Investor Berggruen bekommt Zuschlag für Karstadt

Der Gläubigerausschuss des insolventen Karstadt-Konzerns hat am Montag beschlossen, die traditionsreiche Kaufhauskette für rund 70 Millionen Euro an den deutsch-amerikanischen Investor Nicolas Berggruen zu verkaufen. Berggruen, dessen Vermögen auf 1,8 Milliarden Dollar geschätzt wird, hat versprochen, die Kette mit ihren 120 Häusern und 25.000 Beschäftigten weiterzuführen und 240 Millionen Euro zu investieren.

Der Sohn des bekannten Kunstsammlers Heinz Berggruen schlug zwei Mitbewerber aus dem Rennen, den deutsch-schwedischen Finanzinvestor Triton und das Vermieter-Konsortium Highstreet. Ein weiterer Bieter, der russische Unternehmer Artur Pachomow aus St. Petersburg, hinter dem u.a. der Energiekonzern Gazprom vermutet wird, hatte die erforderlichen Unterlagen nicht rechtzeitig eingereicht. Für ihn hatte sich der frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eingesetzt, dessen Freund Ex-Kanzler Gerhard Schröder für den russischen Gazprom-Konzern arbeitet.

Die Metro-Gruppe, die mit der Kaufhof-Kette den einzigen verbliebenen Rivalen von Karstadt besitzt, hatte sich anerboten, knapp die Hälfte der Karstadt-Häuser zu übernehmen und mit Kaufhof zu verschmelzen.

Den Ausschlag für den Verkauf an Berggruen gab anscheinend die Gewerkschaft Verdi, die sich schon vor dem entscheidenden Treffen am Montag für den 48-jährigen Investor ausgesprochen hatte. Verdi verfügte zwar im elfköpfigen Gläubigerausschuss nur über eine Stimme, aber eine Fortführung des Konzerns ohne Einverständnis der Gewerkschaft galt von vornherein als aussichtlos. Schließlich votierten neun der elf Ausschussmitglieder für Berggruen.

Dieser hatte im Unterschied zu den anderen Bietern keine weiteren Zugeständnisse von der Belegschaft verlangt, die bereits im Rahmen des Sanierungstarifvertrags auf einen Teil ihrer Löhne verzichtet hatte. Triton und Highstreet hatten dagegen flexiblere Arbeitsbedingungen und stärker leistungsorientierte Löhne gefordert. Highstreet wollte zudem die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich um zwei Stunden verlängern.

Highstreet ist ein Vermieter-Konsortium, hinter dem die US-Investmentbank Goldman Sachs, die Deutsche Bank-Tochter Reef sowie die Firmen Borletti, Pirelli und Generali stehen. Es hatte vor einigen Jahren insgesamt 86 der 120 Karstadt-Immobilien gekauft und diese zu überhöhten Mieten an Karstadt zurückvermietet. Im Falle einer Zerschlagung oder eines Bankrotts der Kaufhauskette hätte Highstreet mit hohen Mietverlusten rechnen müssen; daher sein Kaufangebot. Die Übernahme sollte nur ein Zwischenstadium sein. Das Konsortium hatte bereits öffentlich über einen Weiterverkauf und eine eventuelle Fusion mit Kaufhof nachgedacht. Als Folge wären zahlreicher Kaufhäuser geschlossen und Zehntausende Arbeitsplätze im Einzelhandel abgebaut worden.

Der Finanzinvestor Triton mit dem einstigen Sal. Oppenheim-Gesellschafter Johannes Maret, der bereits bei Firmen wie Rütgers Chemie und Dematic eingestiegen war und diese auf Kosten der Beschäftigten stark rationalisiert hatte, verlangte ebenfalls weitere Opfer der Beschäftigten sowie den Abbau von mindestens 4.000 Stellen durch Ausgliederung und Schließung von Abteilungen und Sortimenten, die Verlust machen.

Mit dem Zuschlag an Berggruen sind die Arbeitsplätze bei Karstadt aber nicht sicher. Berggruen hat eine deutliche Senkung der Warenhaus-Mieten zur Voraussetzung für die Übernahme gemacht. Darüber hat er mit den Vermietern, der Highstreet-Gruppe, bisher noch keine Vereinbarung erzielt, wie am Dienstag bekannt wurde.

Ein Sprecher von Highstreet teilte mit, das Konsortium sei bereit, in den kommenden fünf Jahren zusätzlich zu den bereits im Sanierungsplan zugesagten 160 Mio. Euro auf weitere 230 Mio. zu verzichten. Dieses Angebot sei allen Karstadt-Interessenten unterbreitet worden. Wenn Berggruen nicht zustimme, drohe die Zerschlagung des Konzerns.

Voraussichtlich wird der Kaufvertrag am heutigen Mittwoch deshalb nur unter Vorbehalt unterzeichnet. Kommt es zu keiner Einigung mit den Vermietern, wird das Unternehmen laut Aussage von Verdi zerschlagen. Eine neue Verkaufsrunde sei ausgeschlossen.

