Wütende Manroland-Beschäftigte protestieren in Frankfurt, Augsburg und Plauen

Mehrere tausend Manroland-Arbeiter demonstrierten am Donnerstag an den Standorten Augsburg, Offenbach und Plauen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.

Wir sind Manroland Wir sind Manroland

In der Frankfurter Innenstadt demonstrierten 1.200 Manroland-Arbeiter aus Offenbach vor der Zentrale der Allianz-Versicherung, deren Tochtergesellschaft Allianz Capital Partners (ACP) den Löwenanteil der Aktien hält. Die IG Metall fordert von dem Versicherungskonzern die Bereitstellung von 300 Millionen Euro für die finanzielle Absicherung der weiteren Geschäftstätigkeit.

Am 25. November hatte der drittgrößte Druckmaschinenbauer der Welt beim Amtsgericht Augsburg Insolvenz angemeldet und machte damit die größte Wirtschaftspleite in Deutschland seit zwei Jahren perfekt. Auf seiner Homepage begründete der Konzern die Insolvenz mit der Finanzkrise und dem „dramatischen Auftragseinbruch seit Juli 2011“.

Dadurch sind 6.600 Arbeitsplätze akut bedroht, davon 2.400 in Augsburg, 1.900 in Offenbach und 900 in Plauen. Die Löhne für November konnten schon nicht mehr ausgezahlt werden. Unter den Betroffenen sind mehrere hundert Auszubildende.

 

Die Arbeiter trugen Transparente mit Aufschriften wie „Hoffentlich NICHT Allianz-versichert“ und „Wir fordern eine Zukunft von der Allianz“. Manroland ist in Offenbach der größte private Arbeitgeber und blickt auf eine über 160-jährige Geschichte als Druckmaschinenbauer zurück. Viele Arbeiter sind voller Zorn über die Überrumpelungstaktik, mit der diesem traditionsreichen Metallerbetrieb der Garaus gemacht werden soll.

Die Arbeiter haben in den letzten Jahren schon große Opfer gebracht, in der Hoffnung, dadurch ihre Arbeitsplätze sichern zu können. Seit über drei Jahren wird hier immer wieder Kurzarbeit gefahren, und seit zwei Jahren verzichten die Arbeiter auf Weihnachts- und Urlaubsgelder. Trotzdem wurden im Gesamtkonzern in dieser Zeit über 2.200 Arbeitsplätze vernichtet.

Manroland in Arbeiterhand Manroland in Arbeiterhand

Im Gegensatz zur Kampfbereitschaft der Arbeiter zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze nutzten IG Metall und Betriebsrat die Kundgebung vor der Allianzzentrale, um sich als die besseren Manager darzustellen. „Arbeitet mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft eine industrielle Strategie aus!“, forderte Armin Schild, Bezirksleiter der IG Metall für Hessen, die Unternehmerseite auf und rief dem Vorstand zu: „Wir wissen, wie Manroland geht.“

Die IG Metall setzt ihre Hoffnungen auf die konservative hessische CDU-FDP-Regierung. IGM-Vertreter forderten die Landesregierung auf, „aktiv zu sein und Offenbach zu retten“. Der Frankfurter Rundschau sagte Armin Schild, die IG Metall habe schon seit Wochen Gespräche mit der Landesregierung geführt, weil schon länger klar gewesen sei, dass Manroland in einer schwierigen Lage sei.

Schild bestätigte damit, dass die IG Metall seit geraumer Zeit über die bevorstehende Insolvenz informiert war. Während sie in engem Kontakt mit der Unternehmensleitung und der Landesregierung stand, hielt sie ihr Wissen vor der Belegschaft geheim. Auf der Aufsichtsratssitzung am 15. November war laut IG Metall über ein Sanierungsgutachten und die „daraus hervorgehende Neuausrichtung“ diskutiert worden. Anschließend wurde eine Verschwiegenheitspflicht vereinbart. Offensichtlich sollten die „Weichenstellungen“ erst hinter den Kulissen festgezurrt werden, und die Arbeiter dann erst vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Während viele Arbeiter auf der Protestkundgebung über den Überraschungsangriff der Unternehmensleitung in Form einer Insolvenz empört waren, ist jetzt klar, dass diese Vorgehensweise maßgeblich von der IG Metall eingefädelt war. Sie wollte die Belegschaft ruhig halten und jeden Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze verhindern, weil ihre Strategie darauf ausgerichtet ist neue Käufer für die einzelnen Werke zu finden. „Bis Weihnachten müssen wir einen Investor finden, sonst läuft uns die Zeit davon“, erklärte IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Manroland, der Augsburger Allgemeinen. Er setzte hinzu: „Notfalls werden sich die Betriebsräte und die Vertreter der IG Metall alleine ins Auto setzen, um Gespräche mit potenziellen Anteilseignern zu führen.“

