Opel-Krise

Betriebsräte und IG Metall bieten Lohnsenkung und Kurzarbeit an

Der Antrag des Opelkonzerns auf eine Bundesbürgschaft in Höhe von 1,8 Milliarden Euro führt zu heftigen Auseinandersetzungen. Nachdem die Bundesregierung erklärt hat, sie werde den Antrag prüfen und zum Jahresende entscheiden, melden sich die Gegner zu Wort. Opel sei keine Bank, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Selbst ein Bankrott des Unternehmens hätte "keine Folgen, die das Wirtschaftssystem als Ganzes bedrohen".

Dass alleine in den vier deutschen Werken mehr als 25.000 Arbeiter beschäftigt sind und noch mindestens 50.000 weiter Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie von Opel abhängen, interessiert diese Kommentatoren nicht. Ihr Zynismus ist kaum zu überbieten. Sie erklären, dass angesichts der Überkapazitäten an Produktionsstätten in der Autoindustrie die Stilllegung einiger Werke, als "Marktbereinigung" zu begrüßen wäre.

Gegner und Befürworter einer Bundesbürgschaft haben eines gemeinsam. Beide sind der Ansicht, dass die Last der Wirtschaftskrise auf die Beschäftigten und die Bevölkerung abgewälzt werden soll. Doch während die Gegner die Aufgabe dem "freien Markt" überlassen und Opel gegen die Wand fahren wollen, versuchen die Befürworter die Krise zu nutzen, um eine neue Runde von Lohnsenkungen und eine deutliche Verschlechterung der Sozialstandards und Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Als wichtigstes Instrument dienen ihnen dabei die Gewerkschaft IG Metall und ein Heer von über hundert hauptamtlichen Opel-Betriebsräten.

Es ist bezeichnend, dass die Gewerkschaftsspitze und die Betriebsratsvorsitzenden aller vier deutschen Opel-Werke sofort nach Bekanntwerden der Finanzkrise des Konzerns gemeinsam mit der Konzernleitung ins Kanzleramt gebeten wurden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte deutlich, dass im Fall einer positiven Entscheidung eine Bürgschaft "an definitive Auflagen" gebunden werde. Das Unternehmen müsse "zukunftsfähig", und das heiße "wettbewerbsfähig" werden.

Während die Runde im Kanzleramt noch tagte, gab der Frankfurter Bezirksleiter der IG Metall seine Bereitschaft zu weiteren Lohnsenkungen zu Protokoll. Armin Schild, zu dessen Zuständigkeitsbereich das Opel-Stammwerk in Rüsselsheim gehört, kündigte im Deutschlandfunk an, die Gewerkschaft sei zur Hinnahme "weiterer Lohnverluste" bereit. Die Sicherung der Opel-Standorte habe "oberste Priorität", begründete er seinen Vorstoß.

Der Konzernbetriebsratschef von Opel, Klaus Franz, hatte bereits am Abend zuvor in der ARD-Sendung "Anne Will" erklärt: "Die Arbeitnehmer werden ihren Beitrag leisten". Am Dienstag gab Franz dann bekannt, der Betriebsrat habe angeboten, den jüngst vereinbarten Metall-Tarifvertrag bei Opel um 1 Prozent abzusenken.

Franz und andere Betriebsräte betonen zwar bei jeder Gelegenheit, sie lehnten die Forderung der Konzernleitung nach einer "Nullrunde für die Opelaner" ab, doch die Praxis sieht anders aus. Mit dem Argument, nur durch derartige Zugeständnisse könnten die Standorte gerettet werden, sind sie dabei, die Reallöhne ein weiteres Mal zu senken.

Ihre Politik der Sozialpartnerschaft und Klassenzusammenarbeit hat für die Beschäftigen bei Opel und für die gesamte Arbeiterklasse verheerende Konsequenzen. Sie endet nicht bei Sozialabbau und Massenentlassungen, sondern führt direkt in die gesellschaftliche Katastrophe.

Gegenwärtig finden viele Gedenkveranstaltungen zum 90. Jahrestags des Endes des Ersten Weltkriegs statt. Doch eine Frage wird gezielt ausgeblendet. Das große Massenschlachten vor 90 Jahren war ein direktes Ergebnis des Verrats der SPD und der Gewerkschaften. Nach der Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten waren die Gewerkschaftsführer zum ersten Mal ins Kanzleramt geeilt, um einen "Burgfrieden" im Interesse des Kapitals zu schließen.

