Die neue italienische Regierung

Hochburg der Rechten mit roten Gardinen

Fünfeinhalb Wochen nach der Parlamentswahl ist am Mittwoch die neue italienische Regierung vereidigt worden.

Die Regierungskoalition reicht von gemäßigten Christdemokraten über Liberale, Grüne, Sozialdemokraten, Linksdemokraten (die Nachfolger der Kommunistischen Partei) bis zu den Italienischen Kommunisten und der Kommunistischen Neugründung (Rifondazione). Um die Ansprüche aller acht Regierungsparteien zu befriedigen, vergab Regierungschef Romano Prodi insgesamt 25 Ministerposten, einen mehr als sein Vorgänger Silvio Berlusconi. Sind auch noch die stellvertretenden Minister und Staatssekretäre ernannt, wird die Regierung weit über hundert Köpfe zählen.

Das Schwergewicht bilden die Linksdemokraten mit insgesamt neun und die bürgerliche Margherita mit sieben Kabinettsposten. Die kleineren Parteien mussten sich mit jeweils einem Amt zufrieden geben. Das Wahlversprechen, einen Drittel der Ministerposten mit Frauen zu besetzen, löste Prodi nicht ein. Im Kabinett sind nur sechs Frauen vertreten, und von ihnen verfügt nur eine, Gesundheitsministerin Livia Turco von den Linksdemokraten, über ein eigenes Ressort.

Trotz der Buntscheckigkeit der Regierung sind die Schlüsselministerien fest in den Händen von Prodis Vertrauensleuten, die für eine rechte, wirtschaftsnahe und EU-freundliche Politik garantieren. Während unbedeutende Ministerien zweigeteilt wurden, um alle Ansprüche zu befriedigen, bleiben das Wirtschafts- und das Finanzministerium in einer Hand. Die Verantwortung übernimmt der 66-jährige Tommaso Padoa-Schioppa. Er ist wie Prodi selbst parteilos und ein Vertrauensmann des europäischen Finanzkapitals.

Padoa-Schioppa, der über ein Diplom des amerikanischen MIT verfügt, hat praktisch seine gesamte berufliche Laufbahn in den Chefetagen von Zentralbanken absolviert. Im Alter von 28 Jahren trat er der Bank von Italien bei. Elf Jahre später, 1979, wechselte er als Generaldirektor für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten in die europäische Kommission. Vier Jahre danach kehrte er an die italienische Nationalbank zurück. 1997 übernahm er für ein Jahr die Aufsicht über die italienische Börse. Anschließend gehörte er sieben Jahre lang dem Direktorium der Europäischen Zentralbank an.

Der neue Wirtschafts- und Finanzminister genießt das uneingeschränkte Vertrauen der internationalen Finanzmärkte. Seine Aufgabe besteht darin, das überbordende Haushaltsdefizit (es liegt zurzeit mit 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weit über dem EU-Kriterium von 3 Prozent) zurückzuführen und die lahmende italienische Wirtschaft wieder anzukurbeln. Es ist bereits abzusehen, dass alle sozialen Projekte der Regierung diesen Zielen untergeordnet werden und alle Reformversprechen dem Veto des Finanzministers unterliegen.

Das Innenministerium, zuständig für Italiens kafkaesken Polizei- und Sicherheitsapparat, geht ebenfalls an einen alten Vertrauensmann der herrschenden Elite. Der 68-jährige Jurist Giuliano Amato gehörte seit Ende der 1980er Jahre verschiedenen Regierungen an und war sogar zwei Mal Ministerpräsident: Von 1992 bis 1993, auf dem Höhepunkt der Korruptionsskandale, die das alte Parteiensystem zum Einsturz brachten, und dann wiederum von 2000 bis 2001.

Amato machte in der Sozialistischen Partei Bettino Craxis politisch Karriere und galt lange Zeit als Craxis rechte Hand. Dieser war seinerseits eng mit Silvio Berlusconi befreundet, der in der Craxi-Hochburg Mailand unter der schützenden Hand des Sozialisten-Chefs die Grundlagen für sein Milliardenvermögen und sein Medienimperium legte. Vor Craxis Fall hatte sich Amato von ihm distanziert. Obwohl er in der europäischen Sozialdemokratie nach wie vor eine führende Rolle spielt, gehört er der neuen Regierung als Parteiloser an.

