Für eine unabhängige Bewegung an Unis, Schulen und in Betrieben

Kein Vertrauen in Grüne, Jusos und Linke.SDS

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16. November 2009

Die Demonstrationen, die heute auf der ganzen Welt stattfinden und die seit Wochen in ganz Europa anhaltenden Besetzungen von Hörsälen sind ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die profitorientierte Umstrukturierung des Bildungssystems. Die Proteste stehen in direktem Zusammenhang mit den im Zuge der Wirtschaftskrise international aufflammenden sozialen Kämpfen.

Die Forderungen, die an vielen Schulen und Hochschulen in ausführlichen Diskussionen entwickelt wurden, sind sehr zu begrüßen: ein Ende der sozialen Auslese durch Studiengebühren und Eliteförderung, die Demokratisierung der Schulen und Hochschulen sowie eine Aufstockung der Finanzierung des Bildungssektors, um prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu verhindern und alternative Bildungskonzepte umzusetzen.

Es wäre aber völlig falsch zu glauben, dass bloßer Protest ausreichen würde, diese Ziele zu erreichen. Wir sind nicht nur mit der einen oder anderen Fehlentscheidung in der Bildungspolitik konfrontiert, sondern mit der grundlegenden Umstrukturierung des Bildungssystems im Interesse der Märkte. Dieser Kurs wurde von allen offiziellen Parteien unterstützt und auch gegen massive Proteste und Demonstrationen der Betroffenen durchgesetzt.

Im Zentrum der Veränderungen steht die Unterordnung der Bildung unter die unmittelbaren Bedürfnisse des Marktes. An die Stelle der Bildung tritt die schlichte Ausbildung, das Abrichten von Fachidioten im Eilverfahren. Durch die frühere Einschulung, die Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre und schließlich die Einführung der Bachelor-Studiengänge wurde die Lebens-Bildungs-Zeit durchschnittlicher Studierender um mehrere Jahre gesenkt.

Der sogenannte Bologna-Prozess, dem wir etwa die Bachelor und Master-Studiengänge verdanken, zielt außerdem darauf ab, das GATS-Abkommen innerhalb Europas umzusetzen. Das GATS sieht vor, Dienstleistungen und darunter explizit Bildung international frei handelbar zu machen. Die hunderte Milliarden, die international von staatlicher Seite in Bildung investiert werden, sollen privatisiert und damit dem Markt und der Börse zugänglich gemacht werden.

Konkret bedeutet das, dass Kitas, Schulen und Universitäten einer Kosten-/Nutzenrechnung unterworfen werden, bei der alles dem Rotstift zum Opfer fällt, was nicht kurzfristig messbaren Nutzen und Profit abwirft. Der Lernstress wird erhöht, Gebäude und Ausstattung verkommen, kritische Inhalte werden gestrichen und die soziale Selektion schlägt immer stärker durch. Eine umfassende Bildung bleibt einer schmalen Elite vorbehalten, die über Geld und die entsprechenden Kontakte verfügt.

Diese Prozesse verschärfen sich in dem Maße, wie sich die kapitalistische Krise zuspitzt. Mit dem Zusammenbruch der Finanzmärkte hat die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums bizarre Ausmaße angenommen. Wurden in den letzten Jahren bereits in allen gesellschaftlichen Bereichen Einsparungen durchgesetzt, Löhne gekürzt und die Sozialsysteme demontiert, sicherte die Regierung den Besitzern der großen Banken nun bis zu zwei Billionen Euro an Steuergeldern zu. Die schwarz-gelbe Regierung sieht ihre Aufgabe darin, dieses Geld von der Bevölkerung einzutreiben.

Diese Politik der Krise trifft uns dabei nicht nur in Form der Umstrukturierung des Bildungssystems. Nach Turboabi und Bachelor sollen wir mit Anfang 20 möglichst schnell auf einen Arbeitsmarkt gelangen, der von prekären Arbeitsverhältnissen und Niedriglöhnen geprägt ist. Die meisten jungen Akademiker sind längst lohnabhängig und arbeiten unter immer unsicheren Bedingungen. Sie sind Teil der Arbeiterklasse.

Wie die übrigen Teile der arbeitenden Bevölkerung sind wir bei der Verteidigung unserer Rechte nicht nur mit der schwarz-gelben Bundesregierung, sondern mit einer breiten Front aus allen offiziellen Parteien, Unternehmen und Gewerkschaften konfrontiert. Sie alle arbeiten gemeinsam daran, den Kapitalismus auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung zu retten.

