Unten nehmen oben geben

Bundestag senkt Unternehmenssteuern

Letzte Woche hat der Bundestag mit den Stimmen der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD die Senkung der Unternehmenssteuern beschlossen. Die Unternehmen sollen schon ab 2008 jährlich um mindestens 8 Milliarden Euro entlastet werden. Nur wenige Tage später verkündete das Bundesfinanzministerium Milliardeneinnahmen aus der dreiprozentigen Erhöhung der Mehrwertsteuer, die zum 1. Januar in Kraft trat. Noch deutlicher kann die Politik der Bundesregierung kaum dargestellt werden. Die Steuergeschenke für die Konzerne werden von der Bevölkerung bezahlt: Unten nehmen, oben geben.

2008 soll die Steuerlast für Kapitalgesellschaften in Deutschland von derzeit 38,6 Prozent unter 30 Prozent sinken. Der Körperschaftsteuersatz (sozusagen die Einkommenssteuer der Unternehmen) für Aktiengesellschaften und GmbHs wird auf 15 Prozent gesenkt. Zurzeit liegt er noch bei 25 Prozent. 1998, bei Amtsübernahme der rot-grünen Koalition, hatte er noch 40 Prozent für einbehaltene und 30 Prozent für ausgeschüttete Gewinne betragen. Die wichtigste Unternehmenssteuer ist damit innerhalb von zehn Jahren mehr als halbiert worden.

In vergleichbarer Höhe sollen auch Personengesellschaften besteuert werden. Für einbehaltene Gewinne müssen nur noch 28 Prozent an den Fiskus abgeführt werden. Derzeit gelten noch die normalen, progressiven Einkommenssteuersätze von 15 bis 42 Prozent. Vor allem hohe Gewinne und Einkommen werden so massiv entlastet.

Durch die Einführung einer Abgeltungssteuer wird außerdem die Besteuerung privater Kapitalerträge vereinheitlicht: Zinsen, Dividenden und private Gewinne aus Wertpapiergeschäften werden ab Anfang 2009 pauschal mit 25 Prozent besteuert. Auch sie unterlagen bisher dem progressiven Einkommensteuersatz, d.h. bei gut verdienenden Wertpapierbesitzern dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent.

Die massive Steuersenkung befriedigt den Appetit der Unternehmen allerdings nicht. Die deutsche Industrie warnte die Bundesregierung "eindringlich" davor, den Forschungsstandort Deutschland zu gefährden. Nach dem Gesetzentwurf in der jetzigen Form sollen Unternehmen, die Betriebsteile, Patente oder Lizenzen ins Ausland verlagern, schärfer besteuert werden. "Wenn das kommt, wird niemand mehr in die deutsche Forschung investieren", drohte Steuerexperte Werner Stuffer von Siemens am Mittwoch vergangener Woche auf einer Veranstaltung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin. Ähnlich äußerte sich BASF-Steuerchef Matthias Werra.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte schon am Tag zuvor Verbesserungen angekündigt, um Nachteile für die Forschung in Deutschland zu vermeiden.

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) wiederum bemängelte Nachteile für Teile des Mittelstands und gab diese Kritik bei der Kabinettsentscheidung ausdrücklich zu Protokoll. CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvize Michael Meister versprach der Financial Times Deutschland : "Wir wollen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens schauen, ob wir für mittelgroße Unternehmen noch etwas tun können."

Als die Unternehmenssteuerreform im letzten Jahr angekündigt wurde, hatte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) behauptet, die öffentlichen Haushalte würden dadurch bis 2010 rund 5 Mrd. Euro im Jahr weniger einnehmen. Das hat sich inzwischen als Makulatur erwiesen. Nach Berechnungen der so genannten Quantifizierungsgruppe von Steuerexperten aus Bund, Ländern und Gemeinden betragen die Steuerverluste im ersten Jahr rund 8 Mrd. Euro. In den beiden folgenden Jahren liegen die Mindereinnahmen für die öffentlichen Haushalte knapp unter 7 Mrd. Euro. Erst 2011 sollen die Steuergeschenke an die Unternehmen auf rund 5 Mrd. Euro sinken.

