Frankreich: Sozialistische Partei bemüht sich um "linkes" Image für Ségolène Royal

Während der letzten beiden Wochen bemühte sich Ségolène Royal, die Kandidatin der Sozialistischen Partei (PS) für die französischen Präsidentschaftswahlen vom 22. April, um ein linkeres Image. Am 26. Februar erklärte sie auf France Inter, jede Verwechselung von Links und Rechts sei "sehr gefährlich" und hindere "das französische Volk daran, zwischen zwei sozialen Modellen zu wählen, zwischen zwei entgegen gesetzten politischen Vorstellungen".

Royal antwortete auf die Frage, ob eine "Koalition nach französischem Muster" (" coalition à la française ") erstrebenswert sei. Eine solche Möglichkeit hatte François Bayrou, der Kandidat der Mitte-Rechts-Partei UDF (Union für französische Demokratie) in die Diskussion gebracht. Royal erklärte dazu: "Wir können Frankreich nicht voranbringen mit einem Tropfen sozialer Politik in einem Meer des ökonomischen Liberalismus - denn das schlagen beide rechten Kandidaten vor."

In den Umfragen liegt Bayrou im Moment im ersten Wahlgang mit 17 Prozent an dritter Stelle hinter dem Kandidaten der gaullistischen UMP (Union für eine Volkspartei), Nicolas Sarkozy, und Royal, die beide bei 28 Prozent liegen.

Royals Linksschwenk ist sehr aufschlussreich. Medien und offizielle Kreise betrachten die gegenwärtige Wahlkampagne als Neuanfang, da sowohl Royal als auch Sarkozy anerkennen würden, dass die wirtschaftlichen und sozialen Probleme Frankreichs ein Ergebnis des Scheiterns des sozialdemokratischen Modells und der Überlegenheit des "angelsächsischen Modells" seien.

Dieser Argumentation zufolge ist die Berufung auf die " égalité" (Gleichheit) ein Fehler. Die beträchtlichen Kosten für den französischen Sozialstaat müssen gesenkt werden, weil sie ein Umfeld schaffen würden, das "für Unternehmen nicht zuträglich" ist. Die Probleme des Landes seien verschärft worden, weil die französischen Regierungen sich angesichts des entschlossenen Widerstands der Arbeiterklasse und der Jugend in den letzten beiden Jahrzehnten als unfähig erwiesen hätten, die notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Reformen durchzusetzen.

Die Massenmobilisierung gegen den CPE-Erstarbeitsvertrag im Jahre 2006 ist der jüngste Ausdruck dieses Widerstands, der sich im Herbst 2005 auch in den Ausschreitungen in den Vorstädten als Reaktion auf die Law-and-Order-Maßnahmen der UMP-Regierung äußerte.

Sowohl Royal als auch Sarkozy präsentieren sich als Kandidaten für einen "Umbruch" und schlagen rechte Maßnahmen vor, die sich gegen die Interessen der breiten Masse der Bevölkerung richten.

Sarkozy hat sich selbst zum Vertreter einer " rupture" - eines Bruchs mit den bisherigen Kompromissen -, zum starken Mann und zum eingeschworenen Wirtschaftsliberalen erklärt, der sich gleichzeitig der Gefahren einer sozialen Spaltung in Frankreich und der Diskreditierung des politischen Establishments bewusst ist.

Er schlägt vor, eine unternehmerfreundliche Politik mit Maßnahmen zu kombinieren, die unter Teilen der Mittelschichten und sogar der Arbeiterklasse Unterstützung gewinnen sollen. Diese sollen die Möglichkeit erhalten, Hausbesitzer zu werden. "Negative Anreize für harte Arbeit", wie die 35-Stunden-Woche und hohe Steuern, sollen beseitigt werden. Er kombiniert einen unterschwelligen, antiislamischen Rassismus mit Vorschlägen für eine positive Diskriminierung (gezielte Fördermaßnahmen), um eine soziale Basis unter kleinbürgerlichen Immigranten-Schichten zu gewinnen. Seine Initiative für den Aufbau des CFCM (Französischer Rat der Moslem-Religion) hatte dasselbe Ziel.

