Der Mindestlohn für Zusteller

Arbeitsbedingungen führen weiterhin zu realen Niedriglöhnen

Ende des vergangenen Jahres beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Regierungsmehrheit die Einführung eines Mindestlohns für Briefzusteller. Briefzusteller sollen in Ostdeutschland 9 Euro und in Westdeutschland 9,80 Euro bekommen, Briefsortierer im Osten 8 Euro und im Westen 8,40 Euro. Im Vorfeld hatte es heftige Auseinandersetzungen über diese Frage gegeben, wobei vor allem die CDU/CSU und hier insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) versuchten, den Mindestlohn zu verhindern.

Von Seiten der Wirtschaftsverbände und der privaten Zustellunternehmen wurden Horrorszenarien entworfen. "Damit wurde bewusst in Kauf genommen, dass Investments in Milliardenhöhe am Standort Deutschland zunichte gemacht werden und zigtausende von Arbeitsplätzen bei den privaten Briefdienstleistern verloren gehen", so Günter Thiel, Chef der PIN-Group AG. Die PIN-Group ist der wichtigste Konkurrent der Deutschen Post und gehört mehrheitlich zum Springer-Konzern, daneben sind die WAZ-Verlagsgruppe und die Verlagsgruppe Holtzbrinck große Anteilseigner. Wirtschaftsminister Glos erklärte: "Mindestlöhne bedrohen existierende Arbeitsplätze und verhindern neue Beschäftigung. Wer Mindestlöhne fordert, müsste eigentlich auch Mindestarbeitsplätze vorschreiben. Und dann wären wir ganz schnell in der Planwirtschaft."

Unmittelbar nach dem Beschluss des Bundestags, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu erweitern und dadurch den Mindestlohn in der Briefzustellung durchzusetzen, kündigte die PIN-Group den Abbau von 1.000 Arbeitsplätzen an. Mittlerweile heißt es, das private Zustellunternehmen wolle sich ganz zurückziehen und alle 9.000 Arbeitsplätze streichen. Sieben von 91 in der Gesellschaft zusammengeschlossenen Briefdienstleistungsunternehmen meldeten inzwischen Insolvenz an. Diese Firmenschließungen sind nicht anders als eine Form der politischen Erpressung zu bewerten; damit bekräftigt die PIN-Group ihre strikte Ablehnung des Mindestlohns. Auch das niederländische Postunternehmen TNT, der zweite große Konkurrent der Deutschen Post, bewertete den Mindestlohn als künstliche Aufrechterhaltung des alten Postmonopols. Unter diesen Umständen wolle TNT nicht weiter in den deutschen Briefmarkt investieren.

Doch die jüngste Auseinandersetzung um den Mindestlohn kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Arbeitsplatzabbau sowie sinkende Löhne und unwürdige Arbeitsbedingungen im Bereich der Briefzustellung auf die Privatisierung der Post und Liberalisierung des Briefmarktes zurückgehen. Auf Kosten der Belegschaft hat sich die Post vom defizitären Staatsunternehmen zum gewinnträchtigen Konzern gewandelt, der Jahr für Jahr Milliardengewinne in die Kassen der Großaktionäre spült. 2006 machte die Post bei einem Umsatz von 60,5 Milliarden Euro einen Gewinn von 3,87 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres steigerte sich der Gewinn um weitere neun Prozent.

Über 900 Millionen Euro gab der Konzern im Jahr 2007 in Form von Dividenden an die Großaktionäre weiter. Zu diesen gehört der Bund, der allerdings nicht mehr Mehrheitsaktionär ist. Aber auch die Führungsspitze des Konzerns streicht über Aktienoptionen einen üppigen Bonus zum ohnehin fürstlichen Grundgehalt ein. Als nach der Verabschiedung des Mindestlohns der Kurs der Postaktie stieg, verkaufte Post-Chef Zumwinkel einen Teil seiner Anteile am Unternehmen und kassierte dafür 2,24 Millionen Euro.

Die Beförderung von Post ist dabei der gewinnträchtigste Bereich des Konzerns Deutsche Post World Net. Allein auf dem Postmarkt wurden in Deutschland 2005 über 10 Milliarden Euro umgesetzt, die Gewinne des Konzerns wurden und werden dabei auf dem Rücken der Belegschaft generiert. Die privaten Konkurrenten des ehemaligen Staatsbetriebs setzen auf noch stärkere Ausbeutung der Angestellten. Durch Lohndumping bieten sie Portopreise unter denen der Post an, um sich ein Stück des lukrativen Marktes zu sichern.

