Grundsatzerklärung der Partei für Soziale Gleichheit

Teil 1

Die Grundsatzerklärung der Partei für Soziale Gleichheit wurde am 23. Mai 2010 von einem Bundesparteitag der PSG nach ausführlicher Diskussion einstimmig verabschiedet. Wir veröffentlichen das Dokument hier in zwei Teilen. (Teil 2 hier klicken). Es kann auch als Ganzes im PDF-Format heruntergeladen werden.

Die internationalen Aufgaben der Partei für Soziale Gleichheit

1. Die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) ist die deutsche Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) und anerkennt dessen politische Autorität. Das IKVI verkörpert die Kontinuität der Vierten Internationale, der Weltpartei der sozialistischen Revolution, die 1938 von Leo Trotzki gegründet wurde. Es stützt sich auf die Lehren aus den revolutionären Umwälzungen des zwanzigsten Jahrhunderts und auf das Programm der sozialistischen Weltrevolution, für das die marxistischen Internationalisten in diesen Umwälzungen gekämpft haben. Die sozialistische Revolution bedeutet die direkte Einmischung der Massen in das politische Geschehen. Ihr Ziel ist die Beseitigung der Klassengesellschaft und der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen - d.h. die grundlegendste Neuordnung der Gesellschaft seit Bestehen der Menschheit. Eine derart gewaltige Umwälzung ist das Ergebnis einer gesamten historischen Epoche, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 und der Machteroberung der russischen Arbeiterklasse im Oktober 1917 begonnen hat.

2. Die Vierte Internationale ist aus der Linken Opposition hervorgegangen, die unter der Führung Leo Trotzkis gegen die bürokratische Degeneration der Sowjetunion und gegen den Verrat der sozialistischen Weltrevolution durch das diktatorische Regime Josef Stalins kämpfte. Das stalinistische Regime ersetzte den Internationalismus durch eine nationalistische Orientierung. Das war die politische Ursache seines Verrats, der schließlich 1991 zur Zerstörung der Sowjetunion führte.

3. Die sozialistische Revolution ist eine internationale Aufgabe. Revolutionäre Kämpfe der Arbeiterklasse werden unweigerlich globale Dimensionen annehmen, unabhängig davon, wo sie beginnen. Die sozialistische Revolution wird und kann nicht im nationalen Rahmen vollendet werden, sondern nur auf Weltebene, wie Trotzki in der Auseinandersetzung mit Stalins Theorie des "Sozialismus in einem Land" erklärte. Sie "beginnt auf nationalem Boden, entwickelt sich international und wird in der Weltarena vollendet. Folglich wird die sozialistische Revolution in einem neuen, breiteren Sinne des Wortes zu einer permanenten Revolution: Sie findet ihren Abschluss nicht vor dem endgültigen Siege der neuen Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten."

4. Die Theorie der permanenten Revolution prägt das Programm und die politische Identität der PSG. Die Ära der nationalen Programme endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Ein Jahrhundert danach ist die Weltwirtschaft weit stärker entwickelt und global integriert. Das nationale Leben wird maßgeblich von der Weltwirtschaft und den Rivalitäten zwischen den imperialistischen Mächten bestimmt. Daher kann, wie Trotzki erklärte, "die nationale Orientierung des Proletariats nur aus der internationalen Orientierung hervorgehen und nicht umgekehrt". Die Strategie der Arbeiterklasse muss in Deutschland wie in jedem anderen Land von der Analyse der Weltlage ausgehen.

5. Die Arbeiterklasse ist die führende und entscheidende revolutionäre Kraft in der modernen kapitalistischen Gesellschaft. Das Programm der Partei für Soziale Gleichheit formuliert ihre Interessen. Die PSG setzt sich dafür ein, die Arbeiter in Deutschland für das Programm des internationalen Sozialismus zu gewinnen, sie auf der Grundlage dieses Programms zu vereinen und für die Eroberung der politischen Macht und die Errichtung eines Arbeiterstaates zu mobilisieren. So wird sie die objektiven Voraussetzungen für den Aufbau einer wirklich demokratischen, egalitären und sozialistischen Gesellschaft schaffen. Im wirtschaftlich und politisch eng verflochtenen Europa erfordert dies die engste internationale Zusammenarbeit. Die PSG arbeitet deshalb eng mit den europäischen Sektionen des IKVIs zusammen und unterstützt den Aufbau neuer Sektionen in Ländern, in denen sie noch nicht existieren.

