Die Regierung der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) wendet sich angesichts der Entwicklung der Wirtschaft hin zur Rezession gegen die Einwanderer des Landes. Die PSOE-Regierung unter der Führung von Premierminister José Luis Zapatero hatte früher den Ruf, Europas liberalste, am weitesten nach links tendierende Regierung zu sein. Heute verbündet sie sich jedoch mit den rechtesten Elementen in der Europäischen Union (EU). Man könnte noch weiter gehen und sagen, dass Zapatero und seine Minister jetzt die ausländerfeindliche Meute anführen.
Als Spanien sich hoher jährlicher Wirtschafts-Wachstumsraten erfreute, waren eingewanderte Arbeiter im Land willkommen. Einwanderung - sogar illegale - wurde als Situation unterstützt, die für beide Seiten ein Gewinn ist, da die spanischen Unternehmen billige Arbeitskräfte erhielten und die Heimatländer der Einwanderer von dem Geld profitierten, das die Einwanderer nach Hause schickten.
In den letzten Wochen hat sich jedoch Panik breit gemacht, da die Wirtschaft im Sturzflug nach unten geht. Zapatero trat Anfang Juli im Fernsehen auf, um zu verkünden, dass es eine Krise gibt. Wirtschaftsminister Pedro Solbes nannte die Situation "die komplizierteste Krise, die wir je gesehen haben" und Industrieminister Miguel Sebastián erklärte, dass Land befinde sich "fast in einer Rezession".
In einem Gutachten vom letzten Monat wies der Internationale Währungsfond darauf hin, dass Spanien das Land ist, das mit am schlimmsten vom weltweiten Wirtschaftsabschwung betroffen sein wird, und er sagt eine Wachstumsrate von 1,8 Prozent voraus im Vergleich zu fast 4 Prozent im Jahr 2007. Aber selbst diese Zahl erscheint jetzt noch zu optimistisch: Die Regierung hat ihre eigene Prognose für dieses Jahr auf ein Prozent heruntergesetzt. Susana Garcia von der Deutschen Bank bemerkt dazu: "Die Abschwächung war unvermeidlich. Schockierend ist die Geschwindigkeit, mit der sie sich entwickelt hat."
Die Bauindustrie, von der das Wachstum in Spanien in großem Maße abhing, ist ins Stocken geraten. Immobilienverkäufe sind im ersten Quartal um 32 Prozent zurückgegangen, wodurch 650.000 Immobilien unverkauft blieben. Diese Woche wurde der Zusammenbruch der Immobiliengesellschaft Martinsa-Fadesa zum größten Firmenzusammenbruch, den Spanien je erlebt hat. Dazu kam es, nachdem die Gesellschaft ein Darlehen über 150 Millionen Euro nicht bekommen konnte, das Teil eines Refinanzierungspakets von Schulden in Höhe von sieben Milliarden Euro war.
Die Bauindustrie ist außerdem in erster Linie für den dramatischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen von 9,6 Prozent im ersten Quartal auf 10,4 Prozent im April-Juni 2008 verantwortlich. Unter Einwanderern liegt sie mit über 15 Prozent noch höher. Dominic Bryany von BNP Paribas erklärte: "Das sieht ziemlich schlecht aus. Aber wenn man in Betracht zieht, dass die Arbeitslosenrate in den letzten fünf Jahren im zweiten Quartal normalerweise im Durchschnitt um 0,6 Prozent zurückgegangen ist, dann sehen die Zahlen wirklich schrecklich aus."
In den vier Jahren, seit die PSOE 2004 an die Regierung kam, holten die spanischen Unternehmen 727.821 Einwanderer mit Arbeitsverträgen ins Land. 2005 erteilte Zapatero weiteren 600.000 Arbeitern im Zuge einer Amnestie eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung, womit er den Zorn der übrigen europäischen Regierungen auf sich zog. Der damalige französische Innenminister Nicolas Sarkozy nannte die spanische Regierung "Zauberlehrlinge" und der deutsche Innenminister Otto Schilly erklärte, Zapatero habe "einen hoch explosiven Präzedenzfall für ganz Europa geschaffen".
