Halbherziger Protest

Friedensbewegung demonstriert in Berlin

Am vergangenen Samstag demonstrierten in Berlin mehrere Tausend Menschen unter dem Motto "Bundeswehr raus aus Afghanistan" gegen die Verlängerung der Bundeswehrmandate für Afghanistan.

Obwohl mehr als 170 Organisationen, Friedensinitiativen und Parteien bundesweit zu dieser zentralen Demonstration aufgerufen hatten und in mehreren Städten Reisebusse eingesetzt waren, blieb die Teilnehmerzahl gering. Die Veranstalter sprachen von 10.000 Teilnehmern, die Polizeiangaben lagen bei der Hälfte.

Diese mäßige Beteiligung hat mehrere Gründe. Zum einen sind viele Menschen von den sehr beschränkten Perspektiven der Friedensbewegung nicht überzeugt. Der Demonstrationsaufruf beschränkte sich auf einen Appell an die Regierung und lehnte deren Einmischung in Afghanistan nicht grundsätzlich ab, sondern verlangte lediglich, die militärischen durch diplomatische Mittel zu ersetzen.

Zum anderen wird die systematische Kriegsvorbereitung der amerikanischen Regierung gegen den Iran in den Medien hierzulande nur am Rande thematisiert und heruntergespielt. Anders als vor vier Jahren tritt die Große Koalition der US-Kriegspolitik noch nicht einmal formell entgegen. Die Bevölkerung wird über die verheerenden Auswirkungen eines US-Militärschlags gegen Teheran bewusst im Unklaren gelassen und eingelullt.

Weil viele Friedensinitiativen trotz ihrer Kritik am Bundeswehreinsatz in Afghanistan eng mit der SPD und den Gewerkschaften verbunden sind, nehmen sie auf diese Haltung der Regierung Rücksicht und organisieren keine ernsthafte politische Kampagne. In der Bundeshauptstadt waren Plakate und Aufrufe kaum zu sehen. Die Linkspartei hatte zwar die Veranstaltungstechnik und Teile ihres Organisationsapparats zur Verfügung gestellt, war aber an einer groß angelegten Mobilisierung nicht interessiert. Oskar Lafontaine, der als Hauptredner angekündigt war, sagte seine Teilnahme kurzfristig ab.

Anstatt eine breite Bewegung gegen die Regierung aufzubauen, versuchten die Organisatoren die Antikriegsstimmung ins Fahrwasser der Linkspartei zu lenken und setzten sich dabei über offensichtliche Widersprüche hinweg. So betonte Peter Grottian, emeritierter Hochschullehrer am Berliner Otto-Suhr-Institut, den Zusammenhang zwischen dem Kampf gegen Krieg und dem Kampf für "soziale und globale Rechte".

Auch Horst Schmitthenner vom Vorstand der IG Metall forderte das Geld für Rüstung und Auslandseinsätze der Bundeswehr in soziale Projekte zu stecken. Beide sprachen sich für eine "strategische Allianz" von Linkspartei, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen aus, ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, dass die Linkspartei in Berlin gemeinsam mit den Gewerkschaften und der SPD 15.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut hat und für einen beispiellosen sozialen Niedergang verantwortlich ist.

Mehrmals wurde von der Rednerbühne aus mit großer Begeisterung über die Debatte auf dem Sonderparteitag der Grünen berichtet, der zur selben Zeit in Göttingen stattfand. Obwohl die Grünen in den vergangenen Jahren eine Schlüsselrolle gespielt haben, um die Remilitarisierung der deutschen Außenpolitik und die Umwandlung der Bundeswehr von einer territorialen Verteidigungsarmee in eine hochgerüstete imperialistische Berufsarmee zu bewerkstelligen, versuchten einige Sprecher der Friedensbewegung die Grünen als künftigen Bündnispartner der Linkspartei darzustellen.

Mitarbeiter der World Socialist Web Site verteilten auf der Demonstration ein Flugblatt, das sich mit dem Demonstrationsaufruf kritisch auseinander setzte.

Es heißt darin: "Nirgends wird die Frage nach der Ursache des Kriegs gestellt, nirgends die Tatsache beim Namen genannt, dass Deutschland in Afghanistan ebenso wie die USA imperialistische Interessen verfolgt, nirgends darauf eingegangen, dass der Militarismus trotz massiver Opposition der Bevölkerung weltweit an Boden gewinnt."

Nachdem aufgezeigt wird, dass die Linkspartei bereits dabei ist, denselben Weg zu gehen wie ihn die Grünen in den vergangenen Jahren gegangen sind, heißt es in der Erklärung der WSWS: "Der Kampf gegen Militarismus und Krieg ist untrennbar mit der Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms verbunden, das den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau einer egalitären, demokratischen und sozialistischen Weltgesellschaft anstrebt."

In der Diskussion über diese Fragen fanden die Mitarbeiter der WSWS viel Zustimmung.

Özgür B., ein 20 Jahre alter Jurastudent meinte:

"Die Frage, ob diese Form des Protestes ausreicht, muss ich ganz klar mit Nein beantworten. Ich bin gegen Krieg und deswegen heute auf dieser Demonstration. Leider ist der Fokus der Medien zu wenig auf den Krieg in Afghanistan konzentriert. Ich denke, das ist auch der Grund, warum Leute meines Umfelds an diesem Krieg und den Auswirkungen, die er hat, immer noch recht wenig Interesse haben. Wenn man sie aber anspricht auf das Thema und die Zusammenhänge erläutert, sind sie ganz klar gegen diesen Krieg.

Für mich steht eindeutig der Kampf für die internationale Solidarität im Vordergrund, und ich sehe diese Demonstration als einen Anfang dafür.

Die Linkspartei spielt meiner Meinung nach eine Doppelrolle, oder man könnte vielleicht auch sagen ein Doppelspiel. Sie will sich selber als links und sozialistisch darstellen, dabei ist sie aber eine bürgerliche Partei und verteidigt die bestehende Ordnung.

Der Afghanistan- Krieg ist für mich ein imperialistischer Krieg. Es geht dabei um Einflussbereiche, Absatzmärkte und die Durchsetzung kapitalistischer Interessen. Ich würde sogar sagen Versklavung."

Jens A., Lehrer, 36 Jahre alt, sagte:

"Für mich ist das heute eine grundlegende moralische Frage. Ich habe eine antimilitaristische Haltung und bin deswegen heute hier. Leider befürchte ich, dass diese Demonstration nur wenige Auswirkungen haben und sicherlich nichts grundlegend verändern wird."

Und Barbara S., Rentnerin, 69 Jahre, sagte:

"Die Regierenden haben sich doch längst losgelöst und vertreten nicht mehr die Interessen der Bevölkerung. Ich protestiere zwar heute gegen Krieg und denke, das ist wichtig, doch wenn ich sehe, wie das US-Kapital und im Gefolge Deutschland ihre Weltmachtinteressen durchsetzen, habe ich Zweifel ob diese Demonstration daran viel ändern wird."

Siehe auch:
Eine sozialistische Strategie gegen Militarismus und Krieg
(8. September 2007)
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