USA verbinden Todesurteil gegen Saddam Hussein mit der Rehabilitierung seiner Schergen

Das Todesurteil gegen Saddam Hussein wegen Verbrechen gegen das irakische Volk war keine 24 Stunden alt, da schlug die von den USA geschaffene Entbaathifizierungs-Kommission vor, mehr als 28.000 mittleren Funktionären des Hussein-Regimes die Rückkehr auf ihre Posten im irakischen Staatsapparat zu erlauben. Der Chef der Kommission, der schiitische Politiker Ali al-Lami, sagte gegenüber den Medien: "Wir werden diese Vorschläge dem Parlament in den nächsten Tagen vorlegen."

Die Baath-Partei, deren 1,5 Millionen Mitglieder zu mindestens 75 Prozent sunnitische Araber waren, wurde kurz nach der US-Invasion 2003 verboten, und mehr als dreißigtausend Baath-Mitglieder durften nicht mehr beim Staat beschäftigt werden. Der Gesetzentwurf der Entbaathifizierungs-Kommission schlägt jetzt vor, diese Zahl auf 1.500 zu senken.

Diese Maßnahme ist von zentraler Bedeutung für die von Washington angestrebte "Kurskorrektur": Dabei wird mit Teilen der sunnitischen Elite ein Kuhhandel abgeschlossen, um den hauptsächlich von Sunniten getragenen Aufstand abzuschwächen. Der Deal geht auf Kosten der fundamentalistischen Schiiten-Parteien, die zurzeit die Marionettenregierung von Ministerpräsident Nouri al-Maliki dominieren. Das Gesetz würde viele Personen rehabilitieren, die für das reibungslose Funktionieren des baathistischen Staates verantwortlich waren.

Zeitgleich mit dem Todesurteil gegen Hussein, das den innenpolitischen Bedürfnissen Bushs dient, bemüht sich das Weiße Haus um die Reaktivierung der Beamten, auf die sich Husseins diktatorisches Regime stützte. Und das mit demselben Ziel der gewaltsamen Unterdrückung jeglicher Opposition gegen ihre Herrschaft im Irak.

Die taktische Hinwendung zu den ehemaligen Baathisten und der sunnitischen Elite wurde am 24. Oktober von US-Botschafter Zalmay Khalilzad und General George Casey angekündigt und von Bush selbst wenige Tage später auf einer Pressekonferenz weiter ausgeführt. Neben der Rehabilitierung baathistischer Staatsdiener drängen die USA auch auf ein Amnestieangebot für bedeutende Teile der sunnitischen Aufständischen, die gegenwärtig einen Guerillakrieg gegen das amerikanische Militär führen.

Der Sprecher des amerikanischen Außenministeriums David Satterfield bestätigte vergangenen Monat, dass die Bush-Regierung in Diskussionen mit Vertretern der sunnitischen Aufständischen stehe. Auf einer Pressekonferenz am 26. Oktober sagte er: "Wie wir erklärt haben, stehen wir in Kontakt mit Leuten, die behaupten, für den Aufstand zu sprechen oder ihn zu repräsentieren, für die Aufständischen, diejenigen die an dem Aufstand beteiligt sind. Wir stehen in Kontakt mit ihnen, um herauszufinden, ob sie glaubwürdig ein Ende der Gewalt vermitteln können, ob sie in der Lage und bereit sind, die Gewalt zu beenden und sich am politischen Prozess zu beteiligen."

Die Wende bei der Entbaathifizierung spielt eine Schlüsselrolle bei einem solchen Deal. Für ein Ende der Kämpfe bietet die amerikanische Besatzungsmacht einen Anteil an der Macht und Privilegien. Ammar Wahih, ein Sprecher der größten legalen sunnitischen Organisation, der Irakisch Islamischen Partei, lobte die Erklärung vom Montag als eine Entscheidung, die "dem Land Stabilität bringen und Brücken zwischen dem Widerstand und den Amerikanern schlagen könnte".

