SEP stellt Kandidaten für eine sozialistische Alternative auf

Premierministerin Gillard ruft vorgezogene Neuwahlen aus

Die neue Premierministerin Julia Gillard hat für den 21. August bundesweite Parlamentswahlenwahlen in Australien angesetzt und damit für den Wahlkampf den gesetzlich kürzest möglichen Zeitraum eingeräumt.

Der entscheidende Faktor für die vorgezogenen Wahlen war die Entscheidung von Gillard und den Labor Party-Bossen, sämtliche öffentlichen Diskussionen über den Coup vom 24. Juni, mit dem Kevin Rudd als Premierminister abgelöst wurde, und über die damit verbundenen Ziele zum Schweigen zu bringen

Bei ihrer Rede vor dem National Press Club letzten Donnerstag tauchten neue Enthüllungen darüber auf, wie sie Rudd aus dem Amt gekegelt hat. Daraufhin rief sie zwei Tage später die Wahlen aus.

Am Samstag schrieb Dennis Shanahan, Politikredakteur des Australian, unter der Überschrift "Durchgesickerte Informationen über den Coup machen Wahlen unvermeidlich": "Gillards Alternative war, die nächsten paar Wochen durchzustehen und zu versuchen, sich als neue Führerin und als Neubeginn aufzubauen. Die Wucht der Enthüllungen über Rudds Destabilisierung scheint dem jedoch ein Ende bereitet zu haben."

In den letzten Tagen gab es außerdem mehrere Leitartikel, die Gillard aufforderten, vorgezogene Wahlen abzuhalten, um den üblen Geruch des politischen Meuchelmords an Rudd zu überdecken und eine neue Regierung an die Macht zu bringen, bevor die wirtschaftliche Situation sich verschlimmert. In den herrschenden Kreisen nehmen Befürchtungen angesichts der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit in den USA, der Schuldenkrise der Staaten und Banken in Europa und des sich abschwächenden Wachstums der überhitzten chinesischen Wirtschaft immer mehr zu.

Die Entlassung von Rudd, die von den Fraktionsführern der Labor Party im Auftrag der großen Bergbauunternehmen und der Finanzmärkte durchgesetzt wurde, hat ein Erdbeben in der australischen Wählerschaft ausgelöst. Laut einer Umfrage vom letzten Wochenende glauben zirka 57 Prozent der Wähler, dass die Art und Weise, wie der ehemalige Premierminister abgesetzt wurde, die Chancen einer Wiederwahl Labors beeinträchtigt.

Der Coup vom 23./24. Juni hat die Fassade der parlamentarischen Demokratie heruntergerissen und zumindest teilweise die Wirtschafts- und Finanzinteressen sichtbar werden lassen, die dahinter agieren. Die Führer der Labor Party versuchen jetzt so schnell wie möglich, die Risse wieder zu kitten.

Aber die Wahlen werden genauso wenig "demokratisch " sein wie die Absetzung von Rudd. Gleichgültig welche Partei die nächste Regierung bildet - Labor oder die Liberal-Nationale Parteien-Koalition -, ihr Programm liegt schon fest: Unterstützung für den Krieg der USA in Afghanistan, tiefe Einschnitte bei den Sozialausgaben und eine neue Welle von marktfreundlichen "Umstrukturierungen", die direkt auf Kosten von Arbeitsplätzen, Löhnen und des Lebensstandards von Arbeitern und Jugendlichen durchgesetzt werden.

Auf der Pressekonferenz, auf der sie die Wahlen ankündigte, benutzte Gillard den Ausdruck "vorwärts gehen" 39 mal in 31 Minuten. Ein Zeitungs-Editorial beschrieb ihren Auftritt treffend als "Zombie-ähnlich".

Der Führer der Liberal Party, Tony Abbott, versprach ebenso häufig "wirkliche Maßnahmen". Beide Parteien sind entschlossen in den nächsten fünf Wochen "die Sprachregelungen nicht zu verletzen", um jegliche kritische Untersuchung ihrer Politik zu verhindern.

Die Hohlheit von Gillards Phrasendrescherei wurde beim Ausrufen der Neuwahlen selbst deutlich. Während sie behauptet, sie wolle dem australischen Volk sein "Geburtsrecht" zu wählen geben, haben neue Wähler heute nur elf Stunden, von neun Uhr morgens bis acht Uhr abends Zeit, um sich einzuschreiben. Man schätzt, dass 1,4 Millionen wahlberechtigte Wähler - jeder zehnte, und davon die meisten junge Leute - nicht auf den Wählerlisten stehen.

Seit ihrer Ernennung hat sich Gillard unablässig auf allen Gebieten nach rechts bewegt. Außer die geplante Steuer auf die Superprofite der Bergbauunternehmen wieder zu kassieren, was Verluste von mindestens 7,5 Milliarden Dollar verursacht, hat sie sich verpflichtet, die australischen Truppen unbefristet in Afghanistan zu belassen und sich bemüht, die oppositionelle liberal-nationale Koalition bei der Dämonisierung von Flüchtlingen zu überbieten.

