LTTE-Verbot der EU verschärft Kriegsgefahr in Sri Lanka

Die Europäische Union hat die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) mit sofortiger Wirkung als terroristische Organisation eingestuft. Die Entscheidung, die am 30. Mai bekannt gegeben wurde, verlangt von den 25 EU- Mitgliedstaaten, Finanzmittel der LTTE einzufrieren, die direkte oder indirekte Finanzierung der LTTE zu verbieten und ein Einreiseverbot gegen Vertreter der LTTE zu verhängen.

Die Entscheidung der EU ist willkürlich. Sie ist politisch motiviert und wird weitere Angriffe auf die demokratischen Rechte von Immigranten in ganz Europa nach sich ziehen. In den zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg in Sri Lanka ist die Zahl der tamilischen Flüchtlinge in ganz Europa auf etwa 300.000 angeschwollen. Jeder, dem Verbindungen zur LTTE unterstellt werden, wird starke Beschränkungen seines Rechts auf politische Betätigung in Europa gewärtigen müssen.

Die LTTE verfolgt die bankrotte Perspektive der Schaffung eines kapitalistischen Ministaates Tamil Eelam und ist für ihre kommunalistische Gewalt bekannt. Aber die Verantwortung für den Krieg auf der Insel liegt eindeutig bei den aufeinander folgenden srilankischen Regierungen, die die tamilische Minderheit systematisch diskriminiert und einen brutalen Krieg geführt haben, um die Vorherrschaft der herrschenden singhalesischen Elite zu verteidigen.

Die Entscheidung der EU, die LTTE als "terroristisch" zu brandmarken, fällt in eine Zeit zunehmender Gewalt in den Kriegszonen im Norden und Osten der Insel. Die Kämpfe haben weiter zugenommen, seitdem Mahinda Rajapakse im vergangenen November zum srilankischen Präsidenten gewählt wurde. Die Erklärung der EU versucht den Anschein von Ausgewogenheit zu erwecken, indem sie die srilankische Regierung auffordert, die "Kultur der Straflosigkeit" in den von ihr kontrollierten Gebieten zu beenden und "die Gewalt einzudämmen". Aber die EU hat weder die Morde der tamilischen paramilitärischen Gruppen, die regierungsfreundlich sind, noch die Unterdrückungsmaßnahmen der srilankischen Sicherheitskräfte gegen die Tamilen verurteilt.

Die EU hat ihre Entscheidung als Teil des Versuchs hingestellt, die LTTE von der Anwendung von Gewalt abzuhalten und zur Teilnahme an neuen Friedensgesprächen zu bewegen. In ihrer Erklärung bezieht sie sich auf ihre Aufforderung vom September vergangenen Jahres, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, die damals mit der Verhängung von Reisebeschränkungen für Vertreter der LTTE in ganz Europa einherging. D.h. die Entscheidung, die LTTE als "terroristisch" zu brandmarken, hat weniger mit dem zu tun, was sie getan hat, als damit, dass sie den Aufforderung der Großmächte, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, nicht nachgekommen ist.

Anstatt Frieden zu schaffen, verstärkt die Sanktion die Gefahr eines völligen Zusammenbruchs der Waffenstillstandsvereinbarung von 2002. Die Entscheidung der EU ist das Ergebnis diplomatischen Drucks der Bush-Regierung, die LTTE international zu isolieren, um sie den Forderungen der USA gefügig zu machen. Die Sanktion erfolgt nur einen Monat, nachdem Kanada, das auch eine große tamilische Exilgemeinde hat, ähnliche Schritte ergriffen hat.

Die EU-Initiative erfolgte auf Aufforderung Washingtons. In Colombo erklärte Donald Camp, ein hoher Beamter des US-Außenministeriums, dem staatlichen Fernsehen am 16. Mai, dass sich die Bush-Regierung für ein Verbot der LTTE durch die EU stark mache. "Wir haben die EU ermutigt, die LTTE auf die Liste zu setzen. Wir glauben, die LTTE verdient dieses Etikett. Wir glauben, das wird helfen, Finanznachschub, Waffenbeschaffung und solche Dinge auszutrocknen", sagte er.

