Fünf Jahre seit dem 11. September 2001: Eine politische Bilanz

Den folgenden Vortrag hielt David North, der Chefredakteur der World Socialist Web Site und nationale Sekretär der Socialist Equality Party (SEP) in den Vereinigten Staaten, am 9./10. September 2006 im Rahmen einer SEP-Mitgliederversammlung.

Was weiß man über die Ereignisse vom 11. September?

Montag ist der fünfte Jahrestag der Ereignisse vom 11. September 2001. An jenem Morgen forderte ein koordinierter Terroranschlag das Leben von über 2.500 unschuldigen Zivilisten. Es ist schwierig, ein ähnliches Ereignis der jüngeren Geschichte zu finden, das sich so gründlich im Massenbewusstsein eingeprägt hat. Das Zeichen "9/11" wird überall in der Welt ohne Übersetzung verstanden. Bei allen ruft es nicht nur das Bild dichten, aus den Zwillingstürmen hervorquellenden Rauches hervor, sondern auch das Gefühl, dass die Weltpolitik nach diesem Tag eine radikal neue und gefährliche Richtung eingeschlagen hat.

Die wahre Bedeutung des 11. Septembers liegt jedoch nicht so klar auf der Hand, wie die Bush-Regierung, das politische Establishment und ein großer Teil der Medien uns glauben lassen möchten. Ohne Frage stellte dieser 11. September 2001 einen wichtigen Wendepunkt in der amerikanischen und Weltgeschichte dar. Aber es ist notwendig zu unterscheiden: zwischen den visuellen und emotionalen Einflüssen der Ereignisse dieses Tages, die von der unermüdlichen Staatspropaganda noch verstärkt wurden, und der Rolle, die die Terroranschläge für die nachfolgenden Handlungen der US-Regierung objektiv spielten.

Die Frage lautet: Wurde das Handeln der Bush-Regierung nach dem 11. September wesentlich durch die Ereignisse dieses Tages bestimmt? Oder schafften die Terroranschläge einen Vorwand für die Umsetzung politischer Pläne, die lange zuvor entwickelt worden waren, für die es aber ohne den 11. September keine tragfähige Unterstützung in der Bevölkerung gegeben hätte?

Die Invasionen in Afghanistan und im Irak, der Angriff auf demokratische Rechte, die Verletzung des Völkerrechts und die ständige Ausweitung der Gewaltorgie, die von der Bush-Regierung (in verschwörerischer Zusammenarbeit mit den Regierungen Englands, Australiens und Kanadas) im Zuge ihres zeitlich unbegrenzten "Kriegs gegen den Terror" ausgeht - all dies wird mit einem Satz gerechtfertigt, der keine Widerrede duldet: "Der 11. September hat alles verändert".

So schicksalhaft das Datum für die Weltgeschichte auch ist, bleibt der 11. September 2001 dennoch von Geheimnissen umhüllt. Keine staatliche Einrichtung und keine Behörde haben bisher irgendetwas durchgeführt, was einer ernsthaften, professionellen und glaubwürdigen Untersuchung des 11. September auch nur im Entferntesten gleichkäme. Die so genannte 11. September-Kommission war nichts weiter als eine zynische und verlogene, politisch nützliche Vertuschung. Ihr mehr oder weniger erklärtes Ziel bestand darin, eine wirkliche Untersuchung durch Polizei und Staatsanwaltschaft abzublocken und die Entdeckung von Hinweisen auf folgende Tatbestände zu verhindern: 1) Die Verbindung der Terroristen zu amerikanischen Geheimdiensten, und 2) die kriminelle Komplizenschaft von Teilen des Staatapparats, die den Erfolg der Verschwörung vom 11. September begünstigte und ermöglichte.

Die Falschheit der 11. September-Kommission wurde durch die Auswahl ihres Führungspersonals sichergestellt. Das fing schon beim Vorsitzenden Thomas Kean an. Er verschaffte dem Untersuchungsgremium die ganze Integrität und das Gütesiegel, wie man es von einem ehemaligen Gouverneur von New Jersey und Vorstandsmitglied der internationalen Ölgesellschaft Amerada Hess erwarten kann. In der Tat mag es eins der Auswahlkriterien für den Vorsitz der 11. September-Kommission gewesen sein, dass er öffentlich kaum bekannte Geschäftsbeziehungen zu der von den Saudis kontrollierten Delta Oil Company unterhält, deren Besitzer vermutlich Millionen Dollar zur Finanzierung von Al Qaida und Osama bin Laden beigesteuert haben.

Man sollte nicht vergessen, dass Kean erst ernannt wurde, als Präsident Bush gezwungen war, seinen ersten Kandidaten für die Kommissionsleitung, Henry Kissinger, zurückzuziehen. Der Gestank, der diese Person umgibt, war selbst für die unempfindlichsten Nasen des Washingtoner Pressekorps zu penetrant.

Wenn man bedenkt, dass über 2.500 Menschen bei den Anschlägen vom 11. September ihr Leben verloren haben, stellt die Unfähigkeit der angeblichen Volksvertreter im Kongress, eine offizielle Untersuchung mit vereidigten Zeugen durchzuführen, diesem Gremium ein vernichtendes Urteil aus. Mehr noch: Es gibt keine harmlose Erklärung für die Tatsache, dass der Nationale Sicherheitsrat, die Geheimdienste und die Polizei allesamt kolossal versagt haben und nicht eine einzige Person dafür zur Rechenschaft gezogen wurde.

Die einzig wirklichen Nachforschungen zum 11. September wurden vollkommen unabhängig von der Regierung durchgeführt und stehen im Widerspruch zu den offiziellen Untersuchungsergebnissen. Dazu zählt eine wichtige Analyse von Patrick Martin für die World Socialist Web Site, die in einer Reihe von Büchern zitiert wird, die sich mit den Fälschungen und Absurditäten in der offiziellen Darstellung der Ereignisse beschäftigen und diese offen legen.

Ich möchte nur ein paar Fakten anführen, die das Vertuschungsmanöver der 11. September-Kommission entlarven:

* Die Regierungen Deutschlands, Ägyptens, Russlands und Israels warnten die Vereinigten Staaten im Voraus ausdrücklich vor drohenden Anschlägen, bei denen entführte Flugzeuge eingesetzt würden.

*Präsident Bush erhielt am 6. August, fünf Wochen vor den Anschlägen, einen CIA-Bericht, worin er vor möglichen Flugzeugentführungen durch Al Qaida gewarnt wurde. Der Bericht bezog sich auf die Existenz von Al Qaida-Zellen in Kalifornien und New York.

*Die Verhaftung von Zacharias Moussaoui im August 2001 verschaffte der Regierung Informationen darüber, dass zweifelsfrei eine terroristische Operation im Gange war, bei der Flugzeuge entführt und als Bomben eingesetzt werden sollten. Die Flugschule Pan Am International Flight Academy in Minnesota informierte das FBI über ihren Verdacht, Moussaoui plane möglicherweise die Entführung eines Flugzeugs.

* Mohammed Atta, der als Kopf der Verschwörung identifiziert wurde, stand seit 1986, als er an einem Bombenanschlag in Israel beteiligt war, auf der staatlichen Liste zur Überwachung von Terroristen. Die deutsche Polizei hatte ihn über das ganze Jahr 1999 hinweg überwacht, und das FBI verfolgte im Jahr 2000 seine Bewegungen. Im Januar 2001 erhielt Atta die Erlaubnis, in die Vereinigten Staaten einzureisen, obwohl sein Status als Schüler einer Flugschule - worüber er die Einwanderungsbehörde informierte - eine ausdrückliche Verletzung der Bedingungen seines Touristenvisums darstellte. Die ungewöhnliche Sorglosigkeit, mit der Atta seinen Aktivitäten in den Vereinigten Staaten nachging, fasst Nafeez Mosaddeq Ahmed sehr gut in seinem Buch The War on Trut h zusammen:

"Im Ganzen scheint Mohammed Atta, obwohl er den Behörden bekannt war, eher ein angenehmes Leben geführt zu haben. Obwohl er seit 1986 auf der Terroristenüberwachungsliste des Außenministeriums stand, wurde ihm mehrmals gestattet, ungehindert einzureisen, auszureisen und in die Vereinigten Staaten zurückzukehren. Von Januar bis Mai 2000 wurde er von US-Agenten überwacht, weil er große Mengen Chemikalien angeschafft hatte, die zur Herstellung von Sprengstoff tauglich waren.

