Folter-Bericht des Senats bestätigt: Bush und hohe Beamte der Regierung sind verantwortlich für Kriegsverbrechen

Ein Bericht des Senatsausschusses für die bewaffneten Streitkräfte, der am Donnerstag veröffentlicht wurde, hat offiziell und parteiübergreifend bestätigt, dass die höchsten Vertreter der US-Regierung die berüchtigten Folterungen in Abu Ghraib und Guantanamo geplant, angeordnet und inszeniert haben. Das Fazit des Senats bedeutet, dass die im Dokument genannten Personen, einschließlich Präsident George W. Bush, der ehemalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenministerin Condoleezza Rice sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben.

Die wesentlichen Ergebnisse des Berichts des Senatsauschusses über "Die Behandlung von Gefangenen in US-Haft" (Treatment of Detainees in US Custody) werden in der Einleitung zur 29-seitigen Kurzfassung zusammengefasst:

"Die Misshandlung von Gefangenen in US-Haft kann nicht einfach den Handlungen einiger,übler Individuen’ zugeschrieben werden, die auf eigene Verantwortung gehandelt haben. Tatsache ist, dass hohe Vertreter der Regierung der Vereinigten Staaten Anweisungen gegeben haben, wie aggressive Methoden angewandt werden sollen, Gesetze uminterpretiert haben, um den Methoden den Anschein von Legalität zu geben, und ihren Einsatz gegen Gefangene genehmigt haben."

Der endgültige Bericht wurde im letzten Monat verabschiedet und ist das Ergebnis mehrfacher Anhörungen und Befragungen von mehr als 70 Personen durch Mitglieder des Komitees im Verlauf von achtzehn Monaten. Weil 17 der 25 anwesenden Mitglieder des Komitees für den Bericht gestimmt haben, müssen auch mindestens vier Republikaner zugestimmt haben. Niemand hat eine Minderheitenmeinung zu Protokoll gegeben.

Der größte Teil der im Bericht enthaltenen Informationen wurde schon zuvor entweder durch offizielle Zeugenaussagen oder Enthüllungen in den Medien bekannt. Dennoch ist die Zusammenfassung dieser Information in dem ohne Gegenstimmen verabschiedeten Bericht eines Senatskomitees von unbestreitbarer Bedeutung. Damit wird die Tatsache offiziell anerkannt, dass die US-Regierung eine bewusste und systematische Folter-Politik betrieben hat.

Der Bericht beginnt damit, Bush selbst die Hauptverantwortung für die Folter zuzuweisen, und zwar in einem Kapitel, das die taktvolle Überschrift trägt: "Anordnungen des Präsidenten öffnen Tür für die Berücksichtigung aggressiver Techniken."

Der Bericht bezieht sich auf ein von Bush unterzeichnetes Memorandum vom Februar 2002, in dem bekannt gegeben wurde, dass Washington bei der Behandlung seiner im afghanischen Krieg gefangen genommenen Häftlinge nicht an die dritte Genfer Konvention gebunden sei.

Bushs unilaterale und außergesetzliche Ankündigung, dass alle im "Kampf gegen den Terrorismus" gefangen genommenen nicht unter die Genfer Konvention fallen, war die entscheidende Vorbereitung für ein von oben angeordnetes Folter-System. Die Regierung signalisierte, dass sie sich nicht an die Bestimmungen eines internationalen Statuts gebunden fühlte, das ausdrücklich erklärt: "Keine physische oder geistige Folter, noch irgendeine andere Form von Zwang darf gegenüber Kriegsgefangenen angewandt werden."