An der Spitze des Justizministeriums steht ebenfalls ein Mann, der Kontinuität garantiert - zur Ära Berlusconi. Die hemmungslosen Tiraden des bisherigen Regierungschefs gegen die Justiz, die er als "rote Roben" und verkappte Kommunisten beschimpfte, gehörten zu den skandalösesten Seiten seiner Amtszeit. Der neue Justizminister Clemente Mastella, Chef der christdemokratischen Union Demokraten für Europa (UDEUR), steht Berlusconi in dieser Hinsicht kaum nach.

Mastella hat der Justiz unter anderem vorgeworfen, sie habe durch ihre Nachforschungen ein "Klima des Schreckens" erzeugt. Wie Berlusconi hat auch er einiges zu verbergen. So soll er nach Angaben des Journalisten Marco Travaglio Trauzeuge eines Mafioso gewesen sein, der den Paten der Paten Bernardo Provenzano mit falschen Papieren ausstattete.

Laut Zeitungsberichten soll Mastella erst zu seinem Posten gekommen sein, nachdem die UDEUR Prodi mit dem Austritt aus der Koalition gedroht hatte.

Weit rechts steht auch Francesco Rutelli, der Chef der Partei Margherita, der zum Vizepremier und Kulturminister ernannt wurde. Zum Bereich Kultur gehört auch der Tourismus, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Italiens.

Mit 51 Jahren ist Rutelli in der Altherrenriege der italienischen Regierung zwar noch ein Jüngling. Dennoch blickt auch er auf eine lange, windungsreiche politische Karriere zurück. Sie begann in der libertären Radikalen Partei, für die er als 29-Jähriger ins Parlament einzog. 1992 gründete er eine Umweltpartei und wurde - für einen Tag - Umweltminister. Von 1993 bis 2001 war er Bürgermeister Roms und verabschiedete sich endgültig von jeder Form des Radikalismus. Mittlerweile ist der einstige Libertäre eng mit Camillo Ruini, befreundet, dem Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz, und wirbt für die Familienpolitik des Vatikans.

Auf europäischer Ebene ist Margherita Mitglied der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, der auch die deutsche FDP, die englischen Liberaldemokraten und die französische UDF angehören.

Auch das Verteidigungsministerium wird von einem Margherita-Mann geführt, der außerdem ein enger Vertrauter des Regierungschefs ist: Vom 65-jährigen Arturo Parisi.

Außenministers und mit Rutelli gleichberechtigter Vizepremier ist Massimo D’Alema. Das Führungsmitglied der Linksdemokraten hatte zuvor schon Interesse am Amt des Parlamentspräsidenten und des Staatspräsidenten gezeigt. Parlamentspräsident wurde dann aber Fausto Bertinotti von Rifondazione, Staatspräsident der 81-jährige Linksdemokrat Giorgio Napolitano, der auch im rechten Lager Unterstützung genießt. Mit dem Außenministerium ist D’Alema nun durch ein anderes schwergewichtiges Amt entschädigt worden.

Der 57-jährige Spross einer kommunistischen Funktionärsfamilie war mit 14 Jahren dem kommunistischen Jugendverband beigetreten und hatte später die Leitung der KP-Tageszeitung Unità übernommen. Ähnlich wie zahlreiche osteuropäische Jugendfunktionäre begrüßte D’Alema den Zusammenbruch der Sowjetunion als willkommene Gelegenheit, die Lippenbekenntnisse zum Kommunismus aufzugeben und eine ehrgeizige Karriere im bürgerlichen Establishment zu beginnen. 1994 übernahm er den Vorsitz der Linksdemokraten. 1998 trat er Prodis Nachfolge als Ministerpräsident an der Spitze einer Mitte-Links-Koalition an.

D’Alema gilt als gerissen und zynisch. An der Spitze der Regierung verfolgte er einen derart rechten Kurs, dass sich der Wirtschaftsmanager Guido Bossi zur Bemerkung veranlasst sah, unter ihm sei der Regierungssitz "zur einzigen Handelsbank geworden, in der man nicht Englisch spricht". Eine vernichtende Niederlage bei den Regionalwahlen zwang D’Alema nach zwei Jahren zum vorzeitigen Rücktritt. Seinen Rechtskurs hat er deshalb nicht geändert.