Im Januar wurde er am Internationalen Flughafen Miami 57 Minuten lang von der Ausländerbehörde festgehalten, da er zuvor ein Visum überzogen hatte und kein ordnungsgemäßes Visum vorweisen konnte, um zum Zwecke der Ausbildung an einer Flugschule in Florida in die USA einzureisen. Aber das hielt ihn nicht auf. Obwohl das FBI schon seit langem befürchtete, Terroristen könnten Flugschulen in den USA besuchen, hatte Atta keine Probleme, sich bei der Flugschule in Florida anzumelden. Im April 2001 wurde er wegen Fahrens ohne Führerschein von der Polizei angehalten.

Da er im Mai nicht zum Gerichtstermin erschien, wurde ein richterlicher Haftbefehl gegen ihn ausgestellt. Aber das hielt ihn ebenfalls nicht auf, weil der Haftbefehl nie vollstreckt wurde - obwohl er später noch zweimal wegen Trunkenheit am Steuer von der Polizei mitgenommen wurde. In dieser ganzen Zeit in den USA machte Atta nie den Versuch, unter falschem Namen zu operieren, sondern er reiste, lebte und lernte an der Flugschule unter seinem richtigen Namen. Was noch sonderbarer ist: Atta hielt regelmäßigen Email-Kontakt mit aktuellen und ehemaligen Angestellten wichtiger Unternehmen der US-Rüstungsindustrie, wie die reguläre Email-Liste zeigte, die das FBI im September 2001 entdeckte und die etwa vierzig Personen umfasste. [...]

Es ist schwer, diese Folge von Ereignissen wohlwollend zu interpretieren. Kurz gesagt, der Schluss scheint unausweichlich - wenn auch unerklärlich - dass die US-Regierung einem Menschen, der ein bekannter Terrorist war, immer wieder die ungehinderte Einreise in Vereinigten Staaten erlaubte, um das Fliegen zu erlernen." [Oliver Branch Press, Northampton, Mass. 2005, S. 205f]

* Nicht weniger ungewöhnlich als die VIP-Behandlung, die Atta von Seiten der US-Regierung genoss, war die Gastfreundschaft, die anderen Entführern des 11. September gewährt wurde. Nawaf Alhazmi und Khalid Almidhar waren der CIA bekannt, weil sie im Januar 2000 an so genannten "Gipfeltreffen" der Al Qaida teilgenommen hatten. Ihre Bewegungen wurden von der CIA über ein Jahr lang verfolgt, aber sie hatten niemals Probleme, in die Vereinigten Staaten einzureisen. Almidhar kehrte mit einem Mehrfacheinreisevisum in die Vereinigten Staaten zurück, das im Juni 2001 erneuert wurde, obwohl man ihn mit dem Bombenanschlag auf die USS Cole im Oktober 2000 in Verbindung brachte.

* Ein weiterer Entführer vom 11. September, Ziad Samir Jarrah, wurde auf ausdrückliche Anweisung der US-Regierung mehrere Stunden lang festgehalten, als er am 30. Januar 2001 am Internationalen Flughafen Dubai ankam. Man muss annehmen, dass dies nicht passiert wäre, hätten die Vereinigten Staaten nicht wichtige Gründe gehabt, sich über seine Aktivitäten Sorgen zu machen. Trotz dieses Zwischenfalls war Mr. Jarrah in der Lage, acht Monate später in die Vereinigten Staaten einzureisen und sich bei einer Flugschule anzumelden.

Gestützt auf die bislang gesicherten Fakten steht außer Frage, dass Mohammed Atta und die anderen Entführer sich unter der schützenden Hand einflussreicher Elemente in der CIA und anderer US-Geheimdienste auf den 11. September vorbereiten konnten. Sie hätten das Land nicht ungehindert verlassen, wieder betreten und überall hin reisen können, wenn sie nicht den Schutz mächtiger Personen im Staatsapparat genossen hätten. Die auffällige und sogar unbekümmerte Verhaltenweise, die sie bei ihrem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten an den Tag legten, und die Sorglosigkeit, mit der sie wiederholt die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zogen, erwecken kaum den Eindruck, Atta und seine Kollegen seien Meisterverschwörer gewesen. Es fehlte nur noch, dass sie ihre terroristischen Absichten laut hinausposaunt hätten. Aber es ist offensichtlich, dass sie hochrangige "Schutzengel" hatten, die sich um sie kümmerten.

Aber zu welchem Zweck? Es braucht keine besondere Verschwörungsphantasie, um zum Schluss zu gelangen, dass die Schutzengel Attas und seiner Verbündeten von der Planung irgendeines Terroranschlags wussten und darüber hinaus annahmen, die Ausführung eines solchen Anschlags werde ganz bestimmten politischen Zielen entgegenkommen. Um was für Ziele handelte es sich also?

Die Weltstrategie des amerikanischen Imperialismus

Um diese Frage zu beantworten, muss man die Ereignisse des 11. Septembers in einem breiteren historischen Zusammenhang sehen. Der wahre Ursprung der Politik, die die Vereinigten Staaten in den letzten fünf Jahren betreiben, ist nicht in den Geschehnissen des 11. Septembers 2001 zu finden. Er liegt vielmehr in einem Ereignis, das fast exakt zehn Jahre zuvor stattfand - die offizielle Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991. Der Zusammenbruch der Sowjetunion wurde von breiten Schichten der herrschenden Elite Amerikas als beispiellose Gelegenheit betrachtet, die unangefochtene geostrategische Vorherrschaft der Vereinigten Staaten auf Weltebene durchzusetzen. Ohne die Sowjetunion stand dem Vordringen der amerikanischen Militärmacht in jeden Winkel des Planeten effektiv nichts mehr im Wege. Tatsächlich glaubte die amerikanische Elite, die Überlegenheit der Vereinigten Staaten in Hinblick auf rohe Militärgewalt einsetzen zu können, um den langfristigen wirtschaftlichen Niedergang des Landes im Weltvergleich aufzufangen.

Eine der wichtigsten Konsequenzen des Zusammenbruchs der UdSSR war die radikale Veränderung des Kräftegleichgewichts auf der riesigen eurasischen Landmasse. Die Verwandlung der ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien in unabhängige Staaten schuf ein gewaltiges Machtvakuum, das die Vereinigten Staaten nur zu gerne ausbeuten wollten. Außerdem erleichterte dieses Vakuum die aggressive Ausdehnung des amerikanischen Einflusses auf den Nahen Osten.

Die amerikanische Bourgeoisie hatte sehr gut verstanden, dass sich der größte Teil der weltweiten strategischen Öl- und Gasvorkommen in diesen geographisch benachbarten Regionen befindet. Die Umrisse einer neuen Strategie wurden seit Mitte der neunziger Jahre sichtbar. In einem einflussreichen Artikel, der 1997 in der September/Oktober-Ausgabe von Foreign Affairs erschien, sprach Zbigniew Brzezinski, der ehemalige Nationale Sicherheitsberater unter Präsident Carter, von der entscheidenden Bedeutung, die Eurasien für die globale Stellung der Vereinigten Staaten habe:

"Eurasien ist der axiale Superkontinent der Welt. Die Macht, die Eurasien beherrscht, übt entscheidenden Einfluss auf zwei der drei wirtschaftlich produktivsten Weltregionen aus, auf Westeuropa und Ostasien. Ein Blick auf die Karte zeigt auch, dass das Land, das Eurasien beherrscht, fast automatisch den Nahen Osten und Afrika kontrolliert. Wenn Eurasien nun das entscheidende geopolitische Schachbrett ist, dann genügt es nicht mehr, eine Politik für Europa zu entwerfen und eine andere für Asien. Das Ergebnis der Machtverteilung auf der eurasischen Landmasse wird somit Amerikas globale Vorrangstellung und historisches Vermächtnis entscheidend bestimmen. [...]