Royal stellte sich anfänglich (mit den erforderlichen Einschränkungen) als französisches Pendant zum Briten Tony Blair dar - als "Modernisiererin", die erkannt hat, dass der herkömmliche Sozialreformismus nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Sie schlägt ein wirtschaftsfreundliches Programm vor mit niedrigeren Steuern und gezielt eingesetzten Sozialleistungen, im Unterschied zum Gießkannenprinzip. Gleichzeitig offerierte sie sich selbst als die beste Kandidatin, um den Ausbruch weiterer sozialer Kämpfe zu verhindern - für "ein beruhigtes Frankreich".

Wie Blair hebt sie ihre relative Unabhängigkeit vom Apparat der Sozialistischen Partei als Beweis hervor, dass sie in der Lage sei, Wirtschaftsreformen durchzuboxen, ohne dem Druck der Arbeiterklasse nachzugeben.

In diesem Zusammenhang muss man jedoch festhalten, dass eine von Sarkozys Neuerungen in dem Versuch bestand, seine Politik mithilfe der Gewerkschaften durchzusetzen.

Die Schwachstellen von Royals Programm wurden gleich in den ersten Wochen des Wahlkampfs sichtbar: Sie versuchte, es allen recht zu machen, und machte es niemandem recht. Erstens mutete ihr ökonomisches Angebot an die französischen Unternehmerkreise weniger radikal an, als das von Sarkozy: insbesondere hielt man sie im Unterschied zu dem halb-bonapartistischen starken Mann Sarkozy nicht für entschlossen genug, einen umfassenden Angriff auf den Sozialstaat durchzuführen.

Sarkozy war in der Lage, Unterstützung unter unzufriedenen Teilen der Bevölkerung zu mobilisieren, die sehen, dass sich die französische Wirtschaft tatsächlich in einer Krise befindet, und Illusionen hegen, er könnte eine Veränderung bewirken.

Die traditionelle Unterstützung für die Sozialistische Partei in Schichten der Arbeiterklasse und den Mittelschichten - Royals Hauptwählerbasis - nimmt hingegen wegen des vorherigen rechten Kurses der Partei seit langem ab und verringert sich mit jedem Wort, das Royal von sich gibt. Eine Umfrage nach der anderen hat gezeigt, dass die meisten Arbeiter Royal für unternehmerfreundlich halten, während sich nur wenige von ihren Sympathiebekundungen täuschen ließen.

Als sie am 11. Februar auf einer Kundgebung in Villepinte endlich Details ihres Wahlprogramms bekannt gab, nachdem sie zuvor angeblich "den Menschen zugehört hatte", lag sie in den Umfragen zehn Punkte hinter Sarkozy. Mit ihrem beschränkten Programm sozialer Reformen versuchte sie, das Blatt zu wenden und ein Wahldebakel abzuwenden.

Als das ihre Umfragewerte nicht stiegen, warf sie sich bei einem Fernsehauftritt in der Sendung "Ich habe eine Frage" am 19. Februar in die Pose weiblichen Mitgefühls. Sie behauptete, sie habe die Krise in den banlieues, den verarmten Vorstädten, erkannt und könne die Probleme Frankreichs lösen.

Drei Tage danach stellte sie ein neues Wahlkampfteam zusammen, in dem alle Granden der Sozialistischen Partei vertreten sind. Darunter befinden sich drei ehemalige Premierminister - Lionel Jospin, Laurent Fabius und Pierre Mauroy - und frühere Minister wie Dominique Strauss-Kahn, die allesamt seit Anfang der 1980er Jahre schon hohe Parteiämter bekleidet haben.

