Sri Lanka: Armee erleidet Debakel bei Offensive gegen LTTE

In der letzten Woche erlitt die srilankische Armee schwere Verluste, als die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) einen Vorstoß nahe Muhamalai und Kilali zurückwarfen. Es gibt keine verlässlichen Angaben zu der Zahl der Gefallenen, doch wurden mindestens 140 Soldaten getötet und weitere 300 verletzt. Man geht davon aus, dass die Zahlen nach oben korrigiert werden müssen, da Informationen über die Operation ihren Weg erst langsam an der strengen Zensur der Regierung vorbei finden.

Präsident Mahinda Rajapakse warf die Insel im Juli 2006 zurück in den Krieg, und kündigte Anfang des Jahres den 2002 geschlossenen Waffenstillstand mit der LTTE offiziell auf. Seine wackelige Koalitionsregierung und das Verteidigungsestablishment versprachen bis zum Ende des Jahres einen schnellen und einfachen Sieg über die LTTE. Somit hat jede militärische Niederlage für die Regierung das Potenzial für eine politische Krise.

Hinter geschlossenen Türen macht man sich in den herrschenden Klassen offensichtlich Sorgen. Shamindra Ferdinando, ein Reporter mit engen Beziehungen zu Sicherheitskreisen, schrieb am Freitag in der Zeitung Island, dass die LTTE "die Regierung mit verheerenden Gegenschlägen an der Jaffna-Front erschüttert hat. Auch wenn das keinen Einfluss auf den generellen Verlauf des militärischen Feldzugs hat, ist die Auffüllung der gelichteten Infanterieeinheiten eine große Herausforderung."

Die Regierung und die höheren Ränge des Militärs haben strenge Maßnahmen ergriffen, um die Details der Niederlage und die Zahl der Toten nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Polizei und Soldaten wurden in Krankenhäusern und vor Leichenhallen stationiert, um die Medien davon abzuhalten, mit verwundeten Soldaten und Angehörigen zu sprechen. Auf Anfrage der WSWS gab Dr. Anil Jasinghe, Direktor der Unfallstation des Colombo National Hospital, bekannt, dass er von "höchster Stelle" die Anweisung erhalten habe, keine Details weiterzugeben und Journalisten fernzuhalten.

Die offiziellen Angaben über die Vorgänge am 23. April im Norden Sri Lankas zeichnen sich durch Ausweichen, Irreführung und Lügen aus. Sprecher der Regierung und des Militärs haben verneint, dass es sich um eine fehlgeschlagene Offensive oder einen Hinterhalt gehandelt habe, und behaupten weiter, dass die Armee nach einem Angriff der LTTE die Frontlinien der LTTE eingenommen habe. Verwundete Soldaten die mit der WSWS sprachen, gaben jedoch mit Bestimmtheit an, dass sie mit dem Befehl zum Vorrücken in eine Falle geführt wurden.

Die Kämpfe brachen am frühen Morgen des Mittwochs um 2.30 Uhr aus und dauerten bis mittags um 12.40 Uhr. Sie tobten entlang einer knapp sieben Kilometer schmalen Landzunge, die die nördlich gelegene Halbinsel Jaffna mit der übrigen Insel verbindet. Das Ziel der Offensive bestand offensichtlich darin, Stellungen der LTTE weiter im Norden einzunehmen, wie den strategisch gelegenen Elefanten Pass, den die Armee im Jahr 2000 verloren hatte. Stützpunkte der LTTE in der Region von Wanni, darunter ihre Basis bei Kilinochchi wären dann in Reichweite für weitere Angriffe.

Der "Lagebericht" in der Ausgabe der Sunday Times vom letzten Wochenende zeichnete ein düsteres Bild der Lage an der Front. "Jeder Soldat weiß das Muhamalai feindliches Terrain ist. Wenn die Sonne kräftig vom Himmel scheint, sind die Reis- und Curryschalen in ihren Händen vom Wind mit einer Sandschicht bedeckt. Anders wenn es regnet, dann ist der Boden morastig und die Gefahr von Moskitoschwärmen ist greifbar."

