Obamas Übergangsteam steht für mehr Krieg und Unterdrückung

Präsident Obama verdankt seinen Sieg bei den Vorwahlen und bei der Präsidentschaftswahl zum großen Teil der tiefen Feindschaft der amerikanischen Bevölkerung gegen die Verbrechen der letzten Jahre, die als Hinterlassenschaft der Bush-Regierung in die Geschichte eingehen werden. Die Liste dieser Verbrechen ist lang und umfasst: militärische Aggressionen, Folter, rechtswidrige Überstellungen, die Bespitzelung im Inland und andere.

Im Wahlkampf kritisierte Obama diese Politik und auch die Zustimmung seiner wichtigsten Konkurrentin bei den Demokraten im Oktober 2002 zu der Ermächtigungsresolution im Kongress für die Invasion im Irak mit wohl dosierten Worten. Deswegen wurde sein "Wandel, an den ihr glauben könnt" von vielen in den USA und im Ausland als Versprechen aufgefasst, dass seine Wahl das Ende von Militarismus und Angriffen auf demokratische Rechte bedeuten werde.

Wenn man sich den Übergangsprozess zur neuen Regierung anschaut, dann verliert man leicht den Glauben an Obamas Versprechen von Wandel. Besonders aufschlussreich sind in dieser Hinsicht die politischen Standpunkte der Akteure, die an diesem Prozess beteiligt sind.

Das Übergangsteam von Obama und Biden ist zum überwiegenden Teil mit Veteranen der Clinton-Regierung ausgestattet. Sie werden mit den amerikanischen Kriegen auf dem Balkan identifiziert, wie auch mit den systematischen Forderungen nach Regimewechsel im Irak, die Bushs späterem Krieg den Boden bereiteten.

Symbolträchtig ist in diesem Zusammenhang Obamas Entscheidung, Clintons damalige Außenministerin, Madeleine Albright, dieses Wochenende als seine persönliche Botschafterin zum Gipfel der Gruppe der 20 in Washington zu schicken. Als Albright 1996 in einem Interview auf CBS mit der Tatsache konfrontiert wurde, dass die US-Sanktionen gegen den Irak einer halben Million irakischer Kinder das Leben gekostet hatten, antwortete sie: "Das ist eine harte Entscheidung, aber wir glauben, das ist es wert." Später war sie die Architektin der von den USA unterstützten Zerschlagung Jugoslawiens und des folgenden Kriegs gegen Serbien, in dessen Verlauf zahlreiche zivile Ziele bombardiert wurden. Das ist das Gesicht, das Obama der Welt jetzt zuwendet.

Es gibt klare Anzeichen, dass sich in der Militärpolitik unter der Obama-Regierung nur sehr wenig ändern wird. Das klarste Anzeichen dafür sind hartnäckige Gerüchte, dass Obama Bushs Verteidigungsminister Robert Gates im Amt halten will.

Das Wall Street Journal berichtete am Dienstag unter Berufung auf zwei Berater des zukünftigen Präsidenten: "Präsident Obama tendiert dazu, Verteidigungsminister Robert Gates zu bitten, noch mindestens ein Jahr im Amt zu bleiben."

Gates im Amt zu halten wäre, wie das Journal aufzeigt, ein besonders klares Signal für eine grundlegende Kontinuität mit der militaristischen Außenpolitik der Bush-Regierung. "Wie der künftige Präsident, unterstützt auch Gates die Entsendung von mehr Truppen nach Afghanistan", bemerkt das Blatt. "Aber der Verteidigungsminister wehrt sich entschieden gegen einen festen Zeitplan für einen Abzug amerikanischer Truppen aus dem Irak. Seine Ernennung könnte bedeuten, dass Obama sein Wahlkampfversprechen, die meisten Truppen bis Mitte 2010 aus dem Irak abzuziehen, praktisch kassiert."

Die Führung der Demokraten unterstützt die Idee, Gates im Amt zu halten. Das brachte der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid (Demokrat aus Nevada), am Wochenende in einem Interview mit CNN zum Ausdruck. "Warum sollten wir ihn nicht halten wollen?" fragte Reid. "Er war nie registriertes Mitglied der Republikaner."

Ein weiterer Politiker, der ebenfalls als möglicher Verteidigungsminister im Gespräch ist, ist der Marinestaatssekretär unter Clinton, Richard Danzig. Danzig selbst erklärte im Juni, er befürworte Gates Ernennung. Er sagte der Londoner Times : "Persönlich halte ich Gates für einen sehr guten Verteidigungsminister, und er wäre in einer Obama-Regierung noch viel besser."

Ob Gates nun bleibt oder geht, die wichtigsten Personen in Obamas Übergangsteam für das Pentagon signalisieren nach Meinung von Yochi Dreazen vom Journal vor allem eins: "Die neue Regierung wird mit dem Irak und Afghanistan anders umgehen als die Bush-Regierung, aber sie wird keinesfalls eine völlige Umstrukturierung der amerikanischen Militärstrategie in den beiden Kriegsgebieten vornehmen."

Die zweite Teamleiterin, Michele Flournoy, ehemals unter Clinton im Verteidigungsministerium tätig, ist gegenwärtig Präsidentin des Center for New American Strategy, eines überparteilichen Thinktanks für Militärpolitik. Sie hat sich öffentlich gegen einen festen Terminplan für den Rückzug aus dem Irak ausgesprochen. Im März 2007 war sie Co-Autorin eines Positionspapiers des Centers zum Irak, in dem es hieß: "Die USA haben dauerhafte Interessen in dem belagerten Land und in der umgebenden Region. Diese Interessen erfordern für die überschaubare Zukunft eine substanzielle militärische Präsenz."