Andere Schätzungen veranschlagen die Steuerausfälle noch höher. Der Steuerexperte Professor Lorenz Jarass berechnet Einnahmeverluste durch die Steuerreform in Höhe von mindestens 10 Milliarden Euro im Jahr.

Wie dem auch sei, sicher ist, dass den Unternehmen weitere Milliarden zugeschoben werden. Wo diese Steuergeschenke herkommen, zeigen die Meldungen aus dem Bundesfinanzministerium zu den laufenden Steuereinnahmen: Sie stammen aus den Massensteuern.

Anfang der Woche vermeldete das Steinbrück-Ministerium, im Februar 2007 seien rund fünf Milliarden Euro (oder 16,7 Prozent) mehr als im Vorjahresmonat beim Bund eingegangen. Schon im Januar 2007 lagen die Steuereinnahmen rund 13 Prozent über denen vom Januar 2006. Man geht davon aus, dass die Mehreinnahmen im gesamten Jahr mehr als 15 Milliarden Euro höher5 als die ursprünglichen Schätzungen liegen könnten.

Die wichtigste Steuerquelle, die Mehrwertsteuer, sprudelt besonders ergiebig. Zu Beginn des Jahres hatte die Bundesregierung diese Steuer von 16 auf 19 Prozent erhöht. Im Februar legten die Mehrwertsteuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr um fast 23 Prozent auf 16,6 Milliarden Euro zu. Zweitgrößter Posten ist die Lohnsteuer. Sie spülte fast 10 Milliarden Euro in den Staatssäckel.

Insgesamt rechnet Steinbrück in diesem Jahr mit zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen von 20 Milliarden Euro. Rund die Hälfte davon soll an die Unternehmen weitergegeben werden.

Fortsetzung rot-grüner Politik

Nicht umsonst hat die SPD nach der Bundestagswahl 2005 die wichtigen Ressorts Finanzen, Gesundheit sowie Arbeit und Soziales beansprucht. Kann sie doch hier die Politik ihrer siebenjährigen Regierungszeit mit den Grünen weiterführen. 2001 hatte Steinbrücks Vorgänger Hans Eichel (SPD) die sogenannte "Jahrhundertreform" auf den Weg gebracht, die massivste Steuersenkung für Reiche und Unternehmen seit Bestehen der Bundesrepublik.

Wie damals wird auch die jetzige Steuersenkungsrunde wieder mit dem Argument begründet, sie steigere die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen, die entsprechend investieren und Arbeitsplätze schaffen würden.

"Unsere Firmen bleiben damit international wettbewerbsfähig", erklärte Steinbrück kürzlich zur aktuellen Steuerreform. "Außerdem wird der Wirtschaftsstandort Deutschland interessanter für neue Investitionsentscheidungen." In Großbritannien, Frankreich und erst recht in den osteuropäischen Ländern seien die Steuern weitaus geringer. Um die Konkurrenzfähigkeit deutscher Konzerne gegenüber Konzernen in benachbarten Ländern (bei denen es sich nicht selten um die gleichen handelt!) zu erhalten, müssten die Steuern gesenkt werden.

Tatsächlich liegt der reale Steuersatz auf Unternehmens- und Kapitaleinkommen in Deutschland trotz nominell überdurchschnittlicher Sätze im internationalen Vergleich eher unter den Durchschnitt. Nach Berechnungen der EU-Kommission (2006) lag 2003 der tatsächlich bezahlte Steuersatz in Deutschland bei 17,4 Prozent, der Durchschnitt der 15 "alten" EU-Staaten dagegen bei 20,2 Prozent. Der Durchschnitt aller EU-Länder, inklusive der osteuropäischen "Niedrigsteuerländer", lag bei 17,7 Prozent.

Nach Berechnungen von Lorenz Jarass fließen derzeit nur noch 16 Prozent der Konzerngewinne dem Staat zu, das ist nicht einmal die Hälfte der nominellen Steuerlast!

Bereits jetzt zahlen über 90 Prozent der deutschen Personenunternehmen (der Großteil des so genannten Mittelstandes) weniger als 30 Prozent Steuern. Drei Viertel dieser Unternehmen zahlen sogar weniger als 15 Prozent. Man kann getrost von der Faustregel ausgehen: Je größer der Betrieb, desto geringer dessen Steuerlast.