Die nordeuropäischen Länder waren zuerst gegen die Sanktion. Norwegen war der offizielle Mediator des Friedensprozesses und stellt mit Schweden, Dänemark und Finnland das Personal der Sri Lanka Monitoring Mission (Beobachtungsmission Sri Lanka, SLMM), die den Waffenstillstand von 2002 überwacht. Trotz ihrer Bedenken, ihre offizielle Neutralität könne unter der Entscheidung leiden, schwenkten die nordischen EU-Mitglieder schließlich auf die offizielle Linie ein.

Es ist allerdings nicht klar, ob diese Länder die EU-Sanktionen wirklich anwenden werden. Vor der Entscheidung sagte der norwegische Chefunterhändler Erik Solheim den Medien: "Das betrifft Norwegen nicht. Wir richten uns nicht nach der EU-Liste, sondern nach der UN-Liste." Er äußerte sich aber besorgt, "dass Norwegen im srilankischen Friedensprozess womöglich noch mehr isoliert wird". Norwegen ist kein EU-Mitglied.

Ohne Frage haben die EU-Initiative und die Kampagne der USA, die LTTE zu isolieren, die srilankische Regierung zu einer aggressiveren Haltung ermutigt. Rajapakse begrüßte die Entscheidung sofort enthusiastisch. In einem Kommentar mit dem Titel "Zähmt die Tiger" forderte er gestern an prominenter Stelle im Wall Street Journal andere Länder auf, sich dieser Maßnahme anzuschließen. Er behauptete fälschlicherweise, "ein Mann des Friedens" zu sein, und machte gleichzeitig klar, dass er das Ziel verfolgt, im Falle eines erneuten Bürgerkriegsausbruchs den militärischen Nachschub der LTTE zu unterbinden.

"Ich fordere andere Länder auf, sich anzuschließen, besonders Länder im Nahen Osten, wo viele Tamilen arbeiten und wo sie gezwungen werden, den Tamil Tigers illegale Spenden zu geben... Ausländische Regierungen könnten effektiver gegen die illegalen Waffenkäufe der Tamil Tigers in Ländern wie Afghanistan, Osteuropa und den zentralasiatischen Republiken und gegen ihren Waffenschmuggel in Thailand vorgehen", schrieb er.

Rajapakses extremistischen singhalesischen Verbündeten, die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) und die Jathika Hela Urumaya (JHU), die für eine Wiederaufnahme des Krieges agitieren, haben die Entscheidung der EU ebenfalls begrüßt, sie aber als verspätet kritisiert. Ihre Stellungnahme beleuchtet die Tatsache, dass Medien und Politiker in Colombo schon seit Jahren ein Verbot der LTTE durch die europäischen und durch andere Länder fordern. Neu ist nur, dass Washington sich jetzt hinter diese Kampagne gestellt hat.

Die USA treten bisher, zumindest öffentlich, für eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen ein. Bemerkungen des US-Botschafters in Sri Lanka, Jeffrey Lunstead, weisen aber darauf hin, dass sie sich auch auf die Unterstützung eines Kriegs gegen die LTTE vorbereiten. Auf einer Pressekonferenz am 16. Mai in Washington warnte er: "Wenn die LTTE den Weg der Gewalt wählt, wird das negative Konsequenzen haben.... Falls es den Tamil Tigers in den Sinne kommen sollte, eine militärische Offensive gegen die Regierung zu führen, dann werden die USA dafür sorgen, dass das srilankische Militär deutlich überlegen ist."

