Republik Moldau: Pro-EU-Kräfte gewinnen Parlamentswahl

In der Republik Moldau haben die westlich orientierten Oppositionsparteien bei der zweiten Parlamentswahl innerhalb von vier Monaten eine knappe Mehrheit gewonnen. Ihr Wahlsieg wird die politische Krise in dem von Armut und nationalen Gegensätzen zerrissenen Land weiter verschärfen.

Die seit 2001 regierende Kommunistische Partei (PRCM) unter Führung von Staatspräsident Vladimir Voronin wurde zwar mit 46 Prozent stärkste Kraft, erhielt aber nur noch 46 Mandate. Die Liberaldemokratische Partei Moldovas von Vlad Filat erreichte16,4 Prozent, die Liberale Partei 14,4 und die Demokratische Partei des ehemaligen Parlamentspräsidenten Marian Lupu 12,6 Prozent. Zusammen mit dem Bündnis Unser Moldova (7,4 Prozent) eroberten diese Parteien 53 Mandate. Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei 59 Prozent.

Die Oppositionsparteien haben bereits angekündigt, eine Regierung ohne die PRCM bilden zu wollen, was einige Beobachter dazu brachte, von einer "Zeitenwende" und dem "Einzug demokratischer Verhältnisse" zu sprechen. Doch davon kann keine Rede sein.

Bei der ersten Parlamentswahl im April hatte die PRCM noch die absolute Mehrheit errungen. Darauf beschuldigte die Opposition die Regierungspartei, die Wahlen manipuliert zu haben. Sie mobilisierte auch einige Tausend meist junge Menschen, die sich unter Führung extrem rechter Organisationen blutige Straßenschlachten mit der Polizei lieferten.

Obgleich internationale Beobachter die Wahlen als fair beurteilten, korrigierte Voronin unter dem Druck der Rechten das Ergebnis und verlor dadurch die absolute Mehrheit. Die Oppositionsparteien verhinderten daraufhin die Neuwahl des Staatsoberhauptes, für die eine Drei-Fünftel-Mehrheit erforderlich ist, und zwangen Voronin zur Ausrufung von Neuwahlen.

Der Wahlerfolg der Opposition ist allein auf den schwindenden Rückhalt der PRCM zurückzuführen. Innenpolitisch setzte diese immer schärfere Kürzungen gegen die verarmte Bevölkerung durch, die Arbeitslosigkeit stieg rasant an, und obwohl Voronin um ein gutes Verhältnis zu Russland bemüht war, suchte er immer stärker die Anbindung an die EU, was in der Bevölkerung auf große Skepsis stieß.

Den liberalen Oppositionsparteien geht es nicht um mehr Demokratie, sondern um die Interessen einer Schicht von Unternehmern und Geschäftsleuten, die nicht den regierenden Kommunisten nahe stehen und eine stärkere Anbindung an Rumänien und die Europäische Union fordern. Ein Blick auf die Oppositionsführer macht dies deutlich.

Vlad Filat von den Liberaldemokraten war lange Jahre in der rumänischen Privatwirtschaft tätig, bevor er 1998 nach Moldawien zurückkehrte und Generaldirektor des Amtes für Privatisierung und Verwaltung von Staatseigentum wurde. Von März bis November 1999 war er Staatsminister in der moldawischen Regierung. In dieser Zeit trieb er die Privatisierung von Staateigentum rigoros voran und arbeitete aufs Engste mit der PRCM zusammen. Nach den Wahlen im Frühjahr beteiligte sich Filat dann an den Protesten gegen die Regierung.

Ähnlich verhält es sich mit dem Chef der Demokratischen Partei. Nach dem Studium arbeitete Marian Lupu für den Internationalen Währungsfonds und die Weltgesundheitsorganisation WHO. Gleichzeitig war er Mitglied der Kommunistischen Partei, die ihn 2001 zum stellvertretenden Wirtschaftsminister und zwei Jahre später, im August 2003, zum Wirtschaftsminister machte. 2005 übernahm er unter Voronin den Vorsitz des Parlaments. Nach den Wahlen im April galt er noch als möglicher Nachfolger Voronins. Kurz nach den Wahlen trat Lupu aber aus der Kommunistischen Partei aus und wechselte in die Demokratische Partei, die mit starker Unterstützung der deutschen SPD gegründet wurde.

Wie in vielen anderen osteuropäischen Staaten werden die erbitterten Kämpfe innerhalb der herrschenden Elite als Kampf um Demokratie dargestellt. Tatsächlich geht es um Macht, Reichtum und Einfluss, wobei einzelne Politiker häufig die Fronten wechseln und neue Allianzen bilden.

