Ein Zeichen politischer Krise: Parteien in Sri Lanka bilden Koalition

Die beiden wichtigsten Parteien des Establishments in Sri Lanka - die regierende Sri Lanka Freedom Party (SLFP) und die oppositionelle United National Party (UNP) - haben vergangene Woche zum ersten Mal eine formelle Koalitionsvereinbarung unterzeichnet. Wirtschaftsführer und Medien priesen die Große Koalition als eine "Epoche machende Errungenschaft". In Wirklichkeit ist sie ein weiteres Zeichen für die tiefe politische Krise des Landes.

Die SLFP und die UNP waren mehr als fünfzig Jahre lang bittere Rivalen um die Macht und haben es bisher immer abgelehnt, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Die herrschenden Kreise hoffen verzweifelt, dass diese neue politische Formation auf irgendeine Art und Weise den eskalierenden Bürgerkrieg beendet und dafür sorgt, dass das Programm von Marktreformen beschleunigt und damit Auslandsinvestitionen gefördert werden.

Der Generalsekretär der SLFP, Maithripala Sirisena, und der Vorsitzende der UNP, Malik Samarawickrama, unterzeichneten am 23. Oktober in Temple Trees, der offiziellen Residenz des Präsidenten, eine Einverständniserklärung. In dem auf zwei Jahre begrenzten Abkommen sagt die UNP zu, die Regierung bei der "Lösung" von vier zentralen Problemen zu unterstützen: dem "Konflikt im Norden und Osten", der Wahlreform, der Einführung von "verantwortungsbewusster Regierungsführung" und der sozialen Entwicklung.

Die "Struktur für die Zusammenarbeit" muss zwischen Rajapakse und UNP-Führer Ranil Wickremesinghe noch genau ausgearbeitet werden. Ein Teil der UNP-Führung, Wickremesinghe eingeschlossen, hat starke Vorbehalte, Kabinettsposten zu übernehmen. Sie wissen genau, dass die Partei durch eine unpopuläre Politik zwangsläufig Feindschaft auf sich ziehen wird. Im Moment schlägt Wickremsinghe vor, die UNP solle auf den Oppositionsbänken bleiben.

Beide Parteiführer sind sich bewusst darüber, was auf dem Spiel steht. Bei der Feier anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens warnte Rajapakse: "Verhindern wir, dass dieses Land wegen der Differenzen zwischen den politischen Parteien in den Abgrund rutscht." Wickremesinghe sagte später auf einer Pressekonferenz, dass in "einer Krise, in der das Schicksal des Volkes auf dem Spiel steht, die Opposition und die Regierung zusammenarbeiten. Es kommt sehr selten vor, dass eine Opposition die Regierung unterstützt... Aber wir sind jetzt in einer derart kritischen Phase der Geschichte unseres Landes angelangt."

Im Zentrum der Krise steht der wieder aufbrechende Bürgerkrieg. Rajapakse besiegte Wickremesinghe bei den Präsidentschaftswahlen im November letzten Jahres knapp, weil er ein Wahlbündnis mit zwei extremistischen singhalesischen Parteien einging - mit der Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) und der Jathika Hela Urumaya (JHU). Nach seinem Sieg begann das Militär einen verdeckten, immer weiter eskalierenden Krieg mit Morden und Provokationen gegen die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE). Als Rajapakse dem Militär im Juli befahl, in die Offensive zu gehen, brach der offene Krieg wieder aus.

Bevor sich die SLFP mit der UNP einigte, hatte sie mit der JVP Gespräche über die Bildung einer Koalition geführt. Aber diese Verhandlungen scheiterten, weil die JVP von der Regierung verlangte, den Waffenstillstand von 2002 aufzukündigen und einen aggressiveren Krieg gegen die LTTE zu führen. Rajapakse ist sich völlig im Klaren darüber, dass eine offene Kriegserklärung die Regierung in große politische Schwierigkeiten bringen würde. Er hat versucht, die militärischen Operationen als "defensiv" hinzustellen, um die weit verbreitete Anti-Kriegs-Stimmung im eigenen Land in Schach zu halten und um die internationale Unterstützung nicht zu verlieren.

Die SLFP wandte sich stattdessen an die UNP, die 2002 das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet und 2003 Friedensverhandlungen mit der LTTE geführt hatte. Die Übereinkunft zwischen SLFP und UNP ist jedoch kein Schritt zum Frieden. Das Abkommen basiert nicht auf einer Rückkehr zum Waffenstillstand von 2002 und lässt damit dem Militär weiter freie Hand. Die UNP, die 1983 den Bürgerkrieg begonnen hatte, ist genauso von singhalesischem Chauvinismus durchdrungen wie ihre Rivalin. Ihre Initiative für die Friedensgespräche 2002 war nicht von der Sorge um die Auswirkungen des Kriegs auf die arbeitende Bevölkerung motiviert, sondern spiegelte die Unzufriedenheit in Wirtschaftskreisen darüber wieder, dass der Konflikt zu einem Hindernis für Auslandsinvestitionen geworden war.