6. Die PSG ist Gegnerin der Europäischen Union und ihrer Institutionen. Sie sind das Ergebnis der Bemühungen der deutschen und europäischen Bourgeoisie, den Kontinent unter dem Diktat der mächtigsten Konzerne und Banken zu vereinen. Die Antwort auf die EU ist aber nicht die Wiedererrichtung innereuropäischer Grenzen und die Verteidigung der nationalen Souveränität. Im Zeitalter der Globalisierung kann es kein Zurück zum Nationalstaat und zum Wirtschaftsnationalismus geben. Die PSG tritt weder für Protektionismus noch für "Freihandel" ein, sondern kämpft für die Vergesellschaftung der Produktivkräfte, die Beseitigung nationaler Grenzen und die Schaffung einer geplanten, auf rationale Weise miteinander verwobenen globalen Wirtschaft. Sie tritt für den Aufbau Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa ein. Sie verfolgt dieses Ziel im Rahmen einer internationalen Strategie: der weltweiten Vereinigung der Arbeiter aller Länder und der Schaffung Vereinigter Sozialistischer Staaten der Welt.

Die Krise des Kapitalismus

7. Die Hauptursache für Armut, Ausbeutung, Krieg, Gewalt und Leid in der modernen Welt sind der Kapitalismus und der Imperialismus, der auf seiner ökonomischen Grundlage entstanden ist. Die blutigen Ereignisse des 20. Jahrhunderts - zwei Weltkriege, regionale Konflikte, Faschismus, Holocaust, Völkermorde und Pogrome, Polizei- und Militärdiktaturen - sind eine vernichtende Anklage gegen das kapitalistische System. Auch die verbrecherische stalinistische Bürokratie war kein Produkt der Oktoberrevolution, sondern der einsetzenden Konterrevolution. Sie war das "Werkzeug der Weltbourgeoisie im Arbeiterstaat", wie Trotzki nachwies. Die Verwandlung chinesischer, sowjetischer und osteuropäischer Stalinisten in milliardenschwere Oligarchen hat Trotzkis Analyse anschaulich bestätigt.

8. In der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft spielt der Kapitalismus seit langem keine fortschrittliche Rolle mehr. Die Kriege, das Elend und die Gewalt, für die er verantwortlich ist, haben Hunderte Millionen Opfer gefordert. In Afrika und Asien sind ganze Weltregionen zu unbeschreiblicher Armut und gesellschaftlichem Niedergang verdammt. In den führenden kapitalistischen Ländern hat die soziale Ungleichheit beispiellose Ausmaße erreicht. Während breite Bevölkerungsschichten mit Arbeitslosigkeit, prekären Arbeitsverhältnissen, sinkenden Einkommen und mangelnder sozialer Absicherung zu kämpfen haben, suhlt sich eine kleine Minderheit in obszönem Reichtum.

9. Auf dem Gebiet der Technologie und der Produktivkräfte gab es in den vergangenen Jahrzehnten außergewöhnliche Fortschritte. Gesellschaftlich sinnvoll eingesetzt würden sie ausreichen, um die Armut auf der ganzen Welt zu überwinden, jedem Menschen einen hohen Lebensstandard zu garantieren und das kulturelle Leben erblühen zu lassen. Stattdessen sinkt der Lebensstandard der Arbeiterklasse, und die Kultur steckt in einer tiefen Krise. Der Grund für diese Diskrepanz ist das kapitalistische Wirtschaftssystem, das die gesellschaftlichen Produktionsmittel dem Privateigentum unterwirft und die Welt in konkurrierende Nationalstaaten aufspaltet.

10. Alle Bemühungen, den Lebensstandard der Arbeiterklasse zu erhöhen und drängende soziale Probleme anzupacken, scheitern am Privateigentum an den Produktionsmitteln, der Anarchie des kapitalistischen Marktes, den ökonomischen Erfordernissen des Profitsystems und nicht zuletzt der unstillbaren Habgier und Geldbesessenheit der herrschenden Klasse. Die Behauptung, der kapitalistische Markt sorge für eine optimale Verteilung der Ressourcen und regle die Bedürfnisse der Gesellschaft in sinnvoller Weise, hat durch nicht endende Spekulationsskandale und milliardenschwere Insolvenzen jeden Sinn verloren. Die Grenze zwischen "ehrbaren" Bankgeschäften und kriminellem Gebaren wurde bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Die Aufhäufung persönlichen Reichtums erfolgt völlig losgelöst von der Produktion und der Schaffung realer Werte, ein Ausdruck der allgemeinen Fäulnis des kapitalistischen Systems.