Die Haltung der Bush-Regierung zum überwiegend sunnitischen Establishment der Baath-Partei hat in den vergangenen drei Jahren mehrere Wendungen erlebt. In den ersten drei Monaten wurden diese Leute brutal verfolgt. Die Armee wurde aufgelöst. 30.000 Beamte sowie das gesamte Offizierscorps vom Obersten aufwärts durften keine Positionen im neuen Staat einnehmen.

Bush verurteilte den Aufstand als Werk "baathistischer Überreste", sowie al-Quaedas und "ausländischer Terroristen". Baathisten wurden zu Tausenden zusammen getrieben, viele wurden misshandelt und in Gefängnissen wie Abu Ghraib gefoltert. Der Plan für die Besatzung der USA beschränkte sich ausschließlich darauf, das irakische Volk durch die Verbreitung von "Angst und Schrecken" zur Unterwerfung zu zwingen.

Die Zerstörung des baathistischen Staates und der Versuch, ihn durch ein auf schiitische und kurdische Parteien gestütztes Marionettenregime zu ersetzen, hat jedoch zu einer militärischen und politischen Katastrophe für die imperialistischen Interessen der USA geführt. Zusätzlich zum Aufstand von Sunniten und Schiiten gegen die US-Besatzung hat sie unvermeidlich religiös motivierte Massaker ausgelöst.

Nach der Zerstörung der schiitischen Al-Askarija Moschee am 22. Februar 2006 mündete die Gewalt in einen immer schlimmeren Bürgerkrieg. Schiitische Milizen eröffneten ein Pogrom gegen Sunniten. Zehntausende Sunniten und Schiiten wurden seither in gegenseitigen Vergeltungsschlägen getötet, Hunderttausende mussten aus ihren Häusern fliehen.

Das Blutvergießen hat die Behauptung der Bush-Regierung ad absurdum geführt, sie habe dem Irak "Demokratie" gebracht. Es hat ihren Plänen, die Ölreserven des Landes auszubeuten und dauerhafte Militärstützpunkte einzurichten, einen schweren Schlag versetzt. Stattdessen liegt die gesamte Wirtschaft am Boden. Bagdad versinkt in sektiererischen Morden, und Zehntausende US-Soldaten sind im Zentralirak durch den Kampf gegen die sunnitische Guerilla gebunden. Ein großer Teil der von den USA aufgebauten irakischen Armee fühlt sich nicht dem irakischen Staat verpflichtet, sondern schiitischen und kurdischen Parteien.

Die Politik der Bush-Regierung hat zu einer derart katastrophalen Lage geführt, dass sogar die Irak-Studiengruppe beider großer Parteien, die vom republikanischen Strippenzieher James Baker und andern Prominenten des amerikanischen Establishments geführt wird, nach einem "Kurswechsel" ruft.

Mehr und mehr schält sich der Konsens heraus, den amerikanischen Interessen wäre am besten gedient, wenn in Bagdad wieder ein autoritäres Regime eingesetzt würde, das sich nicht grundlegend vom Regime Husseins unterscheidet. In den vergangenen Monaten sickerten immer wieder Informationen durch, wonach die Bush-Regierung daran arbeitet, die Maliki-Regierung durch eine Militärjunta der "nationalen Rettung" zu ersetzen.

Die jetzige US-Regierung gelangt inzwischen zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie Bushs Vater während des ersten Golfkriegs von 1990-91. Damals entschied Präsident Bush Senior, Husseins Polizeistaat intakt zu lassen, als bestgeeigneten Mechanismus, die komplexen demokratischen, nationalen und sozialen Gegensätze im Irak und im Nahen und Mittleren Osten unter Kotrolle zu halten. Die neue Politik versucht wieder ein solches Regime mit der gleichen Aufgabe aufzubauen, nur ohne Hussein.

Das erfordert die brutale Unterdrückung der Milizen, die von den wichtigsten schiitischen Parteien in Malikis Regierung unterhalten werden. Es betrifft insbesondere die Mahdi-Armee der Schiiten-Bewegung, an deren Spitze der Prediger Moktada al-Sadr steht, und die Badr-Brigaden des Obersten Rates der islamischen Revolution im Irak (SCIRI).