Der Bericht macht deutlich, dass Bush seine Erklärung weniger als zwei Monate nach der Aktivierung eines Pentagon-Programms durch Rumsfeld abgab, das Soldaten darauf vorbereiten sollte, Verhörtechniken von Regimes standzuhalten, die sich nicht an die Genfer Konvention halten

Diese Methoden stammten zum größten Teil aus den Erfahrungen von US-Kriegsgefangenen, die während des Korea-Kriegs gefangen genommen wurden und deren Behandlung Washington damals als "Folter" und "Gehirnwäsche" verurteilte. Der Bericht des Senats erklärt dazu: " Es ist ganz besonders beunruhigend, dass hohe Beamte Methoden gebilligt haben, die ursprünglich dazu gedacht waren, Misshandlungen nachzuahmen, die unsere Feinde gegen unsere Soldaten eingesetzt haben; sie wurden teilweise den Methoden nachgebildet, welche die kommunistischen Chinesen eingesetzt haben, um unseren Soldaten falsche Geständnisse zu entlocken."

Die Ausbildung, die in dem Kurs "Überleben, Ausweichen, Widerstand und Flucht" (Survival Evasion Resistance and Escape, SERE) vermittelt wird, umfasst, wie der Bericht des Senats erklärt, "den Auszubildenden die Kleidung vom Leib zu reißen, ihnen Kapuzen über den Kopf zu ziehen, den Schlaf zu stören, sie wie Tiere zu behandeln, sie lauter Musik, Blitzlicht und extremen Temperaturen auszusetzen". Der SERE-Kurs der Marine beinhaltet auch "Waterboarding".

Das sind genau die Methoden, die zum "Standard" in Guantánamo, im Irak, in Afghanistan und anderswo wurden, und von denen einige auf den Bildern von Abu Ghraib zu sehen sind, die weltweit Abscheu und Empörung ausgelöst haben.

Diskussionen über Foltermethoden im Weißen Haus

Der Bericht stellt weiterhin fest, dass diese Foltermethoden von Bushs Kabinettsmitgliedern und anderen hohen Beamten im Frühjahr 2002 auf Konferenzen der "Chefs" des Nationalen Sicherheitsrats diskutiert und genehmigt wurden. Den Vorsitz bei diesen Treffen hatte Außenministerin Condoleezza Rice, damals Bushs Sicherheitsberaterin. Teilgenommen haben auch Rumsfeld, CIA-Direktor George Tenet, Justizminister John Ashcroft und andere.

Der Bericht zeigt auch die Rolle des Justizministeriums bei der Durchsetzung dieser "Neudefinition von Folter" auf.

Er zitiert ein Memorandum des damaligen Mitarbeiters des Justizministers im "Office of Legal Counsel" (OLC) (Rechtsabteilung) Jay Bybee, das in Absprache mit dem damaligen Stellvertretenden Justizminister John Yoo, dem damaligen Rechtsberater des Weißen Hauses (und späteren Justizminister) Alberto Gonzalez sowie David Addington, dem Rechtsberater von Vizepräsident Cheney, ausgearbeitet wurde.

Das Dokument, das als das "Bybee-Memorandum" bekannt wurde, gab Verhörmethoden frei, die lange Zeit als Folter bezeichnet wurden. Es legte fest, dass Folter erst dann gegeben sei, wenn sie Schmerzen verursache, die "einem Organversagen, der Schädigung von Körperfunktionen oder sogar dem Tod" gleichkomme oder psychologischen Schaden anrichten, der "Monate oder sogar Jahre anhält".

Der Bericht des Senats zitiert die Beurteilung von Bybees Nachfolger im OCL, Jack Goldsmith, der feststellt, wenn jemand nach diesem juristischen Befund "foltert, dann hat er wahrscheinlich Rückendeckung; und wenn er sie nicht hat, dann kommt das Foltergesetz nicht zur Anwendung, wenn er unter der Befehlsgewalt des Präsidenten handelt."

Ein zweites Bybee-Memorandum, das im August 2002 erstellt wurde, bleibt als Geheimsache unter Verschluss, aber wie der Bericht andeutet, genehmigte es spezielle Verhörmethoden für die CIA, darunter auch "Waterboarding".