11. Das Profitsystem ist nicht mit dem Überleben der Menschheit zu vereinbaren. Das beweisen anschaulich auch die Umweltkrise und die Erderwärmung. Ihre Ursache ist nicht der wissenschaftliche und technische Fortschritt, sondern dessen Missbrauch durch eine irrationale Wirtschaftsordnung. Die Gefahren des Klimawandels und andere Umweltprobleme können nicht im Rahmen des Profitsystems gelöst werden. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen eine weltweit koordinierte, planmäßige gesellschaftliche Anstrengung nötig ist. Nur so kann verhindert werden, dass die Umwelt dem Profitstreben und nationalen Interessen zum Opfer fällt.

12. Das kapitalistische System ist nicht reformierbar. Es steckt in einer historischen Krise. Wie einst der Feudalismus dem Kapitalismus, muss jetzt der Kapitalismus dem Sozialismus weichen. Das Privateigentum an Produktionsmitteln, Rohstoffen, Großunternehmen und Finanzinstitutionen muss beseitigt werden. Die wichtigen industriellen, finanziellen, technologischen und natürlichen Ressourcen müssen der Kontrolle des kapitalistischen Marktes und dem Privateigentum entrissen, in gesellschaftlichen Besitz überführt und der demokratischen Aufsicht und Kontrolle der Arbeiterklasse unterstellt werden. Die Organisation der Wirtschaft auf der Grundlage des kapitalistischen Wertgesetzes muss durch eine sozialistische Organisation abgelöst werden, die demokratischer Planung beruht und der Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse dient.

Imperialismus und Krieg

13. Die moderne Wirtschaft ist international, wird von transnationalen Industrie- und Finanzkonzernen beherrscht und verbindet Millionen Individuen in einem einzigen globalen Produktions- und Austauschprozess. Trotzdem wurzelt der Kapitalismus weiterhin im Nationalstaat. Er dient der herrschenden Klasse jedes Landes als Ausgangsbasis für die Verteidigung ihrer Interessen in der Weltarena. Das Streben der imperialistischen Staaten nach weltpolitischer Vorherrschaft, Einflusssphären, Märkten, Rohstoffen und billigen Arbeitskräften führt unausweichlich zum Krieg. Die treibende Rolle haben hier in den vergangenen Jahrzehnten die USA gespielt, die über die Hälfte der weltweiten Rüstungsausgaben bestreiten. Sie versuchen, ihren wirtschaftlichen Niedergang durch den Einsatz ihrer militärischen Stärke zu kompensieren und ihre Vorherrschaft über den Mittleren Osten, Zentralasien und andere wichtige Weltregionen zu zementieren.

14. Aber auch Deutschland drängt seit der Wiedervereinigung zurück auf die internationalen Kriegsschauplätze. Mit der Umwandlung der Bundeswehr aus einer Verteidigungs- in eine internationale Interventionsarmee verfolgt die Bundesregierung Wirtschafts- und Machtinteressen. Schon 1992 bekannte sie sich in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" zu imperialistischen Zielen wie der "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen". Die offiziellen Vorwände, mit denen sie später die Teilnahme an den Kriegen in Jugoslawien und Afghanistan rechtfertigte - "Friedenssicherung", "ziviler Aufbau", "Kampf gegen Terror", usw. -, dienten lediglich der Verschleierung dieser imperialistischen Ziele. Am Hindukusch wird weder die Sicherheit Deutschlands verteidigt noch der Terrorismus bekämpft. Es geht um Zugang zu Öl und Gas und andere geostrategische Ziele.

15. Als "Terroristen", "Taliban" oder "Al Kaida" bezeichnet die offizielle Propaganda unterschiedslos alle, die der Besetzung Afghanistans Widerstand leisten. Die PSG verteidigt das Recht der Bevölkerung eines besetzten Landes, sich zu verteidigen. Wir lehnen aber Anschläge gegen unschuldige Zivilisten sowohl im besetzten Land selbst wie in anderen Teilen der Welt ab. Solche terroristische Gewalttaten sind politisch reaktionär. Der Mord an unschuldigen Zivilisten schürt politische Verwirrung. Er verschärft in den besetzten Ländern ethnische und religiöse Spannungen und untergräbt auf internationaler Ebene die Einheit der Arbeiterklasse. Er spielt der herrschenden Klasse in die Hände, die mit solchen Anschlägen Militäreinsätze und den Abbau demokratischer Rechte rechtfertigt.