Arbeitsbedingungen bei der Deutschen Post

Zumwinkel ist seit 1995 Vorstandschef und setzte die Umstrukturierung des Konzerns durch, die aus dem Staatsbetrieb das heutige Aktienunternehmen machte. Seitdem hat die Deutsche Post mehr als 140.000 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut. Seit 1997 hat das Unternehmen laut einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) 25.000 Vollzeitarbeitsplätze bei den posteigenen Filialen, der Briefkastenleerung und dem Transport an Subunternehmen ausgelagert. Der vom Institut ermittelte durchschnittliche Lohn für die dortigen Beschäftigten des Unternehmens liegt bei acht Euro und damit unter dem nun beschlossenen Mindestlohn ihrer Kollegen in der Zustellung.

Im Konzern verbliebene Vollzeitstellen wurden in einer Größenordnung von mehreren zehntausend in Teilzeitstellen umgewandelt. So stehen beispielsweise in Bielefeld, einem Post-Zustellstützpunkt für 480.000 Menschen, 177 Vollzeitzustellbezirken bereits 182 Zustellbezirke gegenüber, in denen Teilzeitbeschäftigte arbeiten.

32 dieser Teilzeitbezirke gehören zu dem Projekt "Trennung der Zustellung von der Vorbereitung" (TVZ). Das TVZ-Projekt setzt in bisher nicht gekannter Weise auf die Zerstörung von Vollarbeitsplätzen. Sowohl die Vorbereiter als auch die Zusteller haben befristete Verträge von rund 15 Wochenstunden. Das vorgeschriebene Arbeitspensum erreicht dabei die Grenzen des Machbaren. Wer die Arbeit in der gegebenen Zeit nicht schafft, wird nach Auslaufen der Vertragsbefristung nicht weiter beschäftigt. Gleiches gilt für Beschäftigte des Konzerns, die nach Ansicht der Unternehmensführung zu oft krank sind. Das TVZ-Projekt gilt in der Konzernführung als großer ökonomischer Erfolg und soll nun flächendeckend eingeführt werden.

Insgesamt gehören Festverträge bei der Deutschen Post, die zu den größten Arbeitgebern des Landes zählt, der Vergangenheit an. Neben der Befristung wurde 2001 der Einstiegsstundenlohn für neu eingestellte Kräfte um einen Euro gesenkt. Auch das Weihnachts- oder Urlaubsgeld ist für all diejenigen gestrichen, die nach diesem Termin eingestellt wurden.

Anstelle dieser festen Lohnbestandteile trat eine Jahresprämie, deren Höhe sich nach der Beurteilung durch die Vorgesetzten richtet. Die Prämie schrumpft mit jedem Krankheitstag, mit Fehlern bei der Arbeit und bei Aufmüpfigkeit. Bei den in diesem Frühjahr anstehenden Tarifverhandlungen lautet das erklärte Ziel des Unternehmens, die 40-Stunden-Woche einzuführen. Auch die Kürzung des Weihnachts- und Urlaubsgelds für die vor 2001 eingestellten Beschäftigten gehört zu den Plänen, mit denen die Gewinne weiter gesteigert werden sollen.

Die Arbeitsbelastung wird permanent erhöht. so werden beispielsweise die Zustellbezirke kontinuierlich vergrößert. Die Post verweist auf den Rückgang der Briefmenge, unterschlägt dabei allerdings, dass die wachsende Zahl von Werbe- und Wurfsendungen insgesamt zu einem Anwachsen des Postvolumens geführt hat. Somit haben immer weniger Zusteller eine wachsende Postmenge zu bearbeiten. Das in immer mehr Regionen eingeführte eingeschweißte Werbeblättchen "Einkauf Aktuell" wird jeden Samstag jedem Haushalt zugestellt - somit ist der Sonnabend zu einem der arbeitsreichsten Tage für die Zusteller geworden und die Frei- und Regenerationszeit der Postarbeiter wurde einmal mehr verkürzt.