Wenige Jahre später, nachdem die revolutionären Arbeiter- und Soldatenräte zuvor zerschlagen worden waren, wurde dann das "Betriebsrätegesetz" verabschiedet. Es verpflichtete die Betriebsräte zur Anerkennung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse. Seitdem wurden sie in allen großen Krisen eingesetzt, um die Interessen der Unternehmer gegen die Beschäftigten zu verteidigen.

Dass die Betriebsräte von den Arbeitern gewählt werden, ändert nichts an ihrer reaktionären Rolle. Auch heute tragen sie entscheidend dazu dabei, jede selbstständige Regung der Belegschaft zu unterdrücken und ihr das Diktat der Geschäftsleitung aufzuzwingen. Dafür werden sie mit zahlreichen Privilegien belohnt.

Es ist notwendig, die Kontrolle dieser korrupten Bürokratie zu durchbrechen. Das erfordert eine bewusste Hinwendung zu einer internationalen Strategie und sozialistischen Perspektive.

Wenn Betriebsrat und IG Metall erklären, die Arbeitsplätze könnten nur durch Lohnsenkung und Sozialabbau "gerettet" werden, ist dies ein Eingeständnis, dass der Kapitalismus gescheitert ist. Opel kann nicht mehr ohne staatliche Bürgschaft produzieren und ist auf Unterstützung durch Steuergelder angewiesen.

Das stellt die Frage: Staatliche Unterstützung für wen und wofür? Hier stehen sich zwei unversöhnliche Standpunkte gegenüber.

Betriebsrat, IG Metall, Konzernleitung, Aktionäre und Regierung wollen Staatsgelder einsetzen, um die Profite des Konzerns zu sichern und ihn gegen seine internationalen Konkurrenten zu stärken. Das geht einher mit der Senkung der Löhne, der Verschlechterung der Arbeitbedingungen und der Spaltung der Belegschaften, die von Standort zu Standort gegeneinander ausgespielt werden. Das letzte, was die Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre interessiert, ist das Schicksal der General-Motors-Belegschaften in anderen Ländern, die ebenso heftigen Angriffen ausgesetzt sind.

Auf der anderen Seite stehen Tausende GM-Beschäftigte in Deutschland, den USA, Schweden, Großbritannien und Australien. Sie tragen nicht die geringste Verantwortung für die Krise. Weder haben sie an den Kapitalmärkten Milliarden verzockt, noch waren sie an der Bereicherungsorgie im Konzernvorstand beteiligt.

Sie müssen die Krise von GM und Opel zum Ausgangspunkt machen, um eine demokratische, gesellschaftliche Kontrolle über die Produktion aufzubauen. Statt Steuergelder in Milliardenhöhe bereit zu stellen, um die Profite der Kapitaleigner zu erhalten, muss der Konzern in gesellschaftliches Eigentum überführt werden. Nur dann ist es möglich, die Produktion im Interesse der Beschäftigen und der Bevölkerung zu entwickeln und moderne, sichere und umweltfreundliche Autos zu bauen.

Eine solche sozialistische Perspektive hat nichts mit den "volkseigenen" VEB-Betrieben der früheren DDR zu tun. Damals bestimmte eine korrupte Partei- und Staatsbürokratie über die Produktion, die in der Tradition der stalinistischen Diktatur stand und - ähnlich wie die Gewerkschaftsbürokratie heute - jede selbstständige Regung der Arbeiter unterdrückte.

Die gegenwärtige Krise erfordert eine mutige Initiative der Beschäftigten. Alle Arbeitsplätze an allen Standorten müssen verteidigt und jede Art von Lohnkürzung verhindert werden. Dazu müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, die die "Sozialpartnerschaft" der Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre ablehnen und Verbindung zu den Beschäftigen der anderen Standorte, auch zu den Beschäftigen des Mutterkonzerns in Detroit aufbauen, um gemeinsame Kampfmaßnahmen abzusprechen und zu koordinieren.

Ein solcher Kampf hat weitreichende politische Konsequenzen und erfordert den Aufbau einer internationalen sozialistischen Partei, die sich auf die großen politischen Erfahrungen und Lehren vergangener Klassenkämpfe stützt. Für dieses Ziel setzen sich die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) und ihre Schwesterparteien in den USA und anderen Ländern ein. Wir laden die Opel-Beschäftigen ein, mit der PSG und der Redaktion der World Socialist Web Site Kontakt aufzunehmen.

Siehe auch:
Das Rettungspaket für die US-Autoindustrie und die sozialistische Alternative
(18. November 2008)
Metall-Tarifabschluss stößt auf Widerstand
( 14. November 2008)
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