Der Absicht Washingtons, die Schiiten-Milizen zu zerstören, liegen zwei Überlegungen zugrunde.

Erstens wird die Rückkehr prominenter Baathisten bei den schiitischen Massen, die jahrzehntelang durch den Baathisten-Staat blutig unterdrückt wurden, bittere Entrüstung hervorrufen. Die Forderung, die Mahdi-Armee in den riesigen schiitischen Arbeitervierteln Bagdads zu unterdrücken, zielt vor allem darauf ab, die Opposition der Bevölkerung gegen diese Kurswende unter Kontrolle zu halten.

Zweitens hat die Bush-Regierung auch einen "Regimewechsel" im Iran auf ihrer Tagesordnung. Bei jeder Konfrontation mit dem Iran wären die Baathisten, die von 1980-88 einen blutigen Krieg gegen den Iran führten, weit verlässlichere Verbündete als die verschiedenen schiitischen Parteien, die alle enge Verbindungen zu Teheran haben.

Einige der grobschlächtigsten Argumente für einen "Kurswechsel" im Irak kommen von Ralph Peters, einem glühenden Befürworter der Invasion von 2003 und Mitglied des "Projekts für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert". Am 26. Oktober schrieb er einen Artikel unter der Überschrift "Tötet Moktada jetzt" für die New York Post in dem es hieß:

"Als erstes müssen wir Moktada al-Sadr töten, der heute eine größere Bedrohung für unsere strategischen Ziele ist, als Osama bin Laden.... Wir müssen Moktada töten und nicht gefangen nehmen, und dann jeden Kämpfer töten, der sich auf der Straße zeigt, um ihn zu rächen.... Die Reaktion der Gutmenschen ist vorhersehbar. ‚Wir können die Situation nicht retten, indem wir immer mehr töten!’ Gut gebrüllt Löwe. Freundliche Überredung und Milliarden Dollar haben aber nicht zum Ziel geführt. Geben wir der therapeutischen Gewalt eine Chance."

Peters ließ seinem Aufruf zur Ermordung al-Sadr’s am 1. November eine Kolumne folgen, in der er schrieb: "In den kommenden Monaten könnte es sich erweisen, dass die einzige Hoffnung auf eine Stabilisierung der Lage eine Militärregierung ist. Er hört sich unschön an, aber ein von den USA unterstützter Putsch könnte die einzige Alternative zu endloser Anarchie sein. Araber können sich immer noch nicht selbst demokratisch regieren. Das ist die erschreckende Lehre aus unserem Irak-Experiment. Ein Militärregime könnte in der Lage sein, die Ordnung wieder herzustellen und den gemeinen Mann zu schützen."

Mit der Entscheidung, die Entbaathifizierung zurückzufahren, signalisiert Ministerpräsident Maliki der Bush-Regierung, dass er seine bisherigen Vorbehalte fallen gelassen hat und die schiitischen Parteien bereit sind, ein neues Machtteilungsarrangement auszuhandeln. Die ersten Opfer eines solchen Deals könnten Tausende junge schiitische Milizionäre sein.

Die Ankündigung unterstreicht erneut den heuchlerischen Charakter des Hussein-Urteils. Er wird im gleichen Moment für das Töten von 148 schiitischen Gegnern seines Regimes im Jahre 1982 zum Tode verurteilt, in dem Washington plant, Tausende von Baath-Funktionären in den Apparat seines Marionettenstaats aufzunehmen und ein Massaker an den schiitischen Gegnern der US-Besatzung anzuzetteln.

Siehe auch:
Todesurteil gegen Saddam Hussein: Ein Hohn auf die Gerechtigkeit
(7. November 2006)
In Washington wird die Forderung nach einem "Kurswechsel" in der Irakpolitik immer lauter
( 24. Oktober 2006)
Der Lynchprozess gegen Saddam Hussein beginnt
( 22. Oktober 2005)
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