Airbus-Arbeiter streiken in Frankreich und Deutschland gegen massiven Stellenabbau

Zehntausend Arbeitsplätze an mehreren europäischen Airbus-Standorten - fast ein Fünftel der gesamten Konzernbelegschaft - sollen vernichtet werden. Dies gab die EADS, Mutterkonzern von Airbus, vergangenen Mittwoch bekannt. Louis Gallois bestätigte im Lauf einer Pressekonferenz in Paris Zeitungsberichte, die einen beispiellosen Angriff auf Airbus-Arbeitsplätze angekündigt hatten.

In Frankreich werden insgesamt 4.300 Arbeitsplätze, in Deutschland 3.700, in Großbritannien 1.600 und in Spanien 400 Arbeitsplätze abgebaut. Zurzeit beschäftigt Airbus in Deutschland 23.000, in Frankreich 19.000, in Großbritannien 10.000 und in Spanien 3.000 Mitarbeiter.

In einer spontanen Reaktion auf die Nachricht verließen Arbeiter in Deutschland und Frankreich ihre Arbeitsplätze. Beschäftigte aller drei in Deutschland betroffenen Standorte, wie auch die Arbeiter des Werks Méaulte in Frankreich, stellten die Arbeit ein und gingen nach Hause. In Toulouse, wo sich die Airbus-Zentrale und die Endmontage des Großraumjets A380 befinden, demonstrierten etwa tausend Arbeiter gegen die Stellenstreichungen.

Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte Joachim Gramberg, der die Nachricht am Standort Varel mit den Worten kommentierte: "Ich habe es nicht glauben wollen. Ich habe es nicht glauben wollen. Wir haben 200 Flugzeuge gebaut im Jahr, da ging es uns hervorragend. Jetzt bauen wir 438 und sind am Ende."

Airbus ist eins der größten europaweiten Industrieprojekte. Lange Zeit war Airbus das Vorzeigemodell für die europäische Zusammenarbeit und die Stärkung europäischer Industriepotentiale gegen die amerikanische Dominanz in der zivilen Luftfahrtindustrie. Die am Mittwoch angekündigten massiven Stellenstreichungen sind der Höhepunkt einer wachsenden Krise von Airbus, die erbitterte Kämpfe zwischen den am Projekt beteiligten Hauptpartnern, den Regierungen von Frankreich und Deutschland, ausgelöst haben.

Das Sparprogramm sollte schon vor zehn Tagen veröffentlicht werden, aber die Konflikte zwischen Frankreich und Deutschland über den jeweiligen Anteil an den Arbeitsplatzverlusten führten dazu, dass der französische Präsident Jacques Chirac und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel intervenierten. Die beiden Staatschefs einigten sich schließlich vergangenen Freitag in Berlin über den Inhalt eines Deals.

Der Plan mit Namen "Power8" sieht auch den Verkauf von sechs der sechzehn Airbus-Standorte in Europa vor. Im deutschen Fernsehen hieß es, dass von den sechzehn europäischen Airbus-Standorten mindestens fünf privaten Investoren angeboten würden, darunter die deutschen Werke Varel (1.300 Beschäftigte) und Nordenham (2.300 Beschäftigte) und die französischen Werke Saint-Nazaire in der Bretagne und Méaulte in der Somme. Diese Betriebe sollen von Investoren übernommen werden, die Airbus weiter beliefern sollen, die jedoch mit Nicht-Airbus-Werken in Ländern wie Russland, China und Indien konkurrieren müssen.

Der Verkauf zusätzlicher Standorte, wie z.B. Laupheim in Deutschland, wird unweigerlich noch mehr Angriffe auf Arbeitsplätze und -bedingungen nach sich ziehen.

Dem deutschen Nachrichtenmagazin Focus zufolge versucht Airbus außerdem, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich von 35 auf 40 Stunden zu erhöhen. Der französische Premierminister Dominique de Villepin drängte Airbus-Chef Gallois zur Zusage, "betriebsbedingte Kündigungen" zu vermeiden, aber das Ausmaß der Stellenstreichungen macht Entlassungen unvermeidlich.

Nationale Konflikte über das Projekt A380

Die Produktion des Superjumbos A380 ist eins der größten Industrieprojekte, die in letzter Zeit von einer Allianz europäischer Länder unter Führung von Frankreich und Deutschland unternommen wurde.

Als jedoch die Produktionsprobleme und Lieferschwierigkeiten beim Airbus A380 zunahmen, kam es zu intensiven Gesprächen zwischen den wichtigsten, am Projekt beteiligten Ländern, besonders zwischen Deutschland und Frankreich.

