Unterstützung deutscher Geheimagenten für US-Besatzer im Irak

Laut Berichten der ARD-Sendung Panorama und der Süddeutschen Zeitung haben Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), des deutschen Auslandsgeheimdienstes, aktive Unterstützung für die amerikanischen Truppen beim Krieg gegen den Irak geleistet.

Die Medienberichte behaupten, dass zwei deutsche Geheimagenten eine Schlüsselrolle bei der Markierung von Zielen im Frühjahr 2003 spielten, die später von amerikanischen Kampffliegern bombardiert wurden. Kurz vor diesen Enthüllungen über die Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Geheimdiensten waren Berichte über die Rolle der alten, rot-grünen Regierung bei der Überstellung von angeblichen Terroristen durch die CIA in Folterstaaten veröffentlicht worden. Es wurde bekannt, dass die rot-grüne Regierung und andere europäische Regierungen CIA-Flüge mit angeblichen Terroristen in das Netzwerk von Geheimgefängnissen des amerikanischen Geheimdienstes in Osteuropa zuließen.

Laut Panorama sind zwei BND-Agenten nach Schließung der deutschen Botschaft am 17. März 2003 im Irak geblieben - nur drei Tage vor dem Beginn der amerikanischen Invasion. Die Arbeit der deutschen Agenten im Irak wurde mit dem amerikanischen Militärgeheimdienst DIA koordiniert. Laut der Süddeutschen Zeitung wurde diese Zusammenarbeit von höchster politischer Stelle offiziell abgesegnet. "Das war nicht die Entscheidung eines Abteilungsleiters", zitierte die SZ einen anonymen Beamten.

Obwohl führende Regierungsmitglieder sofort behauptet haben, sie hätten nichts von solchen Aktivitäten der Agenten gewusst, deutet der Ausdruck "von höchster politischer Stelle offiziell abgesegnet" darauf hin, dass die führenden Regierungsmitglieder - Kanzler Gerhard Schröder (SPD), sein damaliger Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der in dieser Funktion auch die Geheimdienste koordinierte und heute Außenminister ist, sowie sein Amtsvorgänger Joschka Fischer (Grüne) - entweder von den Aktivitäten der BND-Agenten im Irak wussten oder sie sogar persönlich genehmigten.

Der Bericht in Panorama enthüllte einige Details über die Tätigkeit der zwei Agenten. Bei einer ihrer Missionen sollen sie sich an der Zielmarkierung von Saddam Hussein beteiligt haben, um den irakischen Staatschef im April 2003 zu ermorden. Bei einem darauf folgenden US-Luftangriff auf Bagdad - auf Grundlage der Informationen der deutschen Spione - wurden vier 1000 Kilo schwere Bomben abgeworfen. Das Gebäude wurde eingeäschert und mindestens zwölf unschuldige Menschen getötet. Der Panorama -Bericht nennt als Quelle für seinen Bericht einen "früheren Pentagon-Beschäftigten", dem zufolge die deutsche Hilfe "sehr wichtig" für die amerikanische Offensive war. Das Magazin behauptet auch, dass einer der beiden an der Operation beteiligten BND-Mitarbeiter später einen Orden von seinen amerikanischen Kollegen bekam.

Eine Erklärung des BND vom letzten Mittwoch bestätigte die andauernde Anwesenheit seiner Agenten im Irak, bestritt aber, dass sie spezifische Ziele markiert hätten. Nach Darstellung deutscher Geheimdienstmitarbeiter haben sie den Amerikanern Informationen über Örtlichkeiten geliefert, welche die Luftstreitkräfte nicht bombardieren sollten - was einer indirekten Unterstützung bei der Auswahl der Ziele gleichkommt. Steinmeier bestritt, dass der BND "aktive Unterstützung von Kampfhandlungen" geleistet habe, gab aber zu, dass BND-Mitarbeiter im Irak "eigene Erkenntnisse über die Entwicklung im Irak und den Kriegsverlauf" sammelten.

Diese jüngsten Enthüllungen über eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg machen deutlich, wie verlogen die Ablehnung des Krieges durch Kanzler Schröder im Spätsommer 2002 war. Schröders Opposition hatte nichts mit einer prinzipiellen Ablehnung von Angriffskriegen zu tun, sie war eine Reaktion auf die Tatsache, dass der Krieg den deutschen Interessen im Mittleren Osten schadete. Schröder merkte auch, dass er im damaligen Bundestagswahlkampf von der breiten Ablehnung der amerikanischen Kriegspläne durch die deutsche Bevölkerung profitieren konnte.

Angesichts eines großen Rückstands in den Umfragen erklärte Schröder im August 2002, Deutschland werde sich "unter meiner Führung nicht an irgendwelchen Abenteuern beteiligen" und nicht an der Kriegskoalition der USA teilnehmen. Seine Haltung gegen den Krieg gewann damals breite Unterstützung und war entscheidend für seine Wiederwahl im September 2002.

Als die USA ihre Vorbereitungen für eine Invasion verstärkten, erklärte Schröder im Januar 2003, Deutschland - zu jener Zeit nicht-ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat - werde nicht für eine Resolution stimmen, die einen Krieg gegen den Irak legitimiere.