Die rigide Personalpolitik des Unternehmens, das freiwillige Ausscheiden von Beschäftigten aufgrund der hohen Arbeitsbelastung, Frühpensionierungen und Versetzungen von Vollkräften in ländliche Gebiete führt zu einer hohen Fluktuation innerhalb der Zustellbezirke. Vor allem in städtischen Gebieten wechseln die Zusteller oft tageweise die Zustellbezirke. Der Stammzusteller, der über Jahre ein und denselben Bezirk zustellte, ist nur noch eine Randerscheinung. Die Konsequenz daraus ist die sinkende Qualität der Zustellung.

Ein Zusteller, der nach einer zweiwöchigen Schnelleinweisung für 800 Euro Nettolohn in wechselnden Zustellbezirken arbeiten muss, kann nicht dieselbe Qualität liefern wie ein Kollege mit jahrelanger Erfahrung, der zudem jede Besonderheit "seines" Zustellbezirks kennt und deutlich mehr verdient als der neu Eingestellte. Fälschlicherweise zurückgesandte Sendungen, Falschzustellungen, Beschädigungen und auch Diebstahl sind die zunehmenden Folgen aus dieser Personalpolitik. Somit ist jeder Kunde der Post von den Umstrukturierungen betroffen, da die Qualität der Dienstleistung deutlich zurückgeht.

Arbeitsbedingungen der privaten Briefunternehmen

Seit Beginn der Liberalisierung auf dem Postmarkt setzten die privaten und meist regional operierenden Zustellunternehmen auf Lohndumping. Ziel der Privaten ist es, durch niedrigere Arbeitskosten das Porto der Post unterbieten zu können. Dieses günstige Porto sollte vor allem Großkunden der Post wie Versandhäuser, Telekommunikationsunternehmen und Kommunen abwerben. Die Flächenversorgung war niemals Ziel der privaten Anbieter. Dies ist auch der Grund dafür, dass der Springer-Verlag selbst seine Publikationen weiterhin von der Post und nicht von der "eigenen" Firma PIN zustellen ließ. Die Stadtverwaltung Berlins, Kölns und Leipzigs sind bereits Kunden des größten Post-Konkurrenten mit Sitz in Berlin. Daneben lassen auch die Kirchen, die Bahn-Gewerkschaft Transnet, die Gewerkschaft der Polizei und die IG Bau ihre Post (zumindest in städtischen Gebieten) durch PIN zustellen.

Die PIN-Zusteller sind noch stärker vom Unternehmen erpressbar als die Kollegen von der Post. Zumeist auf Leiharbeitsbasis oder befristet angestellt droht ihnen jederzeit wieder die Arbeitslosigkeit. Ihr durchschnittlicher Brutto-Arbeitslohn liegt deutlich unter dem Durchschnittsbruttolohn von rund 1700 Euro, den die Post zahlt. PIN-Zusteller bekommen 1020 Euro als Basisgehalt. Nur wenn sie nicht krank werden, keine Fehler machen und die sonstigen Zielvorgaben des Unternehmens erfüllen, können sie durch eine Prämie auf 1430 Euro Bruttogehalt kommen.

Zu den Zielvorgaben gehören auch andere Tätigkeiten, wie die Abholung von Sendungen beim Kunden. Diese zusätzlichen Tätigkeiten sind in der vertraglich festgelegten 40-Stunden-Woche nicht zu schaffen, eine Überstundenregelung gibt es jedoch nicht. Die Süddeutsche Zeitung porträtierte einen PIN-Mitarbeiter in Kiel, der aufgrund dieser unbezahlten Mehrarbeit auf eine 70-Stunden-Woche kam. Unter diesen Umständen hat ein PIN-Zusteller noch einen Stundenlohn von 3,40 Euro.

Doch auch jeder Krankheitstag bedeutet eine Kürzung der Prämie um 11,50 Euro, Fehler führen zur Streichung der so genannten Qualitätsprämie in Höhe von 80 Euro. Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden nicht gezahlt. Wer unter diesen Bedingungen arbeiten muss, ist auf einen nächtlichen Zweitjob oder unterstützendes Arbeitslosengeld angewiesen, um sich oder gar eine Familie über die Runden zu bringen. Dabei ist die PIN-Group laut der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di noch nicht einmal der schlimmste unter den privaten Arbeitgebern. Viele der auf eine einzige Region oder ein einziges Stadtviertel beschränkten Anbieter würden ihre Arbeiter noch weitaus schlechter bezahlen. Der Gewerkschaft seien Fälle bekannt, in denen 2,50 Euro Stundenlohn gezahlt werden und Mitarbeiter für eine Vollzeitstelle 700 Euro netto im Monat erhalten.

