Deutsche Rüstungsexporte mehr als verdoppelt

65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat es die deutsche Rüstungsindustrie wieder an die Weltspitze gebracht. Hauptverantwortlich hierfür ist die ehemalige rot-grüne Bundesregierung. Sie hat in ihrer Amtszeit (1998 - 2005) sowohl den Einsatz der Bundeswehr außerhalb der NATO-Staaten ermöglicht, als auch die Rüstungsexportpraxis liberalisiert.

Am vergangenen Montag veröffentlichte das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) einen Bericht über den weltweiten zwischenstaatlichen Waffenhandel von 2005 bis 2009. Der Rüstungsexport aus der Bundesrepublik Deutschland lag demnach in diesem Zeitraum mehr als doppelt so hoch wie zwischen den Jahren 2000 und 2004. Damit hat die Aufrüstung in Deutschland in ihrer ungebrochenen Kontinuität seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen neuen Höhepunkt erreicht.

Lag der Anteil deutscher Rüstungsexporte zu Beginn des Jahrzehnts noch bei sechs Prozent der weltweiten Exporte, so ist er nun auf elf Prozent angewachsen. Nur die USA (30 Prozent) und Russland (23 Prozent) haben einen höheren Anteil am Export schwerer Waffen. Zugleich stieg der weltweite Umsatz mit Rüstungsgeschäften um 22 Prozent. Schon diese Zahlen machen deutlich, wie sehr die Rüstungsindustrie in Deutschland in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten forciert wurde und welche Dimensionen sie mittlerweile erreicht hat.

Dass sich die deutsche Rüstungsindustrie vergleichsweise unbeachtet zu einem der größten Drehkreuze des weltweiten Rüstungshandels entwickelt hat, ist unter anderem der Tatsache zu verdanken, dass viele Konzerne nicht ausschließlich Rüstungsgüter produzieren. Tatsächlich entsteht im Schatten namhafter Großkonzerne umfangreiches Rüstungsmaterial. Thyssen-Krupp etwa führt unter der Unternehmenssparte "Fahrzeugtechnik" eine umfassende Palette militärischer Lastkraftwagen und Transportfahrzeuge. Im Bereich "Service und Instandsetzung" ist die Bundeswehr größter Auftraggeber.

Der europäische Luftfahrtkonzern EADS mit Hauptsitz in Deutschland, der gern mit zivilen Flugzeugen wie dem Airbus von sich Reden macht, entwickelt Kampfflugzeuge wie den Eurofighter ebenso wie verschiedene Arten von Kampfhubschraubern. Und dass die Rüstungsindustrie trotz der Wirtschaftskrise Hochkonjunktur hat, belegt schon ein Blick auf die Pressemitteilungen des europäischen Marktführers für Panzerfahrzeuge, Krauss-Maffei Wegmann. Das Unternehmen meldete in den letzten Monaten unter anderem die Marktführerschaft für militärische Landfahrzeuge in den Niederlanden, die Gründung eines "Strategischen Zentrums für den asiatisch-pazifischen Raum" in Singapur sowie den größten Einzelauftrag der jüngeren Firmengeschichte mit einem Volumen von über drei Milliarden Euro.

Im globalen Rahmen zeigt sich, dass die Zunahme von Rüstungsimporten verstärkt Länder in Krisengebieten betrifft. Zielgebiete sind vor allem der Nahe Osten, Nordafrika, Südostasien und Südamerika, und damit Regionen, die gegenwärtig von verschärften sozialen Spannungen geprägt sind. Nach Lateinamerika haben die Rüstungsimporte sogar um 150 Prozent zugenommen. In die Statistik ging dabei insbesondere schweres Kriegsgerät ein; Handfeuerwaffen und Munition wurden nicht mit berechnet.

SIPRI untersucht in regelmäßigen Fünf-Jahres-Zeiträumen die Entwicklung des Waffenhandels weltweit. Diese lange Periode erklärt sich aus der Tatsache, dass viele Rüstungsgeschäfte über mehrere Jahre hinweg laufen und so ein objektiveres Bild ermöglicht wird.

Das schwedische Friedensforschungsinstitut stützt sich dabei auf Daten, die die einzelnen Regierungen über ihre Rüstungsgeschäfte offenlegen. Weitere Grundlage der Berechnungen sind Schätzungen, da mehrere Regierungen ihre Zahlen unter Verschluss halten. Hinzu kommt, dass viele Staaten den Export von gebrauchten Rüstungsgütern in ihren Statistiken gar nicht erwähnen. SIPRI selbst geht daher davon aus, dass der tatsächliche Umfang des globalen Waffenhandels unter Umständen noch weit größer ist. Auch die deutsche Bundesregierung trägt mit ihrer undurchsichtigen Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Rüstungspolitik dazu bei. Bisher ist nicht einmal der Rüstungsbericht des Jahres 2008 veröffentlicht worden.