Kerner betonte im selben Interview die Bereitschaft der IG Metall, Arbeitsplätze und Errungenschaften zu opfern. Er sagte dort: „Unserer Meinung nach hätten die Altgesellschafter von MAN und Allianz jetzt ein letztes Mal Geld zuschießen müssen, zumal die Belegschaft erneut Zugeständnisse gemacht hätte und ein weiterer Arbeitsplatzabbau möglich gewesen wäre.“

Vor dem Werkstor Vor dem Werkstor

Die IG Metall hat nicht die geringste Absicht, einen ernsthaften Kampf zur Erhaltung aller Arbeitsplätze zu führen. Weit davon entfernt, alle Arbeiter im Kampf um die Arbeitsplätze zu vereinen, schlägt die IG Metall in Offenbach auch die Möglichkeit einer Abspaltung des Standorts vom Gesamtkonzern vor.

In Offenbach werden Maschinen für den Bogendruck gefertigt, während das Werk Augsburg im Wesentlichen Maschinen für die stärker kriselnde Zeitungsbranche produziert. Deshalb sieht die IG Metall bessere Chancen darin, einen neuen Investor zu gewinnen, wenn sie die Offenbacher Belegschaft und Kapazitäten feilbieten kann, ohne sich um die Augsburger kümmern zu müssen.

Ungeachtet von holen Worten über Solidarität läuft das Konzept der IG Metall auf eine Spaltung der Beschäftigen an den drei Standorten hinaus. Es müsse Schluss sein mit den Versuchen der gescheiterten Manroland-Geschäftsführung, Produktion und Know-How von Südhessen nach Augsburg zu verlagern, erklärten die Offfenbacher IG Metall-Geschäftsführerin Marita Weber und die Betriebsratsvorsitzende Alexandra Roßel der Presse.

Nicht zufällig stand auf dem Haupttransparent der IG Metall: „Wir Roländer kämpfen für unseren Standort und unsere Arbeitsplätze in Offenbach.“

Ein Reporterteam der World Socialist Web Site sprach an der Demonstration mit zahlreichen Manroland-Arbeitern. Viele von ihnen sind mittlerweile sehr unzufrieden mit der IG Metall.

Adam Hussli (Links) Adam Hussli (Links)

„Die Sache mit der Allianz wurde viel zu lange verschwiegen und verschleppt. Wie wollen die jetzt in acht Wochen die Firma retten?“ fragt sich Adam Hussli, der seit 38 Jahren bei Manroland arbeitet. Jahrzehnte lang ist er auf Montage gefahren, zuletzt führt er Qualitätskontrollen durch. Adam sagt: „Die Allianz hat uns zu 75 Prozent gekauft, jetzt lassen sie uns verhungern.“

Er ist selbst kein IG-Metaller, sondern Mitglied bei der christlichen Gewerkschaft, aber heute sagt er: „Die sind alle gleich: Die Gewerkschaften haben es alle viel zu lange verschwiegen. Das ist ein Konkurrenzkampf zwischen den deutschen Druckmaschinenherstellern. Da stehen Manroland, Heidelberg und König&Bauer [die drei größten deutschen Druckmaschinenbauer] gegeneinander. Man darf die Arbeiter nicht derart gegeneinander ausspielen. Wir müssen alle zusammenhalten. Man sieht ja heute, dass die Bereitschaft dazu da ist.“

Andreas Andreas

Andreas arbeitet seit zwölf Jahren im Betrieb an der Mühlheimerstraße. Er fürchtet, bald eine neue Arbeitsstelle suchen zu müssen, ist aber nicht wirklich überrascht. „Die Sache ist wohl schon länger geplant; ein abgekartetes Spiel“, sagt Andreas zu Beginn der Offenbacher Demonstration. Auch er hat kein Vertrauen mehr in die IG Metall: „Die stecken doch alle unter einer Decke“, sagt er.

Ramazan arbeitet seit 22 Jahren bei Manroland. Als er 1989 anfing, hatte der Konzern insgesamt noch über zehntausend Beschäftigte. „Die IG Metall versucht, uns für dumm zu verkaufen“, sagte Ramazan. „Sie fragte uns vor zwei Jahren in einer Unterschriftensammlung, ob wir bereit wären, auf das Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld zu verzichten. Aber sechzig Prozent waren dagegen. Dennoch hat die IG Metall zugestimmt. Wozu brauchen sie dann unsere Unterschrift? Das ist doch wie im Kindergarten. Aber jetzt ist es hier kein Spiel mehr! Zweitausend Arbeitsplätze wurden schon abgebaut. Jeder von uns hat Familie. Was erlaubt die Unternehmensleitung eigentlich? Wir sind doch diejenigen, die produzieren und sie leben von unserm Geld.“

Zeitgleich mit den Protesten in Offenbach und Frankfurt beteiligten sich 2000 Arbeiter am Standort Augsburg und über 1000 in Pauen im Vogtland an Protestkundgebungen.

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