Die kleinbürgerliche Linke, die Gewerkschaft UAW und der Tarifvertrag bei General Motors

Der Tarifvertrag, den die amerikanische Automobilarbeitergewerkschaft UAW (United Auto Workers) mit General Motors abgeschlossen hat, stellt einen Tiefpunkt in der jahrzehntelangen Degeneration der UAW dar. Mit diesem Tarifvertrag wird die UAW Besitzer eines Milliarden schweren Investmentfonds. Als Gegenleistung unterstützt sie die zügige Ersetzung älterer Arbeiter durch jüngere zum halben Lohn und ohne Anspruch auf Betriebsrente, billigt die Abschaffung der vom Unternehmen finanzierten Krankenversicherung für Rentner, setzt eine Kürzung der Reallöhne für alle durch und akzeptiert die weitere Vernichtung von Arbeitsplätzen.

Der Vertrag bedeutet nichts weniger als die Zerstörung aller wichtigen Errungenschaften, die von früheren Generationen der Autoarbeiter erkämpft wurden.

Im Zentrum des Tarifvertrags steht die Bildung eines Milliarden Dollar umfassenden Fonds für die Gesundheitskosten der Rentner, der von der Gewerkschaft zu verwalten ist. Die so genannte "Voluntary Employees Beneficiary Association" (VEBA) verwandelt die Gewerkschaft in ein profitorientiertes Unternehmen und macht die Gewerkschaftsbürokratie zum Teilhaber an der Ausbeutung der Arbeiter. Die UAW-Bürokratie erhält die Kontrolle über eine riesige Menge Kapital, zu dem auch Aktien des GM-Konzerns gehören. Dadurch erfreut sie sich sicherer Einnahmen, auch wenn die Gewerkschaft immer weitergehende Kürzungen bei den verrenteten Arbeitern und ihren eigenen Mitgliedern durchsetzt.

Die offene Verwandlung der UAW in ein Geschäftsunternehmen ist keine plötzliche oder unerwartete Entwicklung. Die Socialist Equality Party und ihre Vorgängerin, die Workers League, haben diesen Prozess seit Jahrzehnten analysiert. Schon 1992 erklärten wir, die UAW und den amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO als Arbeiterorganisationen zu bezeichnen, bedeute "der Arbeiterklasse Sand in die Augen zu streuen angesichts der tatsächlichen Lage".

Zwei Tatsachen belegen, dass die Verwandlung der UAW nicht einfach auf subjektive Faktoren wie korrupte Führer oder eine fehlerhafte Politik zurückzuführen ist, sondern vielmehr Ausdruck grundlegender objektiver Prozesse ist, die ihre Wurzeln im Charakter gewerkschaftlicher Organisationen und in bedeutsamen Veränderungen der Struktur des Weltkapitalismus haben. Als erstes ist die Tatsache zu nennen, dass die Gewerkschaften inzwischen schon seit Jahrzehnten den Klassenkampf offen unterdrücken und Lohnsenkungen, Verschlechterungen bei den Sozialleistungen und Massenentlassungen durchsetzen.

Der Zwei-Tage-Streik im vergangenen Monat war der erste nationale Streik beim größten amerikanischen Autohersteller seit 37 Jahren. Die UAW existiert nicht einmal doppelt so lange. In diesem Zeitraum haben sich die Arbeitsbedingungen und der Lebensstandard der amerikanischen Autoarbeiter dramatisch verschlechtert.

Die zweite Tatsache besteht darin, dass der Niedergang und die Verwandlung der Gewerkschaften ein internationales Phänomen sind. Es handelt sich nicht um eine amerikanisches Besonderheit, sondern um eine internationale Entwicklung, die Gewerkschaften in den kapitalistischen Zentren in Nordamerika, Europa und Asien genauso erfasst hat wie in den so genannten "weniger entwickelten" Ländern. Von der amerikanischen UAW und AFL-CIO über den britischen TUC, den deutschen DGB und den australischen ATUC bis zum südafrikanischen TUC verfolgen die Gewerkschaften inzwischen die korporatistische Strategie der Partnerschaft mit den Unternehmen und unterstützen die Senkung der Arbeitskosten auf Kosten der Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen ihrer eigenen Mitglieder.

