Merkel droht Iran und verlangt deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat

Ist die deutsche Regierung bereit, das Vorgehen der USA gegen Iran zu unterstützen, wenn sie als Gegenleistung einen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhält? Der erste Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der UN-Vollversammlung legt einen solchen Schluss zumindest nahe.

Merkel unterstützte in ihrer Rede in New York am Dienstagabend die Forderung nach verschärften Sanktionen gegen die Islamische Republik, die von Washington seit langem erhoben und seit dem Regierungswechsel in Frankreich auch von Paris unterstützt wird. Teheran müsse beweisen, nicht am Bau von Atomwaffen zu arbeiten, forderte sie. Sollte dies nicht gelingen, werde sie sich für schärfere Sanktionen einsetzen. "Machen wir uns nichts vor: Wenn Iran in den Besitz von Atomwaffen käme, dann hätte das verheerende Folgen."

Mit dem Satz: "Nicht die Welt muss Iran beweisen, dass Iran die Atombombe baut. Iran muss die Welt überzeugen, dass es die Atombombe nicht will," kehrte Merkel die Beweislast um. Und da sich Washington strikt weigert, irgendwelche Beweise Irans anzuerkennen - auch wenn diese von der zuständigen Instanz, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) kommen -, ist Merkels Aussage gleichbedeutend mit einem Blankoscheck für die Bush-Administration.

Im Weiteren setzte sich Merkel dann nachdrücklich für einen ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat ein. "Deutschland ist bereit, auch mit der Übernahme eines ständigen Sicherheitsratssitzes mehr Verantwortung zu übernehmen," erklärte sie und drängte auf Eile: "Die Zeit drängt, denn vielfältige Krisen halten uns in Atem." Der Sicherheitsrat spiegle in seiner heutigen Zusammensetzung nicht mehr die Welt von heute wieder, betonte Merkel. "Es führt daher kein Weg daran vorbei, ihn den politischen Realitäten anzupassen."

Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterstützte Merkels Bestrebungen. Er werde am Rande der Vollversammlung "in den Fluren" mit möglichst vielen Mitgliedsländern über die deutschen Ambitionen sprechen, sagte er Journalisten.

Auch der ehemalige deutsche Uno-Botschafter Gunter Pleuger setzte sich im Bayerischen Rundfunk für einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat ein. Er begründete dies mit der wachsenden internationalen Militärpräsenz Deutschlands. Die schönste Entscheidung nutze nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden könne, sagte er. "Das heißt, in den Sicherheitsrat müssen die wenigen Staaten hinein, die über die notwendigen Ressourcen verfügen zur Umsetzung einer Sicherheitsratsentscheidung. Und dazu gehören sicherlich Japan und Deutschland."

Seit der Wiedervereinigung hat Deutschland immer wieder verlangt, in den exklusiven Kreis der fünf Veto-Mächte im Sicherheitsrat - USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China - aufgenommen zu werden. Am weitesten waren entsprechende Bemühungen vor zwei Jahren gediehen, als sich Merkels Vorgänger Gerhard Schröder mit den Regierungen von Japan, Brasilien und Indien zusammentat und weltweit dafür warb, die Zahl der ständigen Mitglieder um diese vier plus zwei afrikanische Länder zu erweitern.

Der Plan scheiterte schließlich, weil sich die afrikanischen Länder nicht einigen konnten, Japan zögerte und ein Veto der USA und Chinas drohte. Da es nie zu einer Abstimmung über den Plan im Sicherheitsrat kam, mussten sich die USA allerdings nicht endgültig festlegen. Seither hat sich die deutsche Regierung mit entsprechenden Forderungen zurückgehalten.

Nun sieht Merkel offenbar eine Chance, das Ziel doch noch zu erreichen. US-Präsident Bush hatte in seiner Ansprache an die Vollversammlung angedeutet, dass er für entsprechende Reformpläne offen sei, dabei aber nur Japan namentlich genannt. Er sprach sich dafür aus, "Japan und andere" als ständige Mitglieder ins höchste Gremium der UN aufzunehmen.

Laut einem Bericht der Bild -Zeitung wird Merkel im November zu einem zweitägigen Privatbesuch in Bushs Ranch in texanische Crawford reisen und dort um die Unterstützung des Präsidenten für die deutschen UN-Ambitionen werben. Dass Bush dies ohne Gegenleistung tun wird, ist unwahrscheinlich. Der Preis könnte dann die deutsche Zustimmung zu verschärften Sanktionen und zu einem Krieg gegen Iran sein.

Richtungswechsel

Merkels Drohungen gegen Iran sind Ausdruck eines Richtungswechsels der deutschen Außenpolitik. Bisher hatte Berlin auf ein einheitliches Vorgehen des Sicherheitsrats gegen Iran gedrängt und sich bemüht, einen Bruch zwischen den USA auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite zu verhindern, um sich nicht für das eine oder andere Lager entscheiden zu müssen. Aufgrund der engen Wirtschaftsbeziehungen zu Iran - Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Teherans - hatte sich Berlin bemüht, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden.

Merkel ging zwar in New York nicht so weit wie der französische Präsident Nicolas Sarkozy, der für einseitige Iransanktionen der Europäischen Union auch ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrats eintritt. Aber ihre aggressiven Drohungen weisen in dieselbe Richtung.