Trotz oder gerade wegen des viel geringeren Sendungsaufkommens, das Zusteller privater Anbieter wie PIN abzuarbeiten haben, ist die Arbeit bei diesen Briefdienstleitungsunternehmen insgesamt anstrengender als die der Kollegen beim Gelben Riesen. Ein Zustellbezirk bei PIN ist rund achtmal größer als ein Bezirk bei der Post. Anders als bei einem Post-Boten müssen zwischen zwei Empfängern oft enorme Strecken zurückgelegt werden. Wenn dann eine Behörde Sendungen an alle Haushalte verschickt, ist ein PIN-Zustellbezirk für einen einzigen Arbeiter nicht mehr zu schaffen. Doch ein Ausfall durch Arbeitsüberlastung führt umgehend zu einem gekürzten Gehalt.

Aus dieser Überlastung folgt ebenso wie bei der Post eine unzureichende Qualität dieser Basisversorgung. Dazu kommt, dass die privaten Unternehmen wie PIN trotz Investitionen des Springer-Verlags von über 500 Millionen Euro keine mit der Post vergleichbare Infrastruktur aufbauen können. Durch die fehlende flächendeckende Organisation sind die privaten Anbieter beispielsweise nicht in der Lage, ein Nachsendesystem aufzubauen. Bis Ende 2007 konnten die privaten Zustelldienste auf die Nachsendedatenbank der Post zugreifen, doch mit dem Ende des Briefmonopols Anfang dieses Jahres ist die Post nicht mehr verpflichtet, diese Informationen zu teilen. Umzuziehen bedeutet daher, so lange keine Sendungen mehr von PIN und den anderen Dienstleistern zu erhalten, bis der Absender von sich aus die neue Adresse in Erfahrung gebracht hat.

Kein Ende der Lohndrückerei in Sicht

Der nun eingeführte Mindestlohn bedeutet keinesfalls das Ende der Liberalisierung auf dem Briefmarkt und der damit einhergehenden Abwärtsspirale bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen. Das gesamte politische und wirtschaftliche Establishment steht hinter diesem Ziel. Die Europäische Union hat Ende letzten Jahres erklärt, dass alle nationalen Briefmärkte bis 2011 vollständig geöffnet werden sollen und die Bundesregierung für die Einführung des Mindestlohns getadelt. Keine von den etablierten Parteien in Deutschland stellt sich gegen die Liberalisierung, prangert die Konsequenzen an und geht politisch dagegen vor.

Die SPD hat die Privatisierung der Post und ihre Umwandlung in eine Aktiengesellschaft maßgeblich vorangetrieben. Mit Bodo Hombach, dem ehemaligen Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister, Bundesminister für besondere Aufgaben und Kanzleramtchef unter Gerhard Schröder, sitzt ein namhaftes Parteimitglied im Verwaltungsrat der PIN-Group. Der 2007 gegründete Arbeitgeberverband "Neue Brief- und Zustelldienste" wird von Florian Gerster, einem weiteren prominenten Sozialdemokraten angeführt, der zuvor unter Anderem rheinland-pfälzischer Sozialminister und bis 2004 Chef der Bundesagentur für Arbeit war.

Die Linkspartei bietet in der Frage des Mindestlohns erneut ein Beispiel dafür, wie wenig ihre Worte wert sind, wenn sie erst einmal in Regierungsverantwortung ist. In der Öffentlichkeit unterstützt sie die Mindestlohnkampagne vehement. Auf ihrer Homepage schreibt die Partei, dass von Armutslöhnen gegenwärtig rund 3,8 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind und weiter: "Dieser Zustand ist unannehmbar. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde verhindern, dass Menschen zu Hungerlöhnen arbeiten müssen, mit denen sie ihre Existenz nicht sichern können." Doch der rot-rote Senat in Berlin vergibt Jahr für Jahr den Versand der kommunalen Post an die PIN-AG. Kritik an dieser Entscheidung aus den eigenen Reihen entgegnete Harald Wolf, Wirtschaftssenator der Linkspartei in Berlin, man werde sich mit dem "Fall" (Lohndumping bei PIN) auseinandersetzen. Keineswegs jedoch, so das Ergebnisprotokoll eines Treffens der WASG mit der Linkspartei laut Zeitschrift Express, sei es das Ziel, "die PIN AG auf dem Berliner Postverteilermarkt zu diskreditieren."