In den letzten Tagen gab es eine beispiellose Annäherung zwischen Labor und den Liberalen. Laut der Zeitschrift Australian gibt es "in vielen Fragen kaum noch einen Zentimeter Unterschied zwischen den beiden Parteien". Am Samstag versprach der Führer der Liberalen, Tony Abbott, die von Labor eingeführte "Fair Work"-Arbeitsrechts-Gesetzgebung für die nächsten drei Jahre unangetastet zu lassen, falls die Koalition an die Macht kommen sollte. Labor hatte die gesamten Anti-Streik-Bestimmungen des vorherigen "WorkChoices"-Modells der Liberalen Howard-Regierung beibehalten.

Ihrerseits hat Gillard die Politik der früheren Howard-Regierung übernommen, Flüchtlinge in ein Internierungslager in einem nahe gelegenen verarmten Land bringen zu lassen - sie zieht im Unterschied zu Howard Ost-Timor vor, der die Nauru- und Manus-Inseln bevorzugte. Außerdem erklärt sie, es "zeichneten sich einige Übereinstimmungen" zwischen ihr und Abbott, speziell in Bezug auf Asylsuchende ab. Beide Führer benutzen die Ankunft mehrerer Boote mit Flüchtlingen in australischen Gewässern in zynischer Weise als ausländerfeindliche Ablenkung von den wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen, die von der Politik der beiden großen Parteien verursacht wurden.

Am ersten offiziellen Wahlkampftag ging Gillard gestern noch einen Schritt weiter und versprach, die Einwanderung zu drosseln; außerdem machte sie Übervölkerung für die verstopften Straßen, die mangelhaften öffentlichen Verkehrsmittel, die rasant steigenden Preise für Wohnungen, Wasser und Strom und die immer schlechter werdenden Sozialeinrichtungen in den großen Städten verantwortlich. Ihre "vertretbare Bevölkerungsgröße" ist der Versuch, die Aufmerksamkeit von den Auswirkungen jahrzehntelanger Unterfinanzierung und Privatisierung abzulenken, für die Labor und die Liberalen gleichermaßen verantwortlich sind. Außerdem stieß sie nicht allzu subtil "Weißes Australien"-Gefühle an, indem sie das Land als "Zufluchtsstätte" gegen die globale Überbevölkerung beschrieb.

Gillard und Abbott haben den Finanzmärkten ein Garantieversprechen gegeben und sich beide dazu verpflichtet, bis 2013 einen Haushaltsüberschuss zu erzielen. Das bedeutet die drastische Kürzung von Sozialausgaben, um die massiven Schulden zurückzuzahlen, die die Konjunkturpakete hinterlassen haben; diese Konjunkturpakete wurden benutzt, um die Banken und Teile der großen Industrie während der globalen Krise 2008-09 zu stützen. In ihrer Rede vor dem National Press Club am letzten Donnerstag kündigte Gillard "schwierige Entscheidungen" und "unpopuläre Kürzungen" an.

Die Grünen, die dritte Partei des politischen Establishments, haben sich beeilt ihre Bereitschaft anzuzeigen, im Interesse der "Stabilität" eine zwanglose Koalition sowohl mit Labor als auch mit den Liberalen einzugehen - d. h. um die existierende Ordnung gegen die wachsende Unzufriedenheit im Volk zu unterstützen. Am Samstag erklärte ihr Führer Bob Brown, er habe mit Gillard und Abbott gesprochen und sei bereit, mit beiden zusammenzuarbeiten.

Die Grünen haben Berichten zufolge gerade ein Wahlabkommen mit Labor besiegelt, das darauf abzielt, Gillard die Zweitstimmen zu sichern, die sie braucht, um im Amt bleiben zu können, und die Grünen im Senat, dem Oberhaus, zum Zünglein an der Waage zu machen. Das Ergebnis wäre eine De-facto-Koalition aus Labor und Grünen, wie jetzt schon im Bundesstaat Tasmanien, und die sich dazu verpflichtet, die Forderungen der Finanzmärkte nach schonungslosen Angriffen auf die soziale Stellung der Arbeiterklasse durchzusetzen.

Die Socialist Equality Party stellt bei den Wahlen Kandidaten auf, damit die arbeitende Bevölkerung eine wirkliche Alternative hat. Die SEP-Kandidaten, die heute vorgestellt wurden, werden ein sozialistisches Programm vertreten, das sich auf die internationale Einheit der Arbeiterklasse gegen die kapitalistischen Sparprogramme und den Krieg gründet und auf den Kampf für eine Arbeiterregierung, um die Gesellschaft im Interesse der Mehrheit und nicht im Interesse der reichen Elite vollständig neu zu gestalten (see: "Australia: Socialist Equality Party announces its 2010 election candidates").

Gegen die Grünen und die pseudo-"linken" Gruppen wie die Socialist Alliance, die die Rückkehr einer Labor-Regierung als "kleineres Übel" im Vergleich zu den Liberalen unterstützen, wird die SEP für den Aufbau einer Massenpartei der Arbeiterklasse kämpfen, die sich auf die internationalen und historischen Grundlagen der marxistischen Bewegung gründet. Das Wahlmanifest der SEP wird in Kürze auf der WSWS veröffentlicht werden.

Siehe auch:
Die globale Wirtschaftskrise und der politische Putsch in Australien
(20. Juli 2010)
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