Die Triebkraft hinter diesem universellen Prozess ist die Globalisierung der kapitalistischen Produktion. Diese hat die Vorrangstellung des nationalen Marktes, auch im Bereich des Arbeitsmarktes, zunichte gemacht. Transnationale Konzerne suchen jetzt auf dem ganzen Erdball nach immer billigeren Arbeitskräften. Dieser Prozess macht die Gewerkschaften, die aufgrund ihres historischen Ursprungs und ihrer Tendenz zur Klassenzusammenarbeit an den nationalen Markt und den Nationalstaat gebunden sind, hinfällig und machtlos.

Unter dem Druck der Globalisierung haben sich die Gewerkschaften verwandelt. Waren sie einst Organisationen, die Druck auf die Unternehmer und den Staat ausübten, um Zugeständnisse für die Arbeiter herauszuholen, so sind sie heute Organisationen, die Druck auf die Arbeiter ausüben, um Zugeständnisse für die Unternehmer herauszuholen. Dadurch wollen sie die globale Konkurrenzfähigkeit "ihrer" nationalen herrschenden Klassen stärken und "ihre" Konzerne veranlassen, Arbeitsplätze im Lande zu halten. So versucht die Bürokratie auch, den Rückgang bei den Mitgliederzahlen und den Beitragseinnahmen auszugleichen.

Die 1980er Jahre - ein Jahrzehnt des Verrats

Die 1980er Jahre waren für die Verwandlung der Gewerkschaften entscheidend. Sie begannen mit Konzessionen, die den Chrysler-Arbeitern als Bestandteil einer Rettungsaktion für den Konzern aufgezwungen wurden. Damals trat UAW-Präsident Douglas Fraser in den Chrysler-Aufsichtsrat ein. Danach arbeitete die AFL-CIO mit der Reagan-Regierung zusammen, um die Fluglotsengewerkschaft PATCO zu zerschlagen.

Die herrschende Elite Amerikas begann eine brutale Offensive gegen die Arbeiterklasse. Sie setzte Methoden wie Streikbruch, die Zerschlagung von Gewerkschaften, Schauprozesse und Gewalt gegen Streikposten in einem Ausmaß ein, wie seit 40 Jahren nicht mehr. UAW und AFL-CIO isolierten und verrieten Dutzende erbitterter Kämpfe von Arbeitern in allen möglichen Industriezweigen, um letztlich Lohnsenkungen, Fabrikschließungen und Massenentlassungen durchzudrücken.

Unsere Bewegung bilanzierte 1993 die amerikanische Gewerkschaftspolitik in einem Dokument mit dem Titel "Die Globalisierung der kapitalistischen Produktion und die internationalen Aufgaben der Arbeiterklasse". Wir analysierten darin die politische Rolle der Gewerkschaften und die inneren Prozesse, die ihre Transformation bestimmten.

Ein Zitat aus diesem Dokument:

"Durch den langen Niedergang der AFL-CIO hat die Bürokratie als privilegierte und kleinbürgerlich geprägte soziale Schicht mittlerweile völlig andere Interessen als die Arbeiter. Die heutige AFL-CIO ist das Ergebnis eines langen Prozesses, der auch die systematische Säuberung der Gewerkschaften von allen sozialistischen und radikalen Arbeiter einschloss, die eine führende Rolle beim Aufbau der Industriegewerkschaften in den 1930er Jahren gespielt hatten.

Mit ihrem Verrat in den 1980er Jahren reagierte Bürokratie darauf, dass sich die internationale Stellung des amerikanischen Kapitalismus zunehmend verschlechterte. Die amerikanische Industrie sah sich immer stärker von der ausländischen Konkurrenz bedroht und der amerikanische Kapitalismus verspürte die Notwendigkeit, die eigene Arbeiterklasse zu disziplinieren", heißt es im Dokument.

