gegen die Werksschließung zu tun". Wohl wissend, dass mit der Schließung des Nürnberger Werks etliche Arbeitsplätze in der Logistik entbehrlich werden. Damit wurde die Linie des Managements übernommen, das einzelne Verhandlungen mit jeder Sparte anstrebt.

Siehe auch:
Arbeitskampf bei AEG in Nürnberg
(25. Januar 2006)
Belegschaft des AEG-Werks Nürnberg im Streik
( 20. Januar 2006)
Die Schließung des AEG-Werks in Nürnberg und die Rolle der Gewerkschaften
( 11. Januar 2006)
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