Fidel Castro tritt nach 49 Jahren als kubanischer Präsident zurück

Fidel Castro kündigte am Dienstag an, als Präsident Kubas und als Oberbefehlshaber der Armee zurückzutreten. Er ist der letzte der Nationalisten "der dritten Welt", die in den 1950er und 1960er Jahren an die Macht kamen und in Konflikt mit dem amerikanischen Imperialismus gerieten

Die Entscheidung fiel kaum einen Monat nach den Feiern zum 49. Jahrestag der kubanischen Revolution. Am 1. Januar 1959 marschierten Castros Guerrilla-Einheiten in Havanna ein und der von den USA gestützte Diktator Fulgencio Batista floh aus dem Land.

Seit einer Notoperation im Juli 2006, mit der Darmblutungen gestoppt werden sollten, ist Castro nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Er überlebte die akute Gesundheitskrise und nahm, wenn auch in geringem Umfang, wieder politische Arbeit auf. Er schrieb vor allem Kommentare für die kubanische Presse, ist aber nicht wieder öffentlich aufgetreten. Im Dezember deutete er an, dass es nun Zeit für ihn sei, von seinen leitenden Funktionen zurückzutreten. Im darauf folgenden Monat kandidierte er jedoch wieder für das kubanische Parlament.

Das Parlament tritt am 24. Februar zusammen, um den Staatsrat zu wählen, das regierende Exekutivorgan, das die tagtäglichen Entscheidungen trifft. Der Staatsrat wiederum wählt den Präsidenten des Staatsrats. Das war auch der formale Titel von Castros Regierungsamt. Castros Ankündigung hat zur Folge, dass der Staatsrat am Sonntag einen Nachfolger wählen wird - aller Wahrscheinlichkeit nach Castros Bruder Raul, der schon in den letzten 18 Monaten als Staatsoberhaupt fungierte. Raul Castro ist seit langen Jahren Verteidigungsminister.

Die Reaktion der US-Regierung auf Castros Rücktrittsankündigung macht deutlich, dass seit 1959 die Gier der amerikanischen herrschenden Klasse, ihre semi-koloniale Herrschaft über Kuba wiederherzustellen nie erloschen ist. Noch immer versuchen US-Politiker die Insel in ihren früheren Status als Zuckerplantage und Mafia-Außenstelle zurückzuversetzen, vielleicht mit dem zusätzlichen Anreiz von lukrativen Öl- und Gasvorkommen.

Der stellvertretende Außenminister John Negroponte - ein Veteran der amerikanischen konterrevolutionären Kriegsführung in Lateinamerika - erklärte, der Rücktritt Castros werde nichts an der US-Politik ändern. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in naher Zukunft passieren wird", erklärte er.

Präsident Bush forderte internationale Maßnahmen, um das kubanische Regime noch weiter zu isolieren, und behauptete, das werde "einen Übergang zur Demokratie" beschleunigen. Er fügte hinzu. "Die Vereinigten Staaten werden dem kubanischen Volk helfen, den Segen der Freiheit zu erleben." Da ist eine verschlüsselte Botschaft und bedeutet eine Rückkehr zur hemmungslosen Ausplünderung des Inselstaats durch die US-Agrarkonzerne und andere Firmen.

Die Bush-Regierung unterhält enge politische Beziehungen zu den rechtesten Vertretern der kubanischen Exil-Gemeinde. Deren Vorstellung von "Demokratie" besteht in einer Konterrevolution, bei der die kubanischen Arbeiter und Bauern niedergemetzelt werden, um die im Exil lebenden bürgerlichen Elemente und Landbesitzer wieder an die Macht zubringen.

Bush hat sogar versucht, die alten "Gusanos" in seinem Anti-Castro-Eifer zu übertreffen, indem er das fast 50 Jahre alte US-Embargo gegen Kuba weiter verschärfte. Dadurch wurde die Zahl der US-Touristen, die die Insel besuchen, um die Hälfte reduziert und kubanische Amerikaner wurden bestraft, die ihren Verwandten auf der Insel Geld oder Konsumgüter schickten.

Castro hat ein halbes Jahrhundert lang als Staatschef einer kleinen Inselnation nur 90 Meilen vor der Küste Floridas überlebt. Das Scheitern der amerikanischen Versuche - vor allem die Invasion in der Schweinebucht von 1961 - ist hauptsächlich auf die Unterstützung der großen Mehrheit des kubanischen Volks für Castro und auf die Sympathie von Dutzenden Millionen von Menschen überall auf der Welt zurückzuführen.