Und weiter: "Daher strebt die Bürokratie nicht mehr eine verminderte sondern vielmehr eine gesteigerte Ausbeutung der Arbeiterklasse an."

Der Verrat und die Niederschlagung der erbitterten Arbeitskämpfe in den 1980er Jahren hatte "den beabsichtigten Effekt, die Militanz breiter Teile der Arbeiterklasse zu unterminieren und die Schaffung korporatistischer Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Management auf nationaler Ebene bis hinunter zu den Ortsgruppen aller wichtigen Gewerkschaften zu erleichtern."

Auf diese Weise versuchte die Bürokratie, ihre wirtschaftlichen und sozialen Interessen vor den Folgen ihrer eigenen verräterischen Politik zu schützen, wie zum Beispiel dem Mitgliederschwund und den sinkenden Beitragseinnahmen.

"Sie ging neue Arten von finanziellen Beziehungen mit Unternehmern und Investment-Bankern ein in der Form von Profitbeteiligungen, Sitzen in Aufsichtsräten, ‘Angestellten-Buy-Outs’, ‘Kapitalbildung in Arbeitnehmerhand’, gemeinsamen Gewerkschafts-Unternehmens-Fonds, gemeinsamen Investitionen und anderen Instrumenten. [...]

Auf diesen ökonomischen und politischen Grundlagen - d.h. auf Finanzinvestitionen und direkten Subventionen durch den kapitalistischen Staat - ruht eine privilegierte kleinbürgerliche Schicht: die Bürokratie der offiziellen Gewerkschaften. Bezeichnungen wie ‘Arbeiterorganisation’ in Bezug auf diesen korrupten Apparat verstellen nur den Blick auf den tatsächlichen gesellschaftlichen Charakter der Gewerkschaftsbürokratie und auf den tiefen Klassengegensatz zwischen ihr und der Arbeiterklasse."

Diese Analyse ist durch die weitere Entwicklung und speziell durch den Vertrag der UAW mit General Motors vollkommen bestätigt worden. Das Dokument von 1993 stellte fest, dass der Organisationsgrad der amerikanischen Gewerkschaften in der Privatwirtschaft von 35 Prozent Anfang der 1950er Jahre auf nur noch 11 Prozent zurückgegangen war. Heute beträgt er nur noch 7,4 Prozent. Das ist ein deutlich geringerer Prozentsatz als vor dem Aufstieg der Industriegewerkschaften in den Vereinigten Staaten in den 1930er Jahren. Die Mitgliedschaft der UAW ist von 1,5 Millionen 1978 auf jetzt 520.000 zurückgegangen.

Die Streikstatistik ergibt einen weiteren Beleg für die Verwandlung der Gewerkschaften. Von 1947 bis 1980 hat es in den USA jedes Jahr mehr als 200 Streiks gegeben, an denen jeweils mehr als 1.000 Arbeiter teilnahmen. Anfang der 1980er Jahre ging diese Zahl auf unter 50 zurück. Im vergangenen Jahr gab es nur noch zwanzig.

Obwohl die Mitgliederzahl der UAW in den Keller geht, nimmt das Vermögen, über das die Bürokratie verfügt, beständig zu. Die Grundlage ist ein Streikfond von hunderten Millionen Dollar, der seit Jahren nicht angetastet wird, weil die Streikwaffe praktisch aufgegeben wurde. Von 2001 bis 2005 - ein Zeitraum, in dem die UAW bei den drei großen Autokonzernen 145.000 Mitglieder verloren hat - erhöhte sich das Vermögen der UAW um 94 Millionen Dollar. Ende 2006 gab die UAW ihr Vermögen mit 1,23 Milliarden Dollar an.

