Putsch in Honduras: Wieder eine Destabilisierungsaktion der USA

Zwar unterstützt die Obama-Regierung den Militärputsch vom Sonntag in Honduras nicht öffentlich, mit dem Präsident Manuel Zelaya gestürzt wurde. Aber sie ließ am Montag erkennen, dass sie weder beabsichtigt, die Hilfen an das zentralamerikanische Land zu streichen, noch Zelayas Wiedereinsetzung zu verlangen.

Nach einem Treffen im Weißen Haus mit Washingtons engstem Verbündeten in Lateinamerika, dem kolumbianischen Präsidenten Alavaro Uribe, bekräftigte Präsident Obama seine Haltung, der zufolge Zelayas Absetzung illegal sei. Außenministerin Hillary Clinton erklärte jedoch Reportern bei einem Pressegespräch im Außenministerium, die US-Regierung zögere, die Absetzung Zelayas offiziell als "Putsch" zu bezeichnen.

Nach dem Auslandshilfegesetz dürfen die USA keinem Land Entwicklungshilfe leisten, dessen gewählte Regierung durch einen Militärputsch gestürzt wurde. Honduras erhält von den USA dieses Jahr 43 Millionen Dollar Hilfe, und das Land beherbergt unter anderem einen wichtigen Militärstützpunkt, auf dem achtzig Kilometer von der Hauptstadt Tegucigalpa entfernt 600 US-Soldaten stationiert sind. Auch haben die USA ihren Botschafter nicht aus Honduras abberufen.

Montagfrüh wurde Clinton gefragt, ob dass amerikanische Ziel, "die Demokratie in Honduras wiederherzustellen", auch bedeute, dass die USA die Wiedereinsetzung Zelayas in sein Amt verlangten. "Wir haben noch keine Forderungen formuliert, auf denen wir bestehen", entgegnete Clinton.

Die offizielle amerikanische Linie lautet, man habe erfolglos versucht, das honduranische Militär von dem Putsch abzuhalten. Das läuft aber auf die stillschweigende Anerkennung hinaus, dass Washington über die Putschpläne voll informiert war.

Die USA unterhalten seit vielen Jahren enge Beziehungen zum honduranischen Militär, sie haben über Jahrzehnte hinweg immer wieder Putsche und Militärdiktaturen in dem Land und in der ganzen Region unterstützt und versuchen bis heute, die Regierung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez zu destabilisieren. In Anbetracht dessen ist es einfach unglaubhaft, dass die USA bei der Beseitigung eines Verbündeten von Chavez in Lateinamerika keine Rolle gespielt haben sollen.

Der Putsch vom Sonntag war der Höhepunkt einer scharfen politischen Krise in dem verarmten Land. Zelaya, ein reicher Rancher, wurde 2005 als Kandidat der bürgerlichen Liberalen Partei gewählt. Er hatte mit einem rechten Programm kandidiert, änderte in den nächsten Jahren aber seine Position, wandelte sich zu einem Populisten und Nationalisten, um der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung entgegenzukommen, und schloss sich Kuba, Venezuela, Ecuador und Bolivien an. Diese Länder werden von Washington als Hindernis für seine Interessen in Lateinamerika betrachtet.

Anfang Juni war Zelaya Gastgeber eines Gipfeltreffens der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Auf diesem treffen wurde der Jahrzehnte lange Ausschluss Kubas aus der Organisation aufgehoben. Zelaya gehörte zu den entschiedensten Befürwortern einer Wiederzulassung Kubas und trug dazu bei, dass die Bemühungen der USA, die politische Quarantäne des Castro-Regimes aufrecht zu erhalten, scheitern mussten.

Zelaya erwarb sich zunehmend die Feindschaft der honduranischen Wirtschaftselite, der Militärführung und der Kirche, d.h. von den Kräften, die am stärksten mit dem US-Imperialismus verbunden sind. Am 12. Juni geriet Zelayas Limousine, die von einer Motorradeskorte begleitet wurde, unter Beschuss. Mindestes eine Kugel traf die Präsidenten-Limousine und zerstörte die Windschutzscheibe.

Zelayas Absicht, ein Referendum über eine Verfassungsänderung durchzuführen, wurde zum Vorwand für den Putsch genommen. Seine Gegner sahen in dem Referendum einen Versuch, die in der Verfassung verankerte Begrenzung der Präsidentschaftsdauer auf nur eine vierjährige Amtszeit zu kippen. Bei dem Referendum sollte darüber entschieden werden, ob am 29. November, zeitgleich mit Nationalwahlen, eine Abstimmung zur Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung stattfinden solle.

Anfang des Monats erklärte der Oberste Gerichtshof von Honduras das Referendum für verfassungswidrig, und Armeechef General Romeo Vasquez weigerte sich, es stattfinden zu lassen. Als Zelaya Vasquez entließ, hob das Oberste Gericht diese Entscheidung auf und setzte den General wieder ein. Am vergangenen Donnerstag marschierte Zelaya an der Spitze einer Demonstration, um die Stimmzettel, die vom Militär unter Verschluss gehalten wurden, heraus zu holen.