Iqbal Athas von der Sunday Times gehörte zu den wenigen ausgewählten Journalisten, die Anfang des Monats in das nördliche Kriegsgebiet gelassen wurden. Es stand für ihn außer Frage, dass das Militär sich auf eine größere Offensive vorbereitete. Er hob hervor, dass "hohe Offiziere der Armee im Norden dies angedeutet haben". Der Zeitpunkt der Operation fällt mit dem Wahlkampf für die Provinzwahlen im Osten zusammen, die am 10. Mai stattfinden. Die Regierung spekulierte eindeutig darauf, dass ein militärischer Erfolg ihre Chancen auf einen Wahlerfolg vergrößern würde.

Am Dienstag berichtete der Daily Mirror das der Angriff knappe sechs Stunden nach dem Besuch von Armeekommandeur Generalleutnant Sarath Fonseka auf der Halbinsel Jaffna begann, wo er sich mit hochgestellten Offizieren über die zukünftigen Kriegspläne unterhielt. Fonseka brüstete sich Anfang des Jahr, dass er das "Terroristenproblem" vor seinem Ruhestand im Dezember lösen werde.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Brigadier Udaya Nanayakkara bestand anfangs darauf, dass die Operation definitiv defensiv war, und nicht offensiv. Er behauptete, dass die Streitkräfte "den Angriff der LTTE zurückgeschlagen haben". Er behauptete weiterhin, dass die Verluste der Armee gering waren und die Armee die schwer befestigte erste Verteidigungslinie der LTTE eingenommen und 52 ihrer Kämpfer getöteten habe. Später erhöhte er ohne Erklärung die Zahl der gefallenen LTTE Kämpfer auf 100 und gab einen Geländegewinn von 500 Metern an.

Jedoch fiel diese Geschichte schnell in sich zusammen. Bis zum Mittag des letzten Donnerstag sah sich das Militär gezwungen einzugestehen, dass 43 Regierungssoldaten getötet und 160 verwundet wurden. 33 werden vermisst. Die Angaben wurden korrigiert, nachdem die LTTE die sterblichen Überreste von 28 Soldaten dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) übergeben hatte. Nun stellt sich die offensichtliche Frage: wenn das Militär Gelände besetzen konnte, wie konnte dann die LTTE die Toten vom Kampfplatz bergen? Das Militär gab dafür keine Erklärung ab.

Weitere Berichte vom Donnerstag deuten darauf hin, dass die Verluste des Militärs bedeutend höher sind. Die Zeitung Island, die vollkommen hinter dem Krieg steht, schätzte die Zahl der Toten auf 140 und die der Verletzten auf 200. Lanka-e-News berichtete das 143 tote Soldaten allein an nur drei Leichenhallen in und bei Colombo übergeben wurden, nicht mitgezählt die Toten, die die LTTE dem IKRK übergaben hat. Die Website berichtete des Weiteren, dass 368 Angehörige des Militärs verwundet wurden, 286 von ihnen schwer.

Die mit der LTTE sympathisierende Website Tamilnet veröffentlichte Bilder einer größeren Anzahl von erbeuteten Waffen und Munition und bestätigte den Tod von 25 Kämpfern der LTTE in den Kämpfen. Beide Seiten in diesem Konflikt sind bekannt dafür, ihre "Erfolge" zu übertreiben und ihre Verluste zu untertreiben. Die Regierung verbot jede unabhängige Berichterstattung von der Front.

Die Verschleierungstaktik der offiziellen Erklärung wird aus dem folgenden Wortwechsel zwischen dem Sprecher des Verteidigungsministerium Keheliya Rambukwella und Journalisten bei einer Pressekonferenz letzten Donnerstag klar.

Frage: Einige Berichte sagen, dass dies ein militärisches Desaster war?