Die UAW und die Demokratische Partei

Die Zurückweisung des Sozialismus steht im Zentrum des Verrats, den die UAW begeht und begangen hat. Politisch drückt sich die Verteidigung des Kapitalismus in ihrem Bündnis mit der Demokratischen Partei und der Ablehnung einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiterklasse aus. Die Socialist Equality Party und ihre Vorgängerin, die Workers League, haben immer konsequent gegen das Bündnis der Gewerkschaftsbürokratie mit den Demokraten, gegen ihre Verteidigung des Zwei-Parteien-Systems und für eine unabhängige Massenbewegung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms gekämpft.

Im Kampf für diese Perspektive betonen wir seit 25 Jahren, dass Arbeiter sich von der Kontrolle der Gewerkschaftsbürokratie befreien und in Arbeitervierteln und Fabriken neue Organisationsformen unabhängig vom Gewerkschaftsapparat aufbauen müssen.

Die Aufforderung unserer Partei an die Arbeiter, mit diesen verbrauchten und korrupten Organisationen zu brechen, hat uns schon vielfach von Seiten diverser ‘radikaler linker’ Organisationen - auch solcher, die sich als ‘sozialistisch’ bezeichnen - den Vorwurf eingetragen, dass wir uns von der Arbeiterklasse abwenden. Was unsere ‘linken’ Kritiker eint, ist die Auffassung, dass Kämpfe nur durch die offiziellen Kanäle der UAW und der anderen Gewerkschaften geführt werden können.

Die Reaktion von Organisationen wie der Workers World Party, der International Socialist Organisation, der Spartacist League und Labor Notes auf den Vertrag der UAW mit General Motors zeigt, dass ihre Haltung zur Gewerkschaftsbürokratie ein wesentlicher Aspekt ihrer opportunistischen Perspektive und Praxis ist.

Das wird deutlich an der Berichterstattung über den Tarifvertrag bei GM auf ihren Websites und in gedruckten Publikationen wie Workers World, Socialist Worker (International Socialist Organization), Workers Vanguard (Spartacist League) und Labor Notes.

Auffällig ist zunächst das völlige Fehlen jeder ernsthaften Analyse des Vertrags im Allgemeinen, seines historischen Charakters und der Verwandlung der UAW in ein Wirtschaftsunternehmen. Diese Gruppen tun so, als ob in den vergangenen drei Jahrzehnten in der amerikanischen Arbeiterbewegung nichts Wesentliches passiert wäre. Sie gehen von der falschen und letztlich rückschrittlichen Vorstellung aus, die UAW werde von den Autoarbeitern kontrolliert und vertrete deren Interessen.

Dies geht Hand in Hand mit einem generellen Schweigen zur Politik der UAW - ganz so als ob ihre Angriffe auf die Arbeiter nichts mit der politischen Unterstützung der Gewerkschaft für die Demokratische Partei, ihrem offenen Nationalismus, ihrer Verteidigung des amerikanischen Imperialismus und Militarismus sowie ihrer Unterstützung für das Privateigentum an der amerikanischen Autoindustrie zu tun hätten.

Diese Gruppen kommen angesichts des nun offen zu Tage getretenen Verrats nicht umhin, eine gewisse Kritik an dem Tarifvertrag und sogar an der UAW-Führung zu üben. Diese werden aber als Flecken auf der weißen Weste einer ansonsten gesunden Organisation hingestellt, der durch Druck der Basis auf die UAW-Führung beseitigt werden kann.

Die Verwandlung der UAW in ein Geschäftsunternehmen, das von der Ausbeutung seiner eigenen Mitgliedschaft profitiert, bereitet diesen Organisationen einige Probleme. Workers World z.B. ist besorgt, dass die UAW in die "unangenehme Lage geraten könnte, die Leistungen für die Mitglieder zu senken, deren Interessen sie eigentlich zu vertreten hat", wenn der von der Gewerkschaft kontrollierte Fond kein Glück an der Börse hat oder wenn die Gesundheitskosten zu schnell steigen.

