Antikriegs Forum in Berlin schweigt zur Rolle der US-Demokraten im Irakkrieg

Am 24. Februar führten mehrere deutsche Antikriegs Gruppen, unter ihnen der Deutsche Friedensrat, Attac und die Linkspartei.PDS, in Berlin eine Veranstaltung über die Situation im Nahen Osten durch. An die 120 Personen nahmen an dem Treffen teil, das von Delegierten deutscher Organisationen, die eine Reihe von Protesten gegen den Irak Krieg organisiert hatten, und von Repräsentanten arabischer Organisationen besucht wurde, die in Deutschland aktiv sind.

Das Treffen wurde in der Zentrale des Neuen Deutschland abgehalten, der Tageszeitung der stalinistischen Regierung in der ehemaligen DDR, die heute enge Beziehungen zur PDS unterhält, der Nachfolgepartei der SED.

Die Sprecher behandelten eine Anzahl von Problemen und Ereignissen die im Zusammenhang mit dem Irakkrieg und seinem Hintergrund stehen. Im Verlauf der Diskussion schälte sich jedoch heraus, dass eines der Ziele dieser Veranstaltung war, den amerikanischen Demokraten ein Antikriegsmäntelchen umzuhängen.

Es zeigte sich ebenfalls deutlich, dass die Veranstalter des Treffens eifrig bemüht waren, prinzipienlose Beziehungen mit arabischen nationalistischen Organisationen in Deutschland anzuknüpfen. Im Verlauf des Treffens hoben Sprecher den reaktionären Charakter anti-islamischer Kampagnen in Deutschland und anderen europäischen Ländern hervor.

Der Hauptbeitrag der morgendlichen Sitzung wurde von Rainer Rupp gehalten, einem führenden Redakteur der Jungen Welt, der früher meistgelesenen Jugendzeitung in Ostdeutschland, die jetzt politisch mit der PDS sympathisiert. Unter den Decknamen Mosel und Topas infiltrierte Rupp in den 1970er und den 1980er Jahren das NATO Hauptquartier in Brüssel und erwies sich als einer der erfolgreichsten Spione des stalinistischen DDR-Regimes. Im Verlauf seines Beitrags auf dem Berliner Seminar sprach Rupp umfassend über den Hintergrund des Irakkriegs und die Strategie von neo-konservativen Gruppen innerhalb und im Umfeld der Bush-Regierung.

Rupp zitierte aus der Aussage von Zbigniew Brzezinski, dem nationalen Sicherheitsberater der Carter Regierung, vom vergangenen Monat vor dem Außenpolitischen Ausschuss des US-Senates. Brzezinski hatte gewarnt, dass die Bush Regierung möglicherweise eine "Provokation im Irak oder einen terroristischen Akt in den USA dem Iran anlasten" könnte, um militärische Aktionen gegen das Land zu rechtfertigen. Rupp sagte, dass die kapitalistischen Massenmedien diese wichtige Aussage schlichtweg ignorierten und dass er "nur durch das Wunder des Internet" darauf gestoßen sei.

Rupp fuhr fort, den gegenwärtigen Aufbau der US- Streitkräfte im persischem Golf und der Region zu beschreiben. aber er beendete seinen Beitrag mit dem Hinweis auf eine iranische Quelle, die die militärischen Vorbereitungen Amerikas in erster Linie als ein Mittel einschätzte, Druck auf die iranische Regierung auszuüben. Damit sollte wohl nahe gelegt werden, dass ein tatsächlicher militärischer Angriff doch sehr unwahrscheinlich sei.

Ein hervorstechender Aspekt von Rupps Vortrag war sein vollständiges Schweigen über die politische Komplizenschaft der Demokratischen Partei in diesem Krieg.

In der sich anschließenden Diskussion kommentierte WSWS Reporter Stefan Steinberg Rupps Bericht. Nachdem er enthüllt hatte, dass das "Wunder des Internet" den Namen World Socialist Web Site, trägt, der Internet Zeitung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, die über Brzezinskis Bericht und über das Schweigen der amerikanischen Medien berichtet hatte, kritisierte Steinberg Rupp für seine Verharmlosung der Gefahr eines US-Militärschlags gegen den Iran.