Als Zelaya das Referendum, dessen Charakter zwischenzeitlich in eine unverbindliche Meinungsumfrage verändert worden war, am Sonntag dennoch durchführen wollte, stürmte das Militär in sein Haus, nahm in fest und flog ihn nach Costa Rica aus. Der honduranische Kongress wählte mit Zustimmung des Obersten Gerichts Roberto Micheletti zum "Interimspräsidenten". Micheletti war bisher Parlamentspräsident und ist Mitglied von Zelayas Liberaler Partei.

Das Militär verhängte de facto den Belagerungszustand über Tegucigalpa, unterbrach die Stromversorgung, hinderte Zelaya freundliche Medien am Erscheinen und verhaftete offenbar den Außenminister und andere Regierungsvertreter. Kuba erhebt den Vorwurf, dass sein Botschafter in Honduras und die Botschafter von Nicaragua und Venezuela von Truppen misshandelt worden seien.

Seit Sonntag stehen sich vor dem Präsidentenpalast Soldaten und Zelaya freundliche Demonstranten gegenüber. Am Montag gab es Berichte über Tränengasattacken auf die Demonstranten.

Zelaya hat geschworen, sein Amt wieder zu übernehmen. Folgende Länder und Organisationen haben den Putsch verurteilt: die USA, die Europäische Union, die OAS, die Vereinten Nationen, sowie die Staats- oder Regierungschefs Venezuelas, Boliviens, Nicaraguas, Kolumbiens und weiterer mit Zelayas Regierung befreundeter Länder, die sich am Sonntagabend in Managua trafen.

Zu Recht hat Chavez den Putsch als offene Drohung gegen seine Regierung bezeichnet. Er hat die USA der Komplizenschaft beschuldigt und behauptet, Otto Reich habe seine Finger im Spiel, ein Mann, der seit Jahrzehnten gegen Castro intrigiert und der Liebling der Castro-feindlichen Exilanten in Miami ist. Reich spielte als Mitarbeiter des Außenministeriums unter der Reagan-Regierung eine Schlüsselrolle in der Iran-Contra-Verschwörung. Damals autorisierte Reagan die geheime Finanzierung der anti-sandinistischen Contras in Nicaragua. Er tat dies in bewusster Verletzung des Boland-Amendments, eines Gesetzeszusatzes, der vom Kongress verabschiedet worden war, um die Regierung daran zu hindern, die Todesschwadronen der Contras zu finanzieren.

Reich war einer von mehreren Iran-Contra-Veteranen, die in der Regierung von George W. Bush Regierungsposten erhielten. Er wurde stellvertretender Außenminister für die westliche Hemisphäre.

In den 1980er Jahren nutzten die USA den Süden von Honduras als Operationsbasis für ihren Stellvertreterkrieg gegen das linksnationalistisch regierte und mit Kuba verbündete Nicaragua.

Die Ereignisse in Honduras weisen Parallelen zu dem gescheiterten, von den USA unterstützten Putschversuch gegen Chavez in Venezuela auf. Der gegenwärtige US-Botschafter in Honduras, Hugo Llorens, spielte ohne Zweifel eine wichtige Rolle bei dem gescheiterten Versuch, diesen gewählten lateinamerikanischen Präsidenten zu stürzen.

2002 und 2003 war Llorens unter Bush Direktor des Anden-Büros beim Nationalen Sicherheitsrat (NSC). In dieser Position war er der direkte Berater des Präsidenten und des NSC in Fragen, die mit Kolumbien, Bolivien, Peru und Ekuador zu tun hatten.

Auch Otto Reich war in den Putschversuch verwickelt. Er traf sich in der Vorbereitung auf den versuchten Sturz von Chavez mit Führern der venezolanischen Opposition.

Reich sitzt momentan im Vorstand des Western Hemisphere Institute for Security Cooperation in Fort Benning, Georgia. Das Gremium ist besser bekannt als School of the Americas (Schule für ganz Amerika). Zwei der Putschisten vom Sonntag in Honduras - Armeegeneral Romeo Vasquez und Luftwaffengeneral Luis Javier Prince Suazo - wurden in der School of the Amerikas ausgebildet, wie Zehntausende weitere Offiziere - und Führer von Todesschwadronen - in Lateinamerika.

Ein weiterer Absolvent der School of the Amerikas ist Policarpo Paz Garcia, der Honduras von 1980-82 regiert hat. Paz Garcia gründete das Bataillon 3-16, eine in Lateinamerika besonders gefürchtete Todesschwadron.