Als Washington klar wurde, dass es das Castro-Regime nicht mit militärischer Gewalt stürzen konnte, versuchte es den kubanischen Präsidenten mit Dutzenden erfolglosen Mordkomplotten der CIA und verschiedener faschistoider kubanischer Exilgruppen zu beseitigen. Gleichwohl überlebte Castro die Regierungen von neun US-Präsidenten: Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon, Ford, Carter, Reagan, Bush, Clinton. Wenn er aus dem Amt scheidet, wird er bei den Kubanern wesentlich beliebter sein, als George W. Bush bei den Amerikanern.

Das kubanische Regime hat wichtige soziale Reformen in Kraft gesetzt, darunter eine wesentlich verbesserte Ausbildung und Gesundheitsversorgung sowie die Enteignung der amerikanischen Konzerne und der reichen Exilanten. Ein feindseliger Artikel in der New York Times vom letzten November bemerkte säuerlich, dass Kubas größtes Exportprodukt neben Zucker ein Stab von Zehntausenden gut ausgebildeter, hoch motivierter Ärzte war, die in großen Teilen Afrikas und Lateinamerikas eine legendäre Roll gespielt haben und damit allgemein sehr viel zum Ansehen ihres Heimatlands beigetragen haben. Der Artikel hat nicht einmal im Ansatz versucht zu erklären, warum kein anderes Land der dritten Welt in der Lage war, einen solch wertvollen und sozial nützlichen "Export" zu entwickeln.

Aber trotz dieser Errungenschaften und trotz Castros eigenen öffentlichen Bekenntnissen zum "Kommunismus", die er nach seiner Machtübernahme in Havanna abgab, war Kuba nie ein sozialistischer Staat. Es gab niemals unabhängige Organe der Arbeitermacht in Kuba und die Kubanische Kommunistische Partei besitzt ein politisches Monopol. Castro hat auf jeden Angriff auf seine politische Autorität innerhalb der herrschenden Partei mit schonungsloser Härte reagiert, unter anderem mit Prozessen mit gefälschten Anklagen und Exekutionen.

Castro selbst war nie ein wirklicher Sozialist im Sinne eines bewussten revolutionären Kämpfers für die Befreiung der internationalen Arbeiterklasse. Er war vielleicht der Radikalste aus einer Generation von bürgerlichen Nationalisten in Asien, Afrika und Lateinamerika, die an der Spitze von antikolonialen Massenbewegungen an die Macht kamen. Letztendlich hat Castro sein Land aber in dieselbe Sackgasse geführt wie seine Kollegen Ben Bella in Algerien, Sukarno in Indonesien, Mandela in Südafrika und Daniel Ortega in Nikaragua, egal wie unterschiedlich ihre politische Karriere jeweils verlaufen ist.

Das kubanische Regime ist eine persönliche Diktatur, in der die Macht dynastisch von Fidel Castro, der nun 81 Jahre alt ist, auf seinen Bruder Raul, der 76 Jahre alt und etwas gesünder ist, übertragen wird. Raul hat wahrscheinlich die längste Lehrzeit der Geschichte hinter sich - er ist seit 1959 der stellvertretende Befehlshaber in Havanna.

Bei den Parlamentswahlen im Januar wurde nur ein Kandidat in jedem Wahlbezirk zugelassen, jeder von ihnen von der kubanischen Kommunistischen Partei auf Herz und Nieren geprüft. Entsprechend den Parteianweisungen erhielt Raul Castro mit 99,4 Prozent die meisten Stimmen der 614 Kandidaten; ein leichter Rückgang gegenüber den 99,75 Prozent, die er 2005 erreichte.

Im Gegensatz zu Fidel Castros revolutionären Ansprüchen, war sein Regime nie wirklich unabhängig von Imperialismus und Stalinismus. Nachdem seinem Regime Anfang der 1990er Jahre durch den Zusammenbruch der UdSSR die wirtschaftliche und militärische Stütze abhanden gekommen war, fand Castro zwei neue auswärtige Helfer - erstens den europäischen Tourismus, angelockt durch das milde Klima des Landes und die herrlichen Strände und unterstützt von Regierungen, die hofften in der früheren US-Kolonie Einfluss zu gewinnen; und zweitens das venzolanische Öl, das Hugo Chavez zu Billigstpreisen lieferte, nachdem er 1998 in Caracas an die Macht gekommen war.