D’Alemas Ernennung hat in pro-israelischen Kreisen Kritik ausgelöst, weil er sich in der Vergangenheit kritisch über Israel und zugunsten der Palästinenser geäußert hatte. Ein grundlegender außenpolitischer Kurswechsel oder gar eine ernsthafte Opposition gegen die Nahostpolitik der USA ist von D’Alema aber nicht zu erwarten. Dazu ist er viel zu anpassungsfähig und zu wetterwendisch.

Bei allen Spannungen mit Washington verfolgt auch die Europäische Union eine pro-israelische Linie. Und dass sich die neue Regierung wieder stärker an Brüssel orientieren wird als ihre Vorgängerin, steht außer Zweifel. Dafür steht nicht nur D’Alema, der Italien eine Zeit lang im Europaparlament vertrat, sondern vor allem Regierungschef Prodi und seine engsten Vertrauten, die alle Spitzenämter in Brüssel ausgeübt haben: Prodi als Präsident der EU-Kommission, Innenminister Amato als Vize-Präsident des europäischen Verfassungskonvents und Padoa-Schioppa als europäischer Zentralbanker.

Sie haben in Brüssel eine Politik im Interesse der großen europäischen Konzerne verwirklicht, die in der arbeitenden Bevölkerung ganz Europas auf breite Ablehnung stößt. Amato hatte US-Präsident Bush 2004 in einem persönlichen Brief auch ausdrücklich versichert, dass sich "ein starkes Europa in einem starken Bündnis" nicht gegen die Interessen der USA richte, sondern "im langfristigen Interesse der Vereinigten Staaten" sei.

Der Kurs Prodis unterscheidet sich nur in Nuancen von dem seines Vorgängers Silvio Berlusconi oder anderer europäischer Regierungschefs, wie Angela Merkel in Deutschland oder Jacques Chirac in Frankreich. Auf sich gestellt würde er in der Bevölkerung kaum Unterstützung finden. Um sich einen fortschrittlichen und linken Anstrich zu geben, ist seine Regierung auf die Italienischen Kommunisten und auf vor allem auf Rifondazione angewiesen. Diese Parteien dienen ihr als rotes Aushängeschild. Sie spielen eine Schlüsselrolle dabei, die Regierung Prodi im Parlament und in der Öffentlichkeit zu stützen.

Rifondazione hat mit einem Stimmenanteil von 5,8 Prozent in der Abgeordnetenkammer und 7,4 Prozent im Senat wesentlich zum Wahlsieg des Prodi-Lagers beigetragen. Als Parlamentspräsident sorgt der Vorsitzende der Partei, Fausto Bertinotti, jetzt dafür, der Regierung den Rücken freizuhalten. Auch in der Regierung selbst ist Rifondazione mit einem Minister vertreten. Paolo Ferrero leitet das Sozialministerium.

Vor drei Jahren hatte die World Socialist Web Site das Führungsmitglied von Rifondazione in Rom interviewt. Die Partei galt damals Vielen in Europa als leuchtendes Vorbild für eine große, linke Sammelpartei. Ferrero selbst wurde nicht müde, seine Opposition gegen den - wie er es nannte - "globalen Neoliberalismus" zu betonen.

Was er sonst sagte, war reinster Opportunismus. Wir kommentierten damals: "Je weiter sich das Gespräch mit Ferrero entwickelte, desto deutlicher trat die Unfähigkeit von Rifondazione zutage, in irgend einer Frage einen grundsätzlichen Standpunkt einzunehmen und dafür zu kämpfen. Ihre Politik beschränkt sich auf eine Serie taktischer Manöver." Nun sitzt Ferrero als Minister in einer Regierung, die sich ganz dem Neoliberalismus und den Interessen der großen europäischen Konzerne verschrieben hat.

Siehe auch:
Prodis linke Krücke: Bertinotti ist italienischer Parlamentspräsident
(4. Mai 2006)
Prodi-Bündnis gewinnt italienische Wahlen mit hauchdünner Mehrheit
( 12. April 2006)
Interview mit Paolo Ferrero von Rifondazione Comunista
( 15. März 2006)
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