Die nachrichtendienstliche Web Site Stratfor ging am Montag auf die Überlegungen der Obama-Regierung jenseits der offiziellen Verlautbarungen gegen den Putsch und für Demokratie ein. Sie erklärte, die USA könnten auf Honduras Druck ausüben, und dem könne das Land nicht widerstehen, weil die USA siebzig Prozent der Exporte von Honduras aufnähmen. "Aber", schrieb Stratfor, "das Ziel von wirtschaftlichem Druck wäre, Micheletti zu veranlassen, Schritte zurück zur Demokratie zu machen und offene Wahlen anzusetzen, so wie die, die schon für den 29. November vorgesehen sind. Das würde die USA schon zufriedenstellen."

Die Washington Post zitierte Äußerungen von John Negroponte, dem langjährigen Vertreter des US-Außenministeriums, demzufolge Clintons Ausführungen "in die Richtung gingen, dass die USA zögerten, die bedingungslose Rückkehr Zelayas an die Macht zu fordern". Die Zeitung zitierte Negroponte mit den Worten: "Ich glaube, sie will ein gewisses Druckpotential in der Hand behalten, um Zelaya von seinen Referendumsplänen abzubringen."

Negroponte weiß, wovon er spricht. Er war in den 1980er Jahren US-Botschafter in Honduras und hatte praktisch die Leitung des amerikanischen Stellvertreterkriegs gegen Nicaragua in der Hand, der von Honduras aus geführt wurde.

Es scheint, dass die Obama-Regierung in die Richtung geht, Zelaya entweder endgültig loszuwerden, oder seine Rückkehr an die Macht unter Bedingungen auszuhandeln, unter denen seine Regierung geschwächt ist und sich in eine US-freundlichere Richtung bewegt. Das wiederum hätte die Auswirkung, dass Chavez in Venezuela geschwächt und die Machtbalance in ganz Lateinamerika verschoben würde.

Die Obama-Regierung hat allerdings aus dem katastrophalen Scheitern des Putschs vor sieben Jahren, den die Bush-Regierung gegen Chavez ausgeheckt hatte, etwas gelernt. Sie versucht, ihre wirklichen Ziele zu verbergen, indem sie den Putsch in Honduras in der Öffentlichkeit verurteilt und sich zu demokratischen Wahlen bekennt.

Auch sind die USA momentan gar nicht in der Lage, einen Putsch in Honduras offen zu unterstützen oder öffentlich eine neutrale Haltung einzunehmen. Sie führen zurzeit einen Propagandakrieg gegen den Iran mit dem Argument, dass dort die Regierung unter Präsident Ahmadinedschad angeblich die Wahlen vom 12. Juni gefälscht habe.

Die wirkliche Haltung der Obama-Regierung zu den Ereignissen in Honduras kann man unfehlbar an der Reaktion der amerikanischen Medien ablesen. Unter Führung der New York Times griffen die Medien sofort die Version der iranischen Opposition auf, dass die Wahlen nicht regulär verlaufen seien, ohne irgendwelche konkreten Anhaltspunkte dafür zu benennen. Über die regierungsfeindlichen Demonstrationen wurde non-stop berichtet und so getan, als ob die Dissidentenfraktion des klerikalen Regimes eine "grüne Revolution" für Demokratie anführe.

Im Gegensatz dazu boten die amerikanischen Medien nur eine minimale Berichterstattung über den realen Putsch in Honduras. Über die Polizeistaatsmaßnahmen, Verhaftungen und das gewaltsame Vorgehen des honduranischen Militärs wurde kaum berichtet, und die Proteste gegen den Putsch wurden mit schierem Desinteresse behandelt. Am Montagabend wurden die Ereignisse in Honduras auf allen drei großen Kabelkanälen in den Nachrichten gerade noch erwähnt, weit hinter dem Tod von Michael Jackson.

Wie ist dieser Kontrast zu erklären? Mit der simplen Tatsache, dass die amerikanische Regierung im Iran den Wahlsieger ablehnt, in Honduras jedoch die Putschisten unterstützt, die Zelaya gestürzt haben.

Die Medien, insbesondere die New York Times, die den Putschversuch gegen Chavez 2002 unterstützten, liefern einen weiteren Hinweis für die Verwicklung der USA in den Putsch in Honduras. Als sich die politische Krise in Honduras vor einem Monat verschärfte, veröffentlichte die Times einen provokativen Artikel mit dem Titel, "Chavez sucht Kontrolle über Militär zu verstärken". Der Artikel gab Behauptungen über eine umfangreiche Kampagne gegen Dissidenten im venezolanischen Militär wieder - ohne jegliche Belege. Der Artikel war zweifellos von der CIA lanciert und ein sicheres Anzeichen dafür, dass die USA sich auf einen Umsturzversuch in der Region vorbereiteten.

Siehe auch:
OAS-Abstimmung zeigt schwindenden amerikanischen Einfluss
(9. Juni 2009)
Zur Lateinamerikareise Negropontes: Krise in Amerikas "Hinterhof"
( 22. Juni 2007)