Die Lehren aus den politischen Unruhen in Thailand

Der elementare Wutausbruch auf Bangkoks Straßen am Montag beleuchtet die politische Sackgasse, in der die thailändische Arbeiterklasse steckt. Von der Verachtung der herrschenden Elite für die Demokratie frustriert, stürzten sich regierungsfeindliche Demonstranten in Straßenkämpfe mit schwer bewaffneten Soldaten, wurden dann aber von ihren eigenen Führern nach Hause geschickt, die befürchteten, die Kontrolle über die Bewegung zu verlieren.

Seit drei Jahren wird Thailand von erbitterten Kämpfen der herrschenden Eliten erschüttert. Anhänger und Gegner des ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra stehen sich gegenüber. Diese Kämpfe treffen jetzt mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der tiefsten globalen Rezession seit den 1930er Jahren zusammen. Die Ereignisse haben gezeigt, dass keine der rivalisierenden Fraktionen die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung zu befriedigen vermag.

Die amtierende Regierung von Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva stützt sich auf die konservativen Schichten in den Streitkräften, der Staatsbürokratie und der Monarchie, die Thaksin 2006 mit einem Militärputsch stürzten und dann im vergangenen Jahr zwei gewählte Pro-Thaksin-Regierungen in die Wüste schickten. Das Militär, das im Dezember Abhisit zu seinem Amt verhalf, fasste die Anti-Thaksin-Demonstranten im vergangenen Jahr mit Samthandschuhen an, ganz im Gegensatz zu ihrem jetzigen Vorgehen. Am Montag umzingelten Truppen die letzten Demonstranten und drohten mit einem Blutbad am Dienstag. Polizei und Justiz, die sich letztes Jahr ruhig verhielten, als Demonstranten die Flughäfen Bangkoks besetzten, drohen jetzt, die Führer der Proteste vom Montag wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht und Erregung öffentlichen Ärgernisses zu belangen.

Das Vorgehen der Regierung entlarvt den Charakter von Abhisits Demokratischer Partei, die sich seit Jahrzehnten als Gegner der Militärjunten des Landes gerierte. 1992 waren die Demokraten die Nutznießer großer Proteste in Bangkok, die zum Ende der Militärherrschaft führten. Nach der Asienkrise von 1997-98 setzte die Partei das Stabilisierungsprogramm des IWF durch und geriet wegen des sinkenden Lebensstandards unter starken Beschuss aus der Bevölkerung. Im Rahmen der Konflikte mit Thaksin zögerten die Demokraten nicht, zu antidemokratischen Mittel zu greifen. Zum Beispiel unterstützten sie den Putsch von 2006. Am Sonntag verhängte Abhisit unverzüglich den Ausnahmezustand und beorderte Truppen und Panzer nach Bangkok.

Der Milliardär Thaksin und seine Anhänger sind aber weder "Freunde der Armen" noch Verteidiger demokratischer Rechte. Thaksin und seine Partei Thai Rak Thai (Thais lieben Thailand) machten sich 2001 die verbreitete Feindschaft gegen die Demokraten zunutze und übernahmen die Regierung auf der Grundlage populistischer Versprechen und der Zusage, thailändische Unternehmer zu stärken. Seine begrenzten Zuwendungen an die Armen in der Stadt und auf dem Land konnte er finanzieren, weil sich die thailändische Wirtschaft in einer Erholungsphase befand. Das war aber nicht die Folge der "Thaksinomics", sondern steigender Exporte, die besonders in die USA gingen. Aber seine Wirtschaftspolitik und seine Vetternwirtschaft vergrätzten die traditionellen thailändischen Eliten, die die Felle ihres eigenen Korruptionssystems davon schwimmen sahen.

Um sein Ansehen in diesen Kreisen zu erhöhen, brach Thaksin 2003 eine reaktionäre Law und Order Kampagne vom Zaun, in der die Polizei hunderte angeblicher Drogendealer ermordete. Seit 2005 stachelte er anti-moslemische Stimmungen unter der buddhistischen Mehrheit des Landes an und befahl eine militärische Unterdrückungskampagne gegen muslimische Separatisten in den südlichen Provinzen des Landes. Als sich Opposition zu regen begann, bedrohte Thaksin seine Kritiker und nahm die Medien an die Leine. Im Jahr 2006 führte Unmut über seinen autokratischen Regierungsstil zu großen, regierungskritischen Protesten.

Beide Fraktionen der herrschenden Elite haben den Wunsch der Bevölkerung nach demokratischen Rechten im Kampf um die politische Macht für ihre Zwecke benutzt, um die Wirtschaftspolitik in ihrem jeweiligen Interesse zu beeinflussen. Wochenlang nutzten die Führer der Thaksin-freundlichen Vereinigten Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD) gerne den Unmut in der Bevölkerung, um Druck auf die vom Militär gestützte Regierung auszuüben. Aber sie waren schockiert, als Teile der städtischen Armen begannen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Nachdem sie die Demonstranten zuerst noch mit Aufrufen zu einer "Volksrevolution" angestachelt hatten, bliesen Thaksin und die UDD die Proteste dann eilig ab.