In einem in Veränderung begriffenen Eurasien besteht die unmittelbare Aufgabe darin, sicherzustellen, dass kein Staat oder Staatenbund die Fähigkeit gewinnt, die Vereinigten Staaten zu verdrängen oder ihre bestimmende Rolle zu schmälern."

Wie Brzezinski jedoch selbst feststellte, war der Durchsetzung einer amerikanischen Vormachtstellung in Eurasien eine kaum zu bewältigende Aufgabe. In einem Buch, das unter dem deutschen Titel Die einzige Weltmacht erschien, entwickelt Brzezinski die Ideen aus dem Foreign Affairs -Artikel weiter. Er schreibt dort über Eurasien: "Dieser Megakontinent ist einfach zu groß, zu bevölkerungsreich, kulturell zu vielfältig und besteht aus zu vielen von jeher ehrgeizigen und politisch aktiven Staaten, um einer globalen Macht, und sei es der wirtschaftlich erfolgreichsten und politisch gewichtigsten, zu willfahren." [S. 59] Es gab jedoch noch ein weiteres Hindernis, das den Hegemonialbestrebungen des US-Imperialismus im Wege stand, fügte Brzezinski hinzu:

"Da Amerika im eigenen Land strikt auf Demokratie hält, kann es sich im Ausland nicht autokratisch gebärden. Dies setzt der Anwendung von Gewalt von vornherein Grenzen, besonders seiner Fähigkeit zu militärischer Einschüchterung. Nie zuvor hat eine volksnahe Demokratie internationale Vormachtstellung erlangt. Aber das Streben nach Macht wird kein Volk zu Begeisterungsstürmen hinreißen, außer in Situationen, in denen nach allgemeinem Empfinden das nationale Wohlergehen bedroht oder gefährdet ist. Die für eine solche Anstrengung erforderliche ökonomische Selbstbeschränkung (das heißt die Verteidigungsausgaben) und Aufopferungsbereitschaft (auch Verluste unter Berufssoldaten) passen nicht ins demokratische Empfinden. Die Staatsform Demokratie ist einer imperialen Mobilmachung abträglich." [Die einige Weltmacht, Fischer Taschenbuch 1999, S. 59f, Hervorhebung hinzugefügt]

Die Ereignisse vom 11. September lieferten genau die Art von "allgemeinem Empfinden, [dass] das nationale Wohlergehen bedroht oder gefährdet ist", um im Namen von Rache und Selbstverteidigung mindestens kurzfristig die amerikanische Militärgewalt zu entfesseln. Dies beweist an sich noch nicht, dass der Anschlag auf das World Trade Center direkt von Elementen innerhalb des Staats geplant und ausgeführt wurde. Aber Brzezinskis Analyse zeigt, wie stark man auf höchster Ebene davon ausging, dass die umfassenden geostrategischen Ambitionen der Vereinigten Staaten, die nur durch Kriege in weit entfernten Ländern durchzusetzen sind, eine dramatische und plötzliche Veränderung im öffentlichen Bewusstsein erforderten.

Unabhängig davon, wie tief staatliche Stellen in die Planung, Begünstigung und Durchführung der Verschwörung vom 11. September verstrickt waren, steht es absolut außer Frage, dass die Geschehnisse dieses Tages unmittelbar als Vorwand genutzt wurden, um ein militärisches Programm zu verwirklichen, das seit zehn Jahren ausgearbeitet und perfektioniert worden war.

Die Geschichte der Vereinigten Staaten kennt zahlreiche Beispiele, bei denen dramatische Ereignisse zur Rechtfertigung von Militäraktionen benutzt wurden, die im Wesentlichen wichtigen strategischen Zielen dienten. Diese auslösenden Ereignisse lieferten zwar den "guten" Grund für das jeweilige militärische Vorgehen, sind jedoch nicht ihre "wirkliche" Ursache.

Wir haben es nicht erst hinterher gewusst. Bereits wenige Stunden nach den Angriffen auf das World Trade Center warnte die World Socialist Web Site vor dem, was kommen würde. Am 12. September 2001 verurteilte die WSWS die Anschläge und erklärte: "[D]er Terrorismus [spielt] denjenigen Kräften innerhalb des US-Establishments in die Hände, die solche Ereignisse begierig aufgreifen, um zu rechtfertigen, dass die herrschende Elite ihre geopolitischen und ökonomischen Interessen mit den Mitteln des Krieges verfolgt."

Am 14. September 2001 erklärte die WSWS : "Die Angriffe auf das World Trade Center und auf das Pentagon müssen als Gelegenheit herhalten, weitreichende politische Pläne durchzusetzen, die vom äußersten rechten Flügel der herrschenden Elite bereits seit Jahren lautstark eingefordert werden. Nur einen Tag nach dem Angriff, noch bevor die Urheber oder der Umfang ihrer Verschwörung auch nur ansatzweise bekannt waren, setzte eine koordinierte Kampagne von Regierung und Medien ein, dass sich Amerika im Kriegszustand befinde und sich das amerikanische Volk auf die Folgen einstellen müsse."

Die Invasionen in Afghanistan und im Irak

Die Reaktion der Bush-Regierung auf die Ereignisse vom 11. September bestand darin, einen "Krieg gegen den Terror" auszurufen. Nur einen Monat nach den Anschlägen vom 11. September begann die Bush-Regierung mit der Invasion in Afghanistan. Sie rechtfertigte diesen Schritt damit, dass die Taliban-Regierung Osama bin Laden und Al Qaida Unterschlupf gewährt hatte. Die Medien zeigten in ihrer wilden Kriegsbegeisterung keinerlei Interesse, der Geschichte des amerikanischen Engagements in Afghanistan, der US-Beziehungen zu den Taliban, der Rolle der Vereinigten Staaten bei der Förderung von bin Ladens Aktivitäten oder beim Aufbau von Al Qaida nähere Beachtung zu schenken.

Es war für sie kein Thema, dass der 11. September im direkten Zusammenhang mit einer früheren Entscheidung der Vereinigten Staaten stand, als unter US-Präsident Jimmy Carter ein islamischer Aufstand gegen das sowjetisch gestützte Regime in Kabul gefördert wurde. Tatsächlich hatten die islamischen Aufständischen in den 1980er Jahren massive amerikanische Militär- und Finanzhilfe erhalten. Vertreter der Mudschaheddin wurden ins Oval Office eingeladen und von Präsident Reagan als moralisch gleichwertig mit den amerikanischen Gründervätern bezeichnet.

Bin Laden selbst begann seine Terrorkarriere als CIA-Mann in Afghanistan. Und die Taliban, die aus dem von Amerika finanzierten Blutbad in Afghanistan hervorgingen, waren Mitte der 1990er Jahre mit Unterstützung der Vereinigten Staaten an die Macht gelangt.

Was war der wahre Zweck dieses Kriegs? Die Antwort auf diese Frage erinnert mich an eine Szene zu Beginn des Films "Reds", eines biographischen Werks über den großen radikalen Journalisten John Reed. Er ist in dieser Szene gerade aus Europa zurückgekehrt, wo er über den so genannten Großen Krieg (wie damals der erste Weltkrieg genannt wurde) berichtet hat. Auf einer Versammlung des Liberal Club in Reeds Heimatstadt Portland, Oregon wird er auf das Podium gebeten, um als Augenzeuge des Kriegs zu berichten.

Der Vorsitzende des Liberal Club bittet Reed, zu erklären, worum es bei dem Krieg in Europa überhaupt gehe. Reed blickt die Zuhörer an und antwortet mit einem Wort: "Profite". Dann setzt er sich wieder.

