Rede von Bush signalisiert beschleunigten Truppenabzug aus dem Irak

Präsident Bush gab am Donnerstagmorgen eine knappe, nur vier Minuten dauernde Erklärung ab, in der er ankündigte, dass die letzte der fünf Armeebrigaden und die drei Marineregimenter, die letztes Jahr als Teil des "Surge" in den Irak geschickt worden waren, in die USA zurückgekehrt sind. Für Ende des Jahres kündigte er eine weitere Verringerung der US-Truppenstärke an.

Nach einigen vorsichtig optimistischen Interviews, die der US-Kommandeur im Irak, General David Petraeus, Anfang der Woche gegeben hatte, hatte das Weiße Haus am Mittwoch lediglich angekündigt, Bush werde eine Erklärung zum Irak abgeben. Der General reagierte speziell auf Meldungen, dass die Zahl der amerikanischen Todesopfer im Juli die niedrigste des gesamten Krieges war. Nur elf Soldaten starben im letzten Monat im Irak - davon fünf aus Gründen, die nichts mit den Kämpfen zu tun hatten. 510 verzeichnete Todesfälle gab es unter dem irakischen Sicherheitspersonal und bei Zivilisten; auch das war die niedrigste Zahl seit zwei Jahren, trotz mehrerer schrecklicher Selbstmordattentate in der letzten Woche des Monats.

Petraeus erklärte am Montag gegenüber USA Today, es gebe "eine gewisse Dauerhaftigkeit" beim Rückgang der Gewalttätigkeiten. "Wenn man diese spektakulären Angriffe weiter reduzieren könnte, dann, denke ich, würde die Gewalt auf ein normales oder latentes Niveau sinken", erklärte er. In einem Interview mit Reuters am selben Tag hielt der General es für "möglich", dass die irakischen Regierungsstreitkräfte die Verantwortung für die Sicherheit des Landes bis Ende 2009 übernehmen können. Das würde es erlauben, den größten Teil der US-Kampftruppen in den nächsten achtzehn Monaten abzuziehen.

Bush zitierte zu Beginn seiner Rede den Hinweis von Petraeus auf die "Dauerhaftigkeit" und den "Erfolg der Operation". Er sagte, "der Fortschritt im Irak" habe der Regierung erlaubt, die Politik der "Rückkehr bei Erfolg" weiterzuführen und die "Surge"-Einheiten kontinuierlich abzuziehen. Der Präsident erklärte: "Im weiteren Verlauf des Jahres wird General Petraeus mir Empfehlungen für die zukünftige Stärke der Truppe vorlegen - darunter auch die weitere Reduzierung der Kampfeinheiten in dem Maße, wie die Bedingungen es erlauben." Er kündigte an, dass die Stationierungszeit der Einheiten im Irak ab dem 1. August von 15 auf 12 Monate reduziert werde.

Abgesehen von taktischen Nuancen unterschied sich Bushs Einschätzung sehr wenig von der des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama während seines Besuchs im Irak in der letzten Woche.

Obama weigerte sich, die Operation "Surge" als Erfolg zu bezeichnen; er spricht für eine Fraktion der amerikanischen herrschenden Elite, die den gesamten Irak-Krieg als kostspieligen strategischen Fehler ansieht, der den allgemeinen Interessen der USA geschadet habe. Er erklärte trotzdem, der "Fortschritt" im Irak bedeute, dass seine Politik des Truppenabzugs innerhalb von sechzehn Monaten nach seinem Amtsantritt erreicht werden könne - vorausgesetzt, das Militär sei der Meinung, die Bedingungen erlaubten es.

Bush und der republikanische Kandidat John McCain bejubeln die Operation als "Erfolg" und erklären, sie habe die Bedingungen geschaffen, unter denen die Truppen den Irak verlassen könnten. General Petraeus, der nach Bushs und McCains Ansicht, als einzige Person befähigt ist, über das Tempo des Rückzugs zu entscheiden, hält es für möglich, dass die meisten Kampftruppen bis Anfang 2010 abgezogen werden können - in etwa demselben Zeitrahmen, den Obama vorschlägt.

Sowohl das Demokratische als auch das Republikanische Lager stimmen darin überein, dass Zehntausende Militärs auf unbestimmte Zeit im Irak bleiben müssen, um den US-Vasallenstaat in Bagdad zu schützen, und um den Ausverkauf der Öl- und Gasreichtümer des Landes an amerikanische Energiekonzerne zu beaufsichtigen.