Workers Vanguard äußert ähnliche Bedenken: "Dieser Plan würde die Gewerkschaft nicht nur in die Lage des Schuldeneintreibers bringen, sondern könnte auch dazu führen, dass die Gewerkschaft selbst die Leistungen kürzt, wenn ihre Investitionen nicht mit den steigenden Gesundheitskosten mithalten."

Diese Formulierungen verraten eine unmissverständliche Sympathie mit den Managern, die die UAW leiten. Leistungen für die Arbeiter zu kürzen wird für die UAW-Bürokratie nicht "unangenehmer" sein, als es für irgendwelche anderen Firmenchefs wäre. UAW-Funktionäre haben schon jahrzehntelange Erfahrungen damit, die Löhne, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu verkaufen. Als Eigentümer der VEBA werden sie und ihre Wall Street Berater eiskalt kalkulieren, welche Leistungskürzungen der Markt verlangt.

Mit der Kontrolle über einen 70 Milliarden Dollar schweren Investmentfond - falls ähnliche Vereinbarungen bei Ford und Chrysler getroffen werden - dürften UAW-Präsident Ron Gettelfinger und andere Gewerkschaftsspitzenvertreter bald Millionäre sein. Dieser riesige Fond "wird in Investmentkreisen enormen Einfluss ausüben, und wer einen Teil des Kuchens abhaben möchte, wird bald bei Gettelfinger um Gehör flehen", schreibt die Automotive News.

Weil ein Teil des Trust-Vermögens aus GM-Aktien besteht, wird die UAW zudem ein direktes finanzielles Interesse daran haben, dem Management bei der verstärkten Ausbeutung der Arbeiter behilflich zu sein, um den Wert ihres Aktienpakets zu steigern.

All das rührt die ‘linken’ Verteidiger der UAW nicht. Die Workers World Party kann die Tatsache nicht verschleiern, dass sie sich weit mehr mit der Gewerkschaftsbürokratie identifiziert als mit den Arbeitern, wenn sie schreibt: "Was für eine Unmenschlichkeit, die Gewerkschaft vor die Wahl zu stellen, sich zwischen Arbeitsplatzsicherheit und einer sicheren Gesundheitsversorgung zu entscheiden!"

Der Solidaritätsmythos der UAW

Die International Socialist Organization erkennt an, dass der Tarifvertrag eine "historische Kapitulation vor GM" darstellt, zieht aber keine Schlussfolgerungen in Bezug auf den Charakter der UAW daraus. Stattdessen fordert sie die Arbeiter auf, den Gewerkschaftsführern in den Arm zu fallen und "die UAW-Tradition von Solidarität und kollektivem Handeln" hochzuhalten.

Wo sind diese Leute in den letzten dreißig Jahren gewesen?

Die einzige "Solidarität", die die UAW in den letzten dreißig Jahren geübt hat, war die mit den Autobossen. Anfang der achtziger Jahre machte die Gewerkschaft die "Arbeitnehmer-Management-Partnerschaft" zu ihrer offiziellen Politik, und hat seitdem alles in ihrer Macht Stehende getan, um selbst die elementarsten Formen von Klassenbewusstsein zu zerstören.

Mit ihrem Nationalismus versucht die UAW seit Jahren, einen Keil zwischen die amerikanischen Arbeiter und ihre Kollegen in Asien, Lateinamerika und Europa zu treiben. Mit "Wettbewerbsfähigkeitsvereinbarungen" hat die Gewerkschaft Arbeiter in verschiedenen Fabriken gegeneinander gestellt. In gleicher Weise wurden Arbeiter in der Komponentenfertigung und Bandarbeiter sowie ältere und jüngere Arbeiter gegeneinander ausgespielt.

Und was war in der Zeit davor? Selbst als die UAW in ihren frühen Tagen noch als Verteidigungsorganisation der Arbeiterklasse fungierte, spielte sie eine politisch reaktionäre Rolle. UAW-Führer Walter Reuther stellte sich gegen die Forderung nach dem Aufbau einer Arbeiterpartei und fesselte die Gewerkschaften an die Demokratische Partei. Damit verhinderte er, dass die Arbeiterklasse der Wirtschaftselite und ihrer absoluten Vorherrschaft im wirtschaftlichen und politischen Leben entgegentreten konnte. In den 1940er und 1950er Jahren säuberte Reuther die Gewerkschaft von sozialistischen und linken Elementen und konsolidierte die UAW als pro-kapitalistische, pro-demokratische und pro-imperialistische Organisation.