Die Globalisierung der Hochtechnologieindustrie, zu der auch die Luftfahrtindustrie gehört, bringt es mit sich, dass Länder wie China, die über große Potentiale an billigen Arbeitskräften verfügen - und die gleichzeitig als potentielle Abnehmerländer für den neuen Jumbojet gelten - in den Augen des europäischen Kapitals als potentiell attraktive Alternativstandorte in Frage kommen.

So spielen die Schließung europäischer Standorte und die Verlagerung der Produktion nach China und in andere Niedriglohnländer im Airbus-Sparplan eine Schlüsselrolle. Dieser Prozess hat auch die Spannungen zwischen den verschiedenen nationalen Regierungen verschärft, die am Airbus-Projekt beteiligt sind.

So veröffentlichte die Financial Times am 22. Februar einen Kommentar unter dem Titel "Französisch-deutscher Nahkampf", in dem sie zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Paris und Berlin als Ergebnis des Airbus-Konflikts Stellung nahm. In dem Artikel heißt es: "Die Beziehungen zwischen den zwei Ländern sind trotz dem so genannten deutsch-französischen Verhältnis noch nie so schlecht gewesen. Schlimmer: Die Deutschen zeigen, was vielleicht verständlich ist, die klare Absicht, das gleiche protektionistische Gebaren an den Tag zu legen, wie die Franzosen. Da die Franzosen schließlich lange dem Wirtschaftsnationalismus gefrönt haben, besonders in ihrer Beziehung zu den Deutschen, wäre es offensichtlich dumm, würden die Deutschen nicht das gleiche tun."

Als die Fabrikschließungspläne von Airbus bekannt wurden, verstieg sich der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos zu der Drohung, Rüstungsaufträge für die Airbus-Konzernmutter EADS zu überprüfen, falls Deutschland durch das Sparprogramm überproportional betroffen würde.

Am 20. Februar räumte Bernard Valette, Chef der Luftfahrtabteilung des französischen Manager-Verbandes, ein, dass "ein kleiner nationalistischer Krieg" ausgebrochen sei. Er gab den deutschen Behörden die Schuld an der Sackgasse, weil sie entscheidende Sparten der Produktion und der Planung in Händen behalten wollten. "Die Union wird nicht akzeptieren, dass die politischen Interessen der deutschen Regierung über die industriellen Interessen von Airbus gestellt werden", sagte er. "Wenn das geschieht, dann muss die französische Regierung ihre Stimme erheben."

Vor diesem Hintergrund trafen sich der französische Präsident und die deutsche Kanzlerin vergangenen Freitag in Berlin, um eine Lösung zu finden. Nach einem Gespräch mit Chirac versuchte Merkel die Differenzen zwischen den zwei Ländern herunterzuspielen, aber laut der britischen Times vom 24. Februar "gab es zweifellos Spannungen zwischen den Staatsführern. Für den scheidenden Präsidenten Chirac war es der letzte offizielle Deutschlandbesuch, und die Kanzlerin versuchte, ein Signal an seinen Nachfolger zu senden. Sie kämpft nicht nur für deutsche Arbeitsplätze, sondern verfolgt auch ein strategisches Ziel, das die Balance von Europas mächtigster politischer Achse verschieben könnte. Deutschland, so lässt sie wissen, wird sich nicht länger herumstoßen lassen."

Die Rolle der Gewerkschaften

Die Spannungen zwischen Paris und Berlin finden ihr Echo in den nationalistischen Positionen, die von den Gewerkschaften auf beiden Seiten der deutsch-französischen Grenze eingenommen werden. Die größten Airbus-Gewerkschaften, wie die IG Metall in Deutschland und Force Ouvrière in Frankreich, spielen bei der Demobilisierung und Spaltung der Airbus-Arbeiter eine wichtige und niederträchtige Rolle.

In den vergangenen Wochen haben die Gewerkschaften auf beiden Seiten des Rheins Proteste und Demonstrationen gegen die geplante Arbeitsplatzvernichtung organisiert, aber diese konzentrierten sich auf die Verteidigung einzelner Fabriken und Standorte in den jeweiligen Ländern. Keine einzige grenzübergreifende Aktion wurde ausgerufen, und keine Anstrengung wurde unternommen, um die Solidarität aller Airbus-Arbeiter zu stärken.

Als die Nachricht vom Sparprogramm bekannt wurde, schlugen die großen deutschen Gewerkschaften sofort nationalistische Töne an. Rüdiger Lütjen, Vorsitzender des deutschen Airbus Gesamtbetriebsrats, erklärte, der neue Plan sei der Versuch, das deutsche Tarifvertragssystem zu unterhöhlen. Er sagte, Frankreich habe "den Fehdehandschuh hingeworfen". Die Franzosen, so Lütjen, wollten Deutschland Entlassungen aufzwingen, sie hätten jede Zurückhaltung fallen lassen.