Genauso kurz und bündig könnte man auch den Krieg in Afghanistan fassen, doch würde das eine Wort dann "Öl" lauten. Die WSWS schrieb am 9. Oktober 2001 in einer Erklärung mit der Überschrift "Warum wir den Krieg in Afghanistan ablehnen":

"Die Region um das Kaspische Meer, zu der Afghanistan einen strategischen Zugang eröffnet, enthält schätzungsweise 270 Milliarden Barrel Öl, was rund 20 Prozent der weltweit bekannten Reserven entspricht. Außerdem lagert dort etwa ein Achtel der weltweiten Erdgasvorkommen.

Diese außerordentlich bedeutsamen Bodenschätze befinden sich in der instabilsten Region der Welt. Indem die USA Afghanistan angreifen, dort ein Marionettenregime installieren und umfangreiche Truppen in die Region verlegen, wollen sie neue politische Verhältnisse schaffen, in deren Rahmen sie ihre Hegemonie ausüben können."

Die raschen, wenn auch wenig dauerhaften Erfolge der US-Armee in Afghanistan im Herbst 2001 gipfelten in der Einsetzung von Hamid Karzai, eines früheren Vorstandsmitglieds der Ölgesellschaft Unocal, als Chef des neuen Marionettenregimes in Kabul. Dies vermittelte der Bush-Regierung das Gefühl, dass durch den Einsatz militärischer Gewalt alles zu erreichen sei. Im Oktober 2002 entwickelte sie eine neue Nationale Sicherheitsstrategie, die sich auf die Doktrin des "Präventivkriegs" stützte. Sie proklamierte das Recht und die Absicht der Vereinigten Staaten, gegen jedes Land militärisch vorzugehen, das sie als potentielle Bedrohung für die Sicherheit Amerikas erachten.

Die neue Nationale Sicherheitsstrategie betrachtet Krieg als legitimes Mittel der Außenpolitik, das unter mancherlei Umständen zur Anwendung kommen kann, auch unabhängig von einer unmittelbaren und direkten Selbstverteidigung gegen drohende militärische Angriffe. Sie gründet die Außenpolitik der Vereinigten Staaten auf eine Sichtweise, die vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal 1946 als kriminell verurteilt worden war.

Nun war alles vorbereitet für eine Invasion im Irak, dessen Regierung nicht das Geringste mit den Ereignissen des 11. Septembers zu tun hatte. Die US-Regierung konstruierte Verbindungen zwischen dem Saddam-Hussein-Regime und Al Qaida und richtete das Hauptaugenmerk darauf, dass der Irak angeblich im Besitz von so genannten Massenvernichtungswaffen sei. Von August 2002 bis zum Beginn der Invasion im Irak im März 2003 wurde die amerikanische Bevölkerung von Seiten der Regierung und der Medien einer unermüdlichen Lügenkampagne unterzogen.

Trotz dieser massiven Kriegspropaganda kam es im Februar 2003 in den USA und weltweit zu gewaltigen Demonstrationen gegen die Kriegspläne der Vereinigten Staaten und ihrer britischen Verbündeten.

Am 20. März 2003 eröffneten die Vereinigten Staaten den Krieg. Einen Tag später erklärte die World Socialist Web Site :

"Die unprovozierte und illegale Invasion des Irak durch die Vereinigten Staaten wird als Niedertracht in die Geschichte eingehen. Die politischen Verbrecher in Washington, die diesen Krieg begonnen haben, und die Schufte in den Massenmedien, die sich über das Blutbad freuen, haben dieses Land mit Schande überzogen. Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt fühlen sich von dem Schauspiel abgestoßen, in dem eine brutale, ungehemmte Militärmacht ein kleines, wehrloses Land zermalmt. Die Invasion des Irak ist ein imperialistischer Krieg im klassischen Sinne des Wortes: Ein bösartiger Angriff im Interesse der reaktionärsten und rücksichtslosesten Teile der amerikanischen Finanz- und Wirtschaftsoligarchie. Sein offenkundiges, unmittelbares Ziel ist die Kontrolle über die umfangreichen irakischen Ölreserven und die Verwandlung des Landes, das seit langem unterdrückt wird, in ein koloniales Protektorat der USA. [...]

"Der Krieg selbst ist das Ergebnis eines verheerenden Versagens der amerikanischen Demokratie. Eine kleine politische Verschwörerclique - die mit verdeckten Karten spielt und durch Wahlbetrug an die Macht gelangt ist - hat die amerikanische Bevölkerung in einen Krieg geführt, den sie weder versteht noch will. Aber es gibt nicht die Spur eines politischen Mechanismus, durch den sich die Opposition gegen die Politik der Bush-Administration - gegen den Krieg, die Angriffe auf demokratische Rechte, den Sozialabbau, den pausenlosen Angriff auf den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung - äußern könnte. Die Demokratische Partei - dieser stinkende Leichnam des bürgerlichen Liberalismus - ist zutiefst diskreditiert. Massen von Werktätigen finden sich völlig entmündigt."

Zum Schluss erklärte die WSWS :

"Das zwanzigste Jahrhundert war nicht umsonst. Seine Triumphe und Tragödien haben der Arbeiterklasse unschätzbare politische Lehren hinterlassen, darunter als eine der wichtigsten das Verständnis der Bedeutung und der Auswirkungen von imperialistischen Kriegen. Diese sind vor allem ein Ausdruck von nationalen und internationalen Widersprüchen, die auf ‚normalem’ Weg nicht mehr gelöst werden können. Unabhängig davon, wie die ersten Stadien dieses Konflikts ausgehen werden, steuert der amerikanische Imperialismus auf eine Katastrophe zu. Er kann die Welt nicht erobern. Er kann den Massen des Nahen Ostens keine neuen, kolonialen Fesseln anlegen. Er kann seine inneren Krankheiten nicht mit dem Mittel des Kriegs heilen. Im Gegenteil, vom Krieg hervorgerufene unerwartete Schwierigkeiten und wachsender Widerstand werden alle inneren Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft verschärfen."

Die Bourgeoisie und ihre Fürsprecher behaupten bei jeder Gelegenheit, der Marxismus sei gescheitert. Um solche Behauptungen zu widerlegen, braucht man nur die Analyse der damaligen Ereignisse, zu der die World Socialist Web Site mit Hilfe der marxistischen Methode gelangte, mit der Einschätzung zu vergleichen, die die Führer des Weltimperialismus feilboten. Am 1. Mai 2003 proklamierte Präsident Bush an Bord eines US-Flugzeugträgers, die amerikanische Mission im Irak sei erfüllt. In Wirklichkeit stand man erst am Anfang der Katastrophe, die die WSWS vorausgesagt hatte.

Fünf Jahre "Krieg gegen den Terror"

Drei Jahre nach der Invasion im Irak befindet sich der so genannte "Krieg gegen den Terror", den die Bush-Regierung ausgerufen hat, im Zustand eines vollkommenen Durcheinanders. Der Irak-Feldzug - das Herzstück des weltweiten Krieges, den die Bush-Regierung nach dem 11. September erklärt hat - ist sowohl militärisch als auch politisch gescheitert. Die Invasion, die den Titel "Shock and Awe" [Schock und Entsetzen] trug, erwies sich als "schockierend" in Hinblick auf das Ausmaß an Inkompetenz und Dummheit, das die Planung und Durchführung des ganzen Unterfangens kennzeichnete. Und gemessen am Umfang des Aufstands hat die Bush-Regierung die Fähigkeit des amerikanischen Militärs völlig überschätzt, die irakische Bevölkerung einzuschüchtern und in Schrecken zu versetzen.

Das Projekt Hegemonialmacht der Bush-Regierung hat durch den Irak einen herben Rückschlag erlitten. Mit Ausnahme des engsten Kreises um Bush und das Weiße Haus wird die Invasion und die Besetzung des Iraks hinsichtlich Einsatz und Strategie praktisch universell als Desaster eingeschätzt. Die vorherrschende Einschätzung der amerikanischen Intervention im Irak findet sich im Titel eines neuen Buches über den Krieg. Es heißt Fiasko.