Laut den jüngsten Zahlen des Ministeriums für Arbeit und Einwanderung von Ende März 2008 gab es in Spanien 4.192.835 legal eingewanderte Arbeiter - etwas über 11 Prozent der Bevölkerung. Zirka 1.849.000 Arbeiter kommen aus Südamerika (vor allem aus Ekuador, Kolumbien and Peru), eine Million sind Europäer aus Nicht-EU-Ländern (vor allem Rumänen) und 702.000 stammen aus Afrika (in erster Linie aus Marokko).
Weniger als fünf Prozent der eingewanderten Arbeiter sind über das Meer von Afrika aus auf die Kanarischen Inseln nach Spanien gekommen. Dennoch hat die PSOE-Regierung die öffentliche Empörung über die wachsende Zahl an ausgezehrten Leichen, die in Booten auf dem Atlantik gefunden wurden, benutzt, um mehr Kontrollen zu verlangen. Einwanderer sahen sich gezwungen, die gefährliche Überquerung von den westafrikanischen Ländern Mauretanien und Senegal zu den Kanarischen Inseln zu versuchen, weil die kürzere und sicherere Route von Nordafrika (Marokko und Algerien) zum spanischen Festland durch Marinepatrouillen unpassierbar wurde. Zapatero fordert von der EU, einen maßgeblichen Teil ihres Grenzkontroll-Budgets für 2007-2013 für die südlichen Grenzen auszugeben. Er ist die treibende Kraft hinter der neuen europaweiten Grenzbehörde Frontex.
Zapatero versuchte, seine eigene Regierung von jeder Verantwortung für diese Tragödie an den Küsten freizusprechen und die Schuld kriminellen Banden zuzuschieben, die Einwanderer "ausbeuten". "Wir müssen unsere Kontrollen wieder verschärfen", erklärte er.
Zu diesem Zweck sind Zapatero und seine Minister immer wieder nach Afrika geflogen, um auf die Regierungen des Kontinents Druck auszuüben, weitere Maßnahmen zur Kontrolle der Abwanderung zu ergreifen. Nach einem Treffen mit Zapatero beeilte sich der marokkanische Premierminister Abbas El Fassi zu erklären: "Wir machen enorme Anstrengungen und bringen große Opfer, speziell auf finanzieller Ebene, um gegen die illegale Abwanderung zu kämpfen."
Zapatero erinnerte seinen Gastgeber daran, dass 600 Firmen aus Spanien in Marokko arbeiten, was die Notwendigkeit unterstreiche, dass die beiden Länder weiterhin "enge Beziehungen" aufrechterhalten".
Zapatero hat viel Wind um seine Vorschläge gemacht, die EU-Länder sollten 0,7 Prozent ihres BIPs für Entwicklungshilfe für arme Länder aufwenden - wobei er versprach, Spanien werde das bis 2012 erreichen. Dies sei der effektivste Weg, die Welle illegaler Immigranten zu drosseln.
Drei Dinge muss man zu Zapateros Vorschlägen sagen. Erstens: die 0,7 Prozent sind eine dürftige Summe, die nicht einmal an der Oberfläche der Probleme kratzen wird, mit denen die Einwohner der Empfängerländer konfrontiert sind. Zweitens: die Hilfe wird an die geopolitischen Bestrebungen und wirtschaftlichen Interessen der Geberländer gebunden sein. Und als Letztes: Zapateros humanitäre Sprüche dienen nur als Schleier, hinter dem noch repressivere Maßnahmen der EU gegen eingewanderte Arbeiter eingeführt werden. Die PSOE hat die Einführung dieser Maßnahmen durch ihre Unterstützung wesentlich erleichtert. Selbst die PSOE-freundliche Zeitung El Pais kritisierte den "Rechtsschwenk" der Regierungspolitik und beschuldigte sie des "Opportunismus".