Ein weiteres prominentes Mitglied des Übergangsteams ist Sarah Sewall, eine "Menschenrechts"-Spezialistin von der Harvard Universität, die im Irak als Beraterin von General David Petraeus diente und an der Erarbeitung des militärischen Feldhandbuchs für die Aufstandsbekämpfung beteiligt war.

Ein weiterer hoher Berater des Pentagon-Übergangsteams ist Sam Nunn, Vorsitzender des Streitkräfteausschusses im Senat von 1987-95. Nunn ist ein rechter Demokrat und Kalter Krieger. Er verließ den Senat nach einer offenen Auseinandersetzung mit Präsident Bill Clinton. Dieser hatte vorgeschlagen, das Verbot von Homosexualität im Militär aufzuheben.

Das Übergangsteams entspricht den tatsächlichen Absichten der künftigen Obama-Regierung: Fortsetzung der Irak-Besetzung mit Zehntausenden amerikanischen Soldaten und deutliche Verschärfung des Kolonialkriegs in Afghanistan.

Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man sich das Übergangsteam für die CIA anschaut. Der Leiter dieses Teams soll John Brennan sein, der das Nationalen Zentrum für Terrorismusbekämpfung leitete und vorher stellvertretender CIA-Direktor und Stabschef von CIA-Direktor George Tenet war. Er verließ den Geheimdienst 2005.

Man muss davon ausgehen, dass Brennan, ein wichtiger Strippenzieher im so genannten globalen Krieg gegen den Terror, tief in die Entscheidungen über Folter, Mordanschläge, Verschleppungen und Inlandsspionage verstrickt war, die während seiner Amtszeit bei der CIA auf der Tagesordnung standen.

Eine weitere prominente Figur in Obamas Geheimdienst-Übergangsteam ist Jamie Miszik, die unter Tenet die analytischen Operationen der CIA leitete. Sie spielte eine führende Rolle bei der Fälschung der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse über irakische "Massenvernichtungswaffen" und die Beziehungen des Irak zu al-Qaida, die zur Begründung des Kriegs dienten. Außerdem wirkte sie an der Unterdrückung von Berichten von Analysten des Dienstes mit, die beide Vorwürfe als unbegründet zurückwiesen. Nach ihrem Ausscheiden aus der CIA nahm sie, wenn auch nur kurzfristig, eine lukrative Stelle als Analystin bei den inzwischen Bankrott gegangenen Lehman Brothers an.

Im Wahlkampf kritisierte Obama die Bush-Regierung gelegentlich wegen ihrer Sicherheitspolitik - dem Abhören ohne richterlichen Beschluss, dem Waterboarding, wegen unbegrenzter Haft ohne Prozess -, aber als es im Sommer im Senat zu einer Abstimmung kam, stimmte er für die Ausweitung der Überwachungsrechte der National Security Agency und die nachträgliche Immunität für Telekommunikationsfirmen, die die Bush-Regierung bei illegalen Abhöraktionen unterstützt hatten.

Wie im Fall von Gates ist es nicht ausgeschlossen, dass die verantwortlichen Geheimdienstler unter Bush auch unter Obama weiter arbeiten werden. Der Direktor des National Intelligence Michael McConnell und CIA-Direkor Michael Hayden sind bereit, auch unter einer Demokratischen Regierung auf ihren Posten zu bleiben. McConnell, der Obama vergangene Woche einen präsidentiellen Geheimdienstbericht gab, nannte das Team des neuen Präsidenten "sehr clever, sehr strategisch".

John Podesta, Obamas oberster Chef für die Übergangszeit, betonte vergangenes Wochenende, dass der Präsident nach seiner Amtsübernahme sofort mehrere Dekrete der Bush-Regierung aufheben werde. Er nannte die Themen Stammzellenforschung, Ölbohrungen im Inland etc. Darunter befanden sich aber nicht die zahlreichen Direktiven, die es amerikanischem Militär und Geheimdiensten erlauben, in aller Welt Aggressionen zu begehen.

Weil Obama schon versprochen hat, die grenzüberschreitenden Angriffe nach Pakistan auszuweiten und den so genannten Krieg gegen den Terror weiterzuführen - den Vorwand, unter dem Washington den Einsatz von Militär zur Beherrschung der ölreichen Regionen der Erde rechtfertigt -,wird er diese Dekrete wahrscheinlich übernehmen.

Erst zehn Tage sind seit dem überwältigenden Sieg Obamas auf einer Welle von Feindschaft gegen die Bush-Regierung vergangen. Aber das Handeln des zukünftigen Präsidenten und seiner Berater macht jetzt schon klar, dass der sehnsüchtige Wunsch von Millionen Amerikanern nach einem Ende des amerikanischen Militarismus und des kriminellen Vorgehens auf internationaler Ebene nach der Inauguration im Januar nicht in Erfüllung gehen wird.

Siehe auch:
Obama beruhigt das Großkapital
(11. November 2008)
Ein historischer Meilenstein? Gedanken zu Klasse und Hautfarbe in Amerika
( 8. November 2008)
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