Wahrscheinlich will der Parteiapparat mit der Aufnahme dieser Partei-"Elefanten" (wie sie in Frankreich genannt werden) ins Wahlkampfteam die Kontrolle über Royals Wahlkampf übernehmen, der auf dem besten Wege war, bachab zu gehen. Es ist aber auch ein Versuch, Royal als Vertreterin der Kontinuität der Sozialistischen Partei herauszustellen, und nicht als Kandidatin der "Veränderung", was viele als Signal für weitere Angriffe auf die soziale Stellung der Arbeiterklasse betrachen.

Überzeugend ist das nicht. Alle Neuzugänge in Royals Wahlkampfteam haben eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der rechten Politik gespielt, die zu der rasant abnehmenden Unterstützung für die PS in der Arbeiterklasse geführt hat. Als François Mitterrand 1981 mit einem Programm linker Sozialreformen und Verstaatlichungen die Präsidentschaftswahl gewann, tanzten die Menschen auf den Straßen, und eine jubelnde Menschenmenge besetzte die Place de la Bastille. Aber Mitterrands ließ viele der 110 Punkte in seinem Programm nach kaum mehr als einem Jahr fallen; stattdessen setzte er eine Sparpolitik durch, die einen Run auf den Franc verhindern und den französischen Kapitalismus stützen sollte.

21 Jahre nach Mitterrands Wahlerfolg verlor Lionel Jospin, seit fünf Jahren Chef einer Regierung der Puralen Linken, 2002 die Wahl. Danach konnten sich viele sozialistische Parteiführer nicht einmal mehr auf Protestdemonstrationen gegen die gaullistische Regierung - die vehement gegen die Arbeiterklasse vorging - sehen lassen, weil sie befürchten mussten, von wütenden Arbeitern vertrieben zu werden.

Der Versuch, die Wahlkampagne von Royal mit einem scheinbaren Linksschwenk wieder zu beleben, wirft ein Licht auf die Ursache für Sarkozys augenblickliche Führung in den Umfragen. Sie ist nicht das Ergebnis einer ausgeprägten Unterstützung für seine rechte Politik, sondern ergibt sich im wesentlichen aus der Tatsache, dass sozialistisch eingestellte Arbeiter und Jugendliche von Royal und der Sozialistischen Partei politisch entmündigt wurden.

Viele von denen, die sich von der Sozialistischen Partei abgewandt haben, sind nicht zu Sarkozy übergelaufen, sondern wollen einfach nicht mehr wählen gehen. Letzte Umfragen haben ergeben, dass 27 Prozent der Wähler in der ersten und 30 Prozent in der entscheidenden zweiten Runde nicht wählen oder einen leeren Stimmzettel abgeben wollen.

Die versuchte Neupositionierung Royals ist in erster Linie eine Sache des Stils und nicht des Inhalts, und die meisten Menschen erkennen das. Ihre Umfragewerte haben sich etwas verbessert, was sich in den Meinungsumfragen seit dem 19. Februar widerspiegelt, aber das ist ziemlich oberflächlich. Der Figaro berichtete über eine Umfrage, nach der 81 Prozent der Befragten erklärten, sie fänden Royals Fernsehauftritt " sympathique" (angenehm), im Unterschied zu nur 45 Prozent, die sie für überzeugend hielten.

Ihre Fähigkeit, als Verteidigerin des Sozialstaats breite Unterstützung zu gewinnen, ist begrenzt angesichts der Tatsache, dass die grundlegende Ausrichtung ihrer Politik von der Großindustrie und der Forderung des Finanzkapitals bestimmt wird, Frankreich für den Weltmarkt wettbewerbsfähig zu machen. Während ihrer Fernsehdiskussion war sie nicht in der Lage, eine Antwort darauf zu geben, wie ihre Sozialmaßnahmen finanziert werden sollen. Das Ausscheiden eines Mitglieds ihrer Wahlkampfmannschaft, der dafür gerügt wurde, dass er verfrüht die Zahl von 35 Milliarden Euro als Kosten ihrer Sozialmaßnahmen veröffentlicht hatte, hat die Skepsis noch verstärkt. Ihre Versicherung, den Abbau der öffentlichen Schulden vorrangig zu betreiben, hat ihre Versprechen auf sozialem Gebiet weiter unterhöhlt.