Mehr als 2.600 amerikanische Soldaten haben im Irak ihr Leben verloren. Die Zahl der Iraker, die im Zuge der US-Invasion gewaltsam zu Tode kamen, liegt bei rund 100.000. Trotz brutaler Befriedungskampagnen des US-Militärs weist alles darauf hin, dass der Aufstand weiter an Stärke gewinnt.

Neben den schrecklichen Verlusten an Menschenleben - mehr als 1.000 Iraker sterben jeden Monat allein in Bagdad - haben die Invasion und der von ihr hervorgerufene Widerstand verheerende wirtschaftliche Folgen gezeitigt. Die Erwartung der Bush-Regierung, dass sich der Krieg über die ungehinderte Ölförderung im Irak finanzieren ließe, ist ebenso geplatzt, wie viele andere Kalkulationen der US-Regierung an der Wirklichkeit gescheitert sind. Seit der Invasion im Irak haben Aufständische mehr als 700 Angriffe auf Ölförderanlagen durchgeführt. Eine Studie des Militäranalytikers Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies stellt fest:

"Die Ölproduktion ist im Jahre 2005 um 8 Prozent zurückgegangen und die Transporte durch die nordirakische Pipeline zum türkischen Ceyhan fielen von 800.000 Barrel pro Tag in der Vorkriegszeit auf durchschnittlich 40.000 Barrel pro Tag im Jahre 2005. Im Juli 2005 schätzten irakische Vertreter, dass Angriffe von Aufständischen den Irak bereits 11 Milliarden Dollar gekostet haben. Sie haben verhindert, dass die irakische Ölproduktion 2005 die Marke von 3 Millionen Barrel pro Tag erreichte, die die Koalition unter US-Führung für die Zeit nach dem Sturz von Saddam Hussein anvisiert hatte. Die Produktion ist vom Vorkriegsstand von rund 2,5 Millionen Barrel pro Tag auf einen Durchschnitt von 1,83 Millionen Barrel pro Tag im Jahre 2005 und ein Niveau von nur 1,57 Millionen Barrel pro Tag im Dezember 2005 zurückgegangen. Dies hat schwere Folgen für das Land, das sich zu 94 Prozent über die Einkünfte aus Ölexporten finanziert." [ Iraq's Evolving Insurgency and the Risk of Civil War, S. viiiI]

Die Kriegsführung hat die beinahe unfassbare Dummheit und Inkompetenz nicht nur des US-Präsidenten sondern sämtlicher Schlüsselfiguren seiner Regierung ans Tageslicht gebracht. Cordesmans Einschätzung zur Planung vor der Invasion und der nachfolgenden Kriegsführung ist eine vernichtende Anklage gegen die gesamte Regierung. Sein Bericht, der am 22. Juni 2006 erschien, stellt fest:

"Es ist viel über das Versagen der Geheimdienste bei der Einschätzung des irakischen Arsenals an Massenvernichtungswaffen gesprochen worden. Dieses Versagen nimmt sich jedoch gering aus im Vergleich mit dem Versagen der politischen und militärischen Planungsstäbe, die Gesamtlage im Irak vor dem Krieg akkurat einzuschätzen sowie die Aufstandsgefahr für den Fall zu bestimmen, dass die Vereinigten Staaten keine effektive Mischung aus nation building und Stabilisierungsmaßnahmen durchführten. Für dieses Versagen können die Geheimdienste nicht verantwortlich gemacht werden. Dies lag in der Verantwortung des Präsidenten, des Vizepräsidenten, der Nationalen Sicherheitsberaterin, des Außenministers, des Verteidigungsministers und des Generalstabschefs.

Sie alle hatten die Verantwortung, politische Berater, Militärplaner, Geheimdienstexperten und Regionalexperten zusammenzubringen, um ein möglichst akkurates Bild vom Irak und den Konsequenzen einer Invasion zu erhalten. Jeder einzelne von ihnen hat in Hinblick auf diese Verantwortung versagt. Die führenden politischen Strategen des Landes entschlossen sich zu einer begrenzten und höchst ideologischen Sichtweise auf den Irak, die nur von äußerst optimistischen Erfolgsaussichten ausging, aber Gefahr und Scheitern nicht in Betracht zog.

Es gab keine wirkliche Planung von Stabilisierungsmaßnahmen. Politische Gestalter in Schlüsselpositionen wollten sich nicht mit nation building beschäftigen und bevorzugten die Sichtweise, dass die irakische Regierung trotz der Absetzung von Saddam Hussein intakt und funktionsfähig bleiben werde. Pläne stützten sich auf die Annahme, dass bedeutende Teile der irakischen Streitkräfte auf die Seite der US-Koalition wechseln, passiv bleiben oder nur symbolischen Widerstand leisten würden.

Es wurde kein wirklicher Versuch unternommen, staatliche Funktionen oder Stabilität und Sicherheit in den irakischen Großstädten und auf dem Lande aufrechtzuerhalten. Jahrzehntelange ernstzunehmende religiöse und ethnische Spannungen wurden heruntergespielt oder ignoriert. Maßnahmen des Regimes von Saddam Hussein, die die Wirtschaftsentwicklung im Irak seit den ersten Jahren des Iran-Irak-Kriegs lahm gelegt hatten (als der Irak erst 17 bis 18 Millionen Einwohner zählte), wurden ignoriert. Es wurde davon ausgegangen, dass der Irak ein ölreiches Land ist, dessen Wirtschaft sich schnell erholen werde, wenn die Ölfelder nicht in Brand gerieten, und das sich durch diese Entwicklung in ein modernes kapitalistisches Staatsgefüge verwandeln werde." [Ebenda, S. xv-xvi]

Cordesman klagt die führenden Politiker des amerikanischen Staates wortreich an, ihre Pflicht verletzt zu haben: Präsident Bush, Vizepräsident Cheney, Außenminister Colin Powell (der zur Zeit der Invasion dieses Amt innehatte), die Nationale Sicherheitsberaterin (und jetzige Außenministerin) Condoleezza Rice, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Generalstabschef Richard Meyers (der zu Beginn der Invasion diesen Posten besetzte). Dies kommt im Zusammenhang mit einem Krieg durchaus einer verbrecherischen Inkompetenz gleich. Der Vorwurf ist vollkommen berechtigt. Er liefert jedoch keine Erklärung dafür, wie es zu einer solchen Situation auf höchster Staatsebene kommen konnte.

Wenn das wahre Ziel der amerikanischen Invasion wirklich die Errichtung einer stabilen Demokratie im Irak gewesen wäre, könnte das Fehlen jeglicher ernsthaften Planung für die Situation nach dem Zusammenbruch des Hussein-Regimes nicht rational erklärt werden. Doch das Versagen scheint weitaus weniger unverständlich, wenn man es im Zusammenhang mit den wahren Kriegszielen der Bush-Regierung untersucht.

Das Ziel der Invasion im Irak war nicht Demokratie, sondern Ausplünderung, die Kontrolle der USA über die irakischen Ölquellen. Sicherlich hat die Bush-Regierung völlig unterschätzt oder nicht einmal ernsthaft darüber nachgedacht, was an politischen und gesellschaftlichen Minimalvoraussetzungen erforderlich wäre, um den amerikanischen Raubzugs im Irak erfolgreich zu machen. Aber letztlich liegt die tiefere Ursache für das strategische und taktische Scheitern des Irakkriegs im Charakter und in den Zielen des Kriegs selbst. Die Bush-Regierung brach den Krieg vom Zaun, um den Irak auszuplündern, nicht um ihn wieder aufzubauen.

Die Katastrophe im hat sich nicht einfach aus dem Versagen militärischer Planung ergeben. Sie entspringt dem umfassenden Versagen eines ganzen Systems, an dem alle Ebenen des Staates, die beiden von der Wirtschaft kontrollierten Parteien, die Medien und das gesamte System der Klassenherrschaft beteiligt ist. In diesem System unterliegen die Entscheidungsträger, deren Beschlüsse das Leben von Millionen im In- und Ausland betreffen, nur geringen demokratischen Kontrollen und sie werden auch kaum für die Folgen ihres Handelns zur Verantwortung gezogen.