Der restliche Teil des Berichts dokumentiert, wie diese Methoden zunächst in Guantánamo eingesetzt und dann unter der Aufsicht von Rumsfeld und mit der vollen Unterstützung der Regierung überall in den Gefangenenlager des US-Militärs in Afghanistan und Irak verbreitet wurden - auch durch Power-Point-Präsentationen. Er betont, dass diese Politik gegen die unermüdlichen Einwände von US-Militär-Juristen und anderer Offiziere durchgesetzt wurde. Sie hätten gewarnt, dass dieses Vorgehen sowohl US-amerikanisches als auch internationales Recht verletzte und amerikanische Armeeangehörige strafrechtlicher Verfolgung aussetzen könnte.

Ein großer Teil des Berichts bleibt geheime Verschlusssache und enthält zweifellos bisher unveröffentlichte und noch vernichtendere Enthüllungen über die kriminellen Methoden, die im US-Folterprogramm benutzt wurden. Fotos und Videos aus Abu Ghraib - von denen einige, Berichten zufolge, Vergewaltigungen von Frauen und Kindern, grausame Prügel, und andere Gewalttaten zeigen - werden vom Pentagon, mit voller Unterstützung der Demokraten im Kongress, immer noch zurückgehalten.

In einem Kommentar zu den Ergebnissen des Berichts, erklärt der demokratische Vorsitzende des Senatsausschusses für das Militär, Carl Levin aus Michigan: "Die Versuche von hohen Vertretern der Regierung, die Verantwortung auf rangniedere Soldaten abzuschieben, während sie jegliche Verantwortung für Misshandlungen ablehnen, ist unverschämt." Er fährt fort: " Amerika muss sich zu seinen Fehlern bekennen, damit wir etwas von dem Wohlwollen zurückgewinnen können, das wir verloren haben."

Die Wirklichkeit ist jedoch, dass "rangniedere Soldaten" vor das Kriegsgericht gestellt wurden, ihnen ihr Dienstgrad und ihre militärische Anstellung genommen wurde und sie in manchen Fällen ins Gefängnis kamen. Einer von ihnen, Charles Garner, der fotografiert wurde, wie er nackte Gefangene quälte und grinsend über der Leiche eines ermordeten Gefangenen seinen Daumen hoch hielt, sitzt in einem Militärgefängnis in Fort Leavenworth, Kansas, wo er in den letzten vier Jahren 29 Monate in Isolationshaft verbracht hat, einen Großteil davon in Fesseln.

Acht weitere Reservisten, einfache Soldaten und Unteroffiziere wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Während die Soldaten, die diese abscheulichen Taten begangen haben, zu Recht verurteilt wurden, um wie viel mehr hätten es die an der Spitze verdient, die diese Methoden entwickelt und ihre Einführung angeordnet haben? Aber sie mussten keinerlei Konsequenzen tragen.

Der Senatsausschuss stellt ausdrücklich fest, dass "die Genehmigung von aggressiven Verhörtechniken für den Einsatz in Guantánamo Bay durch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die direkte Ursache für Misshandlungen von Gefangenen war" und den Einsatz derselben Methoden im Irak und Afghanistan "beeinflusst und zu ihrem Einsatz beigetragen hat". Dennoch wurde Rumsfeld nicht angeklagt und es wurde noch nicht einmal gegen ihn ermittelt. Er ist frei und schreibt seine Memoiren.

Weder der Ausschuss noch sein demokratischer Vorsitzender oder ein anderes führendes Mitglied der demokratischen Partei schlägt vor, diese Situation durch eine Strafverfolgung und Anklage in Ordnung zu bringen.

Das Gerede darüber, "sich zu seinen Fehlern bekennen" und "Wohlwollen wiederherzustellen", ist durch und durch zynisch, wenn keine solchen Maßnahmen ergriffen werden.

In Wirklichkeit verletzen die Vereinigten Staaten auch weiterhin die Genfer Konvention. Alles spricht dafür, dass weiter gefoltert wird, wenn nicht in den vom Militär geführten Gefangenenlagern, dann in den Geheimgefängnissen der CIA.

