Israelische Gräueltaten in Gaza: Politische Sackgasse und moralischer Bankrott

Unschuldige Männer, Frauen und Kinder, die in der UN-Schule al-Fakhora in Gaza Schutz gesucht hatten, sind gestern kaltblütig ermordet worden. Die Verantwortung für dieses Kriegsverbrechen tragen die israelische Regierung und der Generalstab der Armee. Die systematischen Gräueltaten beweisen, dass die Raketenangriffe der Hamas für die israelische Armee nur ein Vorwand sind, um die gesamte palästinensische Bevölkerung zu terrorisieren und zu unterwerfen.

Mindestens 42 Menschen wurden getötet, als vor der Schule im Flüchtlingslager Jabalya, im Norden des Gazastreifens, israelische Granaten einschlugen. Weitere 55 Menschen wurden verletzt, mindestens fünf von ihnen schweben noch in Lebensgefahr. Zeugen beschrieben eine Horrorszene. Opfer wurden von Granatsplittern getroffen und zu Boden geworfen. Sie lagen in großen Blutlachen auf der Straße. Nach dem Angriff sagte Krankenhausmitarbeiter Fares Ghanem zu Associated Press: "Frauen und Kinder wurden eingeliefert. Vielen Verwundeten fehlten Gliedmaße, und viele der Toten waren in Stücke gerissen."

Der Angriff wurde mit voller Absicht ausgeführt. Das wird von der Tatsache unterstrichen, dass die Schule nicht von einer zufälligen, aus 3.000 Metern Höhe abgeworfenen Bombe, sondern von gezielt abgeschossenen Granaten, getroffen wurde. Der Direktor der UN-Hilfsorganisation UNRWA in Gaza, John Ging, sagte, die israelische Armee habe die genauen Koordinaten der Schule gekannt, die übrigens klar gekennzeichnet war. Er sagte, die Schule habe in einem dicht bebauten Gebiet gelegen: "Natürlich musste jedem klar sein, dass es eine hohe Zahl von Opfern geben musste, wenn Granaten auf dieses Gebiet abgefeuert würden." Zum Zeitpunkt des Angriffs suchten 350 Menschen Schutz in der Schule.

Die israelische Armee gab eine Erklärung heraus, dass ihre Kräfte auf Mörserbeschuss aus der Schule reagiert hätten, und dass Hamas schon wieder Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" missbraucht habe. Dieser Vorwurf wird regelmäßig erhoben, um Gräueltaten der israelischen Streitkräfte zu rechtfertigen. UNRWA-Sprecher Ging wies die Behauptung zurück, Hamas-Kämpfer nutzten seine Schutzräume. "Es gibt in Gaza keine sicheren Orte mehr. Jeder hier ist in Todesangst und traumatisiert", sagte er. UN-Vertreter Maxwell Gaylard verlangte eine unabhängige Untersuchung und sagte, die Verantwortlichen für den Bruch internationalen Rechts müssten zur Verantwortung gezogen werden.

Der israelische Beschuss der al-Fakhora-Schule ist kein isolierter Einzelfall. Ging berichtete, dass gestern bei einem anderen israelischen Luftschlag gegen eine Schule in einer Gegend, wo zu der Zeit keine Kämpfe stattfanden, drei Palästinenser getötet worden seien. Das UNRWA verfügt über 23 Schulen, die für den Schutz von 15.000 Flüchtlingen hergerichtet wurden, die von der israelischen Armee aus ihren Häusern vertrieben wurden. Gestern Morgen wurde ein Gebäude in direkter Nachbarschaft zu einem UN-Gesundheitszentrum von israelischem Feuer getroffen. Dabei wurden zehn Menschen verwundet, darunter sieben Mitarbeiter und drei Patienten. Das Internationale Rote Kreuz berichtete, dass auch eine Ambulanzstation getroffen und ein Sanitäter verletzt worden sei.