Fünf Jahre sind seit dem Beginn des "Kriegs gegen den Terror" vergangen. Das ist länger als der Britisch-Amerikanische Krieg von 1812 (drei Jahre), der Amerikanische Bürgerkrieg (vier Jahre), der Spanisch-Amerikanische Krieg (einige Monate), die amerikanische Beteiligung am Ersten Weltkrieg (eineinhalb Jahre), die Teilnahme am Zweiten Weltkrieg (weniger als vier Jahre) und die so genannte "Polizeiaktion" in Korea (drei Jahre). Dieser Krieg ist gemessen an seiner Dauer schon jetzt ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Umso bemerkenswerter ist, dass die Bush-Regierung immer noch Mühe hat zu erklären, worum es bei diesem so genannten "Krieg gegen den Terror" eigentlich geht. Selbst nach einem halben Jahrzehnt ist die Regierung immer noch nicht in der Lage, eine plausible, geschweige denn eine vernünftige Erklärung zu liefern, wofür oder wogegen sie eigentlich kämpft.

In einer seiner Wahlkampfreden der vergangenen zwei Wochen erklärte Bush: "Der heutige Krieg ist nicht nur ein militärischer Konflikt; es ist der entscheidende ideologische Kampf des 21. Jahrhunderts."

Bei der Lektüre dieser Worte fragt man sich unwillkürlich, welchen praktischen Niederschlag dieser ideologische Kampf der Bush-Regierung gefunden hat.

Der "Krieg gegen den Terror" war vom ersten Tag an von Angriffen auf das ganze System verfassungsmäßig garantierter Grundrechte begleitet, die das Erbe der wirklich demokratischen Ideologie sind, von der die führenden Köpfe der amerikanischen Revolution im achtzehnten Jahrhundert durchdrungen waren. Die Prinzipien der Bush-Regierung sind die Prinzipien einer beginnenden Diktatur. In Worten wurden sie überdeutlich von solch offenen Befürwortern präsidialer Tyrannei wie den Richtern am Obersten Gerichtshof Antonin Scalia und Clarence Thomas formuliert; praktisch in die Tat umgesetzt durch amerikanisches Militär- und Geheimdienstpersonal in den Folterkammern von Abu Ghraib und den Geheimgefängnissen der CIA, deren Existenz Bush nach fünf Jahren jetzt öffentlich zugegeben hat.

Bushs Versuch, seinen "Krieg gegen den Terror" zu verteidigen, strotzt nur so vor den offensichtlichsten und absurdesten Widersprüchen. Am 31. August erklärte er zum Beispiel:

"Um den Kampf im Nahen Osten zu verstehen, müssen wir uns die jüngere Geschichte dieser Region anschauen. Ein halbes Jahrhundert lang war Stabilität das oberste Ziel der USA im Nahen Osten. Das war damals verständlich, als wir die Sowjetunion im Kalten Krieg bekämpfen mussten, und es war wichtig, Regierungen im Nahen Osten zu unterstützten, die den Kommunismus ablehnten. Aber über die Jahrzehnte entwickelte sich im Nahen Osten unter der Oberfläche eine gefährliche Strömung. Ein großer Teil der Region steckte in Stagnation und Verzweiflung. Eine Generation junger Menschen wuchs mit wenig Hoffnung auf, ihr Leben verbessern zu können, und viele gerieten unter den Einfluss radikaler Extremisten. Die Terrorbewegung vervielfachte ihre Stärke, jahrelang brodelte der Zorn und kochte in gewaltsamen Aktionen in aller Welt über."

Bush sagt hier offenbar (und damit zumindest hat er Recht), dass das Anwachsen von Terrorbewegungen im Nahen Osten das Ergebnis der unterdrückerischen Politik ist, die die Vereinigten Staaten mehr als ein halbes Jahrhundert lang verfolgt haben, als sie das Anwachsen von kommunistischem und sozialistischem Einfluss auf die Masse der Bevölkerung bekämpften.

Nebenbei sei erwähnt, dass Bush als Beispiel für den zunehmenden Extremismus die Geiselnahme an Amerikanern im Iran anführte. Er erwähnte allerdings nicht, dass dies im Verlauf einer Revolution gegen eine Militär- und Polizeidiktatur geschah, die 1953 durch einen von der CIA organisierten antidemokratischen Putsch an die Macht gekommen war.

Wenn man einmal die demagogischen Behauptungen der Bush-Regierung beiseite lässt, dann bleibt als wirklicher Zweck des "Kriegs gegen den Terror" die Errichtung der globalen Hegemonie der Vereinigten Staaten. Trotz aller Rückschläge, die er seit 2001 hinnehmen musste, bleibt das Ziel des "Kriegs gegen den Terror" die Beherrschung der Welt. Das ist nicht nur die Perspektive der Bush-Regierung, sondern aller großen Fraktionen des politischen Establishments in Amerika, ebenso der Demokraten wie der Republikaner.

Das Trommeln für einen Krieg gegen Iran wird täglich lauter, obwohl die Folgen eines solchen Kriegs katastrophal wären. Ein Angriff der Vereinigten Staaten auf den Iran würde Erschütterungen von globalem Ausmaß nach sich ziehen. Das ein solches Vorgehen überhaupt in Betracht gezogen wird, zu einem Zeitpunkt, da die USA noch nicht einmal die Konsequenzen ihres Fiaskos im Irak verdaut haben, ist ein Anzeichen für die Orientierungslosigkeit und den Größenwahn, die auf den höchsten Ebenen des amerikanischen Staats herrschen.

Es ist notwendig, die materiellen und sozialen Grundlagen der amerikanischen Gesellschaft zu untersuchen, die diese zerstörerischen Kräfte hervorgebracht haben.

Der Zustand der amerikanischen Gesellschaft

In seiner Rede am 31. August auf dem Treffen der American Legion in Utah erklärte Bush: "Regierungen, die den Wählern Rechenschaft geben, konzentrieren sich auf den Bau von Straßen und Schulen - statt Massenvernichtungswaffen." Nach diesem Kriterium entzieht sich keine Regierung mehr der Rechenschaft gegenüber dem Volk als die Regierung der Vereinigten Staaten! Die im Bundeshaushalt für den Straßenbau und die Bildung vorgesehenen Mittel betragen nicht einmal zehn Prozent des offiziellen Verteidigungshaushalts.

Außen- und Innenpolitik sind nicht durch eine undurchdringliche Mauer getrennt. Beide sind in unterschiedlicher Weise Ausdruck der Interessen und der Haltung der herrschenden Elite. Die Außenpolitik der Vereinigten Staaten vertritt in der Sphäre der Weltpolitik die Klasseninteressen der Wirtschafts- und Finanzoligarchie, die in den Vereinigten Staaten herrscht. Es gibt in der Tat eine auffallende Parallele zwischen der Gleichgültigkeit der Bush-Regierung gegenüber den grundlegenden Bedürfnissen der irakischen Bevölkerung nach der US-Invasion und ihrer kaltherzigen Vernachlässigung der Bürger von New Orleans nach der Katrina-Katastrophe. Die Regierung schaute zu, wie eine ganze Stadt zerstört wurde, Tausende Menschen ihr Leben und Zehntausende ihr Zuhause verloren.

Nicht nur die Grausamkeit, sondern auch die Inkompetenz der herrschenden Elite trat in New Orleans ebenso deutlich zutage wie in Bagdad.

Dieses Element der Inkompetenz ist kein nebensächliches Phänomen, sondern widerspiegelt den realen und tiefgehenden Zerfall und Niedergang der gesamten gesellschaftlichen Struktur der Vereinigten Staaten. Im Vergleich zum Zerfall der industriellen und gesellschaftlichen Infrastruktur des Landes wächst der Reichtum ihrer herrschenden Schichten um ein Vielfaches schneller.

