Rumänische Lehrer streiken für höhere Gehälter

Am vergangenen Mittwoch haben rund 15.000 Lehrer in der rumänischen Hauptstadt Bukarest für eine 50-prozentige Erhöhung ihrer Gehälter demonstriert. Darüber hinaus forderten sie den Rücktritt der konservativen Regierung unter Premierminister Calin Popescu-Tariceanu. Dieser hatte die Forderungen der Lehrer mit der Begründung zurückgewiesen, es gelte "die wirtschaftliche Stabilität des Landes" zu schützen.

Das rumänische Parlament hatte Ende September einstimmig eine 50-prozentige Gehaltserhöhung für das Personal im Bildungswesen beschlossen. Grund sind die am 30. November anstehenden Parlamentswahlen, bei der sowohl die regierende Nationalliberale Partei (PNL) als auch die oppositionellen Sozialdemokraten (PSD) hohe Stimmenverluste befürchten. Nutznießer könnten die ultra-rechte Großrumänienpartei (PRM) und andere kleine Parteien werden.

Die Minderheitsregierung Tariceanus war aber nicht bereit, das Votum des Parlaments zu akzeptieren. Sie hatte sich mit den Gewerkschaften bereits früher auf eine Erhöhung von lediglich 9 Prozent geeinigt und legte Klage beim Verfassungsgericht ein, weil die Abgeordneten bei dem von ihnen verabschiedeten Gesetz keine Finanzierungsquellen aufgezeigt hätten.

Mittlerweile hat das Verfassungsgericht den Parlamentsbeschluss für rechtmäßig erklärt, aber die Regierung sträubt sich weiter dagegen, die erhöhten Gehälter an die Lehrer auszuzahlen.

Tariceanu forderte, man solle sich "Gedanken über die notwendigen Quellen für eine solche Lohnerhöhung machen", und fügte hinzu, ein solch "hyper-populistisches" Gesetz behindere das ökonomische Wachstum.

Wirtschaftsminister Varujan Vosganian erklärte, die Lohnerhöhungen könnten "zu einer ökonomischen Krise führen". Er warnte, derart hohe Lohnsteigerungen würden den Plan des Landes durchkreuzen, bis 2014 der Euro-Zone beizutreten.

Auch die wirtschaftsnahe Presse schäumte vor Wut. Business New Europe bezeichnete die umstrittene Lohnsteigerung als "dreckigste Wahlkampagne seit dem Zusammenbruch des Kommunismus".

Die Lehrer betrachten die 9-prozentige Erhöhung, auf die sich Regierung und Gewerkschaften ursprünglich geeinigt hatten, als Unverschämtheit und Provokation.

Ein rumänischer Lehrer verdient gegenwärtig knapp 400 Euro pro Monat. Angesichts ungeheurer Preissteigerungen ist es schlichtweg nicht möglich, davon zu leben. Die momentane Inflationsrate liegt bei knapp 10 Prozent. Die Preise für Lebensmittel sind in den letzten Monaten um über 25 Prozent angestiegen. Mittlerweile ist eine durchschnittliche rumänische Familie gezwungen, rund die Hälfte des Einkommens für Lebensmittel aufzuwenden. Auch die Kosten für Energie und Benzin klettern ständig nach oben.

Der Lehrerprotest sollte laut Dumitru Costin vom Gewerkschaftsverband BNS auch darauf hinweisen, dass die Menschen jeden Tag leben müssen und nicht nur in den Wochen vor den Wahlen, wenn Politiker "die Menschen mit Bier und Fleischbällchen bestechen". Diese Anspielung bezieht sich auf den Stimmenkauf der großen Parteien, der mittlerweile in Rumänien Gang und Gäbe ist.