Die rot-grüne Bundesregierung hat in ihrer siebenjährigen Amtszeit mit der Agenda 2010 nicht nur heftige soziale Angriffe durchgeführt und die BRD erstmalig in völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt, sondern 1999 auch die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland begonnen. All die Wahlversprechen von freier und gleicher Bildung lösten sich mit der Regierungsübernahme von SPD und Grünen in Luft auf.

Die Linkspartei hat diese Doppelbödigkeit zur Meisterschaft gebracht. Während Jugend- und Studentenverband der Partei auf keiner Demo gegen Bildungsabbau fehlen, veranstaltet die Partei in Berlin zusammen mit der SPD eine Kürzungsorgie nach der anderen.

Allein an den Universitäten hat der rot-rote Senat 75 Millionen Euro gespart, was zur Folge hatte, dass 216 Professuren (nahezu ein Viertel) dem Rotstift zum Opfer fielen, fast 500 Mitarbeiter entlassen wurden, ganze Fakultäten schließen mussten und 10.000 Studienplätze abgebaut wurden.

An den Schulen in Berlin, die sich genauso wie die Universitäten in einem maroden Zustand befinden, wurde die Lehrmittelfreiheit erheblich eingeschränkt. Das bedeutet für Eltern eine Mehrbelastung von bis zu 100 Euro pro Jahr und Kind. Weiterhin hat die rot-rote Regierung in Berlin in den Jahren 2005 und 2006 400 Referendariatstellen gestrichen und damit die prekären Lebens- und Arbeitsverhältnisse von angehenden Lehrern weiter verschärft. Die Arbeitszeit der bereits eingestellten Lehrkräfte wurde parallel dazu um zwei Stunden pro Woche erhöht.

SPD, Linkspartei und Grüne haben sich dabei als völlig unnachgiebig gegenüber dem Druck von der Straße erwiesen. Zahlreiche massive Proteste gegen den Krieg, gegen Hartz4 oder 2003 in Berlin gegen die Kürzungen im Bildungsbereich konnten diese Parteien nicht dazu bewegen, von ihrem Kurs abzuweichen. Sie verteidigen den Kapitalismus und damit die Logik der kapitalistischen Krise.

Die Antwort auf die umfassenden Angriffe kann daher nur eine unabhängige Bewegung von unten sein. Die Besetzung von Hörsälen, die breite Diskussion auf den Vollversammlungen und die Selbstverständigung über Forderungen und Perspektiven sind in diesem Zusammenhang sehr zu begrüßen. Es gilt nun diese Bewegung zum Ausgangspunkt einer allgemeinen Bewegung der arbeitenden Bevölkerung zu machen.

Eine solche Bewegung muss von den alten Bürokratien der offiziellen Parteien und Gewerkschaften unabhängige Strukturen schaffen. Vor allem aber darf sie nicht einfach den immer enger werdenden Rahmen des Kapitalismus akzeptieren. Sie muss sich als internationale Bewegung auf ein sozialistisches Programm stützen, das statt der Bereicherung einer schmalen Schicht an der Spitze das Prinzip der sozialen Gleichheit ins Zentrum stellt.

Der Kampf für eine umfassende und freie Bildung für alle spielt dabei eine wesentliche Rolle. Sie ist die notwendige Voraussetzung für eine wirklich demokratische Gesellschaft. Soll Bildung aber an den Bedürfnissen der Menschen orientiert sein und der Entfaltung jedes Einzelnen dienen, muss sie dem Marktgeschehen entzogen und selbst demokratisch kontrolliert werden. Deshalb ist der Kampf für ein offenes und umfassendes Bildungssystem eng mit dem Kampf für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft verbunden.

Es ist klar, dass die Bildungsproteste Fragen aufwerfen, die nicht einfach an den Unis beantwortet werden können. Wir stehen vor der Aufgabe, eine weltweite soziale Bewegung aufzubauen, die sich den Sturz des Kapitalismus zum Ziel setzt. Die ISSE haben sich als Schüler- und Studentengruppe der Vierten Internationale zum Ziel gesetzt, eine solche Bewegung aufzubauen. Nehmt Kontakt zu uns auf, um dieses Ziel zu unterstützen. Schreibt an isse@gleichheit.de

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