Für die französischen Gewerkschaftsführer war die Ursache der Airbus-Krise sofort klar: Die Schuld trugen die deutschen Arbeiter. Schon vor den Ankündigungen vom Mittwoch gab Jean-François Knepper, Gewerkschaftsführer von Force Ouvrière in Toulouse und Vorstandsmitglied des Europäischen Airbus-Betriebsrats, seine Überzeugung kund: "Die Deutschen wollen deutsche Arbeitsplätze retten." Der Großteil der Umstrukturierung müsse in Deutschland ausgetragen werden, erklärte Knepper, und fuhr fort: "Wenn Airbus ein Baum ist, dann sind in Frankreich seine blühenden Zweige. Wenn es tote Zweige abzuschneiden gibt, dann nicht in Frankreich."

Die deutsche IG Metall gab ihrerseits zu verstehen, sie werde die Umstrukturierungspläne unterstützen, wolle sich aber dafür einsetzen, dass ein größerer Teil des Arbeitsplatzabbaus den Airbus-Belegschaften in andern Ländern zugemutet wird. Horst Niehus, Betriebsratsvorsitzender von Airbus Hamburg, sagte: "Wir sehen die Notwendigkeit der Sanierung." Er befürchte aber, "dass größere Arbeitspakete aus Deutschland abgezogen werden könnten".

Nach der Ankündigung des "Power8"-Planes verschärften die Gewerkschaftsführer in beiden Ländern ihre chauvinistische Demagogie. Julien Talavan, FO-Delegierter im bestreikten Werk von Méaulte, beschwerte sich, die französische Regierung tue nicht genug, um ihre Fabriken zu schützen, und bedauerte, dass Arbeitsplätze in Toulouse, aber nicht im Hamburger Werk zerstört würden.

Talavans Appell an ein Eingreifen des französischen Staates wurde von der Präsidentschaftskandidatin der französischen Kommunistischen Partei, Marie-George Buffet, aufgegriffen. Sie gab selbst eine chauvinistische Erklärung heraus, in der sie Frankreich aufforderte, wieder die vollständige Kontrolle über die Luftfahrtindustrie zu übernehmen.

Und schließlich meldete sich der britische Gewerkschaftssprecher Bernie Hamilton, der in der britischen Gewerkschaft Amicus für die Luftfahrtindustrie zuständig ist. Er hatte sich schon vergangenes Jahr mit den Worten geäußert: "Großbritannien muss das Technologiezentrum für den Tragflügelbereich bleiben. Die Investitionen und neuen Technologien müssen nach Großbritannien kommen. Das Gerücht geht um, dass sie sich für Deutschland entscheiden könnten."

Durch dieses Schüren chauvinistischer Stimmungen verraten die Gewerkschaften die Interessen der Airbus-Arbeiter in allen beteiligten Ländern. Sie schließen sich ihren jeweiligen Regierungen an, unterstützen und bestärken deren Bemühen, jeden gemeinsamen Kampf der Arbeiter zu unterbinden, und hetzen die Arbeiter in den verschiedenen Ländern gegeneinander auf.

Grund für die Airbus-Krise und den beispiellosen Angriff auf die Belegschaft ist das Scheitern des kapitalistischen Profitsystems in Europa und weltweit, und die Unmöglichkeit, auf der Grundlage des Nationalstaats, an den der Kapitalismus gekettet ist, ein demokratisches und gesellschaftlich fortschrittliches Wirtschaftsleben zu organisieren.

Airbus Arbeiter müssen sich gegen die korporatistische und nationalistische Politik der Gewerkschaftsorganisationen auflehnen und unabhängige Komitees aufbauen, um sich mit ihren Kollegen in andern Ländern zusammenzuschließen. Die erste Forderung muss die Verteidigung aller Arbeitsplätze aller Arbeiter sein. Eine solche Kampagne muss auf der Grundlage einer internationalen, sozialistischen Perspektive geführt werden, die Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen dadurch verteidigt, dass sie Großunternehmen wie Airbus wirklich in Gemeineigentum überführt und demokratischer Kontrolle unterstellt.

Siehe auch:
Unterstützt den Kampf der VW-Arbeiter in Brüssel! Baut Verteidigungskomitees unabhängig von Betriebsrat und Gewerkschaft auf!
(25. November 2006)
Der schrittweise Tod von Siemens/BenQ - ein abstoßendes Spektakel
( 26. Januar 2007)
Sarkozys rechte Freunde
( 22. November 2007)
Frankreich: Sozialistische Partei nominiert rechte Präsidentschaftskandidatin
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