Hinter der einvernehmlichen Meinung, dass Truppen aus dem Irak abgezogen werden können, steht der Konsens, der sich um die Forderung Obamas bildet, mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken. McCain hat sich bereits der Forderung des Senators aus Illinois angeschlossen, zwei oder drei zusätzliche Kampfbrigaden nach Afghanistan zu schicken. Er erklärte am 15. Juli: "Dank der Erfolge des "Surge", werden diese Truppen frei."

Obwohl Bush am Donnerstag Afghanistan nicht erwähnte, deutet seine Rede darauf hin, dass das Weiße Haus sich dem Konsens anschließt. Gegenwärtig befinden sich 147.000 Soldaten im Irak, darunter 15 Kampfbrigaden. Der nächste größere Truppenaustausch ist für die ersten Monate 2009 geplant; dann sollen als Ersatz für Einheiten, die ihren Einsatz beenden, vier Armeebrigaden und zwei Marineregimenter in den Irak versetzt werden. Die Empfehlung von Petraeus an Bush könnte sehr wohl darin bestehen, dass "die Bedingungen es erlauben", einige oder alle der Austausch-Einheiten, stattdessen nach Afghanistan zu schicken.

Die amerikanischen und die Nato-Streitkräfte sind sowohl in Süd-Afghanistan als auch in den pakistanischen Stammesgebieten in der Grenzregion mit einem wachsenden Aufstand gegen die Besatzung konfrontiert. Und noch grundsätzlicher hängt die neuerliche Konzentration auf Afghanistan mit dem Bestreben zusammen, den zurückgehenden US-Einfluss in Zentralasien wieder zu stärken. Während die USA mit dem Irak beschäftigt waren, haben Russland und China mittels der Shanghai Cooperation Organisation praktisch ein Monopol über die Öl- und Gasreichtümer zentralasiatischer Länder wie Kasachstan und Turkmenistan errichtet.

Richard Boucher, der stellvertretende Außenminister der Bush-Regierung für Süd- und Zentralasien erläuterte die wirklichen Beweggründe des Kriegs in Afghanistan in einer Rede im letzten September. "Eins unserer Ziele ist es, Afghanistan zu stabilisieren, so dass es zu einem Verbindungskanal und zu einem Drehkreuz zwischen Süd- und Zentralasien werden kann, damit Energie in den Süden fließen kann... und damit die Länder Zentralasiens nicht länger eingeklemmt sind zwischen den gewaltigen Mächten China und Russland, sondern stattdessen Ausgänge nach Süden und Norden wie auch nach Westen und Osten haben", erklärte er.

Politische Unsicherheit im Iark

Bei der Diskussion über den "Erfolg" des Surge wird die wirkliche Lage der Dinge im Irak ausgelassen. Selbst während Bush seine kurze Ansprache hielt, warfen die Entwicklungen ein Schlaglicht auf die Brüchigkeit der gegenwärtigen scheinbaren Stabilität.

Petraeus hat einen Rückgang der Gewalt in erster Linie dadurch erreicht, dass er ein konfessionell-ethnisches Blutbad zugelassen hat, durch das der Irak in rivalisierende schiitische, sunnitische und kurdische Einflusssphären aufgeteilt wurde. Allein im Jahr 2007 wurden eine Million Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und Zehntausende in brutalen Kämpfen zwischen Milizen der schiitischen Parteien, die der US-gestützten irakischen Regierung von Premierminister Nuri al-Maliki angehören, und bewaffneten sunnitischen Gruppen getötet.

Im vergangenen Jahr haben verzweifelte sunnitische Bewohner in Bagdad und in den umliegenden Provinzen Schutz vor den schiitischen Todesschwadronen gesucht, indem sie die von den USA unterstützten Milizen "Söhne des Irak" aufbauten. Das US-Militär bezahlt ehemalige sunnitische Kämpfer dafür, dass sie im Austausch für ihre Zusammenarbeit gegen aufständische Gruppen in den Straßen patrouillieren, Kontrollpunkte besetzen und ihre Viertel überwachen. Zurzeit gibt es 103.000 "Söhne des Iraks", die auf der Gehaltsliste der US-Armee stehen. Fast 50.000 sind in den sunnitischen Vororten Bagdads eingesetzt und sehen ihre Hauptrolle darin, die sunnitischen Bevölkerungsgruppen vor den schiitisch dominierten Sicherheitskräften zu schützen.

Maliki hat sich geweigert, die Mehrheit der sunnitischen Milizen in das Militär oder die Polizei zu integrieren. Stattdessen fordert er ihre Auflösung und dass die Regierungstruppen in diese Gebiete gelassen werden, sobald die US-Streitkräfte abziehen. Angesichts der religiösen Spannungen ist es nur eine Frage der Zeit, bevor ein neuer Widerstandskampf der Sunniten sowohl gegen die US-Besatzung als auch gegen deren Marionetten-Regierung ausbricht.

