Lokführer sind mit dem Verhandlungsergebnis unzufrieden

GDL-Spitze hält sich bedeckt

Auf den Bahnhöfen in Deutschland regt sich Unmut über das Verhandlungsergebnis der Lokführer Gewerkschaft GDL und des Bahnvorstands. Lokführer reagieren mit großer Skepsis auf das "Tiefenseepapier", das Bahnchef Mehdorn und der GDL Vorsitzende Manfred Schell am vergangenen Sonntag unterzeichnet haben. Es sieht gestaffelte Gehaltserhöhungen von 7-15 Prozent ab kommendem März und eine Einmalzahlung von 800 Euro für den Zeitraum von Juli 2007 bis Februar 2008 vor. Details zur Eigenständgigkeit des Tarifvertrags und zur Zusammensetzung der Löhne sind bisher nicht bekannt.

"Für mich ist das Ergebnis eine Mogelpackung" sagt ein verbeamteter Lokführer aus Gießen, der seinen Namen aus Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen nicht nennen will. "Zum Beispiel die Absenkung der Arbeitszeit auf 40 Stunden. Die haben die Arbeitszeit doch erst vor zwei Jahren auf 41 Stunden angehoben." Er ist enttäuscht über das Ergebnis, hat aber auch nicht wirklich daran geglaubt, dass die GDL hätte mehr herausholen können. "Die Verhandlungsführung war sehr schwach. Man hat sich von Mehdorn an der Nase herumführen lassen und sich auf einen Klecker-Streik eingelassen. Das hat die Bevölkerung erst recht verunsichert. Man hätte gleich einen unbefristeten Streik ausrufen sollen, der erst beendet würde, wenn die Bahn ein vernünftiges Angebot macht."

Der Lokführer Stefan Haffe ist 43 Jahre alt, hat eine Tochter und verdient nach eigenen Angaben zwischen 1300 und 1600 Euro im Monat. Das Geld reiche vorne und hinten nicht. Der magere Abschluss werde daran nicht viel ändern. "Ich weiß nicht, ob ich zufrieden mit dem Ergebnis sein kann, wenn ich sehe, dass die Preise immer weiter steigen und wenn ich gleichzeitig sehe, wie die Manager immer mehr verdienen."

Auch Ümit Sahin, ein 35 jähriger S-Bahn-Fahrer aus Hessen ist unzufrieden: "Das ist doch ein lächerliches Ergebnis. Wir haben ganz umsonst gestreikt. Auf jeden Fall werden wir das Ergebnis ganz genau prüfen und es gegebenenfalls in der Urabstimmung ablehnen." Viele andere Bahnarbeiter, die noch vor ein paar Wochen gern Auskunft gegeben und diskutiert hatten, wollten nichts zu dem Ergebnis der Verhandlungen sagen.

Der Bezirksvorsitzende Frankfurt, Eberhard Bremse, gibt sich hingegen zufrieden: "Während der Tarifauseinandersetzung wurde versucht, die Arbeitnehmerrechte aufzuweichen. Die wollten den ganzen Streik unterbinden. Das haben sie nicht geschafft und das ist ein großer Erfolg." Er glaubt, dass der Abschluss Signalwirkung haben wird und auch andere Beschäftigte in der kommenden Zeit höhere Lohnforderungen aufstellen können. "Die Zeit der Bescheidenheit ist endgültig vorbei."

Eberhard Bremse berichtet von einem Brief, den der GDL-Bundesvorstand an alle Funktionsträger der GDL versandt hat. Darin seien die wichtigsten Argumente zur Verteidigung des Verhandlungsergebnisses zusammengefasst. Die GDL-Mitglieder sollen darüber aber noch nicht informiert werden, weshalb er aus dem Brief auch nicht vorlesen möchte.

Entsprechend dieses Briefes begann Bremse zu argumentieren: "Das Ergebnis ist sehr positiv." sagte er, "Die 31 Prozent waren ja nur eine Zahl, die von der Deutschen Bahn mal hochgerechnet wurde und die wir uns dann zu eigen gemacht haben. Wir waren uns von Anfang an klar darüber, dass es nicht 31 Prozent würden." Ohne die konkrete Vereinbarung zu kennen, verteidigt der GDL-Funktionär das Verhandlungsergebnis. "Wir vertrauen unserem Vorstand.", sagt er.

Auf den geringen Lohnzuwachs und die zahlreichen offenen Fragen in dem bisherigen Ergebnis angesprochen, nimmt Eberhard Bremse den GDL-Vorstand in Schutz: "Man kann den Abschluss positiv und negativ sehen. Ich sehe ihn positiv, auch wenn wir das ganze noch nicht genau durchgerechnet haben. Der Vorstand hat immer wieder versucht zu deeskalieren, aber Mehdorn hat immer wieder Öl ins Feuer gegossen. Sie müssen daran denken: Für uns ist das das erste Mal."

Karl De Andrade-Huber vom Bezirksvorstand der GDL Frankfurt ergänzt: "Uns bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als nächstes Jahr noch einmal hohe Gehaltsforderungen zu stellen - und nicht nur wir. Bei der Inflation und gleichzeitig sinkenden Löhnen kann doch kein Mensch mehr leben. Der Vorstand war jetzt erstmal gezwungen, Kompromisse einzugehen. Aber unterschätzen Sie die Kollegen nicht!"

Es deutet alles darauf hin, dass die GDL-Führung versucht, die wirklichen Ergebnisse der Verhandlungen so lange wie möglich vor den Mitgliedern und unteren Funktionären der Gewerkschaft zu verheimlichen. Der Teufel steckt bei Tarifverträgen meistens im Detail. Schon am Ende letzten Jahres ist der Bahnvorstand mit einem Lohnangebot aufgewartet, dass zum Großteil aus der Bezahlung von Überstunden bestand. Es ist bisher nicht in Erfahrung zu bringen, wie sich die nun vereinbarte Lohnerhöhung zusammensetzt. Auch bleibt bisher völlig unklar, in welchen Bereichen der Lokführer-Tarifvertrag nun eigenständig ist, über was fortan also die GDL unabhängig von Transnet verhandeln darf.

GDL-Sprecher Mike Brandenburger wollte sich gegenüber der WSWS zu keinem der wesentlichen Punkte äußern, die den GDL-Mitgliedern unter den Nägeln brennen. Wie genau setzt sich die Lohnerhöhung zusammen? - "Kein Kommentar." Worin besteht die Eigenständigkeit des Tarifvertrags? - "Wollen wir zur Zeit nicht bekannt geben."

Auch wenn sich Brandenburger um die konkreten Fragen gedrückt hat, konnte er nicht oft genug betonen, wie gut der Abschluss sei. Was er den unzufriedenen Kollegen auf den Bahnhöfen sagen wolle - "dass wir unsere Tarifforderungen weitgehend erreicht haben. Wir haben immer gesagt, dass es keine 31 Prozent werden würden, nun haben wir immerhin 11 Prozent." Doch selbst diese Zahl ist Teil der Schönfärberei.

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