Großbritannien unterstützt Washingtons antirussische Kampagne wegen Georgien

Der britische Außenminister David Miliband hat die volle Unterstützung Großbritanniens für die provokative antirussische Kampagne Washingtons in Bezug auf Georgien erklärt.

In einem Artikel in der Times forderte Miliband, internationale Beobachter nach Georgien zu schicken, um den Waffenstillstand zu überwachen und die "georgische Souveränität" zu verteidigen.

"Die Invasion Georgiens war völlig ungerechtfertigt", schreibt Miliband, "und wir werden den Wunsch Georgiens nach einem Beitritt zur NATO verstärkt unterstützen."

"Man muss kein Student des erstickten Prager Frühlings von 1968 sein, um den Anblick von russischen Panzern, die in ein benachbartes Land rollen, beängstigend zu finden", fährt Miliband fort und beschwört damit bewusst die Sprache des Kalten Krieges herauf.

"In der georgischen Krise geht es um mehr als um grundlegende Fragen humanitärer Bedürfnisse und die Herrschaft des Gesetzes über die Herrschaft der Gewalt. Sie wirft die grundlegende Frage auf, ob, und wenn ja, wie, Russland in einem auf Regeln basierenden internationalen politischen System eine verantwortungsvolle und rechtmäßige Rolle spielen kann, in dem es zwar seine Rechte wahrnimmt, aber auch die der anderen respektiert."

Miliband beklagt sich über die "überwältigende russische Aggression". Russland, erklärt er, "hat keine Beweise für Kriegsverbrechen geliefert" und habe "mehrere UN-Sicherheitsrats-Resolutionen verletzt, denen es selbst zugestimmt hat".

Russland, fährt Miliband fort, habe "unverhohlen die Souveränität eines benachbarten (und demokratischen) Landes verletzt".

"Die britische Position ist", so erklärte er, "dass Russland die Karte seines ‚benachbarten Auslands’ nicht durch Aggression neu zeichnen kann und wird."

Die Außenminister der NATO müssten ihr Bekenntnis zur territorialen Integrität Georgiens erneut bekräftigen, betonte Miliband, und "die Verpflichtung vom NATO-Gipfel im April bestätigen, die Ukraine und Georgien als Mitglieder aufzunehmen. Dem muss eine ernsthafte militärische und politische Zusammenarbeit folgen - als Teil eines klaren Fahrplans zur späteren Mitgliedschaft."

Miliband schlägt einen sehr moralischen Ton an. Die britische Regierung ist allerdings nicht in der Position, andere wegen "überwältigender Aggression" und der Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität anderer Staaten zu kritisieren.

Die Labour-Regierung hat die von den USA angeführte Invasion des Iraks unterstützt - ohne UN-Mandat und unter dem konstruierten Vorwand, Saddam Hussein besitze "Massenvernichtungswaffen". Sie hat geholfen, in diesem Land einen "Regimewechsel" durch militärische Aggression zu erzwingen.

Nur siebzehn Monate vorher hatte sie an der Invasion Afghanistans mit der Scheinbegründung teilgenommen, das Land sei für den Terroranschlag vom 11. September verantwortlich. Obwohl der Angriff auf Afghanistan auch von weiteren NATO-Ländern unterstützt wurde, wurde er dadurch nicht rechtmäßiger. Die NATO-Streitkräfte haben wiederholt Zivilisten angegriffen. Die Regierung von Hamid Karzai ist ein westliches Marionetten-Regime, das selbst in der Bevölkerung der Hauptstadt kaum Unterstützung genießt.

Am selben Tag, an dem Milibands Artikel in der Times erschien, wurde bekannt gegeben, dass britische Spezialeinsatzkräfte an einer "Enthauptungs"-Strategie in Afghanistan teilnehmen werden. Das Ziel ist, führende Gegner des vom Westen unterstützten Regimes zu ermorden, von denen man glaubt, dass sie sich in den Stammesgebieten Pakistans aufhalten.

Der Independent zitierte sogenannte "ranghohe Gewährsleute aus dem Verteidigungsministerium", die erklärten, ihre Informationen wiesen als Folge des Rücktritts von Präsident Pervez Musharraf auf einen "Zusammenbruch der Sicherheitslage" in Pakistan hin. Es gibt keinen Zweifel, dass geplant ist, die NATO-Kampagne auf Pakistan auszudehnen.

