USA: Oberster Gerichtshof weist Wahlzulassungsklage der SEP zurück

Der Oberste Gerichtshof der USA hat am 1. Juni eine Eingabe von David Lawrence zurückgewiesen. Der Kandidat der Socialist Equality Party für die Kongresswahlen 2004 beanstandete den diskriminierenden Anmeldetermin für unabhängige Kandidaten im Bundesstaat Ohio.

Obwohl es um grundlegende Verfassungsfragen geht, weigerte sich das Oberste Gericht ohne jede Begründung, den Fall David Lawrence gegen J. Kenneth Blackwell, Verwaltungschef von Ohio, überhaupt anzuhören. Vier der neun Richterstimmen hätten genügt, um den Fall zuzulassen.

Die Rechtsanwälte von David Lawrence hatten an das höchste Gericht der Nation appelliert, nachdem ein US-Kassationsgericht die Abgabefrist vom 1. März für Ohio bestätigt hatte. Diese Frist zwingt unabhängige Kandidaten, ihre Unterstützungsunterschriften Monate im voraus in den Wintermonaten zu sammeln, noch vor den Vorwahlen der Demokraten und Republikaner.

Ein dreiköpfiges Berufungsgericht - zwei Richter waren von Bush und einer von Clinton ernannt worden - hatte am 29. November 2005 im Fall Lawrence gegen Blackwell entschieden. In der Urteilsbegründung hieß es, eine Verschiebung der Eingabefrist, die Unabhängigen mehr Zeit für das Sammeln von Unterstützungsunterschriften einräumt, würde Drittkandidaten einen "unfairen" Vorteil gegenüber den zwei großen Parteien verschaffen.

Lawrence hatte damals die Unterschriften von 2.660 Wählern gesammelt, weit mehr als die laut Wahlgesetz erforderlichen 1.695. Er tat dies jedoch erst nach dem unrealistisch frühen Abgabetermin in der Absicht, diese Bestimmung gerichtlich anzufechten. Die Abgabefrist für unabhängige Kongresskandidaten liegt acht Monate vor der Wahl und gehört damit zu den frühesten in den Vereinigten Staaten.

Am 14. Juni 2004 reichten Lawrence und Yifat Shilo, ein Wähler im ersten Wahlbezirk, dann eine Klage vor dem US-Bezirksgericht ein und fochten die Abgabefrist vom 1. März aus verfassungsrechtlichen Gründen an. Damals sagte Lawrence der World Socialist Web Site : "Das Parlament von Ohio hält an einer undemokratisch frühen Abgabefrist fest, um das politische Monopol der zwei großen Parteien zu verteidigen. Es versucht, dritten Parteien einen Platz auf dem Wahlzettel zu verweigern, um jede politische Diskussion im Keim zu ersticken und sicherzustellen, dass Gegner von Krieg, Arbeitsplatzabbau und sozialer Ungleichheit kein Gehör bekommen."

Lawrences Rechtsanwalt stützte sich vor allem auf die Entscheidung des Obersten Gerichts im Fall Anderson gegen Celebrezze, die eine ähnlich frühe Abgabefrist für unabhängige Präsidentschaftskandidaten in Ohio beseitigte. Damals hatte der Abgabetermin für unabhängige Präsidentschaftskandidaten 75 Tage vor den Vorwahlen der großen Parteien gelegen. Das Gericht entschied, dass ein Abgabetermin vor der Nominierung der Kandidaten der beiden großen Parteien im Kern unfair sei, insbesondere weil er die Möglichkeit ausschließe, dass Wähler einen anderen Kandidaten oder eine andere Partei unterstützen, wenn sie mit jenen der Demokraten und Republikaner nicht einverstanden sind.

Nach dem Urteil im Fall Anderson verschob Ohio die Abgabefrist für unabhängige Präsidentschaftskandidaten auf den 19. August, fast ein halbes Jahr nach dem Termin vom 1. März für unabhängige Kongresskandidaten. Die Behörden weigerten sich aber, die Frist für unabhängige Kongresskandidaten entsprechend anzugleichen. Stattdessen legten sie das Datum der Vorwahlen der großen Parteien auf den zweiten März, einen Tag nach dem Anmeldetermin für unabhängigen Kongresskandidaten.

