GDL kündigt neue Streiks an

SPD und DGB greifen Lokführer an

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat die Tarifverhandlungen mit der Bahn und den beiden anderen Bahngewerkschaften, Transnet und GDBA, am Mittwochabend abgebrochen und neue, unbefristete Streiks ab dem 7. Januar angekündigt. Damit verschärft sich der Tarifkampf der Lokführer, der nun schon seit neun Monaten dauert, erheblich.

In über dreiwöchigen Verhandlungen zwischen GDL und Bahnvorstand, während denen die Lokführer auf Streikaktionen verzichteten, ist erneut deutlich geworden, dass die Bahn zu keinen Kompromissen bereit ist. Sie hat stattdessen versucht, die Zeit der Verhandlungen zu nutzen, um die Lokführer zu isolieren und die GDL gegen die Wand zu fahren.

GDL-Chef Manfred Schell begründete den Abbruch der Gespräche auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main damit, dass der Bahnvorstand von seiner Zusage eines "eigenständigen Tarifvertrages" mit der GDL im Laufe der Verhandlungen immer weiter abgerückt sei.

So habe die Bahn verlangt, dass sich die GDL mit der DGB-Gewerkschaft Transnet und der Beamtenvereinigung GDBA auf einen "Kooperationsvertrag" einige, bevor sie inhaltliche Verhandlungen mit der GDL führe. Das habe zur Folge, dass die GDL nicht eigenständig über Entgelt und Arbeitszeit verhandeln könne. "Das hat nichts mit einem eigenständigen Tarifvertrag zu tun. Das werden wir nicht mitmachen", sagte Schell.

Schells Stellvertreter Claus Weselsky sagte dazu in SpiegelOnline : "Die GDL sollte die Forderungen bei ihrem ureigenen Lokomotivführer-Tarifvertrag mit Transnet und GDBA abstimmen - und der Gipfel: Wenn die Gewerkschaften sich mit ihren Ansprüchen nicht einigen können, sollten sie sich einer Schlichtung unterwerfen. Bevor sie überhaupt Forderungen an den Vorstand stellen, das muss man sich mal vorstellen. Das sollte auch noch für die jetzige Auseinandersetzung gelten."

Weselsky warf der Bahn vor, sie wolle die GDL "veralbern". "Die Entgeltgrundlagen sollten nicht in unserem Vertrag stehen", sagte er. "Auf Deutsch: Wir sollten nicht selbst aushandeln können, was die Lokführer verdienen." Im Lokführer-Tarifvertrag sollten nur Nebensächlichkeiten stehen "wie die Frage, ob die vermögenswirksamen Leistungen gleich bleiben oder mehr werden. Da geht es derzeit um 13 Euro im Monat."

Auch bei der Gehaltsforderung habe die Bahn lediglich die 4,5 Prozent geboten, die bereits Transnet und die GDBA ausgehandelt hatten. Durch eine Neueingruppierung in die Lohnstruktur sollten dann weitere zwei Prozent ermöglicht werden. "Das war uns zu wenig," sagte Weselsky. "Wir wollen Gehaltssteigerungen im zweistelligen Prozentbereich."

Hinzu kommt, dass der Bahnvorstand Rangierlokführer nicht als Lokführer anerkennt und damit der GDL die Verhandlungsberechtigung für diese Berufsgruppen aberkennt.

Die GDL will nun ab dem 7. Januar im Güter- und Personenverkehr wieder streiken. Anders als bisher wolle sie diesmal keinen Endtermin für den Streik bekannt geben, erklärte Schell auf der Pressekonferenz. Der Ausstand werde fortgeführt, bis die Bahn ein "tragfähiges Angebot" vorlege, und auch bei neuen Verhandlungen mit dem Vorstand erst einmal nicht unterbrochen. Der Arbeitskampf werde erst beendet, wenn "wir felsenfest davon überzeugt sind, dass wir auf einem richtigen Weg sind", sagte der GDL-Vorsitzende.

Die Reaktion des Bahnvorstands kam prompt. Der Konzern ziehe alle bisherigen "Angebote und Zugeständnisse" an die Lokführergewerkschaft GDL zurück, teilte der Vorstand in einer Erklärung mit. Die Bahn fordere jetzt von der GDL ein "geregeltes Schlichtungsverfahren".

Politik und Medien stellten sich sofort hinter den Bahnvorstand und entfachten ein propagandistisches Trommelfeuer gegen die Lokführer. Am Schärfsten taten sich dabei die SPD und die DGB-Gewerkschaften hervor.

Falls die GDL tatsächlich wieder zu Streiks aufrufe, "werden wir uns deutlich dagegen positionieren. Da gibt es keine Solidarität", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, der Saarbrücker Zeitung (Freitagausgabe). Wend warf der GDL vor, sie wolle "zu Lasten des Gemeinwohls ihre Partikularinteressen durchsetzen".

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, warnte die GDL in derselben Zeitung ausdrücklich vor neuen Streiks. Sonst werde sie "die letzten Sympathien verspielen". Andere Gewerkschaftsfunktionäre bezeichneten die neuen Streiks als "tarifpolitischem Schwachsinn".

Der Transnet-Vorsitzende Norbert Hansen und sein GDBA-Kollege Klaus-Dieter Hommel erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme: "Das Ganze wird allmählich absurd." Beide kündigten an, mit allen Mitteln gegen einen erneuten Streik der Lokführer vorzugehen. Sie würden dann mit der Bahn "eigene Tarifverhandlungen für die Lokführer aufnehmen, die in unseren Gewerkschaften organisiert sind". Das seien immerhin 5.000. Ziel eines solchen Vorgehens ist es, die Lokführer zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen.

Die jüngste Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, die breiteste Solidarität und Unterstützung für die Lokführer zu organisieren. An ihnen soll ein Exempel statuiert werden, weil sie es gewagt haben, aus dem Tarifdiktat der DGB-Gewerkschaften auszubrechen und nach Jahren des Abbaus für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

Ein solcher Kampf erfordert den Bruch mit der Gewerkschaftsbürokratie und der SPD, die sich offen als Streikbrecher betätigen. Auch die GDL ist mit ihrer beschränkten gewerkschaftlichen Perspektive nicht in der Lage, diesen Kampf konsequent zu führen. Ihre Kompromissbereitschaft hat den Bahnvorstand um Hartmut Mehdorn zu immer schärferen Angriffen und Provokationen ermutigt.

Die Lokführer müssen den Streik selbst in die Hand nehmen. Es ist notwendig, den Kampf über den engen Rahmen gewerkschaftlicher Konzeptionen hinauszuheben und eine breite politische Offensive zu beginnen. Dazu müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, die gezielt eine Zusammenarbeit mit allen anderen Bahnbeschäftigten anstreben und Arbeiter und Angestellte aus anderen Industrie- oder Verwaltungsbereichen zur Mitarbeit auffordern. Die Aktionskomitees müssen die Unterstützung und Solidarität, die in großen Teilen der Bevölkerung besteht, weiterentwickeln und konkretisieren.

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