Sarkozy, der schon vor Wochen von der "Alternative zwischen einem Iran mit Bombe und der Bombardierung des Iran" gesprochen hatte, setzte vor der UN-Vollversammlung seinen drohenden Kurs fort. Er behauptete, es werde "keinen Frieden auf der Welt geben, falls sich die internationale Gemeinschaft gegenüber der Verbreitung von Atomwaffen als schwach" erweise. Iran habe zwar das Recht, die Atomenergie zivil zu nutzen, "aber wenn wir die Aufrüstung Irans mit Atomwaffen zulassen, gehen wir ein unakzeptierbares Risiko für die Stabilität der Region und der Welt ein." Im nächsten Satz behauptete er: "Alle Experten in allen Teilen der Welt stimmen überein, dass Iran an einer militärischen Nuklearwaffe arbeitet."

Merkels außenpolitischer Richtungswechsel ist nicht zuletzt eine Reaktion auf das Vorpreschen Sarkozys. Noch vor wenigen Jahren hatten Paris und Berlin das Ziel verfolgt, den USA mit einer einheitlichen europäischen Außenpolitik als gleichgewichtige Akteure entgegenzutreten. Doch dieses Projekt ist weitgehend gescheitert. Die wachsenden Spannungen mit den USA haben Berlin und Paris nicht enger zusammengeschweißt, sondern die historischen Gegensätze zwischen den beiden Ländern wieder aufbrechen lassen.

Seit Sarkozys Regierungsübernahme häufen sich die Spannungen in wirtschaftlichen und außenpolitischen Fragen. Vor allem die deutsche Presse ist voller bissiger und hämischer Artikel über den "rastlosen Franzosen". Sarkozys Bemühungen um eine französische Vorherrschaft im EADS-Konzern (Airbus), sein Eintreten für staatlich dominierte Monopole im Energie- und Nuklearbereich und seine Angriffe auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank stoßen in Berlin ebenso auf Empörung, wie seine außenpolitischen Alleingänge in Darfur, in Libyen, im Libanon oder im Irak.

Angesichts der Spannungen und Differenzen in Europa verknüpft der französische Präsident die außenpolitischen Interessen Frankreichs entgegen der bisherigen gaullistischen Tradition verstärkt mit der Außenpolitik der USA.

Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit gelangt zum Schluss, Sarkozy habe "in den vergangenen Wochen sehr demonstrativ seinen Anspruch angemeldet, zu den großen Mitspielern des Weltgeschehens zu zählen", und nennt als möglichen Grund für seinen aggressiven Kurs gegenüber Iran: "Sarkozy sieht, dass die Eskalation des Konflikts nicht mehr zu bremsen ist, und möchte dann lieber auf der Welle surfen."

Denselben Kurs schlägt nun die deutsche Regierung ein. Angesichts wachsender Spannungen mit Russland, das immer selbstbewusster seine eigenen Interessen wahr nimmt, und China - erst letzte Woche löste der Empfang des Dalai Lama durch die Bundeskanzlerin schwere Verstimmungen aus - begibt sich auch Berlin zunehmend ins amerikanische Fahrwasser und versucht, "auf der Welle zu surfen".

Angela Merkel hatte schon 2003, beim Ausbruch des Irakkriegs, den Kurs des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder kritisiert. Schröder hatte sich öffentlich gegen den Krieg ausgesprochen und damit eine deutliche Abkühlung der Beziehungen zu den USA in Kauf genommen. Nach ihrer Amtsübernahme bemühte sich Merkel dann um eine Annäherung an die Bush-Administration.

Doch nun geht sie noch einen Schritt weiter. Durch ihre aggressiven Drohungen gegen Iran gibt sie den Bemühungen Washingtons auftrieb, Teheran militärisch anzugreifen. Die Vorbereitungen für einen massiven Militärschlag, der noch vor Ablauf von Bushs zweiter Amtszeit Ende kommenden Jahres die Nuklearanlagen, die Armee und die Infrastruktur Irans zerstören soll, sind weit fortgeschritten, wie zahlreiche Zeitungsartikel bezeugen.

Die - vor allem von Sarkozy verbreitete - Behauptung, verschärfte Sanktionen würden einen Krieg verhindern, weil sie Teheran letztlich zum Nachgeben zwängen, sind hanebüchen. Das zeigt allein schon die Erfahrung des Irakkriegs. Dort dienten die von der UN verhängten Sanktionen dazu, den Krieg propagandistisch vorzubereiten und das Land vor dem Angriff durch die USA zu schwächen. Die amerikanischen Kriegsvorbereitungen gegen Iran haben ohnehin wenig mit dessen Atomprogramm zu tun, umso mehr dagegen mit seinem Ölreichtum und seiner strategischen Lage in einer Region, in der sich die größten Energievorräte der Welt befinden.

Es ist bezeichnend, dass Merkel das Einschwenken auf Bushs Irankurs mit der Forderung nach einem deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat verbindet. Hinter der endlos wiederholten Formel, Deutschland sei bereit, "mehr Verantwortung zu übernehmen", steht das Bemühen, wieder eine aktive imperialistische Großmachtpolitik zu betreiben und diese auch mit militärischen Mitteln zu untermauern.

Nach ihrer Niederlage in zwei selbstverschuldeten Weltkriegen musste sich die herrschende Elite Deutschlands jahrzehntelang mit einer bescheidenen Rolle in der Weltpolitik begnügen. Nun erhofft sie sich von einem Sitz im Sicherheitsrat wieder eine anerkannte Stellung im Zirkel der imperialistischen Großmächte. Dass sie dafür bereit ist, einen Krieg zu unterstützen oder billigend in Kauf zu nehmen, der die Existenz oder das Leben von Millionen Iranern bedroht, zeigt den kriminellen Charakter des Unternehmens.

Siehe auch:
Warum schweigt die deutsche Presse zu den US-Kriegsvorbereitungen gegen den Iran?
(18. September 2007)
Britische Wissenschaftler warnen vor amerikanischem Überraschungsschlag gegen Iran
( 14. September 2007)
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