Die herrschende Elite nimmt zunehmend die soziale Physiognomie der Unterwelt an.Enormer persönlicher Reichtum wird nicht durch die Entwicklung der Produktivkräfte erworben, sondern durch ihre Zerstörung. Die Ära industrieller Titanen, deren persönliche Rücksichtslosigkeit zumindest zur Entstehung riesiger Industrien führte, gehört inzwischen einer fernen Vergangenheit an. Der durchschnittliche Wirtschaftsführer im heutigen Amerika personifiziert ein parasitäres Wirtschaftssystem, dessen zentrales Ziel die unmittelbare finanzielle Befriedigungund Bereicherung einer kleinen, privilegierten Elite ist. Unternehmensplanung besteht zu einem großen Teil nur noch darin, Firmengelder aus produktiven, langfristigen Investitionen abzuziehen und auf die privaten Bankkonten der Vorstände und großen Aktionäre umzuleiten

Am 15. Juli 2006 analysierte das Wall Street Journal auf der ersten Seite die Reaktion großer amerikanischer Konzerne auf die Tragödie vom 11. September. Während viele Millionen Amerikaner den Tod von mehr als 2.500 Mitbürgern betrauerten, frohlockten führende Vorstände der größten US-Konzerne über die unerwartete Chance zu weiterer Bereichung, die ihnen die Tragödie bot.

Die Börsen wurden nach dem Angriff auf das World Trade Center für sechs Tage geschlossen. Nach der Wiederaufnahme des Handels am 17. September 2001 fielen die Aktienkurse um 14 Prozent. Führende Vorstände von 186 großen Firmen ergriffen die Gelegenheit dieses plötzlichen, vorübergehenden Preisverfalls, um sich selbst lukrative Aktienoptionen zu Ausverkaufspreisen zuzuschanzen. 91 Firmen, die normalerweise keine Aktienoptionen ausgaben, taten das aber nach dem 17. September 2001 und gewährten Optionen im Wert von 325 Millionen Dollar.

Einige dieser Firmen hatten in der Tragödie vom 11. September Angestellte verloren. Die Teradyne Corporation zum Beispiel hatte einen Angestellten auf Flug 11 von American Airlines verloren. Das hinderte den Vorstandschef der Firma aber nicht, die Tragödie in einen warmen Geldregen für sich zu verwandeln. Er erhielt Optionen im Wert von 600.000 Dollar zu einem Preis, der 24 Prozent unter dem Preis von vor dem 11. September lag.

Der Vorsitzende von Teradyne war einer von vielen Vorständen, für die der 11. September ein Glücksfall war. T. Rowe Price gewährte seinen zwei höchsten Vorständen 280.000 Optionen. Der Chef von Merrill Lynch erhielt 753.770, der Vorsitzende von Home Depot eine Million Optionen. Das Wall Street Journal fragt: "Haben Firmen unangebrachten Vorteil aus einer nationalen Tragödie gezogen?" Das könnte man so sagen, aber ich möchte das wirklich nicht kommentieren!

Dieses dunkle, unappetitliche Kapitel von Wall Street-Vorständen, die massiven Vorteil aus Tod und Zerstörung ziehen, bringt die gesellschaftliche Realität des Amerikas nach dem 11. September zutreffend zum Ausdruck. In den fünf Jahren seit dem Beginn des "Kriegs gegen den Terror" hat sich die Tendenz zur Konzentration des Reichtums und zur sozialen Ungleichheit, die schon vor dem 11. September existierten, noch beschleunigt

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der bekannten Ökonomen Thomas Piketty und Emmanuel Saez zur Einkommensungleichheit dokumentiert die Beschleunigung der Konzentration des Reichtums in den Vereinigten Staaten. Die neuesten Daten von Piketty und Saez ergänzen die Ergebnisse ihrer bahnbrechenden Analyse der Einkommensungleichheit in der Vereinigten Staaten von 1913 bis 1998. Sie stellen fest, dass die Einkommenszuwächse des reichsten obersten Prozents der amerikanischen Gesellschaft ein Vielfaches der Zuwächse der übrigen 99 Prozent betragen. Die größten Zuwächse waren bei dem obersten zehntel Prozent festzustellen.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse von Piketty-Saez zufolge, die vom Center on Budget and Policy Priorities erstellt wurde, ergibt folgendes Bild:

* Inflationsbereinigt stiegen die Einkommen der unteren 99 Prozent in 2003-2004 um nur 3 Prozent. Dieser durchschnittliche Wert spiegelt im Wesentlichen den Einkommenszuwachs der oberen 20 Prozent der Haushalte wider. Mit anderen Worten: die Einkommen der unteren 80 Prozent der Haushalte stagnierten entweder oder gingen zurück.

* 41 Prozent des durchschnittlichen Einkommenszuwachses ging an das oberste ein Prozent der Haushalte - Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 350.000 Dollar im Jahr.

* Der Anteil des obersten einen Prozents am Vorsteuereinkommen stieg von 17,5 Prozent in 2003 auf 19,5 Prozent in 2004. Einen derartigen Anstieg hat es seit 1913 erst fünfmal gegeben.

* Der Anteil des Einkommens des obersten einen Prozent am Gesamteinkommen der USA in 2004 war der höchste seit 1929 - mit Ausnahme der Jahre 1999 und 2000, dem Höhepunkt der Aktienblase des vergangenen Jahrzehnts.

* Der Anteil des obersten zehntel Prozents der Haushalte am Nationaleinkommen stieg von 2003 auf 2004 um 1,3 Prozent, d.h. von 7,9 auf 9,2 Prozent. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte der Einkommenssteigerung des obersten einen Prozents der Haushalte an das reichste zehntel Prozent der amerikanischen Haushalte ging, d.h. an die oberste Schicht der gesellschaftlichen Oligarchie der USA.

Die Zahlen für 2003 und 2004 belegen die Fortsetzung des Trends zu immer größerer sozialer Ungleichheit, der Mitte der 1970er Jahre begann. Davor hatte seit dem zweiten Weltkrieg bis zur Rezession von 1973-75 der Anteil der Arbeiterhaushalte am Nationaleinkommen beträchtlich zugenommen. Der Trend wurde durch die Offensive des Kapitals umgekehrt, die unter der Carter-Regierung begann und sich unter Reagan und seinen Nachfolgern beschleunigt fortsetzte.

Die phantastische Konzentration des Reichtums in den Vereinigten Staaten ist nicht einfach ein bedauerlicher Makel am Körper einer ansonsten gesunden Gesellschaft. Zwar ist sie ein Ergebnis des Privateigentums an den Produktionsmitteln und in den gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus verankert; jedoch hat das unkontrollierbare Anwachsen des Wohlstands der reichsten Amerikaner derartige Dimensionen angenommen, dass er ein bestimmender Faktor des politischen und wirtschaftlichen Lebens geworden ist. Jeder Aspekt der Außen- und Innenpolitik und die Festlegung der nationalen Prioritäten wird unmittelbar und direkt von dem unstillbaren Verlangen der herrschenden Oligarchie nach immer größerem persönlichem Reichtum bestimmt.

Geschäftspläne und Unternehmensstrategien werden beinahe ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihrer voraussichtlichen Auswirkung auf das persönliche Einkommen der Firmenchefs festgelegt. Das zentrale und alles andere überragende Ziel der modernen amerikanischen Wirtschaftsunternehmen besteht darin, ihren Vorständen und großen Aktionären jährlich Millionen und Abermillionen Dollar Vermögenszuwachs zu garantieren.

Die gesellschaftliche Existenz der herrschenden Elite hängt von der rücksichtslosen Ausbeutung und Ausplünderung der Gesellschaft als Ganzes ab. Die längerfristigen Folgen der Entscheidungen, die in der blindwütigen Hatz nach unvorstellbarem und wirklich obszönem Ausmaß persönlichen Reichtums getroffen werden, interessieren die herrschende Elite nicht wirklich. Diese Entscheidungen wirken sich so aus, dass den Firmen die Mittel für Forschung, Entwicklung und für die Modernisierung ihrer Produktionsanlagen entzogen werden, dass Mittel aus produktiven Investitionen in undurchsichtige, gedankenlose und gesellschaftlich schädliche Finanzspekulationen umgeleitet werden, und vor allem in der Zerstörung der sozialen Infrastruktur und der Verarmung immer größerer Teile der Gesellschaft. Die herrschende kapitalistische Elite ist genauso blind für die Folgen ihres Handelns wie die französische Aristokratie, die sich am Hof von Versailles vergnügte.