Der stellvertretende US-Außenminister für Südasien, Richard Boucher, der zu Konsultationen in Colombo weilte, begrüßte gestern die Initiative der EU. Auf die Frage von Medienvertretern, ob Washington militärische Hilfe leisten werde, vermied er eine direkte Antwort, wies aber darauf hin, dass die USA schon jetzt militärisch mit Sri Lanka kooperierten. Das Pentagon bildet srilankisches Militär aus, darunter auch Sondereinheiten, und beteiligt sich an gemeinsamen Terrorismusbekämpfungsprogrammen.

Washingtons Unterstützung für den so genannten Friedensprozess war immer taktisch motiviert. Die Bush-Regierung ist an einem Ende des Kriegs in Sri Lanka in erster Linie deshalb interessiert, weil dieser Krieg ein destabilisierender Faktor für Südasien und besonders für Indien ist, wo die USA wachsende wirtschaftliche und strategische Interessen haben. Wenn es nicht gelingt, die LTTE zu akzeptablen Bedingungen an den Verhandlungstisch zurück zu zwingen, dann könnten sich die USA durchaus für eine Wiederaufnahme des Kriegs entscheiden.

Das EU-Verbot ermutigt die militaristischen Elemente in Colombo und macht dadurch ein Wiederaufflackern des Konflikts wahrscheinlicher. In den internationalen Medien wird die LTTE allgemein als Aggressor hingestellt, in Wirklichkeit hat aber eine unheimliche Koalition aus Anti-LTTE-Milizen, Teilen des Militärs und verschiedenen extremistischen singhalesischen Gruppen eine Provokation nach der anderen durchgeführt, um die Friedensgespräche zu unterhöhlen.

Die Initiative der EU ist ein empfindlicher Schlag gegen die LTTE. Die Tamilen in den EU-Ländern haben, ähnlich denen in Kanada, die LTTE finanziell und politisch beträchtlich unterstützt. Einige Medien und Unternehmen der LTTE und ihrer Anhänger könnten jetzt verboten werden.

Die LTTE hat die EU der Parteilichkeit beschuldigt und vor den Gefahren des Kriegs gewarnt. Chefunterhändler Anton Balasingham von der LTTE erklärte vergangene Woche in der Financial Times : "Je mehr die internationale Gemeinschaft die LTTE isoliert, um so mehr treibt sie die LTTE in eine verhärtete Position." Aber diese Warnung ist nichts weiter als ein Appell an die "internationale Gemeinschaft", sie solle "nicht so voreingenommen" sein.

Die Perspektive der LTTE hat sich immer darauf reduziert, die Unterstützung einer oder mehrerer Großmächte für die Errichtung eines kapitalistischen Ministaates im Norden und Osten der Insel zu gewinnen. Gleich zu Beginn der Friedensgespräche 2002 machte Balasingham klar, dass die LTTE ihre Forderung nach einem eigenen Staat Tamil Eelam fallen lassen würde, wenn die Regierung in Colombo zu einem Machtteilungsabkommen bereit sei.

Die so genannten Friedensgespräche brachen 2003 zusammen, ohne dass ein solches Abkommen auch nur diskutiert worden wäre. Auch die Verhandlungen in Genf im Februar dieses Jahres brachen fast zusammen und ergaben lediglich eine Bekräftigung des geltenden Waffenstillstands. Eine zweite Runde im April kam wegen Meinungsverschiedenheiten über Reisearrangements und wegen zunehmender Gewalt in den Kriegsgebieten nicht zustande. Beide Seiten haben jetzt vorläufig neuen Gesprächen in Oslo für den 8. und 9. Juni zugestimmt, aber selbst massiver internationaler Druck auf die LTTE, weitere wichtige Zugeständnisse zu machen, wird kaum das Abgleiten in einen neuen Krieg verhindern können.

Siehe auch:
Eine sozialistische Antwort auf die Kriegsgefahr in Sri Lanka
(22. März 2006)
Unterstützt die Socialist Equality Party bei den Präsidentschaftswahlen 2005 in Sri Lanka
( 1. November 2005)
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