Am Donnerstag nach dem Lehrerprotest rief Ministerpräsident Tariceanu die Chefs der im Parlament vertretenen Parteien zusammen, um den Entwurf für ein Lohngesetz im öffentlichen Dienst zu diskutieren. Dieses Gesetz soll nach dem Willen Tariceanus auch nach den Wahlen Gültigkeit behalten, egal welche Partei die Regierung stellt. Über den Ausgang der Beratungen ist zwar noch nichts bekannt, doch allein die Tatsache, dass sich auch die Vertreter jener Parteien an den Gesprächen beteiligten, die sich offiziell für die Lohnsteigerungen aussprechen, macht deutlich, dass sie dies nur wegen dem Wahlkampf tun.

Aus Angst vor allzu dramatischen Verlusten hat selbst die regierende PNL vor wenigen Wochen einer Erhöhung der Renten zugestimmt. Besonders seit dem die ebenfalls liberal-konservative PDL von Präsident Traian Basescu die Regierungskoalition im Frühjahr 2007 verlassen hat, genießt die PNL kaum noch Unterstützung in der Bevölkerung.

Der Streit um die Lohnsteigerungen hat auch das Regierungskabinett erfasst. Bildungsminister Cristian Adomnitej hatte im Parlament die Lohnforderungen unterstützt und wurde darauf von Tariceanu prompt entlassen.

Hinter diesen Konflikten verbergen sich scharfe Spannungen innerhalb der herrschenden Elite, wie angesichts weltweiter wirtschaftlicher Instabilität mit der zunehmenden Radikalisierung der Bevölkerung umgegangen werden soll.

Die jüngsten Streiks und Proteste sind Bestandteil einer Streikwelle, die bereits das ganze Jahr hindurch anhält. Im Frühjahr streikten die Beschäftigten des Dacia-Werkes in Pitesti für 30 Prozent mehr Lohn. Nur wenige Wochen danach traten im größten rumänischen Stahlwerk von Acelor Mittal in Gelati über 4.000 Arbeiter in den Ausstand, um eine ähnlich hohe Gehaltssteigerung zu fordern.

Etliche weitere Berufsgruppen haben seitdem gestreikt. Angestellte des Transportwesens ebenso wie Rentner gegen die geringen Renten und die steigenden Preise. Seit Jahresbeginn protestieren immer wieder die Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Die Parlamentsentscheidung zugunsten der Lehrer hat weitere Lohnforderungen ausgelöst. 100.000 öffentlich Bedienstete fordern inzwischen ebenfalls mehr Gehalt und haben dieser Forderung mit einem zweistündigen Warnstreik Nachdruck verliehen. Für den Fall, dass die Regierung nicht nachgibt, haben sie einen Generalstreik angekündigt. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die ebenfalls hoffnungslos unterbezahlt sind, forderten jüngst eine Gehaltssteigerung von 60 Prozent.

Auch Ärzte, Journalisten und Beamte fordern deutliche Aufbesserungen ihrer Gehälter.

Während ein Teil der Politiker darauf setzt, die arbeitende Bevölkerung mit Hilfe der Gewerkschaften durch kleine Zugeständnisse zu beschwichtigen, setzen große Teile der Elite angesichts der sich verschärfenden Finanzkrise auf eine direkte Konfrontation.

Experten haben Rumänien einen Einbruch des Wirtschaftswachstums vorausgesagt. Das Handelsblatt zitierte dazu eine Analystin der Deutschen Bank: "Unserer Einschätzung nach ist Rumänien auf kürzere Sicht das Land mit dem höchsten Risiko, gefolgt von Bulgarien." Die rumänische Regierung hat bereits auf die Warnungen reagiert und will in diesem Jahr kein weiteres staatliches Unternehmen an die Bukarester Börse bringen.

Vize-Präsident Teodor Melescanu drohte unter diesen Bedingungen offen damit, dass "die Regierung Notverordnungen anwenden und jede Steigerung der Löhne einfrieren könne, auch die bereits beschlossenen".

Siehe auch:
Streikwelle in Rumänien hält an
(30. April 2008)
Rumänische Autoarbeiter streiken gegen Hungerlöhne
( 5. April 2008)
Politische Krise in Rumänien und Bulgarien verschärft sich
( 30. Mai 2007)
Rumänien und Bulgarien treten der Europäischen Union bei
( 29. Dezember 2006)
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