Eine Geschichte von Aggression und Provokation

1999 waren britische Streitkräfte an der Bombardierung Serbiens beteiligt, bei der Zivilisten und neutrale Botschaften angegriffen wurden. Anfang des Jahres erkannte Großbritannien die unilaterale Loslösung des Kosovo von Serbien an.

Die Regierung Großbritanniens machte sich auch keine Sorgen um die territoriale Integrität Serbiens. Vielmehr rechtfertigte sie ihre Unterstützung für die Unabhängigkeit des Kosovo mit genau denselben Argumenten, die jetzt von den anti-georgischen Separatisten in Südossetien und Abchasien vorgebracht werden. Genau dieser Schritt hat Russland vermutlich ermutigt, so zu handeln, wie es das jetzt in Südossetien und Abchasien getan hat.

Großbritannien hat im Bündnis mit den USA in Regionen, die an Russland grenzen und früher ein Teil der ehemaligen UdSSR waren, ein immer aggressiveres Verhalten an den Tag gelegt.

Im April unterstützte es die Forderung der USA nach Aufnahme Georgiens in die NATO. Frankreich und Deutschland sträubten sich, den Aufnahmeprozess einzuleiten, weil sie erkannten, dass dieser Schritt Moskau vor den Kopf stoßen würde. Außerdem unterstützte Großbritannien die US-Pläne, ein Raketenabfangsystem in Polen und eine Radarstation in der Tschechischen Republik zu errichten.

Miliband, der Georgien am Mittwoch besuchen wird, forderte wirtschaftliche wie politische Unterstützung für Georgien und die Ukraine. Er erklärte, Großbritannien werde sich maßgeblich daran beteiligen, Beobachter zur Überwachung des Waffenstillstands zu entsenden.

Er wies den in Washington kursierenden Vorschlag zurück, Russland aus der Runde der G8-Staaten auszuschließen. Aber er betonte, dass die übrigen Mächte in der Lage sein müssten, als G7 zu handeln, wann immer sie das wollten. Während die praktische Konsequenz eines Ausschlusses aus der G8 geringfügig sein mag, so ist dies doch eine nicht unerhebliche diplomatische Geste.

Andere europäische Mächte haben ein vorsichtigeres Vorgehen angemahnt. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor einer "reflexartigen Reaktion" auf die georgische Krise. Er forderte, die Kommunikationskanäle zwischen dem Westen und Russland müssten offen bleiben.

Unverantwortliche Kriegstreiberei

Die Entscheidung, Miliband nach Georgien zu entsenden, war die Reaktion auf Kritik in der britischen Presse, die Regierung von Premierminister Gordon Brown habe nicht angemessen auf den georgischen Konflikt reagiert. Eine Überschrift auf der ersten Seite der Sun fragte: "Wo ist Gord[on Brown]?" Ein paar Tage später schob der politische Redakteur der Sun Trevor Kavanagh einen Artikel mit der Überschrift nach: "Hallo, Gordon? Wir hören immer noch nichts von Dir." Diese Reaktion zeigt eine tiefe Unzufriedenheit mit Browns Verhalten in wichtigen Teilen der internationalen Finanzelite, in deren Namen das Medienimperium Murdochs spricht.

Kavanagh verwies auf die russische Warnung, dass das amerikanische Anti-Raketen-System Polen zu einem militärischen Ziel mache.

"Diese Eskalation der Spannungen macht die Frage noch dringlicher", schreibt Kavanagh. "Wo zum Kuckuck sind Gordon Brown und sein Außenminister David Miliband?"

Andere internationale Führer hätten sich zu Wort gemeldet, aber Brown habe Oppositionsführer David Cameron die Führung in der Georgien-Frage überlassen, erklärt Kavanagh. Brown habe erst Erklärungen abgegeben, nachdem Cameron in den Medien aufgetreten war. Tony Blair, erklärte Kavanagh, hätte sich nicht so verhalten.

Kavanaghs Artikel erschien an dem Tag, an dem Cameron zu einem Treffen mit Präsident Saakaschwili nach Tiflis flog. Er war in die Hauptstadt eingeladen worden, nachdem er die Reaktion des Westens auf die georgische Krise mit der Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Nazi-Regime in Deutschland 1939 verglichen hatte.

Cameron forderte Visums-Beschränkungen für Russen: "Russische Armeen können nicht in andere Länder einmarschieren, während russische Käufer weiter bei Selfridges einkaufen gehen."