Reuters zufolge wurden gestern mindestens 75 palästinensische Zivilisten getötet. Das weist auf einen scharfen Anstieg der Opferzahlen seit Beginn der israelischen Bodenoffensive vor vier Tagen hin. Eric Fosse, ein norwegischer Arzt am Shifa-Krankenhaus in Gaza, sagte CNN, er habe am Montag mehr Frauen und Kinder unter den Opfern gesehen als an jedem anderen Tag. Auch die meisten der verwundeten Männer seien Zivilisten gewesen. Die australische Fernsehanstalt ABC berichtete, die Anzahl der Toten in Gaza habe gestern 660 erreicht habe.

Wie die Financial Times heute berichtet, sind mindestens 115 Opfer noch Kinder. Tausende Menschen seien von der schrecklichen Erfahrung ständigen Bombardements, fehlender Elektrizität und dem Mangel an Wasser und Nahrung tief traumatisiert. "Schon vor Beginn der israelischen Angriffe litten 50.000 Kinder in Gaza wegen der Blockade unter Mangelernährung", heißt es in dem Artikel. Und weiter: "Diese Zahl ‚könne sich um viele Tausend erhöht haben’, warnte Isama Damo, die in Gaza für die Menschenrechtsgruppe Rettet die Kinder arbeitet. Viele Lebensmittelläden sind geschlossen und frische Nahrungsmittel wie Milch, Käse und Obst sind knapp."

Der Beschuss der al-Fakhora-Schule entlarvt die israelische Lüge, der Krieg gegen die Palästinenser sei gerechtfertigt, da er ein Akt der "Selbstverteidigung" sei. Die israelische Armee versucht verzweifelt, die Fähigkeit der Palästinenser zu vernichten, sich gegen ihre Jahrzehnte lange Unterdrückung zu wehren. Wenn israelische Sprecher die Hamas als "terroristisch" verurteilen, dann richtet sich ihr Hass in Wirklichkeit gegen die eineinhalb Millionen Menschen, die in diesem schmalen Streifen Land eingepfercht sind, der als der Gazastreifen bekannt ist.

Der ehemalige israelische Vize-Ministerpräsident Natan Sharansky verurteilte gestern im Wall Street Journal die Uno, weil sie den "Kern des Problems" - die palästinensischen Flüchtlingslager in Gaza - nicht eliminiert habe. Er nannte die Lager "das einzigartige Kontrollsystem der Terroristen" und ihre Schulen "Indoktrinationszentren für Märtyrer" und beschuldigte die UNRWA, "dem Ziel der Terroristen dienlich zu sein, die gesamte zivile Bevölkerung unter ihrem Daumen zu halten". Sharanskys Wüten entlarvt die faschistoide Denkweise hinter den absichtlichen Angriffen Israels auf die Lager, die UNRWA und die al-Fakhora-Schule.

Der gestrige Angriff passt definitiv zur Vorgehensweise der israelischen Armee. 2006 führte die Armee eine ähnliche militärische Offensive im Südlibanon, um die schiitische Hisbollah-Miliz und ihre Unterstützung in der Bevölkerung zu zerstören. Bei wiederholten Raketenangriffen auf die Stadt Kana kamen mindestens 57 Bewohner um, unter ihnen 37 Kinder. Die israelische Armee zerstörte auch einen UN-Beobachtungsposten und erzwang dadurch den Abzug der UN-Beobachter. Dadurch beseitigte sie die Zeugen ihrer Verbrechen.

Der Einsatz solcher Terrormethoden geht bis auf die Entstehung des zionistischen Staates zurück, als israelische Truppen und bewaffnete Banden Gräueltaten gegen palästinensische Dörfer und Städte begingen, um Millionen Araber aus israelischen Gebieten zu vertreiben. Zu der langen Liste von Terrormaßnahmen gegen Palästinenser gehören auch die Massaker in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila im Libanon 1982. Sie folgen unausweichlich aus der reaktionären Logik des Zionismus: Die Gründung eines jüdischen Staates erforderte zwangsläufig das Herumtrampeln auf den Rechten des palästinensischen Volkes.