Wegen ihrer schändlichen Bilanz ist die UAW in den Augen der Arbeiter bei den "Großen Drei" Autoherstellern (GM, Ford, Chrysler) und darüber hinaus weitgehend diskreditiert. Die Arbeiter sehen sie völlig richtig als verlängerten Arm des Managements. Die Versuche der Gewerkschaft, in die Fabriken von Honda, Toyota und anderen japanische oder europäischen Automobilherstellern in den Südstaaten vorzudringen, sind nacheinander gescheitert.

Workers Vanguard wirft sich für die UAW in die Bresche und tut so, als ob die Organisierung einer bislang nicht gewerkschaftlich organisierten Belegschaft eine progressive Entwicklung wäre. "Die Unorganisierten zu organisieren ist entscheidend für das Überleben der UAW. Ein Sieg über die GM-Bosse könnte zum Zündfunken werden für die Organisierung der großen und wachsenden Zahl an nicht-gewerkschaftlich organisierten, überwiegend in ausländischem Besitz befindlichen Autowerke in den USA", heißt es dort.

Wenn die UAW versuchen sollte, die Belegschaft eines Betriebs zu organisieren, dann würde die Socialist Equality Party den Arbeitern raten, dies abzulehnen. In die UAW einzutreten, dient keineswegs den Arbeitern und ihren Interessen. Im Gegenteil, die UAW fungiert als Gendarm der Geschäftsleitung und tut alles, um die Solidarität unter den Arbeitern zu zerstören und Widerstand gegen die Konzernpläne zu brechen.

Wo es noch einen Lohnunterschied zwischen gewerkschaftlich organisierten und nicht organisierten Arbeitern gibt, ist dies ein Überbleibsel vergangener Kämpfe. Größtenteils ist dies gänzlich verschwunden. Die UAW akzeptiert jetzt 14 Dollar die Stunde für Neueinstellungen bei den drei großen Konzernen, was deutlich unter dem Durchschnittslohn für nicht gewerkschaftlich Organisierte von 19,62 Dollar in der Stunde in der "verarbeitenden Industrie" liegt.

Die letzte erwähnenswerte Organisation ist die Gruppe rund um die Publikation Labor Notes. Sie wurde 1979 von ehemaligen Mitgliedern der International Socialist Tendenz gegründet. Die Spitze von Labor Notes lehnen den Kampf für sozialistisches Bewusstsein und für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von den beiden großen Parteien ausdrücklich ab. Stattdessen propagieren sie Basisdemokratie und Gewerkschaftsmilitanz als Weg vorwärts für die Arbeiterklasse. Sie haben eine wichtige Rolle bei der Bildung von Gruppierungen wie den "Teamsters for a Democratic Union", der "New Directions"-Fraktion in der UAW und anderen Oppositionsgruppen gespielt, die die Gewerkschaften reformieren wollen.

In ihrer jüngsten Ausgabe begrüßt Labor Notes die Erklärung von drei ehemaligen Vorstandsmitgliedern der UAW, unter ihnen der Gründer der New Directions-Fraktion Jerry Tucker, die den Tarifvertrag kritisieren. Schließlich wird die UAW-Führung "respektvoll" aufgefordert, "die Arbeiter zur Weiterarbeit anzuhalten, während erneut Verhandlungen aufgenommen werden, um den Fehler mit der VEBA und andere ungerechte Zugeständnisse zu korrigieren, die sich in dem jetzigen Vertragsentwurf befinden".

