Perspektive

Weltbank-Chef fordert Gold-gestütztes Währungssystem

In der Vorbereitung auf den G-20-Gipfel führender Volkswirtschaften, der am Donnerstag und Freitag in Seoul stattfinden wird, veröffentlichte der Präsident der Weltbank eine Kolumne in der Financial Times, in der er eine grundlegende Reform des globalen Währungssystems forderte. Er schlug eine geringere Rolle für den Dollar und einen modifizierten Goldstandard vor. Die Financial Times unterstrich die Bedeutung der Kolumne, indem sie sie am Montag zum Thema ihres eignen Leitartikels auf der ersten Seite machte.

Weltbankchef Robert Zoellick, ein früherer hoher Beamter des amerikanischen Finanzministeriums, weist in seiner Kolumne auf die Krisenlage hin, die ihn zu seinem Vorschlag veranlasst hat. Er beginnt mit der Feststellung: „Angesichts von Handelskriegen und Misshelligkeiten über die Politik der quantitativen Lockerung der amerikanischen Notenbank wird der Gipfel der Gruppe der G-20 zum jüngsten Test für die Fähigkeit zu internationaler Kooperation.“

Hier bezieht sich Zoellick auf die Ankündigung der Federal Reserve von vergangener Woche, eine zweite Runde von “quantitativer Lockerung” vorzunehmen – d.h. Hunderte Milliarden Dollar zu drucken, um amerikanische Schatzbriefe zu kaufen. Er hat auch die scharfe Kritik an dieser Maßnahme im Sinn, die wichtige Handelspartner der USA wie China, Deutschland, Südafrika und Brasilien äußerten. Sie fassten die amerikanische Initiative zu Recht als Verschärfung der bewussten Politik auf, die den Dollar verbilligt, um Exporte zu verbilligen und Importe aus dem Ausland zu verteuern.

Die Obama-Regierung konzentriert ihren wirtschaftlichen Angriff auf China. Sie will Europa, Japan, Indien und andere asiatische Länder auf dem G-20-Gipfel für ihre Forderung an China gewinnen, seine Währung, den Yuan, schneller aufzuwerten.

Die amerikanische Politik des billigen Dollar trübt allerdings die Beziehungen zu anderen exportorientierten Überschussländern, besonders Deutschland. In ungewöhnlich aggressiver Tonlage griff der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble die USA in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel von dieser Woche an. Er erklärte, das amerikanische „Wachstumsmodell“ stecke „tief in der Krise“, und fügte hinzu: „Die USA haben zu lange auf Pump gelebt, ihren Finanzsektor übermäßig aufgebläht und ihren industriellen Mittelstand vernachlässigt.“

Er fuhr fort: “Die Entscheidungen der Fed bringen mehr Unsicherheit in die globale Wirtschaft… Die Amerikaner sind inkonsequent, wenn sie die Chinesen beschuldigen, den Wechselkurs zu manipulieren, und dann selbst den Wechselkurs des Dollar künstlich drücken, indem sie Geld drucken.“

Die USA, das weltgrößte Schuldnerland, nutzt die privilegierte Rolle des Dollar als wichtigster Reserve- und Handelswährung aus, um die Wechselkurse ihrer Konkurrenten in die Höhe zu treiben, was im Grunde eine Handelskriegsmaßnahme ist. Sie überschwemmen so genannte aufstrebende Volkswirtschaften in Asien, Lateinamerika und Afrika mit spekulativem Kapital, drücken ihre Währungen damit nach oben und schaffen die Gefahr von spekulativen Blasen und Inflation.

Diese aggressive und einseitige Politik seitens der Vereinigten Staaten verschärft globale Spannungen und destabilisiert das weltweite Währungs- und Finanzsystem. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenbruchs der internationalen Beziehungen und des Ausbruchs von unkontrolliertem Währungs- und Handelskrieg, wie er für die Große Depression typisch war und schließlich zum Zweiten Weltkrieg führte.

In seiner Kolumne drängt Zoellick die G-20, ein “kooperatives Währungssystem zu schaffen, das die neuen wirtschaftlichen Bedingungen reflektiert”. Er fährt fort: „Dieses neue System wird wohl den Dollar, den Euro, den Yen, das Pfund und den [chinesischen] Yuan, der sich internationalisiert, einbeziehen und sich dann in Richtung eines offenen Kapitalfond entwickeln müssen.“

Das neue System, schreibt er, “sollte ebenfalls ins Auge fassen, Gold als internationalen Referenzpunkt für Markterwartungen über Inflation, Deflation und künftige Wechselkurse einzubeziehen. Obwohl die Lehrbücher Gold vielleicht nur noch als das alte Geld sehen, nutzen die Märkte Gold heute wieder als eine alternative Geldanlage.“

Das ist eine stillschweigende Anerkennung der Tatsache, dass das Währungssystem, das seit 1971 besteht, nicht mehr haltbar ist. Es geht auf das System zurück, das zum Ende des Zweiten Weltkriegs geschaffen worden war und auf der Rolle des Dollar beruhte. Weiter ist dies ein Eingeständnis, dass es keine andere nationale Währung gibt, die als Basis für die internationalen Währungsbeziehungen an die Stelle des Dollar treten könnte.