Zapateros Unterstützung war für die Europäische Einwanderungsrichtlinie äußerst wichtig, weil sie seinem Autor, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, eine größere Glaubwürdigkeit verlieh. Die Richtlinie, die von den EU-Innenministern im letzten Monat abgesegnet wurde, fordert strengere Grenzkontrollen, eine stark ausgebaute Frontex-Organisation und den Einsatz von biometrischen Visa ab 2012 für alle Personen, die in die EU ein- oder ausreisen. Sie fordert, die Anerkennung der Identität der Mitgliedsstaaten in den Vordergrund zu stellen und von den Einwanderern zu verlangen, die Sprache des Landes zu erlernen, in das sie einreisen. Ob der Nachzug von Familienmitgliedern erlaubt wird, hängt von der Entscheidung der Regierung und von der Bereitschaft der Einwanderer ab, sich zu integrieren. Die Einwanderungsrichtlinie "garantiert", dass Arbeiter ohne gültige Papiere in ihre Ursprungs- oder Einreiseländer zurückgeführt werden, freiwillig oder mit Gewalt.
Die PSOE unterstützt auch die neue Rückführungs-Richtlinie, die den Zeitraum, für den Arbeiter ohne Papiere in Haft gehalten werden dürfen, auf 18 Monate verlängert; außerdem dürfen sie bis zu fünf Jahre lang nicht mehr einreisen, wenn sie nicht freiwillig innerhalb eines Monats nach Hause zurückkehren.
Liberale Kommentatoren haben versucht, Zapateros Kapitulation damit zu rechtfertigen, dass Sarkozys Vorschläge noch viel schlimmer ausgefallen wären, wenn Spanien nicht mitgemacht hätte. Sie behaupten, die Vertreter der PSOE hätten die französischen Vorschläge zu den "Integrationsverträgen" abgemildert, die Einwanderer als Bedingung für ihren Aufenthalt unterschreiben sollen, und die die Hälfte der EU-Länder schon anwenden. Die oppositionelle rechte Partido Popular hatte Vorschläge für einen solchen Vertrag in ihr Wahlmanifest aufgenommen. Der Vertrag nach dem Muster der PP hätte Einwanderer zu dem Versprechen gezwungen, "die Gesetze einzuhalten, die Sprache zu lernen und die spanischen Sitten zu respektieren", und sie verpflichtet, nach Hause zurückzukehren, wenn sie ihre Arbeit verlieren.
Die Behauptung, die PSOE-Regierung hätte diese Entwicklungen gebremst, muss nach einer Rede Zapateros auf einer Konferenz von führenden Mitgliedern von Denkfabriken Anfang Juli stark in Zweifel gezogen werden.
Er erklärte seinen Zuhörern, dass das Schlimmste erst noch komme: "Alles, was wir im Moment sehen, ist erst der Anfang der Harmonisierung der EU-[Einwanderungs]-Politik. Die Harmonisierung begann im Jahr 2005 auf Druck Spaniens. Es wird oft vergessen, dass der europäische Rahmen noch gar nicht existierte und Spanien die treibende Kraft dahinter war."
Direkt nach dem Wahlsieg im März dieses Jahres ernannte Zapatero Celestino Corbacho zum Arbeits- und Einwanderungsminister. Corbacho wurde als "Law and Order"-Bürgermeister eines von der PSOE regierten Vororts von Barcelona bekannt. Er und seine Beamten prahlten damit, dass sie "die Einwanderer disziplinierten", die fast ein Viertel der Bevölkerung der Stadt ausmachen. Außerdem hätten sie neue Kontrollmaßnahmen und eine neue Polizei-Spezialeinheit eingeführt.
Nach der Amtseinführung als neuer Einwanderungsminister erklärte Corbacho: "Kann Spanien jeden aufnehmen? Die Antwort ist: nein." Er schlug eine Rückführung von Arbeitslosen mit einem "Programm der freiwilligen Rückkehr" vor, wobei diejenigen, die ihren Job verloren haben, 40 Prozent ihres Arbeitslosengeldes sofort als Pauschalbetrag bekommen und den Rest, wenn sie in ihr Ursprungsland zurückgekehrt sind. Corbacho glaubte ursprünglich, dass mehr als eine Million Arbeiter dieses Angebot annehmen würden, die Annahme ist jedoch auf 100.000 revidiert worden und es könnte sich herausstellen, dass es am Ende weniger als 20.000 sind. Eine kürzlich erfolgte Umfrage zeigt, wie integriert die eingewanderten Arbeiter schon sind - nur zwei Prozent von denjenigen, die seit mehr als zehn Jahren in Spanien leben, würden dieses Angebot überhaupt in Erwägung ziehen.