Ganz abgesehen von der Unterwürfigkeit dieses Appells sind der VEBA-Plan und die anderen Zugeständnisse keine "Fehler" sondern eine wohlüberlegte Politik, für die die UAW mit allen Mitteln kämpft, um die Interessen der Bürokratie zu verteidigen.

Frontmänner für die Demokraten

Labor Notes unterstützt die Argumentation Tuckers und anderer, dass die Hauptausrichtung der UAW darin bestehen sollte, im Bündnis mit der Demokratischen Partei ein nationales Gesundheitssystem zu schaffen. Sie solle sich dabei auf den Gesetzentwurf des Kongressabgeordneten John Conyers stützen, der dem Prinzip des Einzelzahlers folgt. Die Vorstellung, dass die Demokratische Partei - eine von der Unternehmerschaft kontrollierte Partei, die bereitwillig Hunderte Milliarden Dollar für Kriege bewilligt - ein nationales Gesundheitssystem im Interesse der arbeitenden Bevölkerung schaffen könnte, ist ein zynischer Betrug. Jede "Gesundheitsreform" würde auf die Interessen der Wirtschaft und der Versicherungskonzerne zugeschnitten sein, die mit Hillary Clinton die führende Bewerberin um die Demokratische Präsidentschaftskandidatur finanzieren.

Unter den verschiedenen kleinbürgerlichen ‘linken’ Gruppen mag Labor Notes die plumpste sein, was ihre Ausrichtung auf die Demokratische Partei betrifft. Aber sie drückt nur unverhüllt die wirkliche Orientierung des gesamten Milieus von politischen Opportunisten aus. Dies sind keine Organisationen, die für die Hebung des politischen Bewusstseins der Arbeiterklasse kämpfen, indem sie die Arbeiter von Illusionen in die Demokratische Partei und in kapitalistische Politik brechen. Es sind im Gegenteil kleinbürgerliche Organisationen, die sich in ihrem Bemühen, im Rahmen der bestehenden politischen Ordnung Einfluss zu gewinnen, auf die Arbeiterbürokratien stützen.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum sich diese Organisationen so stark an die Gewerkschaften anlehnen und nicht bereit sind, mit ihnen zu brechen. In den letzten beiden Jahrzehnten sind nicht wenige dieser ‘linken’ Radikalen in der Arbeiterbürokratie aufgestiegen, sowohl auf lokaler wie auch auf nationaler Ebene. In vielen Fällen bekommen sie als Organisatoren, lokale und regionale Funktionäre, Hauptamtliche und Vorsitzende der Gewerkschaften lukrative Gehälter, siehe zum Beispiel Andrew Stern, den ehemaligen Studentenaktivisten der 1960er Jahre und jetzigen Präsidenten der Angestelltengewerkschaft Service Employees International Union.

Sie treten nicht als linke Gegner dieser arbeiterfeindlichen Organisationen auf sondern als ihre Parteigänger, und ebenso teilen sie die engstirnige Anschauungen und Sorgen des Gewerkschaftsmilieus. Daher endet der Artikel in Labor Notes mit einem nicht zu übersehenden Ausdruck von Sorge, "ob die Gewerkschaft noch genügend Überzeugungskraft besitzt, um ihre Mitglieder von der Annahme des Vertrags zu überzeugen".

Die Aufgabe wirklicher Sozialisten besteht darin, die "Überzeugungskraft" der UAW zu zerstören, nicht sie zu stärken. Eine machtvolle politische Alternative muss auf der Grundlage einer internationalistischen und sozialistischen Perspektive aufgebaut werden. Das ist die Aufgabe, die sich die Socialist Equality Party und die World Socialist Web Site gestellt haben.

Siehe auch:
Vollständige Kapitulation der amerikanischen Autoarbeitergewerkschaft
(29. September 2007)
Der Cerberus-Chrysler-Deal: Ein Argument für Gemeineigentum in der Autoindustrie
(5. Juni 2007)
Warum die US-Autoarbeitergewerkschaft die Übernahme von Chrysler durch Cerberus unterstützt
(18. Mai 2007)
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