Es ist zwar noch kein detaillierter Koalitionsvertrag bekannt gegeben worden, aber der Sunday Leader hat mehrere Diskussionspapiere veröffentlicht, die die beiden Parteien aufgesetzt haben. Im Dokument über den "Konflikt im Norden und Osten" heißt es: "Der Staat hat die vorrangige Pflicht, die Souveränität des Landes mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen, auch mit militärischen, wenn es angebracht ist." Gleichzeitig fordert es eine politische Lösung der "ethnischen Frage" - d. h. der Diskriminierung der tamilischen Minderheit auf der Insel, die zum Krieg geführt hat.

Diese Formulierungen erlauben es der Regierung, die Pose des Friedensstifters einzunehmen und gleichzeitig den Krieg aggressiv weiterzuführen. Die UNP hat zugestimmt, an der Allparteienkonferenz wieder teilzunehmen, die Rajapakse ins Leben gerufen hatte, um eine politische Lösung für den Krieg vorzuschlagen. Diese Konferenz, an der auch Vertreter der JVP teilnehmen, war nichts anderes als ein politischer Deckmantel für die militärische Offensive gegen die LTTE.

Die SLFP-UNP-Vereinbarung wurde nur wenige Tage vor der Runde von Friedensgesprächen in Genf am vergangenen Wochenende unterzeichnet. Die Vereinbarung wurde von der amerikanischen Botschaft in Colombo sogleich freudig begrüßt als Zeichen, dass die beiden wichtigsten Parteien des Landes "entschlossen sind, zusammenzuarbeiten um eine politische Lösung des Konflikts zu finden". Tatsächlich aber stellt die Regierung - wie Washington genau weiß - mit Unterstützung der UNP der LTTE härtere Forderungen als 2002. Deshalb war es keine Überraschung, dass die Gespräche in Genf scheiterten, ohne dass eine neue Runde vereinbart wurde.

Das Politbüro der JVP, das offen einen uneingeschränkten Krieg gegen die LTTE fordert, hat die neue Koalition als Falle der UNP verurteilt, die "die beschränkten Anstrengungen für einen Sieg über den separatistischen Terrorismus weiter verwässern wird". Die JVP plant in mehreren Bezirken, darunter auch in Colombo, öffentliche Versammlungen und hofft von der Unzufriedenheit mit der Regierung profitieren zu können. Auf einer Kundgebung am Mittwoch warnte der JVP-Vorsitzende Tilvan Silva: "Wenn er [Rajapakse] nicht auf den rechten Weg zurückkehrt, dann werden wir gezwungen sein, ihn zu entthronen und durch jemanden anderen zu ersetzen."

Die Kampagne der JVP ist ein eher verzweifelter Versuch, Unterstützung zurück zu gewinnen, nachdem ihre Koalition mit der SLFP 2004 zu einer weit verbreiteten Ernüchterung geführt hatte, weil sie ihre Versprechungen nicht erfüllen konnte. Es gibt in der Bevölkerung zwar keine Unterstützung für den Krieg, aber viele arbeitende Menschen stehen den gesellschaftlichen Folgen der Wirtschaftspolitik der Regierung zutiefst ablehnend gegenüber. Die JVP konzentriert ihre Angriffe auf die UNP, weil sie genau weiß, dass sie wegen ihrer beschleunigten Marktreformen von 2002 bis 2004 verhasst ist.

Wirtschaftspolitik

Die Diskussionspapiere von SLFP und UNP zur Wirtschafts- und Sozialpolitik sehen eine Reihe von Sparmaßnahmen vor, die die Kluft zwischen reich und arm zwangsläufig vertiefen werden.