Das Bundeswirtschaftsministerium als zuständige Behörde aber macht es sich einfach: in seiner Pressemitteilung vom 15. März zum SIPRI-Bericht stellt es nüchtern fest, die dort angegebenen Daten träfen nicht zu. Zwischen 2001 und 2004 seien Exportgenehmigungen im Wert von 15,5 Mrd. Euro vergeben worden, von 2005 bis 2008 habe dieses Volumen nur um 2,2 Mrd. Euro auf 17,7 Mrd. Euro zugelegt.

Doch diese Zahlen widerlegen den SIPRI-Bericht nicht - im Gegenteil, sie bestätigen ihn und lassen sogar Prognosen für die kommenden Jahre zu. Dem Bericht liegen nicht die Vertragsabschlüsse der letzten fünf Jahre zu Grunde, sondern die tatsächlich ausgelieferten Waren. Die Vertragsabschlüsse über diese Exporte wiederum liegen bereits einige Jahre zurück. Es ist bei Rüstungsgeschäften nämlich üblich, dass vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bis zum Zeitpunkt der abgeschlossenen Lieferung einige Jahre vergehen. Wenn nun das Wirtschaftsministerium mitteilt, dass sich das Volumen der in den letzten fünf Jahren erteilten Exportgenehmigungen noch erhöht habe, dann ist für die kommenden fünf Jahre sogar mit einer noch größeren Exportwelle zu rechnen.

Eingedenk der daraus ersichtlichen Verantwortung der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung für das Wachstum der Rüstungsindustrie, ist etwa das aufgesetzte Entsetzen von Grünen-Parteichefin Claudia Roth unerträglich. In einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger echauffierte sie sich, es sei "unglaublich, wie hier im großen Stil Geld verdient werden kann."

In dem gleichen Interview bringt Roth ihre bekannte Forderung nach einer Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee auf. In ihren Worten heißt das: "kleinere Bundeswehr ohne Wehrpflicht" und ist direkt mit einer weiteren Aufrüstung der Armee verbunden. Es ist unschwer zu erkennen, dass eine solche Armee den Charakter einer schnell zu mobilisierenden, global einsetzbaren Truppe hätte - ein passgenaues Instrument, um die politischen und wirtschaftlichen Interessen der herrschenden Eliten überall auf der Welt durchsetzen zu können.

Der sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, versuchte gar nicht erst, die aufgeführten Zahlen schönzureden. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau ließ er verlauten, er könne "nichts Verwerfliches" daran finden, dass deutsche Firmen zu einem immer größeren Teil Waffen an NATO-Partner lieferten.

Die ehemalige rot-grüne Bundesregierung hat mit der Bombardierung Serbiens im Jahre 1999 und dem Beginn des Angriffskriegs gegen Afghanistan im Jahr 2001 die Bundeswehr in gleich zwei blutige NATO-Einsätze verwickelt. Der völkerrechtswidrige Einsatz in Afghanistan hat bereits zehntausende Menschenleben gekostet. Wenn Arnold daran "nichts Verwerfliches" finden kann, drückt er damit die ganze Abgestumpftheit und Arroganz der SPD-Führung aus.

Die Verteidigung der gesteigerten Rüstungsexporte durch die SPD sagt auch viel über die Linkspartei aus, die zwar immer dann, wenn es auf ihre Stimmen nicht ankommt, im Parlament gegen Krieg und Aufrüstung votiert, aber sich ansonsten als verlässlicher Regierungspartner der SPD anbietet.

Dass sich die deutsche Rüstungsindustrie 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und den Verbrechen der Wehrmacht wieder auf Augenhöhe mit den militärischen Großmächten der Welt befindet, muss sehr ernst genommen werden. Es ist kein Zufall, dass dieser Höhepunkt in Sachen Aufrüstung mit der größten Weltwirtschaftskrise seit 80 Jahren zusammenfällt. Mit der Krise verschärfen sich auch die Spannungen zwischen den Großmächten, die unweigerlich kriegerische Auseinandersetzungen nach sich ziehen werden.

Siehe auch:
Die Logik des Krieges
(31. Dezember 2009)
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