Doch selbst wenn es in der Mietfrage zu einer Einigung kommt, steht die Zukunft von Karstadt in den Sternen. Berggruen hat keinerlei Erfahrung im Kaufhaussektor, und was er bisher zu seinen Plänen gesagt hat, ist unbestimmt und nebulös. Er hat sein Milliardenvermögen vor allem auf dem Immobiliensektor verdient, besitzt Hotels in Indien, Bürotürme in Shanghai, Immobilien in Berlin und Brandenburg und seit einiger Zeit auch den spanischen Medienkonzern Grupo Prisa mit der Tageszeitung El Paìs.

Der Sammler moderner Kunst gibt sich zwar gern als aufgeklärter Mensch, der sozialen und ökologischen Zielen verpflichtet ist und deshalb auch in Reisfarmen in Kambodscha und Ethanolkraftstofffabriken in Oregon investiert, doch letztlich zählt auch für ihn am Ende der Profit.

Viele Experten zweifeln, ob sich Universal-Kaufhäuser wie die von Karstadt halten können. Durch Spezialmärkte wie Saturn und Media Markt oder Modeketten wie H&M ist ihnen massive Konkurrenz erwachsen. Und in den großen Einkaufszentren, die heute überall stehen, findet man wie einst in den Universal-Kaufhäusern alles unter einem Dach - wenn auch nicht vom selben Konzern. Als Folge des Sparprogramms der Bundesregierung wird außerdem mit einem allgemeinen Rückgang der Einzelhandelsumsätze gerechnet.

Die Betriebsräte von Karstadt und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatten nie eine Perspektive zur Verteidigung der Löhne und Arbeitsplätze der Belegschaft. Sie beschränken sich darauf, im Geschacher um Löhne und Arbeitsplätze mitzumischen und dabei vor allem ihre eigenen Interessen zu wahren. Hinter dem Rücken der Beschäftigten waren sie aufs engste in die Verhandlungen mit den Bietern und dem Insolvenzverwalter eingebunden.

Bereits in früheren Jahren hatten sie zahlreiche Zugeständnisse gemacht - immer mit der Begründung, das Unternehmen zu retten und die Arbeitsplätze zu sichern. Im November 2009 hatte der Karstadt-Betriebsrat dann mit Unterstützung von Verdi ein "Sanierungspaket" mit dem Insolvenzverwalter abgeschlossen, das die Schließung mehrerer Karstadt-Filialen beinhaltete und für die verbliebenen Arbeiter und Angestellten Lohn- und Gehaltskürzungen in Höhe von 150 Millionen Euro innerhalb von drei Jahren umfasste.

Es war das dritte "Sanierungspaket" innerhalb von vier Jahren. Die Belegschaft verzichtete für drei Jahre auf Urlaubsgeld, auf drei Viertel des Weihnachtsgelds sowie auf tarifliche Vorsorgeleistungen.

Eine besonders üble Rolle bei diesem Geschacher spielte anscheinend der Betriebsratsvorsitzende von Karstadt, Hellmut Patzelt. Das Handelsblatt berichtete am 4. Juni 2010 von "schmutzigen Tricks beim Karstadt-Verkauf". Nach Informationen der Zeitung führte Patzelt seit Wochen Geheimverhandlungen mit dem Bieter Highstreet. Dabei habe er Highstreet zugesichert, sich für eine Verlängerung der Arbeitszeit bei Karstadt einzusetzen. Als Gegenleistung solle es um Posten und um die Sicherung des defizitären Karstadt-Standorts in Patzelts Heimatstadt Fulda gegangen sein.

Laut Handelsblatt soll Patzelt zum selben Zeitpunkt, an dem 25.000 Karstadt-Mitarbeiter auf Lohn verzichten mussten, für sich selbst eine monatliche Gehaltserhöhung um 1.875 Euro auf 10.000 Euro ausgehandelt haben, die zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten sei. Abgesegnet habe die Gehaltserhöhung der damalige Vorsitzende der Geschäftsführung, Stefan Herzberg, der später vom Insolvenzverwalter Hubert Görg wegen "Illoyalität" vor die Tür gesetzt wurde. Inzwischen mische Herzberg auf Seiten des Highstreet-Konsortiums wieder mit.

"Herzberg auf Führungsebene, Patzelt als Mitarbeitervertreter - das ist ein Duo, das jedem Investor willkommen ist, der weitere Zugeständnisse der 25.000 Karstadt-Mitarbeiter verlangt", schloss das Handelsblatt.

Siehe auch:
Karstadt: Gewerkschaft Verdi vereinbart Lohnkürzung und Schließung von Kaufhäusern
(17. November 2009)
Die Pleite von Karstadt war gewollt
( 13. Juni 2009)
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