Obendrein verlangt die Genfer Konvention, dass diejenigen, die für die Verletzung der Klauseln verantwortlich sind, bestraft werden müssen. Sie fordert die Unterzeichner auf, zu denen auch Washington gehört, "dafür zu sorgen, dass die Gesetze verabschiedet werden, die notwendig sind, um wirksame Strafen gegen die zu verhängen, die gravierende Verletzungen" ihrer Statuten "begehen oder dies anordnen". Dazu gehören das Verbot von "Folter oder unmenschlicher Behandlung" und die "vorsätzliche Zufügung von großen Schmerzen oder ernsthaften Verletzungen des Körpers und der Gesundheit" von Gefangenen.

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die künftige Regierung Obama vorhat, diese Bedingungen des Abkommens zu befolgen.

Michael Isikoff von Newsweek berichtet in der Ausgabe vom 1. Dezember: "Trotz der Hoffnung vieler Menschenrechts-Anwälte wird das neue Justizministerium unter Obama wahrscheinlich keine neuen Untersuchungen über brutale Verhörmethoden und andere angebliche Misshandlungen durch die Bush-Regierung anstellen. Ein Idee ist im Moment bei einigen von Obamas höchsten Beratern in Umlauf: eine Kommission wie die zum 11. September einzusetzen, welche die Anti-Terrorismus-Politik untersuchen und soviel Details wie möglich veröffentlichen soll."

Mit anderen Worten, was bestenfalls erwartet werden kann, ist eine Pseudountersuchung - wie die Kommission zum 11. September -, die bewusst verschleiern soll.

Unterdessen hat Associated Press im letzten Monat zwei nicht namentlich genannte hohe Berater Obamas zitiert, die bekräftigen, es bestehe "nur eine sehr geringe Chance - wenn überhaupt eine", dass das Justizministerium des neuen Präsidenten irgendjemanden verfolgt, der daran beteiligt war, Verhöre anzuordnen oder durchzuführen, die weltweit für Empörung gesorgt haben".

Führende Demokraten haben die Weigerung, diese Angelegenheit weiterzuverfolgen, damit zu erklären versucht, dass es darum gehe "nach Vorne zu schauen" und sich nicht in parteiliche Auseinandersetzungen zu verstricken. In Wirklichkeit waren die Demokraten im Kongress in den letzten sieben Jahren umfassend an der Folterpolitik beteiligt. Jede wirkliche Untersuchung und Verfolgung von Kriegsverbrechen würde unweigerlich auch die Demokratischen Führer betreffen, die informiert waren und die ihre Zustimmung zu den kriminellen Methoden gaben, die im Bericht des Senats genannt werden.

Trotz Obamas jüngster Erklärung, dass "Amerika nicht foltert" - was auch Bush und Rice ständig wiederholen -, gibt es allen Grund zu glauben, dass diese Methoden unter der neuen demokratischen Regierung weiter eingesetzt werden.

Bezeichnenderweise hat der demokratische Kongressabgeordnete aus Texas Silvestre Reyes, der Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses ist, Obama am Dienstag nicht nur aufgefordert, den Direktor des Inlandsgeheimdienstes Mike McConnell und CIA-Direktor Michael Hayden in ihren Ämtern zu belassen, sondern ihm auch geraten, "alternative Verhörprogramme" des CIA, d. h. Folter, auch weiterhin zu erlauben.

"Wir wollen nicht als die bekannt sein, die Menschen foltern", erklärte Reyes. "Gleichzeitig wollen wir aber auch nicht unsere Möglichkeiten einschränken, Informationen zu bekommen, die hochwichtig und entscheidend für unsere nationale Sicherheit sind." Diese demokratische Haltung könnte man zusammenfassen als: Foltert weiter, aber schweigt es tot.

Siehe auch:
Obama und Guantanamo
(29. November 2008)
Obamas Justizministerkandidat und die Illusion vom Wandel
( 21. November 2008)
Loading