Wenn man sich die Aktivitäten der herrschenden Oligarchie in Amerika anschaut, dann kann man die gesellschaftlichen Prozesse gut verstehen, die im Verlauf der Französischen Revolution unzählige Menschen zu Befürwortern der Guillotine machten. Die herrschende Elite wirkt zunehmend als Fremdkörper und vergiftendes Element in der Gesellschaft; ihre Forderungen und Privilegien sind unvereinbar mit den Bedürfnissen der Gesellschaft als Ganzes und stehen ihnen regelrecht im Wege.. Um es ganz klar zu sagen: die Reichen sind zu einem echten gesellschaftlichen Problem geworden

Das gesamte politische System der Vereinigten Staaten ist nichts weiter als der konzentrierte Ausdruck dieser überholten, reaktionären und gesellschaftlich schädlichen Verhältnisse. Das gesamte politische Establishment lebt in einer Welt, die völlig von der breiten Masse der Menschen abgeschottet ist und ihre Bedürfnisse und Stimmungen gänzlich ignoriert.

Keines der gesellschaftlichen Probleme kann offen diskutiert werden. Die von großen Konzernen kontrollierten Massenmedien versuchen mit allen Mitteln die Fiktion aufrechtzuerhalten, dass die Vereinigten Staaten eine demokratische Gesellschaft seien, in der alle Bürger die gleichen Chancen haben.

Der politische Mechanismus, der die bedingungslose Verteidigung der Interessen der Reichen garantiert, der die Vorrechte der Wirtschafts- und Finanzelite gegen jede Herausforderung abschirmt und der die breite Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung jeder unabhängigen politischen Stimme beraubt, ist das aus Demokratischer und Republikanischer Partei bestehende Zwei-Parteien-System.

Wie kann man die Tatsache erklären, dass die breite Opposition in der Bevölkerung gegen den Irakkrieg keinerlei ernsthaften Widerhall im politischen Establishment findet? Stattdessen hält das politische Establishment umso hartnäckiger an der Fortsetzung und Ausweitung des Kriegs fest, je mehr die Bevölkerung den Krieg ablehnt.

Der Kampf gegen den Krieg und für eine Veränderung in der Sozialpolitik der Vereinigten Staaten hat keine Chance ohne die Zerstörung der Zwei-Parteien-Diktatur und den Aufbau einer wirklich unabhängigen, sozialistischen politischen Bewegung der Arbeiterklasse.

Die Erfahrungen der Socialist Equality Party in den vergangenen Wochen haben ein grelles Licht auf den kritischen Zustand der Demokratie in den Vereinigten Staaten geworfen. Jede "dritte Partei", die versucht, zur Wahl zugelassen zu werden und die Hegemonie der Zwei-Parteien-Oligarchie in Frage zu stellen, ist sofort mit einem Berg bürokratischer Hindernisse konfrontiert, deren ausschließlicher Zweck darin besteht, die Demokraten und Republikaner vor politischer Opposition zu schützen.

Selbst wenn eine "dritte Partei" die Tausende von Unterschriften gesammelt hat, die das Gesetz für die Kandidatur vorschreibt, muss sie gegen zahllose zynische und böswillige jurustische Einsprüche ankämpfen, deren einziger Zweck darin besteht, den Wählern jede Alternative zu den zwei Parteien der herrschenden Oligarchie vorzuenthalten.

Der Kampf, den die SEP im Wahlkreis 52 in Illinois führen muss, ist ein beispielhafter Ausdruck des repressiven und völlig anti-demokratischen Charakters des politischen Systems. Tausende Einwohner - ein nicht unerheblicher Prozentsatz der registrierten Wähler des Wahlkreises - haben ihre Unterschrift gegeben, damit SEP-Kandidat Joe Parnarauskis auf dem Stimmzettel stehen kann. Dennoch hat die Demokratische Partei Zehntausende Dollar für Rechtsanwälte ausgegeben, um den Kandidaten an der Wahlteilnahme zu hindern. Und selbst nachdem sich alle Einwände der Demokraten als juristisch völlig haltlos erwiesen haben, weigern sich ihre Gremienvertreter jetzt schlicht und ergreifend, den SEP-Kandidaten zu bestätigen und seinen Namen auf den Stimmzettel drucken zu lassen.

Wenn zu solchen Mittel schon gegriffen wird, um einen unabhängigen Kandidaten in einer relative unbedeutenden Wahl für den Sitz in einem Staatssenat zu verhindern, könnt ihr euch die Reaktion auf eine politische Massenbewegung ausmalen, die die Interessen der herrschenden Elite noch viel unmittelbarer bedrohen würde.

Wenn zu solchen Mittel schon gegriffen wird, um in einem einzelnen kleinen Staat einen unabhängigen Kandidaten an der Kandidatur für einen Sitz im Senat zu hindern, wie wird dann erst die Reaktion auf eine politische Massenbewegung aussehen, die die Interessen der herrschenden Elite viel direkter bedrohen würde!

Die herrschende Elite beweist durch ihr eigenes Handeln, dass ohne revolutionären Kampf keine progressive Änderung der Innen- oder Außenpolitik der Vereinigten Staaten möglich ist, d.h. keine Maßnahme, die den Reichtum und die weltweiten Interessen des amerikanischen Kapitalismus bedroht.

Fassen wir so knapp als möglich die Situation zusammen, wie sie sich uns fünf Jahre nach dem 11. September präsentiert. Der Versuch des amerikanischen Imperialismus, den Vorwand, den ihm die Ereignisse dieses Tages boten, für die Verwirklichung seiner Weltherrschaftspläne auszunutzen, ist auf unerwarteten Widerstand und Probleme gestoßen. Das Scheitern der Eroberung und Befriedung des Irak hat den Ruf der militärischen Unbesiegbarkeit der USA beschädigt. Das Weltherrschafts-Projekt des amerikanischen Imperialismus steht heute auf viel schwächeren Füßen als vor fünf Jahren.

Für die amerikanische herrschende Elite ist ein Abrücken von ihren globalen Zielen allerdings keine akzeptable Option. Die Logik des Imperialismus zwingt die Vereinigten Staaten, neue, noch gewaltsamere Interventionen vorzubereiten - als nächstes im Iran und später gegen China, oder welches Land oder welche Gruppe von Ländern auch immer dem amerikanischen Vormachtstreben im Weg stehen mögen.

Aber die "Kriege des 21. Jahrhunderts", die Bush versprochen hat, vertiefen zwangsläufig die sozialen Gegensätze in den Vereinigten Staaten selbst und provozieren immer stärkeren Widerstand der Bevölkerung. Die bereits erkennbare Unzufriedenheit und der Zorn breiter Schichten werden größere Teile der Bevölkerung erfassen und an Heftigkeit zunehmen. Die zusammenhängenden Fragen von sozialer Lage und Ungleichheit, demokratischen Rechten und imperialistischem Krieg werden im öffentlichen Bewusstsein zunehmend auch so verstanden werden.

Die lange Periode politischer Stagnation geht zu Ende. Eine neue stürmische Periode sozialer und politischer Kämpfe zieht in den Vereinigten Staaten mit großer Geschwindigkeit herauf. Das ist die Perspektive, die die Arbeit der Socialist Equality Party im Wahlkampf in diesem Herbst inspirieren wird.

Siehe auch:
Weshalb wir gegen den Krieg in Afghanistan sind (10. Oktober 2001)

Die Krise des amerikanischen Kapitalismus und der Irakkrieg ( 25. März 2003)

War die US-Regierung vor dem 11. September vorgewarnt? (23.-29. Januar 2002)

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