Arbeiter der Verkehrsbetriebe von San Francisco lehnen Zugeständnisse ab

Am Dienstag, den 16. Februar, lehnten die Angestellten der Verkehrsbetriebe der städtischen Straßenbahn von San Francisco einen Tarifvertrag ab, der Zugeständnisse in Höhe von fünfzehn Millionen Dollar beinhaltete und zwischen der Stadt und der Gewerkschaft der Verkehrsbetriebe von Amerika ausgehandelt worden war.

Die Mehrheit von 857 zu 575 der Stimmen gegen den Vertrag ist ein Zeichen des wachsenden Widerstands der Arbeiterklasse gegen die Politik der Unternehmensvorstände und der Finanzelite. Die Entscheidung verdient die volle Unterstützung aller Arbeiter in der Bay Area, denen ähnliche Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und des Lebensstandards drohen.

Das Hauptzugeständnis bestand darin, dass die Arbeiter 8,9 Millionen Dollar in die Rentenversicherung hätten bezahlen sollen, die bisher von der Stadt einbezahlt wurden. Dies wäre einer erheblichen Lohnkürzung für die Angestellten der Verkehrsbetriebe gleichgekommen. Zusätzlich war eine neue Überstundenregelung vorgesehen, bei der nur die Stunden gezählt hätten, die 40 Stunden in der Woche überschritten hätten, egal wie viele Stunden an einem einzelnen Tag gearbeitet wurden.

Die Arbeiter widersetzten sich nicht nur der Entscheidung der Stadt, sondern auch der Gewerkschaft der Verkehrsbetriebe von Amerika (TWU). Gemäß der Zeitung San Francisco Chronicle hat der lokale Gewerkschaftspräsident Irwin Lum nach mehrtägigen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen mit Bürgermeister Gavin Newsom, der Geschäftsleitung der Verkehrsbetriebe und dem Vorstand der Gewerkschaft dem Vertrag zugestimmt.

Die Gewerkschaft sucht nun gemeinsam mit der Stadtverwaltung hinter den Kulissen nach einer Möglichkeit, die Zugeständnisse doch noch durchzusetzen. Die Francisco Weekly berichtete am Montag, dass Lum bekannt gegeben habe, die Gewerkschaftsmitglieder würden sich diese Woche treffen und die nächsten Schritte beschließen. Er hoffe, seine Kollegen würden ihre Nein-Stimme nochmals überdenken.

Die Forderung nach diesen Zugeständnissen wird damit begründet, dass dadurch die verbilligten Tarife für Senioren, Jugendliche und Behinderte nicht erhöht und die angebotenen Dienstleistungen nicht gekürzt werden müssten. Die Geschäftsleitung der Verkehrsbetriebe entscheidet am 26. Februar über den Haushaltsplan, der ein Defizit von 16.9 Millionen Dollar für das laufende Jahr ausgleichen soll. Darüber hinaus droht ein Defizit von 53 Millionen Dollar für das nächste Jahr. Bereits im Jahr 2009 wurden die Tarife stark angehoben, wobei die Preise für eine Monatskarte von 45 Dollar auf 60 Dollar und die Einzelfahrkarten für die Straßenbahn und die Busse von 1,50 Dollar auf 2,00 Dollar erhöht wurden.

Die lokalen Medien führen eine regelrechte Kampagne gegen die Angestellten der Verkehrsbetriebe und bezeichnen diese als überbezahlte und privilegierte Arbeiter, wobei sie eine automatische Lohnerhöhung im nächsten Jahr von insgesamt acht Millionen Dollar als Begründung nennen. Es wird gezielt versucht, die Arbeiter für die Erhöhung der Fahrpreise verantwortlich zu machen, anstatt die öffentliche Verwaltung zu nennen, welche diese Erhöhungen tatsächlich eingeführt hat. So soll die Arbeiterklasse gespalten und ein gemeinsamer Kampf verhindert werden.

Die Löhne der Angestellten der öffentlichen Verkehrsbetriebe von San Francisco werden seit 1967 durch eine Klausel in der Verfassung der Stadt garantiert, welche die Löhne und Zuschläge an die branchenüblichen Tarife knüpft, anstatt diese auszuhandeln. Die Erhöhung der Löhne soll dazu dienen, die Kürzungen der Renten und der Gesundheitsleistungen zu kompensieren.