Ein Ausdruck des schwindenden Vertrauens in den Dollar und das auf dem Dollar beruhende Währungssystem ist der spektakuläre Anstieg des Goldpreises. Am Montag schloss der Goldpreis mit einer neuen Rekordmarke oberhalb von 1.400 Dollar pro Feinunze.

Zoellick argumentiert, der “Umfang der Veränderungen seit 1971” rechtfertige die Schaffung eines neuen Währungssystems. Allerdings schweigt er sich über die wichtigste Veränderung aus – den enormen Niedergang der globalen wirtschaftlichen Position der Vereinigten Staaten und den Verfall des amerikanischen Kapitalismus.

Aus dem Chaos des Zweiten Weltkriegs stiegen die Vereinigten Staaten als weltweit unangefochtene wirtschaftliche Hegemonialmacht hervor. Ihre Industrie beherrschte die Weltmärkte. Der Anteil der USA an der Weltautoproduktion betrug 1950 79 Prozent. Ihr Anteil an der Weltstahlproduktion betrug 1955 40 Prozent. Der größte Teil der weltweiten Goldbestände lagerte in Fort Knox.

Die USA regelten die Erholung des Weltkapitalismus in der Nachkriegszeit in einer Weise, dass die Währungs- und Handelsarchitektur ihren Interessen entsprach. Eine Schlüsselfrage für den Nachkriegsaufschwung war die Schaffung eines neuen Währungssystems, des Bretton-Woods-Systems, das feste Wechselkurse beinhaltete, die an den Dollar gebunden waren. Der Dollar war die Weltreserve- und Handelswährung, aber hinter ihm stand ein festes Austauschverhältnis mit Gold in Höhe von 35 Dollar pro Feinunze.

Allerdings enthielt diese Regelung einen fundamentalen Widerspruch, da sie den Versuch unternahm, eine nationale Währung gleichzeitig als Weltwährung zu nutzen. Selbst der ungeheure wirtschaftliche Reichtum und die Macht der Vereinigten Staaten konnten den grundlegenden Widerspruch zwischen der Weltwirtschaft und dem Nationalstaatensystem des Kapitalismus nicht aus der Welt schaffen.

Ende der 1960er Jahre übertraf die Menge der Dollars im Ausland bei Weitem die amerikanischen Goldreserven und die USA waren gleichzeitig mit scharfem Wettbewerb der wieder erstarkten Konkurrenten Deutschland und Japan konfrontiert. Das Bretton Woods System brach im August 1971 zusammen, als die Nixon-Regierung der amerikanischen Währung die Golddeckung entzog, um einem Run auf den Dollar zuvorzukommen.

Daraus entwickelte sich das so genannte Bretton Woods II, ein System flexibler Wechselkurse, die sich am Dollar ausrichteten. Dieses Arrangement war noch stärker vom internationalen Vertrauen in die Stärke des amerikanischen Kapitalismus abhängig. Dieses Vertrauen ist in dem Maße geschwunden, wie die USA immer höhere Schulden aufgehäuft haben, ihre industrielle Basis erodierte und ihre Wirtschaft immer stärker von Finanzspekulation abhängig geworden ist.

Der Finanzkrach vom September 2008, der sein Zentrum an der Wall Street hatte, hat dem Vertrauen in den Dollar den Todesstoß versetzt. Die Tatsache, dass die Finanzkrise nun die Form eines Währungskriegs annimmt, und das Wechselkurssystem zusammenbricht, unterstreicht, dass die gegenwärtige Krise nicht einfach eine konjunkturelle Krise ist, sondern ein System-bedingter Zusammenbruch.

Zoellicks Vorschlag für die Rückkehr zu einem irgendwie gearteten Goldstandard ist utopisch und reaktionär. Es gibt keinerlei Chance, dass die dramatische Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte zwischen den älteren imperialistischen Mächten – in allererster Linie den USA – und den aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie China und Indien auf friedliche Weise zu einem neuen, internationalen Wirtschaftsgleichgewicht führen kann, das sich auf eine verminderte Rolle des Dollar stützt. Wie im zwanzigsten Jahrhundert, so werden auch im 21. Jahrhundert die absteigenden Mächte nicht bereit sein, eine geringere Rolle zu akzeptieren. Der Kampf um die Kontrolle der Märkte, Rohstoffe und billigen Arbeitskräfte führt unvermeidlich wieder zum Weltkrieg.

Würde der Vorschlag eines neuen Goldstandards umgesetzt, würde das in eine katastrophale Kreditklemme münden und die Welt in eine Depression stürzen, welche die der 1930er Jahre noch weit in den Schatten stellen würde.

Der Zusammenbruch des Währungssystems ist Ausdruck einer unlösbaren Krise des kapitalistischen Systems, die in progressivem Sinne nur durch die internationale revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse und den Aufbau des weltweiten Sozialismus gelöst werden kann.

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