Ein möglicher Zündfunke ist die Entsendung von 50.000 mehrheitlich schiitischen Soldaten und Polizisten in die Provinz Diala und deren Hauptstadt Bakuba, wo etwa 5.000 ehemalige sunnitische Guerillas Gruppen der "Söhne des Irak" gebildet haben.

Die Entsendung der Regierungstruppen soll angeblich "Recht und Ordnung" herstellen und die letzten der al-Quaida angeschlossenen Aufständischen zur Strecke zu bringen, die in dieser Provinz operieren. Ein Bericht der Los Angeles Times stellte fest, dass dies von den lokalen Sunniten als feindliche schiitische Invasion gesehen wird. Ein Mitglied der von den USA bezahlten sunnitischen Milizen fragte nach, warum die amerikanischen Truppen die überwiegend schiitischen irakischen Polizisten bei den Hausdurchsuchungen nicht begleiten. Als man ihm mitteilte, dass man der Polizei vertraue, antwortete der Mann: "Dann wird man uns töten."

Die ethnischen Spannungen nehmen auch in der ölreichen Provinz Tamim zu. Die kurdisch-nationalistischen Parteien, der zweitgrößte Block im irakischen Parlament, versuchen Tamim und ihre Hauptstadt Kirkuk in das Gebiet der autonomen Kurdischen Regionalregierung (Kurdish Regional Government, KRG) einzugliedern, die in den angrenzenden Provinzen Irbil, Dahuk und Suleimania regiert. Ihre Pläne werden von den großen arabischen und turkmenischen Volksgruppen in Kirkuk und von der türkischen Regierung bekämpft, die befürchtet, dass eine gestärkte KRG die separatistische Agitation ihrer großen kurdischen Minderheit wiederaufleben lässt.

Letzte Woche führte das irakische Parlament einen Schlag gegen die Bestrebungen der Kurden, als es beschloss, Ende des Jahres keine Provinzwahlen in Kirkuk abzuhalten. Es ordnete an, die kurdisch dominierte Provinzregierung durch einen Rat aus zehn Kurden, zehn Arabern, zehn Turkmenen und zwei Christen zu ersetzen. Es beschloss außerdem, die kurdisch dominierten Militär- und Milizeinheiten durch arabische Truppen aus dem Süden des Irak zu ersetzen.

Der irakische Präsidentschaftsrat legte unter dem Vorsitz von Präsident Jalal Talabani, einem prominenten kurdisch-nationalistischen Führer, sein Veto gegen das Gesetz ein. Es hat nichtsdestoweniger Empörung in kurdisch-nationalistischen Kreisen ausgelöst. Am Donnerstag verabschiedete die kurdische Mehrheit des Parlaments von Tamim eine Resolution, die fordert, Kirkuk ungeachtet der Haltung der irakischen Regierung an die KRG anzuschließen.

Dieser Beschluss führte unmittelbar zu einer Krise. Mohammed al-Jubouri, ein arabisches Mitglied des Parlaments von Tamim, erklärte gegenüber Reuters: "Wir lehnen es völlig ab, dass Kirkuk ein Teil von Kurdistan wird, und befürchten, dass der Beschluss zu einer Krise und zu Konflikten in der Stadt führt. Das könnte einen Bürgerkrieg in Kirkuk auslösen." Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Spannungen wegen Kirkuk zu einem offenen Krieg zwischen der irakischen Regierung und der KRG eskalieren; die KRG ist in der Lage, auf mehr als 200.000 Peshmerga-Milizionäre zurückzugreifen.

Auch eine Invasion des Nordiraks durch das türkische Militär kann nicht ausgeschlossen werden. Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan rief am Donnerstag persönlich Talabani an, um seine Besorgnis über die Abstimmung in Kirkuk auszudrücken und implizit davor zu warnen, dass die Türkei Gewalt anwenden werde, um zu verhindern, dass die Stadt der kurdischen Region beitritt.

So sehen die morschen Fundamente des so genannten "Erfolgs" der irakischen Operation "Surge" und der Pläne für einen Truppenaufbau in Afghanistan aus.

Siehe auch:
US-Militär versucht Kämpfe mit der Mahdi-Armee wieder anzufachen
(5. Juni 2008)
Angriff auf Basra endet mit Demütigung der Regierung Maliki
( 10 April 2008)
Zusammenstöße und Spannungen im Südirak
( 27. März 2008)
Obama skizziert Kriegspolitik
( 17. Juli 2008)
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