Er hob hervor, die US-Navy habe ihre Kräfte nicht weniger als fünfmal in den letzten 15 Jahren im Persischen Golf zusammengezogen und dabei viermal militärische Angriffe gestartet. Steinberg nahm ebenso Bezug auf die jüngsten diplomatischen Missionen von Vizepräsident Dick Cheney: erst bei den Golf Staaten, um ein Abkommen zur Stabilisierung des Ölpreises zu erreichen, danach beim loyalsten Gefolgsmann der US-Regierung, der australischen Regierung. Dort machte er klar, dass die Bush Regierung einen militärischen Angriff auf den Iran als eine ihrer Optionen erwägt.

Steinberg wies daraufhin, dass dies alles klare Zeichen für den Versuch der US-Administration seien, ihre Alliierten für einen bevorstehenden Angriff auf Linie zu bringen.

Steinberg merkte auch an, dass es hinsichtlich des irakischen Widerstandes notwendig sei, die politischen Ziele und Programme der im Irak aktiven Organisationen zu untersuchen. Es könne absolut kein Zweifel darüber bestehen, dass die Hauptverantwortung für die gegenwärtige Gewalt und das Blutvergießen im Irak voll und ganz auf das Konto des US Regimes und seiner Besatzungskräfte gehen, und dass das irakische Volk jedes Recht auf seiner Seite hat, den amerikanischen Besatzungstruppen und ihrer Marionettenregierung in Bagdad militärischen Widerstand zu leisten. Klar sei aber auch, dass die sektiererischen Bombenanschläge der verschiedenen schiitischen und sunnitischen Milizen, von denen einige mit dem US-gestützten Regime verflochten sind, nichts Fortschrittliches und nichts Revolutionäres an sich hätten.

Zuletzt betonte Steinberg, dass eine Analyse des Irakkriegs unmöglich sei, ohne die reaktionäre Rolle der Demokratischen Partei zu beleuchten, die die Invasion des Iraks und die Serie antidemokratischer Maßnahmen der Bush-Regierung im Namen des so genannten "Kriegs gegen den Terror", darunter den "Patriot Act", bedingungslos unterstützte. Nachdem die Opposition gegen den Irakkrieg bei den Novemberwahlen zu einer Mehrheit der Demokraten in beiden Häusern des Kongresses geführt hatte, setzen die Demokraten sich jetzt über den Willen der Wähler hinweg und lehnen jeden Schritt ab, der tatsächlich zur Beendigung des Krieges führen könnte - wie zum Beispiel die Verweigerung der Finanzierung der Militäroperationen im Irak.

In seiner Antwort erklärte Rupp, dass es nicht seine Absicht war, die Kriegsgefahr gegen den Iran herunterzuspielen, ignorierte allerdings die anderen Kritikpunkte - ganz speziell die Rolle der Demokratischen Partei.

Der Grund für Rupps Widerwillen, die Frage der Demokratischen Partei anzusprechen, wurde alsbald offensichtlich. Bevor für die Mittagspause unterbrochen wurde, lud der Vorsitzende der Versammlung eine Repräsentantin der Demokratischen Partei in Berlin ein, neben Rupp Platz zu nehmen.

Elsa Rassbach ist führendes Mitglied der American Voices Abroad (AVA) und der Democrats Abroad, zweier Organisationen, deren Ziel ist, die größtmögliche internationale Unterstützung für die Demokratische Partei zu mobilisieren. Beide Organisationen setzten sich dafür ein, möglichst viele amerikanische Wähler in Deutschland bei den Kongresswahlen letzten November für eine Stimmabgabe für die Demokratische Partei zu gewinnen.

Rassbach entschuldigte sich bei der Versammlung, weil sie gleich zu einem wichtigen Treffen der Demokratischen Partei müsse. Sie machte noch einen kurzen Aufruf für die Unterstützung eines amerikanischen Soldaten, der in Deutschland in einem amerikanischen Militärgefängnis sitzt, weil er sich weigert, im Irak zu dienen. Ebenso wie Rupp hielt es auch Rassbach nicht für nötig, auf die Kritik Steinbergs an der Rolle der Demokraten einzugehen.