16. Das Anwachsen des Militarismus nach außen ist untrennbar mit dem Abbau demokratischer Rechte im Innern verknüpft: Die Offizierskaste, die in der deutschen Geschichte eine verhängnisvolle Rolle gespielt hat, gewinnt wieder an Einfluss; Soldaten werden brutalisiert und (wie im Massaker von Kundus) ans Töten von Zivilisten gewöhnt; Kritik an Militäreinsätzen wird als Wehrkraftzersetzung kriminalisiert; die Grenzen zwischen Polizei und Armee lösen sich auf; die Armee wird auf Einsätze im Innern vorbereitet - um nur einige Beispiele zu nennen.

17. Die PSG verlangt den sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan und von allen anderen internationalen Einsätzen. Sie lehnt auch die Teilnahme deutscher Soldaten an so genannten "Friedenseinsätzen" der UNO ab. Sie fordert die Einstellung aller Kriegsdrohungen gegen den Iran und andere Länder, die den globalen Interessen des deutschen oder des amerikanischen Imperialismus im Wege stehen. Sie tritt für die Auflösung des Nato-Bündnisses und aller anderen imperialistischen Militärbündnisse ein. Die PSG unterstützt und fördert Massenproteste gegen Militarismus und Krieg. Weil deren Ursachen in der kapitalistischen Struktur der Gesellschaft und ihrer Spaltung in Nationalstaaten liegen, kann der Kampf dagegen aber nur Erfolg haben, wenn die Arbeiterklasse auf der Grundlage eines internationalen revolutionären Programms mobilisiert wird.

Kapitalistischer Staat, Demokratie und Arbeitermacht

18. Die wichtigste Voraussetzung für die Verwirklichung eines sozialistischen Programms ist die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse und die Errichtung eines Arbeiterstaates. Die Arbeiterklasse muss im Kampf um die Macht alle demokratischen Rechte und gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen und energisch verteidigen. Die historische Erfahrung zeigt jedoch, dass eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft im Rahmen der bestehenden bürgerlichen Institutionen nicht möglich ist. Die klassische marxistische Definition des Staates als Instrument der Klassenherrschaft, das "nicht bloß aus bewaffneten Menschen, sondern auch aus sachlichen Anhängseln, Gefängnissen und Zwangsanstalten aller Art" (Engels) besteht, trifft nach wie vor zu. Der Staat steht nicht als neutraler Schiedsrichter über den sozialen Konflikten. Er verteidigt die politische Herrschaft der Kapitalistenklasse. Schon seine Existenz beweist, dass die Gesellschaft in unversöhnliche Klassen gespalten ist.

19. Das deutsche Bürgertum und Kleinbürgertum verfügen kaum über demokratische Traditionen. Nur die marxistische Arbeiterbewegung hat im Verlauf der deutschen Geschichte konsequent für demokratische Rechte gekämpft. Als 1848 mit historischer Verspätung die bürgerliche Revolution ausbrach, fielen ihr das Kleinbürgertum und die bürgerliche Intelligenz in den Rücken. Zweieinhalb Jahrzehnte später, nach der Einigung des Reichs durch "Blut und Eisen", stellten sie sich hinter Bismarck und den wilhelminischen Staat. Nur die SPD kämpfte in dieser Zeit konsequent für Demokratie. Die Weimarer Republik entstand 1918 nicht als Ergebnis einer siegreichen demokratischen Revolution, sondern als Folge einer unterdrückten proletarischen Revolution. Die herrschenden Eliten in Wirtschaft und Staat lehnten selbst ihre dürftigen demokratischen Institutionen mehrheitlich ab und verhalfen 1933 Hitler an die Macht.