Das US-Bezirksgericht und später das US-Appellationsgericht ignorierten die Verfassungsfragen, die durch den Fall Lawrence aufgeworfen werden, und hielten an der Frist vom 1. März fest. Sie unterstützen so das Scheinargument des republikanischen Verwaltungschefs von Ohio, Kenneth Blackwell, Ohio behandle damit die Unabhängigen gleich, weil ihre Abgabefrist ungefähr auf den gleichen Zeitpunkt falle wie die Vorwahlen der großen Parteien.

In seiner Stellungnahme für das Oberste Gericht ging Lawrences Anwalt Mark Brown, der aus Columbus (Ohio) stammt und an der dortigen Universität Jura lehrt, auf diese Behauptung ein. Er griff Blackwells Argument an, Wahlgleichheit entspreche der natürlichen Ordnung der Dinge, und mehr Zeit für Drittkandidaten würde diesen "einen ungerechtfertigen Vorteil" verschaffen. "Das ist nicht zu rechtfertigen, und kein vernünftiges Gericht würde das fordern", sagte er.

Brown betonte, diese Behauptung einer "Gleichbehandlung" sei bereits von mehreren US-Gerichten zurückgewiesen worden. Zum Beispiel habe das Vierte Kassationsgericht 1990 solche Bestimmungen in South Carolina abgeschafft und erklärt, gleiche Fristen führten "nur oberflächlich zu ‚Gleichheit’". Die zwei Arten von Kandidaturen "sind auf eine Weise ungleich, dass gleiche Erfordernisse für beide nicht zu einer Gleichbehandlung führen würde", entschied das Vierte Berufungsgericht.

In ähnlicher Weise habe das Elfte Berufungsgericht 1991 gegen die April-Anmeldefrist für kleine Parteien in Alabama geurteilt und erklärt: "Niemand kann ernsthaft behaupten, für die Wahrung legitimer staatlicher Interessen sei eine Eingabefrist sieben Monate vor den Wahlen für die kleinen Parteien und ihre Kandidaten erforderlich."

Brown sagte der World Socialist Web Site : "Man kann die Hürden, die Unabhängige überwinden müssen, nicht mit denen der großen Parteien vergleichen. Es gibt keine Gleichbehandlung. Die meisten Demokraten und Republikaner sind automatisch für eine Kandidatur qualifiziert. Sie haben Sonderregeln, die auf Unabhängige nicht angewendet werden."

Der Anwalt, der 2004 den ebenfalls unabhängigen Kandidaten Ralph Nader gegen Blackwell vertreten hatte, erklärte: "Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Kandidaten schon vor März feststehen müssen. Das dient ausschließlich dem Schutz des Zweiparteiensystems. Aber in den Staatsparlamenten findet man keine Unterstützung, weil sie von Demokraten und Republikanern kontrolliert werden. Auch der Staat und die Bundesgerichte sind nicht begeistert über Außenseiter, denn auch die Richter gehören den zwei Parteien an.

Diese Frist dient nur dazu, unsre Kampfansage an das Zweiparteiensystem auf Eis zu legen. Der Zwang, die Unterschriften bis zum 1. März einzureichen, stellt einen unfairen Nachteil für Unabhängige dar. Sie müssen im Winter Tausende Unterschriften sammeln, und dies oftmals von Tür zu Tür, weil die Einkaufszentren sie nicht sammeln lassen."

Neben dem Angriff auf David Lawrence und den Bemühungen, Nader von der Wahl fernzuhalten, war Blackwell 2004 auch für den Versuch verantwortlich, die Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten der SEP, Bill Van Auken und Jim Lawrence, an einer Kandidatur in Ohio zu hindern, obwohl die Partei Tausende Unterschriften gesammelt und sämtliche juristischen Bedingungen erfüllt hatte.