Wie im Nachbarland Ukraine sind heftige Spannungen unter den pro-westlichen Kräften vorprogrammiert. Die tief zerstrittenen Lager sind gegenseitig auf Stimmen angewiesen, um einen neuen Präsidenten zu wählen. "Es steht ein schwieriger Machtkampf bevor, bei dem eine gegenseitige Blockade sehr wahrscheinlich ist", zitiert das Handelsblatt den moldawischen Politologen Vlad Kulminsky. "Nach diesem aggressiven und persönlich verletzenden Wahlkampf müssen alle nach einem Kompromiss suchen, bei dem jeder sein Gesicht wahrt."

Vor allem wird die Bildung einer neuen Regierung die nationalen Spannungen in dem kleinen, zwischen Rumänien und der Ukraine gelegenen Land verschärfen, das gerade halb so groß ist wie Österreich. Wie zu erwarten bejubelten rumänische Politiker und Medien das Wahlergebnis als "Entsowjetisierung" des Nachbarn.

Die Europäische Union begrüßte das Ergebnis der Wahl wesentlich vorsichtiger. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana erklärte, es sei jetzt an den Führungspersonen, im Geiste der Versöhnung an einer neuen Regierung zu arbeiten, um das Land aus der Krise zu führen.

Die EU-Vertreter fürchten, die Opposition könnte den in den letzten Jahren zur Ruhe gekommenen Konflikt um die autonome Republik Transnistrien wieder aufflammen lassen, nachdem die PRCM mit Unterstützung Russlands den Status Quo verteidigt hatte.

Der Konflikt um Transnistrien war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entflammt. 1989 hatte sich in Moldawien die so genannte Volksfront, eine von rechtsextremen Organisationen durchdrungene Sammelbewegung gebildet, die die Loslösung Moldawiens von der Sowjetunion anstrebte. Dagegen wehrten sich vor allem die Industriearbeiter im Osten des Landes. Nach Generalstreiks im Sommer 1989 sprach sich dann bei Volksabstimmungen in Rybnica und der späteren Hauptstadt Tiraspol eine große Mehrheit für die Bildung einer unabhängigen "Sowjetrepublik Transnistrien" aus.

Im Sommer 1990 erklärte auch Moldawien seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Nachdem es im August 1991 auch offiziell unabhängig wurde, erkannte es Transnistrien nicht an und formierte Sondereinheiten, die die abtrünnigen transnistrischen Gebiete "heimholen" sollten. Bis zum Frühjahr 1992 wuchs sich der Konflikt zu einem regelrechten Krieg aus, bei dem über tausend Menschen ihr Leben verloren. Mit Hilfe in Tiraspol stationierter russischer Truppen verteidigte sich Transnistrien.

Unter den gegenwärtigen katastrophalen wirtschaftlichen Bedingungen könnte der Konflikt um Transnistrien leicht wieder aufflackern. Es gibt in der herrschenden Elite Moldawiens genügend Kräfte, die am Schüren nationaler Spannungen interessiert sind, um von den schreienden sozialen Gegensätzen abzulenken. Ähnlich wie in Georgien, wo es ähnliche Konflikte um Südossetien und Abchasien gibt, hoffen sie zudem auf die Unterstützung antirussischer Kräfte in Europa und den USA.

Die Wirtschaftskrise hat die Situation in dem ohnehin bettelarmen Land weiter verschärft. Der monatliche Durchschnittslohn beträgt gerade einmal 80 Euro. Nachdem wegen der internationalen Krise viele Betriebe die Produktion eingestellt haben, liegt die tatsächliche Arbeitslosigkeit zwischen 30 und 60 Prozent. Der IWF erwartet für dieses Jahr einen weiteren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um neun Prozent.

Mit dem Elend steigt auch die Zahl derer, die das Land verlassen wollen. Schon jetzt sind die Beträge, die im Ausland arbeitende Moldawier in ihre Heimat schicken, größer als der Jahresetat des Landes. Nachdem Moldawier ohne Probleme die Grenze zu Rumänien passieren können, werden immer mehr an der Grenze zu Ungarn abgefangen.

Das Internetmagazin tol berichtete kürzlich über den Moldawier Vasile A., der bei dem Versuch, mit gefälschten Papieren die ungarische Grenze zu passieren, verhaftet wurde. Nach seinen Gründen gefragt, antwortete er: "Ich habe Moldawien verlassen, weil wir schrecklich arm sind. Mit einem Monatslohn, den man dort verdient, kann man nicht überleben."

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