Schon jetzt hat Royal die 2,5 Millionen Menschen enttäuscht, die in der Privatwirtschaft vom staatlichen Mindestlohn leben. Sie gab zu, dass ein Aushängeschild ihres Sozialprogramms - die versprochene Anhebung des Mindestlohns von gegenwärtig 1254 brutto (984,61 Euro netto) auf 1500 Euro im Monat - sich auf den Bruttolohn bezieht. Das bedeutet, dass Netto etwa 1180 Euro ausbezahlt werden - etwa 270 Euro in der Woche! Und dieses armselige Zugeständnis soll erst in fünf Jahren voll wirksam werden.

Sie betonte in Übereinstimmung mit Sarkozy, dass "alle, die Sozialleistungen erhalten, aktiv eine Beschäftigung suchen müssen". Das bedeutet, Arbeitslose in Niedriglohn-Jobs zu zwingen. Das verleiht ihrem Versprechen, kein Schulabgänger müsse mehr als sechs Monate auf einen Job oder Ausbildungsplatz warten, einen bedrohlichen Beigeschmack.

Sie wiederholte außerdem ihren Widerstand gegen eine umfassende Regelung für Einwanderer ohne Papiere und ihr Eintreten für strikte Einwanderungskontrollen.

Jeder Erfolg von Royals Manövern führt nur dazu, die Arbeiterklasse zu entwaffnen. Wer immer die Präsidentschaft übernimmt, wenn die Stimmen am 1. Mai in der zweiten Runde ausgezählt sind, wird den - nach Ansicht der französischen Bourgeoisie längst überfälligen - systematischen Angriff auf Löhne, Arbeitsbedingungen und soziale und demokratische Rechte weiterführen.

Eine politisch abstoßende Rolle spielen die Parteien links von der Sozialistischen Partei - die Kommunistische Partei, die Ligue Communiste Révolutionnaire und die Lutte Ouvrière. Sie behaupten, ein Sieg Royals und der Sozialistischen Partei sei die einzige Alternative zu Sarkozy. Und tatsächlich zielen deren gegenwärtige Manöver zum Teil darauf ab, es diesen Organisationen leichter zu machen, sie zu unterstützen. Royal wird in diesen Fragen von einem früheren Mitglied des Zentralkomitees der LCR, ihrer persönlichen Vertrauten Sophie Bouchet-Petersen beraten.

Trotz Kritik dieser "Linken" an einzelnen Aspekten von Royals Programm, macht Arlette Laguiller, Präsidentschaftskandidatin von Lutte Ouvrière, ihre grundlegende Aufgabe sehr klar. Sie besteht darin die Arbeiterklasse mit der Sozialistischen Partei auszusöhnen. In einem Leitartikel vom 24. November erklärte sie den Lesern der Parteizeitung, die Arbeiter "dürften sich natürlich freuen, wenn Ségolène Royal die Präsidentschaft gewinnt, weil das eine Niederlage für Sarkozy bedeutet". Sie behauptet sogar, Royal könne dazu bewegt werden, im Interesse der Arbeiterklasse zu handeln: "Die Präsidentschaftswahlen sind in fünf Monaten. Ségolène Royal hat noch Zeit, Versprechungen zu machen, die sie bisher nicht gemacht hat."

Siehe auch:
Sarkozys Krönungsfeier
(19. Januar 2007)
Das klägliche Ende der "antikapitalistischen Linken" in Frankreich
( 6. Januar 2007)
Sozialistischen Partei nominiert rechte Präsidentschaftskandidatin
( 22. November 2006)
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