Während der Wahl machte Blackwell dann durch den Versuch von sich reden, das Wahlrecht in Ohio einzuschränken. Er trug viel dazu bei, dass der Bundesstaat an George Bush ging. Mittlerweile ist der damalige Verwaltungschef republikanischer Anwärter auf das Amt des Gouverneurs von Ohio.

Die Weigerung des Obersten Gerichts, den Fall Lawrence anzuhören, ist Bestandteil der reaktionären Angriffe auf das Wahlecht, die dieses Gerichts seit über zehn Jahren führt. Dazu gehört auch die Entscheidung, im Jahr 2000 die Nachzählung in Florida zu stoppen, was damals die Präsidentenwahl zugunsten von George Bush entschied.

Laut Richard Winger, dem Herausgeber von Ballot Access News (Wahlzulassungs-Nachrichten), bemüht sich das Oberste Gericht seit 1992, als der unabhängige Präsidentschaftskandidat Ross Perot Millionen von Stimmen erhielt, ständig, die Rechte unabhängiger Kandidaten einzuschränken und so den Wählern eine Alternative zum Zweiparteiensystem vorzuenthalten. "Jedes Mal, wenn wir in den unteren Instanzen gewinnen", sagte Winger, "revidiert das Oberste Gericht das Urteil auf Antrag der Bundesstaaten. Verlieren wir einen Fall in den unteren Instanzen, weigern sich die Richter des Obersten Gerichts, unsere Berufung anzuhören."

Laut Winger kassierte das Oberste Gericht drei Urteile unterer Instanzen, die den Wahlzugang erleichterten, "darunter eines, das öffentliche Fernsehanstalten verpflichtete, sämtliche Kandidaten zu ihren Debatten einzuladen".

Das Vorgehen des Obersten Gerichts ist Bestandteil einer allgemeinen Tendenz, den Zugang zur Wahl und die Rechte der Wähler überall im Land einzuschränken. Sowohl auf Bundes- wie auf Staatsebene werden neue Gesetze durchgesetzt, die es den Wählern erschweren, sich registrieren zu lassen, ihre Stimme abzugeben und sicherzustellen, dass die Stimme gezählt wird. Solche Maßnahmen zielen besonders auf Arme und Wähler aus der Arbeiterklasse ab.

Diese Angriffe auf das Wahlrecht und auf das Recht unabhängiger und Drittkandidaten, an Wahlen teilzunehmen, zeigen in aller Schärfe den Niedergang der amerikanischen Demokratie. Das gesamte politische System wird von einer wohlhabenden Elite dominiert, deren Interessen denen der Mehrheit so diametral entgegengesetzt sind, dass sie ihre Ziele nicht mehr im Rahmen eines demokratischen Konsens’ erreichen können und stattdessen immer mehr zu autoritären Herrschaftsformen greifen.

Je stärker die reaktionäre Kriegspolitik und die Angriffe auf die Arbeiterklasse die Wählerbasis der zwei kapitalistischen Parteien untergraben, desto furchtsamer und feindlicher reagieren Demokraten und Republikaner auf jede politische Herausforderung, besonders wenn sie von Sozialisten kommt, die sich bemühen, die Interessen und Hoffnungen der arbeitenden Bevölkerung zu artikulieren. Das unterstreicht die Bedeutung der politischen Kampagne der Socialist Equality Party für die Wahlen 2006. Sie verfolgt das Ziel, eine mächtige politische Bewegung der Arbeiterklasse und eine sozialistische Alternative zum Zweiparteiensystem aufzubauen.

Siehe auch:
Berufungsgericht von Ohio bestätigt Ausschluss von SEP-Präsidentschaftskandidaten
(9. Oktober 2004)
Bundesstaat Ohio versucht Kandidatur der SEP zu verhindern
( 14. September 2004)
Ohio: Gericht entscheidet gegen Kandidatur der Socialist Equality Party
( 27. August 2004)
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