Die Aufforderung an die Angestellten, in die Rentenkasse einzuzahlen, widerspricht den bisherigen Regelungen und ist ein Versuch den Lebensstandard der Arbeiter dauerhaft zu senken. Viele Arbeiter fürchten mit Recht, dass diese angeblich "einmalige" außerordentliche Beitragszahlung zu einer ständigen Maßnahme wird.

Dieser Angriff wird vom demokratischen Bürgermeister Gavin Newsom geführt, der auf die Straßenbahn- und Busfahrer Druck ausübt, damit sie die Ablehnung des Maßnahmenpakets nochmals überdenken. Er drohte mit "drakonischen Kürzungen" des Angebots der Verkehrsbetriebe, die Empörung bei den Kunden hervorrufen würden, wenn das Angebot gekürzt wird, währenddem die Angestellten höhere Löhne beziehen würden.

Der Demokratische Oberaufseher der Stadt San Francisco, Sean Elsbernd, drohte unverzüglich eine Unterschriftensammlung für ein Referendum zur Streichung der Mindestlohnbestimmung aus der Stadtverfassung zu starten,

Die Behauptung, es stünde schlicht nicht genug Geld zur Verfügung, um zugleich den Angestellten der Verkehrsbetriebe einen anständigen Lohn und einen erschwinglichen öffentlichen Verkehr für die Allgemeinheit zu gewährleisten, ist eine Lüge. Die gesamte Presse und das politische Establishment vertreten jedoch diesen Standpunkt. Es gibt genügend Einzelpersonen in San Francisco, die den von den Angestellten geforderten Betrag von fünfzehn Millionen Dollar aus ihrem persönlichen Geldbeutel begleichen könnten. Es sind nicht die Angestellten, welche die "fetten Gehaltsschecks" beziehen, sondern die Unternehmensvorstände und Finanzeliten, welche die Wirtschaftskrise verursacht haben.

Die Angestellten haben einen klaren Standpunkt gegen diese Angriffe eingenommen, indem sie alle Zugeständnisse ablehnen. Falls die Initiative weiterhin in den Händen der Gewerkschaft bleibt, werden die Arbeiter einfach mit neuen Zugeständnissen konfrontiert werden, über die sie wieder abstimmen sollen.

Ein erfolgreicher Kampf gegen die Kürzungen erfordert die Bildung von Arbeiterausschüssen, die unabhängig von der Gewerkschaft handeln. Es sollte ein sofortiger Aufruf an die Pendler und alle Bereiche der Arbeiterklasse in der Umgebung von San Francisco gemacht werden, um die Angriffe auf die Löhne und öffentlichen Dienstleistungen abzuwehren. Nur mit vereinten Kräften kann diesem Angriff standgehalten werden.

Dieser Angriff auf die Arbeiter der Verkehrsbetriebe ist Teil eines breit angelegten Versuchs in Kalifornien und ganz Amerika, die Arbeiter dazu zu bringen, für die wirtschaftliche Krise zu bezahlen. Billionen wurden für die Banken bereitgestellt, doch den Bundesstaaten und den Kommunen wurden die Mittel gekürzt und sie versuchen nun drakonische Maßnahmen durchzusetzen. Alle Ebenen der Regierung und sowohl die Demokraten als auch die Republikaner schließen Steuererhöhungen für die Reichen aus, um für diese Krise zu bezahlen.

Die politischen Parteien verteidigen mit Unterstützung der Gewerkschaften uneingeschränkt das kapitalistische System, d.h. die Unterwerfung aller Aspekte des wirtschaftlichen Lebens unter den privaten Gewinn und die finanziellen Interessen der Reichen. Die Alternative zum Kapitalismus ist Sozialismus, das heißt, die demokratische Kontrolle der Wirtschaft im Interesse der gesellschaftlichen Bedürfnisse.

Siehe auch:
Amerikanische Fordarbeiter stimmen gegen Lohnsenkung mit "Nein"
(4. November 2009)
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