KR: Bestimmt nicht. Bestimmt nicht. Ein Desaster war es, als 1.500 Menschen beim Elefanten Pass getötet wurden.

Frage: Ist es ein Rückschlag?

KR: Wir sind vorgerückt, also ist es kein Rückschlag. Wenn man sich zurückbewegt, dann kann man es einen Rückschlag nennen.

Frage: Stimmt es, dass die LTTE ihre Artillerie und Granatwerfer auf die Truppen richtete, als sie vorrückten? Das war doch ein Hinterhalt, oder? Es hört sich so an, als ob die Truppen der LTTE in die Falle gegangen sind.

KR: Man kann das so interpretieren. Wenn man sich in einem solchen Krieg befindet, einem dreißigjährigen Krieg, muss man auch mit Debakeln rechnen. Währenddessen toben harte Kämpfe, und das ist Teil der Routine. Die Armee ist zuversichtlich, einen Fortschritt gemacht zu haben. Sie hat sich etabliert. Das ist das Ziel. Sie ist 500 Meter vorwärts gekommen.

Politische Verzweiflung

Rambukwella’s Kommentare stinken nach zynischer Gleichgültigkeit für das Leben der Soldaten, gar nicht zu reden von den Tausenden Zivilisten, die in den Kämpfen der letzten zwei Jahre getötet, verkrüppelt und vertrieben wurden.

Das "Debakel" von letzter Woche war die schlimmste Niederlage für das srilankische Militär seit Oktober 2006, als 400 Soldaten in genau demselben Gebiet bei einer gescheiterten Offensive starben. Im November endete ein anderes militärisches Abenteuer im Gebiet von Muhamalai in einer vergleichbaren Niederlage, was Dutzende Soldaten das Leben kostete.

Die Entscheidung, das Leben von Dutzenden und Hunderten von Soldaten zu verschwenden, um erneut zu versuchen, die Stellungen der LTTE im Norden zu erobern, ist das Ergebnis der Verzweiflung der Regierung. Seit Juli 2006 fiel es den srilankischen Sicherheitskräften verhältnismäßig leicht, die LTTE aus ihren östlichen Stützpunkten zu vertreiben, wobei ein tiefer Bruch in der LTTE von 2004 dem zu Hilfe kam.

Nach dem "Sieg im Osten" heizte die Regierung im Juli letzten Jahres einen patriotischen Überschwang an und wandte die Aufmerksamkeit der Armee dem Norden zu. Intensive Kämpfe begannen im nordwestlichen Distrikt Mannar. Eine andere Front wurde im Januar in dem nordöstlichen Gebiet von Welioya eröffnet. Als die LTTE mit dem Rücken zur Wand stand und jedem Vorstoß Widerstand leistete, steckten die Kämpfe bald fest.

Die Offensive bei Muhamalai war ein übereilter Versuch eine dritte Front zu eröffnen, die von der LTTE gehaltene Schlüsselpositionen unter Druck setzten sollte. Die Antwort der Regierung auf den Fehlschlag von letzter Woche bestand in einem verschärften Bombardement von LTTE-Gebieten durch die Luftwaffe. Am Mittwochabend griffen Kampfflugzeuge und Helikopter angebliche Positionen der LTTE in Muhamalai an. Am folgenden Tag wurde eine Basis der LTTE bei Panikkankulam angegriffen, die angeblich der Ausbildung von Selbstmordattentätern dient.

Verzweifelt bemüht, einen Erfolg zu vermelden, besetzten Regierungstruppen im Mannar Distrikt nach Wochen erbitterter Kämpfe am Freitag eine katholische Kirche bei Madhu.