Auch die Gewerkschaften sind nicht gegen die Liberalisierung und auch nicht gegen die Arbeitsbedingungen, unter denen die Beschäftigten der privaten Zustelldienste zu leiden haben. Alle Kürzungsmaßnahmen der Deutschen Post wurden in Absprache mit dem gewerkschaftlich dominierten Betriebsrat durchgesetzt. IG Bau, Transnet und Polizeigewerkschaft wollen PIN-Kunde bleiben und lediglich die weitere Entwicklung der Arbeitsbedingungen beobachten, wie sie dem Unternehmen brieflich mitteilten. Ver.di-Chef Frank Bsirske erklärte auf einer Veranstaltung im Mai 2007, seine Gewerkschaft sei nicht gegen die Liberalisierung des europäischen Postmarktes. Ver.di wolle aber eine gleichzeitige Öffnung, damit nicht ausländische Konkurrenten der Post von geschützten Märkten aus Geschäfte in Deutschland machen könnten.

Gestärkt von dieser breiten Unterstützungsfront wollen die privaten Briefdienstleister keineswegs so schnell klein beigeben, wie es ihren ersten Stellungnahmen nach schien. Noch im Dezember des vergangenen Jahres, während der Debatte über den Mindestlohn für Zusteller, reichte der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste einen Antrag auf einen eigenen Mindestlohn im Bundeswirtschaftsministerium ein. Laut diesem Antrag sollen Zusteller der privaten Dienste zwischen 6,50 und 7,50 pro Stunde verdienen.

Begründet wurde der Antrag mit dem Verweis auf die Unvergleichbarkeit der Leistungen zwischen privaten Zustellunternehmen und der Post. Erstere mussten bislang taggleich zustellen, um Briefe unter 50 Gramm befördern zu dürfen, während die Post die an einem Tag eingelieferten Sendungen am nächsten Tag zustellt. Das Bundeswirtschaftsministerium steht dem Antrag - obwohl er ganz offensichtlich ein reines Konstrukt ist - "wohlwollend" gegenüber. Der erklärte Mindestlohngegner Glos hatte bereits im Vorfeld regen Besuch von Vertretern privater Zustelldienste empfangen und ließ durch sein Ministerium erklären: "Wir werden den Antrag sorgfältig prüfen. Das ist keine Sache, die man von vorneherein abbügeln sollte."

Daneben sind reine "Nischenanbieter" vom Mindestlohn befreit, wobei vollkommen unklar ist, wann ein Unternehmen ein Nischenanbieter ist. Die Situation von Arbeitern bei Subunternehmen der Post wie auch bei den privaten Konkurrenten ist durch die Einführung des Mindestlohns ebenfalls nicht besser geworden. Sie sind vom Mindestlohn ausgeschlossen, der ausschließlich für Zusteller vorgesehen ist. Dabei ist gerade die Post berüchtigt dafür, die Vertragskonditionen mit ihren Subunternehmern sukzessive zu ihren Gunsten zu verändern. Die Unternehmer selbst stehen mit immer weniger Geld da oder geben diesen Druck an ihre Angestellten weiter, sofern sie nicht ohnehin reine Ich-AGs sind.

Doch auch der Mindestlohn, sollte er tatsächlich für alle Zusteller unabhängig vom Unternehmen Geltung erlangen, bedeutet noch keine prinzipielle Verbesserung. Das stetig wachsende Arbeitspensum, das ein Arbeiter zu erfüllen hat, wirkt wie eine kontinuierliche Lohnsenkung. Zwar ist die Postmenge insgesamt angestiegen, doch den über 140.000 Vollzeitarbeitsplätzen, die die Post vernichtet hat, stehen nur etwa 60.000 bei den Privaten neu geschaffene Stellen gegenüber, die in ihrer überwiegenden Zahl Teilzeitstellen sind. Sowohl bei der Post als auch bei den privaten Anbietern wird in Wochen mit überdurchschnittlichem Postaufkommen so aus einer nominellen 38,5-Stunden-Woche schnell eine 70-Stunden-Woche. Die aus dieser Entwicklung resultierenden Überstunden aber werden bei den privaten Anbietern gar nicht, bei der Post nur unvollständig erfasst. Denn aus Angst, die Arbeit zu verlieren, geben viele befristet angestellte Post-Zusteller ihre Überstunden gar nicht mehr an.

Siehe auch:
Managergehälter und Mindestlohn
(19. Dezember 2007)
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