Das Außenministerium wies zwar darauf hin, dass es bereits Visums-Beschränkungen für Russen gebe. Aber die Labour-Regierung war bereits beschädigt.

Vor Camerons Intervention sei in der Labour Party, so stellen es die Medien dar, Krieg ausgebrochen, weil Miliband Browns Führungsposition in Frage gestellt habe.

Miliband hatte in einem Artikel im Guardian Ende Juli die Leistung der Regierung kritisiert. Labour könne die nächste Wahl - auch nach zwei Nachwahl-Niederlagen - immer noch gewinnen, behauptete er. Aber er nannte nicht ein Mal Browns Namen, was als Zeichen gewertet wurde, dass er sich als möglicher Führer in Position brachte.

Die Leitartiklerinnen des Guardian Polly Toynbee und Jackie Ashley beeilten sich, Miliband ihre Unterstützung anzubieten. Toynbee war früher eine entschiedene Anhängerin Browns bei seinem Kampf mit Blair. Sie konnte jedoch kaum ihre Begeisterung im Zaum halten.

"Plötzlich hat sich alles verändert", schrieb sie auf Milibands Artikel. "Das Auflodern von Optimismus war so überraschend, dass es diejenigen blendete, die schon so lange tief in einem Verlies gefangen waren. In diesem Moment war es vorbei mit dem alten Führer, der sie in diese Tiefe gestürzt hat. Plötzlich tat sich der Ausweg auf, auf den alle gewartet hatten."

Ashley vergöttert ihn regelrecht. "Der Mann, der oft zu zögerlich erschien für die Politik an vorderster Front", schreibt Ashley über Miliband, "tritt plötzlich auf wie ein Killer."

Browns Probleme blieben in Washington nicht unbemerkt. Das Wall Street Journal veröffentlichte einen Artikel von Kyle Wingfield, dem Leitartikler seiner europäischen Ausgabe.

"Wenn Gordon Brown aus seinem Sommerurlaub zurückkommt", beginnt der Artikel, "könnte es passieren, dass die Schlösser von 10 Downing Street ausgetauscht sind."

Dieser interne Konflikt sorgte dafür, dass die Regierung Brown mit Verzögerung auf die georgische Krise reagierte. Cameron ist es gelungen, daraus einen gewissen Vorteil zu ziehen. Er präsentiert sich als der beste Kandidat für die Fortsetzung der engen Allianz in der Außenpolitik zwischen London und Washington.

Brown hat sein Scherflein zu den Umständen beigetragen, die zur internationalen Krise um Georgien geführt haben. Als Finanzminister hat er die Gelder zur Verfügung gestellt, die es Großbritannien ermöglichten, einen Krieg an zwei Fronten zu führen und als engster Verbündeter Washingtons zu fungieren. Aber jetzt, wo die Wirtschaft am Rande einer Rezession steht und die internationalen Spannungen sich verschärfen, taucht unweigerlich die Frage auf, ob Brown in der Lage ist, weiterhin eine führende Rolle zu spielen.

Cameron hat eine der entscheidenden Fragen der britischen Politik aufgeworfen. Sein Hinweis auf Beschwichtigungspolitik bezog sich auf die Politik der Regierung Chamberlain zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Er hat diese Bemerkungen in einer Situation gemacht, die anerkanntermaßen gefährliche Ähnlichkeiten mit den internatonalen Krisen aufweist, die früheren Weltkriegen vorausgegangen sind. Unausgesprochen präsentiert sich Cameron so als der bessere Kriegsführer.

Brown ist nicht bereit, sich geschlagen zu geben. Seine Reaktion bestand darin, seinen Außenminister in das Spannungsgebiet zu entsenden. Mit Feuereifer nahm Miliband auf dem NATO-Gipfel eine kriegerische Haltung ein. Die britischen Politiker versuchen sich mit zusehends kriegerischerem Gehabe wechselseitig zu beweisen, dass sie kein Chamberlain sind. Dieser Wettbewerb könnte selbst zu einem Faktor der eskalierenden internationalen Spannungen werden.

Siehe auch:
Großbritannien: Labour steht nach der Niederlage in Glasgow vor dem Ruin
(30. Juli 2008)
NATO-Konferenz in Brüssel: USA erhöhen Druck auf Russland
(21. August 2008)
EU-Treffen zu Georgien von Spannungen zwischen Europa und USA geprägt
(16. August 2008)
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