Die Perspektive, die dem Angriff auf die Bevölkerung des Gaza zugrunde liegt, fand in einem Brief Ausdruck, den der ehemalige sephardische Oberrabbi Mordechai Eliyahu 2007 an den israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert schickte. Darin forderte er, das ganze Gebiet mit Bombenteppichen zu belegen. Einem Bericht der Jerusalem Post zufolge schrieb Eliyahu, die ganze Bevölkerung sei moralisch für die Raketenangriffe auf israelisches Territorium verantwortlich. Sein Sohn, ebenfalls ein prominenter Rabbi, sagte der Zeitung, die israelische Luftwaffe "muss so viele töten, wie notwendig, damit das aufhört" - hundert, tausend, zehntausend, hunderttausend, selbst eine Million Menschen.

Diese Äußerungen erinnern deutlich an die Methoden der kollektiven Bestrafung, mit denen die Nazis im Zweiten Weltkrieg versuchten, den Widerstand gegen ihre Herrschaft in ganz Europa zu brechen. Sie widerspiegeln die völlige Hilflosigkeit der herrschenden Kreise Israels und die Sackgasse, in der das ganze zionistische Projekt heute steckt. Der Einsatz massiver militärischer Gewalt, um den palästinensischen Widerstand in Gaza zu brechen, kann Israel nur noch tiefer in den Morast reiten. Man fragt sich: was kommt als nächstes? Die gewaltsame Vertreibung aller Araber aus Israel?

Die US-Regierung hat mit ihrer Blockade eines Waffenstillstands dem israelischen Militär freie Hand für die Verstärkung seiner Angriffe gegeben. Die Reaktion der Bush-Regierung auf die Ermordung von Zivilisten in der al-Fakhora-Schule unterschied sich praktisch in Nichts von der israelischen. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino, sagte den Medien: "Ziehen Sie keine voreiligen Schlussfolgerungen... Wir wissen, dass Hamas sich oft hinter Unschuldigen versteckt und Unschuldige, sogar Kinder, als menschliche Schutzschilde missbraucht." Mit den gleichen Vorwänden haben die USA ihre eigenen Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan gerechtfertigt.

Andere imperialistische Mächte wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland gehen bei ihrer Unterstützung Israels etwas diskreter vor. Aber auch sie machen Hamas für den Konflikt verantwortlich. Auch sie verlangen die Aufgabe jeden Widerstands gegen Israels Angriffe als Preis für einen Waffenstillstand. Auch die bürgerlichen Regimes des Nahen Ostens stärken Israel den Rücken. Alle versuchen die Krise für ihre eignen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen zu nutzen - auf Kosten der palästinensischen Massen und der Arbeiterklasse der ganzen Region. Das trifft sowohl auf jene zu, die Israel offen unterstützen, wie Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien, als auch auf jene, die Unterstützung für die Palästinenser heucheln, wie Iran und Syrien.

Trotz der umfassenden Unterstützung der Großmächte und der internationalen Medien für Israel wendet sich die öffentliche Meinung weltweit schnell gegen die Schlächterei in Gaza. Der einseitige Krieg ruft Schock und Abscheu hervor, auch bei Intellektuellen und klassenbewussten Arbeitern in Israel, die entsetzt sind über die Verbrechen, die in ihrem Namen begangen werden. Der wirkliche Verbündete des palästinensischen Volkes ist die internationale Arbeiterklasse, darunter die arabischen und jüdischen Arbeiter. Sie müssen sich gegen die herrschende Elite Israels, die bürgerlichen Regimes im Nahen Osten und den amerikanischen und den Weltimperialismus zusammenschließen und den Kampf für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens aufnehmen.

Siehe auch:
Die New York Times und Gaza: Rechtfertigung von Völkermord
(30. Dezember 2008)
Washington trägt Mitschuld an Kriegsverbrechen in Gaza
( 2. Januar 2009)
Hände weg von Gaza
( 6. Januar 2009)
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