Die rot-grüne Regierung hatte 2001 großzügige Regelungen zur Verrechnung von Verlusten eingeführt, die es vielen Großkonzernen ermöglichten, überhaupt keine Körperschaftssteuer zu entrichten. Statt wie ursprünglich geplant um acht sanken die Steuerabgaben der Konzerne und Aktiengesellschaften darauf um mehr als 20 Milliarden Euro. 2001 mussten die Finanzämter sogar 400 Millionen Euro an die Unternehmen zurückzahlen.

Seitdem haben die Großkonzerne Jahr für Jahr Rekordgewinne eingefahren. Auf die Bekanntgabe von Rekordgewinnen folgte meist die Ankündigung von Massenentlassungen, um den unstillbaren Durst der Aktienbesitzer und Dividendenbezieher auf immer mehr Geld zu stillen.

Laut Berechnungen des Bundesfinanzministeriums sind dem Fiskus aufgrund der Steuerreformen der Bundesregierung im Unternehmensbereich seit 1998 durchschnittlich rund 11 Milliarden Euro im Jahr entgangen. Und in dieser Zahl ist der katastrophale Einbruch der Körperschaftsteuer im Jahr 2001 nicht einmal enthalten.

An der Massenarbeitslosigkeit hat sich hingegen nicht viel geändert. Nach wie vor sind offiziell über 4 Millionen Menschen arbeitslos.

Auch die so genannte Trendwende am Arbeitsmarkt, der Rückgang der Arbeitslosigkeit, ist nicht so rosig, wie es von der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Bundesregierung dargestellt wird. Zwar zählt die BA fast eine Million weniger Arbeitslose als noch vor einem Jahr, aber die Zahl der Erwerbstätigen stieg nur um rund 550.000. Viele Arbeitslose wurden kurzerhand aus der Statistik hinausgerechnet.

Schaut man sich die halbe Million neuer Arbeitsplätze an, so ergibt sich auch hier ein düsteres Bild. Die Hälfte der neuen Arbeitsplätze sind Leiharbeits-Jobs. Leiharbeiter sind billiger und können bei Nachlassen der Konjunktur problemlos gekündigt werden.

Ohnehin hat die rot-grüne Regierung mit ihrer Arbeitsmarktpolitik (Hartz-Gesetze) vor allem daran gearbeitet, einen Niedriglohnsektor zu schaffen. Rund 700.000 Menschen mussten 2006 in Ein-Euro-Jobs arbeiten. Im Laufe der ersten zwei Monate dieses Jahres haben mehr als 128.000 Personen einen solchen Job annehmen müssen, 22 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Die Gesamtzahl der geringfügig Beschäftigten ("Minijobber") in Deutschland lag Ende 2006 bei 6,3 Millionen. Während die Gesamtzahl der geringfügig Beschäftigten auf diesem hohen Niveau stagniert, verzeichnen die Minijobber in Privathaushalten einen ungebrochenen Anstieg. Ihre Zahl lag Ende 2006 bei 131.000, 20 Prozent höher als ein Jahr zuvor - eine Wiederkehr des Hausmädchens!

Wenn also Steinbrück die weitere Senkung der Steuern mit der internationalen Konkurrenz begründet, ist dies nur die halbe Wahrheit. Die Bundesregierung ist nicht nur Gejagte der internationalen Konkurrenz, sondern gleichzeitig auch treibende Kraft. Mit der jetzigen Steuerpolitik wird das internationale Steuerdumping weiter angeheizt. Andere Länder ziehen mit derselben Argumentation bei den Steuergeschenken für die Konzerne nach - was die Bundesregierung in der nächsten Runde wieder als Rechtfertigung für weitere Steuersenkungen aufgreift.

Siehe auch:
Gesundheit wird teurer
(8. Juli 2006)
Unternehmenssteuern sinken
( 15. Februar 2006)
Neuer Anlauf zu radikaler Steuerreform
( 15. November 2005)
Koalitionsvertrag der Regierung Merkel: Kriegserklärung an die Bevölkerung
Loading