Zwei Tage nach dem Zusammenbruch der Muhamalai Offensive explodierte eine Zeitbombe in Piliyandala bei Colombo und tötete 26 Zivilisten - Männer, Frauen und Kinder. Die LTTE, die die reaktionäre Perspektive des tamilischen Separatismus vertritt, hatte schon zuvor solche Blutbäder zu verantworten und mag auch für diesen Anschlag verantwortlich sein. Doch in der gegenwärtigen Situation ist es ebenso gut möglich, dass das Militär oder verbündete Milizen die Täter begangen haben, um der Regierung und ihren chauvinistischen Verbündeten zu ermöglichen, die Kriegsstimmung weiter anzuheizen.

Es gibt Zeichen für eine wachsende Opposition gegen den Krieg. Viele Leute wählten im November 2005 Rajapakse, weil sie von ihm erwarteten, den Krieg zu beenden, und nicht, ihn wieder neu aufzunehmen. Der Fehlschlag von Muhamalai wird den Ärger in der Arbeiterklasse nur weiter anheizen, weil sie nicht nur die Last von Tod und Zerstörung, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges tragen muss. Horrende steigende Ausgaben für das Militär gesellen sich zu einer wuchernden Inflation aufgrund steigender Weltmarktpreise für Nahrungsmittel und Energie.

Kommentare im Daily Mirror von letzter Woche geben einen kleinen Einblick in die tief sitzende Feindschaft zum Krieg und der kommunalistischen Politik der Parteien.

Ein Leser schrieb: "Brüder/Schwestern, dieser Krieg kann nicht gewonnen werden, und ich bitte diejenigen, die diesen Krieg unterstützen: geht und seht euch die Fotos an, die zeigen wie unsere tapferen Soldaten Tod in ihren Bunkern liegen. Haben sie denn so etwas verdient? Was werden wir durch das Opfern unserer Soldaten denn erreichen? Einen gewaltigen Friedhof (Mutter Lanka)." Ein anderer schrieb: "Es ist traurig diese Geschichte zu hören. Unsere Jungs auf beiden Seiten sterben für den Blutdurst ihrer Herren."

Ein dritter Kommentar: "Oh mein Gott, wir sprechen über menschliches Leben. Sind sie nicht Söhne, Brüder und Väter von Sri Lanka. Darf so etwas in diesem Dharmadvipaya [heiligen Land] passieren? Wer profitiert von diesem Krieg? Dies passiert wenn ein Krieg auf Grund einer politischen Agenda ausgefochten wird. Man muss sich nur die Last derjenigen Familien vorstellen, die einen geliebten Menschen verloren haben. Genug ist genug. SRI LANKER sollen keine Fundamentalisten, Chauvinisten oder Fanatiker wie andere sein."

Die Bemerkung Rambukwellas über die Katastrophe am Elefanten Pass auf seiner Pressekonferenz war kein Zufall. Die Regierung ist sich der politischen Krise von 2000 nur allzu bewusst, die ausbrach, als die Armee gerade noch den Zusammenbruch ihrer Nordarmeen verhindern konnte. Die LTTE überrannte nicht nur einfach den Stützpunkt, sondern zehntausende Regierungssoldaten sahen sich der unmittelbaren Gefahr der Einkesselung auf der Halbinsel Jaffna ausgesetzt.

Mit dem Neubeginn des Krieges hat Rajapakses militaristische Clique in Colombo bereits auf Notstandsgesetze, willkürliche Verhaftungen und staatlichen Terror zur Unterdrückung von Kritik und Opposition zurückgegriffen. Hunderte Menschen sind bereits "verschwunden" oder von Milizen ermordet worden. Die Versuche, Berichte über die Niederlage von Muhamalai zu unterdrücken, sind ein deutliches Warnzeichen für die drakonischeren Methoden die noch kommen werden.

Siehe auch:
Sri Lankas Unabhängigkeit: 60 Jahre ethnische Ungleichheit, sozialer Verfall und Krieg
(13. Februar 2008)
Sri Lanka: Regierung peitscht Kriegsbudget durchs Parlament
( 11. Dezember 2007)
Sri Lankas Regierung feiert "Sieg" nach Besetzung des Ostens
( 2. August 2007)
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