Während sie öffentlich ihre Ablehnung des Krieges bekundete, tat die deutsche Regierung viel zur Unterstützung der USA, als die Invasion des Irak im März 2003 begann. Eine der wichtigsten Militärbasen der USA in Europa war und ist der Luftwaffenstützpunkt im pfälzischen Ramstein. Amerikanische Transportflugzeuge fliegen von dort jeden Tag Munition in den Irak und bringen verwundete US-Soldaten aus dem Irak. Deutsche Soldaten sorgen für die Sicherung der Basis.

Der Transport von Truppen und Material wird von der europäischen Kommandozentrale in Stuttgart koordiniert, und in Grafenwöhr, dem größten Manövergelände des Pentagon in Europa, wurde der Krieg direkt vorbereitet, einschließlich dem Computer-gestützten Manöver "Victory Scrimmage". Die gegenwärtige Besetzung des Irak wäre ohne die Unterstützung der rot-grünen und jetzt der schwarz-roten Koalition undenkbar.

Die rot-grüne Bundesregierung hatte stets erklärt, sie habe keine rechtliche Handhabe, um die amerikanischen Basen zu sperren, und sei durch Bündnisverpflichtungen gebunden. Später bezeichnete das Bundesverwaltungsgericht (in einem Urteil über die Befehlsverweigerung eines Bundeswehroffiziers) diese Haltung als völkerrechtswidrig. Schon die Haager Landkriegsordnung von 1907 verbiete es Staaten, die an bewaffneten Konflikten zwischen anderen Staaten nicht beteiligt sind, ihr Gebiet zum Transport von Truppen oder Versorgungstransporten zur Verfügung zu stellen, heißt es in dem Urteil. "Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt."

Trotzdem hat die deutsche Regierung aber immer an ihrer Ablehnung einer direkten Beteiligung im Irak selbst festgehalten. Durch die jüngsten Enthüllungen ist diese Position unterhöhlt worden. Wie eine anonyme Quelle des BND gegenüber der ARD sagte: "Trotz dem Ärger in der Beziehung zwischen Berlin und Washington wurde die politische Entscheidung getroffen, die enge Beziehung zwischen den Geheimdiensten weiterzuführen."

Was haben Schröder, Fischer und Steinmeier zu verbergen?

Vor den jüngsten Berichte über die Aktivitäten deutscher Spione im Irak wurden deutsche Behörden beschuldigt, sie hätten bei der Entführung und Verschleppung angeblicher Terroristen geholfen, darunter auch des Deutschen libanesischer Herkunft Khaled el-Masri. El-Masri wurde 2001 vom CIA in Mazedonien gekidnappt und nach Afghanistan geflogen, wo man ihn fünf Monate festhielt und verhörte. Masri behauptet, dass bei seinen Vernehmungen durch die CIA auch Deutsche anwesend waren. Er hat den amerikanischen Geheimdienst vor einem US-Gericht verklagt.

In einer Bundestagsdebatte zum Fall el-Masri behauptete Außenminister Frank-Walter Steinmeier, deutsche Behörden hätten nichts mit der Entführung und Einkerkerung Masris zu tun gehabt und erst nach dessen Freilassung davon erfahren.

Laut einem Bericht der Washington Post hatte Daniel Coats, der damalige US-Botschafter in Deutschland, Innenminister Otto Schily im Mai 2004 aber mitgeteilt, dass Masri fälschlich inhaftiert worden sei und sich die deutsche Regierung zu dem Fall ruhig verhalten solle.

Die Opposition hat seither einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Ereignisse rund um die Entführung El-Masris gefordert. Bisher ist ein solcher Ausschuss an den Grünen gescheitert, deren Frontmann Joschka Fischer zur fraglichen Zeit Außenminister war.

Fischer hat erklärt, er sei entsetzt über den jüngsten Bericht in Panorama, sich aber gleichzeitig geweigert, auf die Vorwürfe näher einzugehen. Er meinte nur, er habe "nichts zu verbergen". Es stellt sich die Frage: Was ist das volle Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Geheimdiensten beim Krieg gegen den Irak und dem US-geführten internationalen "Krieg gegen den Terror"? Es ist beispielsweise eine Tatsache, dass US-Agenten im Iran seit der Geiselkrise vor 25 Jahren in ihren Möglichkeiten recht beschränkt waren. Arbeiten deutsche Geheimdienstler gegenwärtig auch im Iran mit ihren amerikanischen Kollegen zusammen?

Die neue Kanzlerin Merkel (CDU) ist gerade zu Gesprächen mit dem US-Präsidenten und seiner Regierung in Washington. Merkel hatte vor ihrer Reise für etwas Überraschung gesorgt, als sie sich für die Schließung des Lagers in Guantanamo Bay aussprach. Es deutet allerdings alles darauf hin, dass die jüngsten Enthüllungen dazu führen werden, dass Bush und Merkel enger zusammenrücken und alle ernsthaften Untersuchungen der kriminellen Praktiken ihrer Regierungen ablehnen.

Unterdessen verteidigte CDU-Fraktionschef Wolfgang Bosbach offen ein Engagement deutscher Agenten im Irak. Er halte die nachrichtendienstliche Tätigkeit des BND im Irak "und eine mögliche Kooperation auch mit amerikanischen Dienststellen (...) nicht für verwerflich oder für kritikwürdig", sagte Bosbach dem Sender n-tv.

Siehe auch:
Kanzlerin Merkel in Washington
(13. Januar 2006)
Der Fall Khaled el-Masri
( 15. Dezember 2005)
Bundesverwaltungsgericht: Irakkrieg war völkerrechtswidrig
( 14. September 2005)
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