Diese Ereignisse demonstrierten wie aus dem Lehrbuch, wenn auch im Miniaturformat, die Rolle bürgerlicher Führer in Ländern wie Thailand. Das zwanzigste Jahrhundert war voll von politischen Figuren, die mit demokratischen oder sogar sozialistisch klingenden Parolen an die Massen appellierten, aber die Bewegungen zerstreuten und sogar angriffen, sobald sie ihrer Kontrolle zu entgleiten und das kapitalistische System zu bedrohen begannen.

Der antidemokratische Charakter der herrschenden Eliten Thailands bekräftigt die grundlegende Aussage von Leo Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution, nämlich die Unfähigkeit der nationalen Bourgeoisie in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung, die demokratischen Bestrebungen und sozialen Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung zu befriedigen. Nur das Proletariat kann wirklich demokratische Rechte garantieren und eine Agrarreform durchführen, indem es die ländlichen Massen mobilisiert und für eine Arbeiter- und Bauernregierung mit einem sozialistischen Programm kämpft.

Die jüngsten politischen Unruhen in Thailand haben plastisch demonstriert, dass die Arbeiterklasse keine unabhängige politische Stimme hat. Insoweit Arbeiter an den Auseinandersetzungen beteiligt waren, waren sie Manövriermasse in den Fraktionskämpfen der herrschenden Klasse. Das Fehlen einer wirklich sozialistischen Partei ist Teil des schrecklichen Erbes des Stalinismus in Thailand und in der ganzen Region. Die Maoisten der Kommunistischen Partei Thailands (KPT) stützten sich nicht auf die Arbeiterklasse, sondern auf den bewaffneten Guerillakampf von Teilen der Bauernschaft. Der stalinistischen Zwei-Stadien-Theorie folgend bestand die KPT darauf, dass das unmittelbare Ziel nicht der Sozialismus sei, sondern eine demokratische Regierung, zu der auch "progressive" Teile der nationalen Bourgeoisie gehören müssten.

In der Zeit der radikalen Studentenbewegung flohen hunderte Aktivisten in den Dschungel und schlossen sich der KPT an, nachdem Militär, Polizei und rechte Milizen 1976 an der Universität Thammasat ein brutales Massaker an Studenten begangen hatten. Die meisten kamen nach und nach nach Bangkok zurück, weil sich ihre Illusionen in die KPT verflüchtigt hatten. Sie nutzten dazu die gelegentlichen Amnestien, mit denen die Armee ihre systematische Unterdrückung kurzzeitig unterbrach. Solche Aktivisten sind heute im Pro-Thaksin- Lager, aber auch im Lager der Thaksin-Gegner zu finden. Sie versuchen die rechte Orientierung dieser Bewegungen mit links klingenden Phrasen zu verdecken. Die Ex-Radikalen Phumtham Vejjauyachai, Praphat Panyachatrak und Surapong Seubwonglee bekleideten zum Beispiel wichtige Positionen in Thaksins TRT und formulierten seine Sozialpolitik.

Die erschreckte Reaktion der zum ASEAN-Gipfel in der letzten Woche versammelten Führer auf die Proteste in Thailand ist ein klares Zeichen dafür, dass sie zu Hause ähnliche Unruhen befürchten und sich entsprechend darauf vorbereiten müssen. Auch die Arbeiterklasse muss ihre Vorbereitungen treffen. Für sie bedeutet das vor allem, die notwendigen politischen Lehren aus den vergangenen Niederlagen zu ziehen. In der ganzen Region sind Arbeiter seit Jahrzehnten von stalinistischen Parteien, vor allem in ihrer maoistischen Variante, in die Irre geführt und verraten worden. Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Verwandlung Chinas in das kapitalistische Billiglohnparadies für die ganze Welt durch die Führer der zu Unrecht so genannten Kommunistischen Partei.

Um aus der gegenwärtigen politischen Sackgasse heraus zu kommen, müssen ein Programm und eine Perspektive ausgearbeitet werden, die von den historischen Interessen der Arbeiterklasse ausgehen. Dabei muss sich die Arbeiterklasse auf den langen Kampf der trotzkistischen Bewegung - des Internationalen Komitees der Vierten Internationale - für das Programm der Permanenten Revolution gegen den Stalinismus und alle Formen von politischem Opportunismus stützen. Wir fordern alle Arbeiter und Jugendlichen in Thailand und in der ganzen Region auf, diese Geschichte zu studieren und die entscheidenden politischen Lehren zu ziehen, die für den Aufbau einer Sektion des IKVI notwendig sind.

Siehe auch:
Thailands Putschführer unterdrücken demokratische Rechte
(27. September 2006)
Neuer Premierminister in Thailand gewählt Politische Unruhe dauert an
( 24. September 2008)
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