20. Mit der Gründung der Bundesrepublik wurde der Mangel an demokratischen Traditionen nur notdürftig übertüncht. Die alten Eliten des Dritten Reichs wurden rehabilitiert und in den Staatsapparat integriert, während die Masse der Bevölkerung von der direkten demokratischen Teilnahme ausgeschlossen blieb. Das Grundgesetz räumt der herrschenden Klasse das Recht ein, die Souveränität von Volk und Parlament einzuschränken und missliebige Parteien zu verbieten. Die 1968 verabschiedeten Notstandsgesetze geben der Regierung die rechtliche Handhabe, in gesellschaftlichen Krisen elementare Grundrechte außer Kraft zu setzen und ein halbdiktatorisches Regime zu errichten.

21. Auch die Deutsche Demokratische Republik war weder, wie ihr Name vorgab, ein demokratischer noch ein sozialistischer Staat, sondern ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat. Die Verstaatlichung von Großgrundbesitz, Banken und Industrie war zwar ein gesellschaftlicher Fortschritt, der die Voraussetzung für einen planmäßigen Einsatz der ökonomischen Ressourcen und ein hohes Maß an sozialer Sicherheit schuf. Doch die despotische Herrschaft der Bürokratie und ihr stalinistisches Programm des "Sozialismus in einem Land" verhinderten die Ausschöpfung des sozialistischen Potentials des vergesellschafteten Eigentums. Voraussetzung dafür wären eine politische Revolution und der Aufbau demokratischer Machtorgane der Arbeiterklasse gewesen. Die Arbeiterklasse blieb politisch unterdrückt, und als der Druck der Weltwirtschaft auf die DDR mit der Globalisierung wuchs, ergriff die SED-Bürokratie mit Unterstützung der kleinbürgerlich-demokratischen Opposition selbst die Initiative zur kapitalistischen Restauration und Wiedervereinigung.

22. Die historische Erfahrung zeigt, dass die demokratische Fassade aufbricht, wenn sich die sozialen Gegensätze zuspitzen. Schon in den vergangenen Jahren ging der Sozialabbau mit einer systematischen Aufrüstung des Staatsapparats einher. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung wurden Grundrechte abgeschafft und ein umfassender Überwachungsapparat aufgebaut. Das Asylrecht wurde faktisch außer Kraft gesetzt. Für Flüchtlinge und Immigranten existieren elementare Grundrechte nicht mehr. Das parlamentarische System ist weitgehend erodiert. Das Recht zu wählen bedeutet wenig, wenn alle Parteien, unabhängig von ihren Wahlversprechen, dieselbe vom Großkapital diktierte Politik verwirklichen. Auch die Pressefreiheit verliert ihre Bedeutung, wenn die wichtigsten Medien von mächtigen Wirtschaftsinteressen kontrolliert werden.

23. Die Verteidigung und Ausweitung demokratischer Rechte ist und bleibt die Aufgabe der Arbeiterklasse. Sie ist untrennbar mit dem Kampf für ein sozialistisches Programm und der unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse zur Eroberung der politischen Macht verbunden. Es kann keine Demokratie ohne Sozialismus geben, so wie es keinen Sozialismus ohne Demokratie geben kann. Wirtschaftliche Gleichheit ist die Voraussetzung für politische Gleichheit. Solange wirtschaftliche Entscheidungen, die über das Leben von Millionen Menschen entscheiden, privaten Unternehmen und Banken überlassen bleiben, ist wirkliche Demokratie nicht möglich.

24. Arbeitermacht ist mehr als die Wahl sozialistischer Kandidaten in bestehende bürgerliche Einrichtungen. Im Verlauf revolutionärer Massenkämpfe müssen neue Organe aufgebaut werden, die der Arbeiterklasse - d.h. der Mehrheit der Bevölkerung - eine wirklich demokratische Teilnahme erlauben. Sie werden die Grundlage für eine Arbeiterregierung bilden. Eine Arbeiterregierung wird Maßnahmen zur sozialistischen Umgestaltung des Wirtschaftslebens ergreifen und die Teilnahme der Arbeiterklasse am demokratischen Entscheidungsprozess fördern. Sie wird sich für die Abschaffung undemokratischer und gegen die Bevölkerung gerichteter Einrichtungen - wie Verfassungsschutz, Berufsarmee, usw. - einsetzen. Die Entscheidung über diese und andere demokratische Veränderungen müssen die Massen selbst treffen. Sie können nur durch eine von sozialistischem Bewusstsein getragene Massenbewegung der Arbeiterklasse verwirklicht werden.

Wird fortgesetzt

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