Im großem und ganzen gab das Treffen in Berlin eine entlarvende Momentaufnahme der deutschen Antikriegsbewegung. Fest im Griff von Kräften wie der Linkspartei.PDS und hartnäckig stalinistischen Friedensgruppen aus Westdeutschland, ist die Antikriegsbewegung eine Art inoffizielle Wetterfahne der deutschen Außenpolitik.

Im Jahr 2003 nahmen die Organisationen, die sich jetzt in Berlin trafen, regen Anteil an der Organisierung von großen Demonstrationen gegen den Irakkrieg. Damals erschien es der regierenden rot-grünen Koalition aus taktischen Erwägungen heraus opportun, die US-Invasion und Besatzung nicht öffentlich zu unterstützen. Es ist eine Tatsache, dass die deutsche Regierung den amerikanischen Streitkräften im Stillen erhebliche logistische Unterstützung leistete. Sie erlaubte den Amerikanern, von deutschem Boden aus zu operieren, duldete die Aktivitäten der deutschen Geheimdienste und militärischer Sondereinheiten, die eng mit dem amerikanischen Militär zusammen arbeiteten. Damals hoffte die Berliner Regierung, die Demokratische Partei werde als mäßigendes Element auf die Bush-Regierung wirken.

In der Absicht, ihrem transatlantischen Cousin nicht auf die Zehen zu treten, boykottierten die SPD und die Grüne Partei weitgehend die Massendemonstrationen gegen Krieg im März 2003, während Organisationen wie die PDS, der deutsche Friendensratschlag und Attac sich bemühten zu verhindern, dass die breite Bewegung gegen Krieg in der Bevölkerung in offene Kritik an der deutschen Regierung umschlug. Sie boten den US-Demokraten ihre Unterstützung an.

Vier Jahre später schweigt die deutsche Friedensbewegung zu dem drohenden Krieg gegen den Iran, obwohl sich die düsteren Wolken des Krieges mit großer Geschwindigkeit zusammenziehen. Ihre Haltung spiegelt den Standpunkt der Großen Koalition wider, die sich weigert, die amerikanischen Angriffspläne gegen den Iran zu kritisieren, auch wenn sie selbst sehr auf eine diplomatische Lösung hofft.

Die Bereitschaft von Kanzlerin Merkel, die Aktivitäten der Bush-Regierung im Irak und in Afghanistan zu unterstützen, und gleichzeitig nicht offen Position zum Iran zu beziehen, ermutigt die kriegerischsten Elemente im Weißen Haus und im Pentagon aber nur. Die Merkel-Regierung vollzieht einen Drahtseilakt. Sie begrüßte den jüngsten Baker-Plan und hofft weiter, dass ihre eigenen diplomatischen Manöver und, illusorische, Initiativen der Demokraten Washington doch noch von einer gewaltsamen Konfrontation mit dem Iran abbringen können. Sie ist sich bewusst, dass eine erneute imperialistische Aggression gegen den Iran enorme Folgen hätte, nicht zuletzt für Deutschlands große Interessen in der Region.

Die deutsche Antikriegsbewegung reagiert entsprechend. Sie trat gegen die amerikanischen Kriegspläne auf, als die deutsche Regierung sich an die Spitze stellte. Jetzt, da der deutsche Imperialismus die Reihen mit den USA schließt, und zu den Drohungen gegen den Iran schweigt, spielen diese Gruppen die Gefahr eines neuen Krieges gegen den Iran herunter, versuchen opportunistische Beziehungen zu arabischen Nationalisten und islamistischen Gruppen zu knüpfen, während sie gleichzeitig ihre Bemühungen verstärken, das Ansehen der Demokratischen Partei in den USA zu stärken.

Nichts könnte den politischen Bankrott dieser Gruppen deutlicher zeigen. Die unmittelbar drohende Gefahr einer Ausweitung des Irakkriegs in den Iran zu einem Konflikt, der den ganzen Nahen Osten zu verschlingen droht, unterstreicht die Dringlichkeit einer Neuorientierung der breiten Antikriegsbewegung auf der Grundlage einer internationalen sozialistischen Perspektive.

Siehe auch:
Demokraten der Gruppe "Raus aus dem Irak" feiern ihre radikalen Freunde
(10. Februar 2007)

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