Vorgesehen sind:

l Ein "nationaler Gesundheitsfond", der von den "Bürgern" und durch Unternehmenssteuern finanziert werden soll. Die kostenlose Gesundheitsversorgung, die in den 1950er und 1960er Jahren eingeführt worden war, ist von den vergangenen Regierungen schon ausgehöhlt worden. Ein Fond würde das gegenwärtige System der Zweiklassenmedizin noch weiter verfestigen - mit dem Ergebnis eines expandierenden privaten Sektors für die Reichen und eines immer maroder werdenden öffentlichen Systems für die Mehrheit der Bevölkerung.

l Die begrenzte Sozialhilfe für die Armen soll nun "soziale Marktelemente" beinhalten. Nach diesem Plan wird die Unterstützung zunehmend "zielgerichtet" vergeben - d. h. auf die allerärmsten Schichten der Gesellschaft beschränkt. Diese Politik entspricht der Theorie des IWF, dass breiter gestreute Unterstützung nur den Reichen nützt. Zwar haben die Reichen in der Vergangenheit zweifellos Vorteile aus dem System gezogen, aber der Sinn der IWF-Politik besteht nicht darin, den Armen zu helfen, sondern die Sozialausgaben insgesamt zu kürzen

l Weitere Neugliederungen und Privatisierungen des öffentlichen Sektors sind geplant, darunter im Verkehrs- und im Kommunikationswesen. Die Regierung will das "Konzept einer Gesellschaft von Aktienbesitzern" propagieren, in der "jede Person dieser Gesellschaft Aktien am Unternehmen besitzt". Nutznießer werden diejenigen sein, die das Geld haben, um Aktien privatisierter Unternehmen aufzukaufen. Die meisten Menschen werden lediglich höhere Preise für grundlegende Dienstleistungen bezahlen müssen.

l Für die Landwirtschaft wird ein Projekt "Anbau für den Markt" vorgeschlagen, speziell um den Export anzukurbeln. Nutznießer werden die Lebensmittelindustrie und besser gestellte Bauern sein, die in der Lage sind, für den internationalen Markt zu produzieren. Die große Mehrheit der srilankischen Bauern hat weder das Kapital, noch das Land oder das Fachwissen, um vom Anbau von Grundnahrungsmitteln auf lukrativere Exportprodukte umzustellen.

Die Wirtschaft hat enthusiastisch auf die Nachricht von der Allianz zwischen SLFP und UNP reagiert, und der Aktienmarkt in Colombo ging steil nach oben. Der Vorsitzende der Vereinigten Handels- und Industriekammern (FCCI), Nawas Rajabdeen, beschrieb die Erwartungen der Wirtschaftselite so: "Parteipolitik und Machtkämpfe zwischen den großen Parteien haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Führer der Regierung unpopuläre, aber notwendige Reformen nicht angepackt haben. Sie haben alleine zu populärer Politik mit Kurzzeitwirkung Zuflucht gesucht", erklärte er.

Dass die SLFP und die UNP eine Koalition eingegangen sind, kennzeichnet einen Wendepunkt in der Politik Sri Lankas. Während die konservative UNP schon immer ein schamloser Vertreter der nackten Interessen der Wirtschaft war, bemühte sich die SLFP immer, einen volksnahen Eindruck zu erwecken, besonders gegenüber der singhalesischen Landbevölkerung.

Die SLFP erlangte in den 1950er Jahren mit einer Kombination aus singhalesisch-ethnischer Politik, sozialistischer Phrasendrescherei und Reformversprechen an Bedeutung. Die Partei hatte nie etwas mit Sozialismus zu tun, sondern gründete sich auf ein Programm nationaler Wirtschaftsregulierung. Ihre begrenzten Sozialreformen und der singhalesische Chauvinismus waren darauf ausgerichtet, eine aufrührerische Arbeiterklasse unter Kontrolle zu halten und zu spalten.

Wie in anderen Ländern hat jedoch die Globalisierung der Produktion in den letzten drei Jahrzehnten jede Grundlage für eine national regulierte Wirtschaft zerstört. Die SLFP ist der UNP, was die Durchsetzung von Marktreformen angeht, soweit gefolgt, dass ihre Programme nicht mehr zu unterscheiden sind. Die andauernden Angriffe auf die soziale Position der Arbeitenden haben zu einer weit verbreiteten Feindschaft und Wut geführt.

Die Reaktion der Regierung - ob unter Führung der UNP oder der SLFP - auf die wachsende Opposition bestand immer darin, anti-tamilischen Chauvinismus zu schüren, um die Arbeiter zu verwirren und zu spalten. Diese Abhängigkeit von ethnisch bestimmter Politik hat überhaupt erst den Bürgerkrieg hervorgebracht und führt jetzt zu seinem erneuten Ausbrechen. Die UNP und die SLFP haben für diese schwierigen Probleme keine andere Lösung, als die volle Last des Krieges und der Wirtschaftskrise der arbeitenden Bevölkerung aufzubürden.

Siehe auch:
Ein sozialistisches Programm zur Beendigung des Krieges in Sri Lanka
(9. November 2006)
Srilankische Regierung weist Vorschlag der LTTE für ein Ende der Kämpfe zurück
( 11. August 2006)
Demonstration der SEP in Sri Lanka gegen amerikanisch-israelischen Krieg im Libanon
( 10. August 2006)
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