Der Umfang der venezolanischen Unterstützung für Kuba, die im letzten Jahr auf 3 bis 4 Milliarden US-Dollar geschätzt wurde, ist durchaus vergleichbar mit der Unterstützung, die in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren von der Sowjetbürokratie geleistet wurde.

Chavez stattete Kuba im vergangenen Monat zur Einweihung einer Ölraffinerie in Cienfuegos einen Besuch ab - sie wurde von sowjetischen Ingenieuren gebaut und 1991 nach dem Zusammenbruch der UdSSR still gelegt, aber jetzt als kubanisch-venezolanisches Gemeinschaftsprojekt wiedereröffnet. Bohrungen vor der kubanischen Küste haben den Appetit von Ölmogulen in den USA und Europa angeregt; das US Geological Survey schätzt, dass 4,6 Milliarden Barrel unerschlossenes Öl und 278 Mrd. Kubikmeter unerschlossenes Erdgas in Küstennähe lagern.

Weil sich abzeichnet, dass die europäischen Mächte und südamerikanische Länder wie Venezuela und Brasilien starke wirtschaftliche Beziehungen zu Kuba aufbauen, beginnen Teile der herrschenden Elite der USA die langjährige Politik des totalen wirtschaftlichen Embargos in Frage zu stellen. Selbst Teile der Republikanischen Partei im Kongress, die Verbindungen zu Agrarkonzernen im Mittleren Westen haben, bemühen sich, das Embargo zu lockern, um einen potentiell lukrativen Markt zu erschließen.

Diese unterschiedlichen Standpunkte spiegelten sich in den Erklärungen wieder, die die drei wichtigsten Präsidentschaftskandidaten - Hillary Clinton und Barack Obama bei den Demokraten, und John McCain bei den Republikanern - zum Rücktritt von Castro abgegeben haben.

McCain gab eine Erklärung ab, die die Kopie eines beliebigen Kommuniqués des Außenministeriums aus den letzten 49 Jahren sein könnte. Darin heißt es: "Die Freiheit für das kubanische Volk ist noch nicht erreicht", und es wird die völlige Beseitigung des gegenwärtigen Regimes gefordert. "Die Castro-Brüder beabsichtigen eindeutig, die Macht in den Händen zu behalten", erklärt McCain. "Deshalb müssen wir Druck auf das kubanische Regime ausüben, alle politischen Gefangenen bedingungslos frei zu lassen, alle politischen Parteien, Gewerkschaften und freie Medien zuzulassen und international überwachte Wahlen anzuberaumen."

Unnötig zu erwähnen, dass McCain solche Forderungen noch nie an Staaten gerichtet hat, die loyale US-Verbündete und oftmals brutaler sind, als das Castro-Regime - z.B. die saudische Monarchie, die Diktatur von Musharraf in Pakistan oder Militärmachthaber in Afrika, die zu den Verbündeten Washingtons zählen.

Barack Obama gab eine versöhnlichere Stellungnahme ab und erklärte, Castros Rücktritt sei ein "wichtiger erster Schritt". Er drückte weiterhin die Hoffnung aus, dass dieser Schritt "der Anfang einer wirklich demokratischen Veränderung in Kuba ist". Er schlug vor, die US-Regierung solle auf jede Mäßigung des kubanischen Regimes mit wirtschaftlichen und diplomatischen Zugeständnissen reagieren.

Clinton forderte in bestimmteren Worten eine Veränderung der amerikanischen Politik. Sie erklärte, wenn sie zur Präsidentin gewählt würde, dann "werde ich unsere Partner in Lateinamerika und Europa mit einschalten, die ein starkes Interesse an einem friedlichen Übergang zur Demokratie in Kuba haben, und die sich wünschen, dass die USA dabei eine konstruktive Rolle spielen".

Weder Obama noch Clinton repräsentieren eine grundsätzliche Veränderung der US-Politik gegenüber Kuba. Sie erkennen nur einfach an, dass die fünf Jahrzehnte währende Blockade nicht in der Lage war, das Castro-Regime zu stürzen, und dass andere Mächte dabei sind, ihren Einfluss in der früheren amerikanischen Halbkolonie zu festigen.

Siehe auch:
Der Fall Elian beleuchtet schlaglichtartig die amerikanischen Angriffe auf Kuba
(16. Mai 2000)
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