Die Organisationen eingewanderter Arbeiter haben sich entschieden gegen Carbachos Vorschläge gewandt. Antonio Alfonso Sánchez, Präsident von Red Acoge, der nationalen Vereinigung von Organisationen zur Unterstützung der Einwanderer, erklärte: "Das ist keine positive Lösung. Die Regierung hat versucht, den Arbeitsmarkt zu reaktivieren. Aber das sind Menschen, die bis jetzt gearbeitet haben. Sie sollten genauso behandelt werden wie Spanier. Niemand sagt einem Arbeiter in Madrid, der aus Saragossa kommt, dass er nach Saragossa zurückgehen muss, nur weil er seine Arbeit verloren hat."
Katalonien ist auch das Versuchsfeld für weitere gegen die Einwanderer gerichtete politische Maßnahmen. Die regionale PSOE-Regierung hat in den Städten Reus und Vic ein Pilotprojekt gestartet, bei dem die Kinder von eingewanderten Arbeitern "ermutigt" werden, zwei Monate lang spezielle Bildungszentren zu besuchen, bevor sie in die üblichen, öffentlichen Schulen gehen. Carbacho hat dieses Projekt öffentlich unterstützt und "mutig" genannt.
Die Bürgerbeauftragte María Luisa Cava de Llano erklärte: "Ich möchte unter keinen Umständen, dass dies zu einem Werkzeug der Diskriminierung wird." Sie warnte, es wäre "schrecklich" wenn das zu Ghettos führen würde. Die Anti-Rassismus-Organisation SOS Racismo erklärte: "Das zerstört die Idee der Integration innerhalb des Bildungssystems. Notwendig ist, die vorhandenen Instrumente in den Schulen weiter zu entwickeln und, wenn nötig, mehr Lehrer einzustellen."
Die Gewerkschaften waren ebenfalls an den Angriffen auf die Einwanderer beteiligt. Ein Bericht von Carlos Martin Urriza von den von der kommunistischen Partei beeinflussten Arbeiterkommissionen (Comisiones Obreras) zeigt die übereinstimmende Denkweise der PSOE-Elite und der Gewerkschaftsbürokratie auf.
Urriza legt einige interessante Tatsachen offen. Die Zahl der Arbeiter, die z. B. weniger als 16.000 Euro im Jahr verdienen ist von 6,6 Millionen im Jahr 1994 auf über 11 Millionen im Jahr 2004 gestiegen. Seine Recherche zeigt, dass "sich auf dem untersten Lohnniveau eine nicht unerhebliche Lohnkonkurrenz entwickelt... die die Spanier zwingt, schneller Lohnkürzungen zu akzeptieren."
Worin besteht Urrizas Lösung? In der Diktion der PSOE fordert er, die Visa-Anforderungen zu verschärfen, die Mittel für Grenzkontrollen zu erhöhen, illegale Beschäftigung stärker zu bekämpfen und die Zahl von Familienangehörigen zu beschränken, die Einwanderer mit ins Land bringen dürfen. Er erklärt, man solle nur so viele Einwanderer ins Land lassen, wie die spanischen Unternehmen benötigen.
Diese Perspektive ist verheerend für alle Arbeiter in Spanien. Im Jahr 1984, als eine Wirtschaftskrise wütete und die Inflation 25 Prozent erreichte, einigten sich die PSOE-Regierung, die großen Unternehmen und die Gewerkschaften auf eine Reform des Arbeitsmarkts. Ein wichtiger Aspekt davon war die Einführung von Zeitarbeitsverträgen. Alle versprachen, dass man wieder zur Normalität zurückkehren werde, wenn die Krise vorbei sei. Aber stattdessen haben sich diese Verträge wie ein Lauffeuer verbreitet und machen jetzt 30 Prozent aller Verträge aus. Sie sind zu einem großen Teil verantwortlich für die furchtbaren Bedingungen, unter denen die Arbeiter leiden und die Urriza beschreibt.
Wenn Solbes erklärt, dass die wichtigste Aufgabe der spanischen Elite heute in einer "Neuordnung des heimischen Arbeitsmarkts" besteht, dann kann das nur bedeuten, dass ein Angriff auf alle Arbeiter in Spanien vorbereitet wird.
