Französische Medien berichten wohlwollend über neue Vorsitzende der Nationalen Front

Marine Le Pen, Tochter Jean-Marie Le Pens, des Gründers des ultrarechten Front National (FN) in Frankreich – wurde am 16. Februar von Zweidritteln der Mitglieder zur Parteivorsitzenden gewählt. Die Wahl und ihre Antrittsrede waren Gegenstand einer beispiellosen Berichterstattung in den Medien; insbesondere gilt das für die Live-Übertragung ihrer Rede auf einigen Nachrichtensendern.

Nachdem die Streikbewegung im Oktober 2010 gegen die Rentenreform eine Niederlage erlitten hatte, wurden die Sendezeiten, die die wichtigsten französischen Massenmedien der FN einräumten, immer länger. Die Streiks waren von den Gewerkschaften und Parteien der „Linken“ verraten worden, die die Reform selbst mit Präsident Nicolas Sarkozy ausgehandelt hatten.

Vermutlich hat die Mehrheit der Mitglieder der FN Marine Le Pen ihrem Rivalen Bruno Gollnisch vorgezogen, weil sich dadurch die Chance zu Übereinkünften mit Sarkozys Partei UMP (Union für eine Volksbewegung) auftat. Ein Teil der „republikanischen“ Rechten teilt diese Erwartungen. Nach den Regionalwahlen im März 2010 erklärte Thierry Mariani, der UMP-Abgeordnete von Vaucluse, Wähler der Rechten seien „immer für Fragen wie Immigration, Recht und Ordnung sowie Patriotismus“ ansprechbar. Nach einer kürzlichen Umfrage sind 40 Prozent der Anhänger der UMP für ein Bündnis mit der FN.

Das Programm der FN ist noch genauso chauvinistisch und brutal wie ehedem. In einem Chat mit Le Monde befürwortete Marine Le Pen das kürzlich erlassene Maulkorbgesetz für die ungarische Presse und die „nationalen Sonderrechte“ bei der Gewährung von Sozialleistungen. Diese Sonderrechte sollen verhindern, dass Immigranten Leistungen aus der Sozialhilfe erhalten. Sie weigerte sich, sich vom Antisemitismus ihres Vaters zu distanzieren – dieser hat wiederholt geleugnet, dass die Juden während des 2. Weltkriegs Opfer eines Genozids waren -, und erklärte, sie habe keinen Grund zur der Annahme, ihr Vater sei Antisemit.

Marine Le Pen ist in der Lage, eine allgemeine Rechtsentwicklung der gesamten politischen Klasse Frankreichs auszunutzen, was ihr eine Image-Auffrischung ermöglicht. Dabei wird sie von den Massenmedien und bürgerlichen Politikern unterstützt Mit respektvollem Unterton erklärt Ségolène Royal, Kandidatin der PS bei den Präsidentschaftswahlen von 2007, dass Marine Le Pen „alle karikaturhaften Züge ihres Vaters ausgemerzt hat…. sie ist die gefährlichere, glaubwürdigere Kandidatin, weil sie überzeugender ist“.

Marine Le Pen hat daneben versucht, sich an den nationalistischen Populismus eines Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei (PG) anzulehnen. Die PG bildet zusammen mit der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) die Linksfront. Sie bemerkte: „Ich darf daran erinnern, dass Herr Mélenchon, der 21 Jahre lang in der Sozialistischen Partei war, erst jüngst die verheerenden Auswirkungen der Globalisierung entdeckt hat. Über diese reichlich verspäteten Geistesblitze bin ich sehr erfreut. Aus diesem Grund kann es sein, dass wir bei einigen Themen gleicher Ansicht sind.“

Eine neuere Meinungsumfrage eines franzosischen Meinungsforschungsinstituts sagt für 2012 bei der nächsten Präsidentschaftswahl für Marine Le Pen 16,5 Prozent voraus. Dies könnte sie in die zweite Runde bringen, so wie es 2002 bei ihrem Vater der Fall war. Das führte damals zu einer politischen Krise und zu Massendemonstrationen. Die Prognose ist jedoch immer noch niedriger als das Gesamtvotum von 2002 für die Ultrarechte mit 16,68 Prozent für Jean-Marie Le Pen und 2,34 Prozent für Bruno Mégret – insgesamt 19,2 Prozent.

Der prognostizierte Stimmenzuwachs für die FN bedeutet allerdings nicht, dass ihr Programm breit unterstützt wird. Die Rechtswendung der gesamten politischen Klasse Frankreichs hat politisch die toxische Atmosphäre geschaffen, die Marine Le Pen den Versuch zur Auffrischung des Neofaschismus erlaubt.

Was die französischen Kommentatoren als das “Gespenst des 21. April 2002“ mystifizieren, soll eine unbestreitbaren Tatsache verschleiern: Die Teilnahme der FN an der zweiten Wahlrunde 2002 war nicht einfach Resultat der Vielzahl an Kandidaten (es waren 15). Sie war Ergebnis der Desillusionierung breiter Bevölkerungsschichten über die von Lionel Jospin geführte Regierung aus PS, KPF und Grünen. In seiner fünfjährigen Regierungszeit hatte Jospin marktliberale Reformen und Privatisierungen im öffentlichen Dienst durchgesetzt. Des Weiteren erklärte der sozialistische Premierminister, er könne „nichts gegen Firmen unternehmen“, die trotz Gewinnen Massenentlassungen durchführten. Außerdem entsandte er französische Truppen, die sich 2001 an der Invasion in Afghanistan beteiligten.

Um die soziale Unzufriedenheit durch eine Stärkung der FN zu kanalisieren, kehren die Massenmedien zu einer von der PS unter der Präsidentschaft Francois Mitterands ersonnenen Strategie zurück. Angeblich zur Spaltung der Rechten hatte dieser von den öffentlichen Fernsehanstalten verlangt, Jean-Marie Le Pen längere Sendezeiten einzuräumen. Gleichzeitig begann Mitterand, weite Teile der Grundindustrie insbesondere im Norden und Osten – d.h. Bergbau, Stahl- und Autoindustrie - zu liquidieren. Indem sie die Wut gegen die PS und die Verrätereien der Gewerkschaften ausnützte, konnte sich die 1973 gegründete FN zu jener Zeit erstmals zahlenmäßig entwickeln.

Jetzt, da die 2008 durch Pleiten an der Wall Street ausgelöste weltweite Wirtschaftskrise ins vierte Jahr geht, haben sich Marine Le Pens Aussichten verbessert. Seit damals setzen die europäischen Regierungen – die in Deutschland und Frankreich von der Rechten, in Spanien und Griechenland von den Sozialdemokraten gestellt werden – im Interesse der Bankiers auf der ganzen Welt brutale Sparmaßnahmen durch.

Der Widerstand der Arbeiter wurde von Kräften sabotiert und verraten, die sich als „links“ ausgaben. Dazu gehören die Gewerkschaften und ihre politischen Helfershelfer aus KPF und Neuer Antikapitalistischer Partei (NPA). Sie alle bestehen darauf, dass die einzige realistische Perspektive darin bestehe, mit Regierungen und Banken Reformen auszuhandeln.

In Frankreich handelten die Gewerkschaften einen Plan für die Autoindustrie aus, der eine Welle von Produktionsverlagerungen und Betriebsschließungen auslöste. Sie beteiligten sich an den Vorbereitungen für eine Rentenreform, gegen die sie zynisch eintägige Streiks organisierten – nicht in der Absicht, die Regierung zu stürzen, sondern die Unzufriedenheit gegen genau die Regierung zu kanalisieren, mit der sie die Reformen selbst ausgehandelt hatten.

Die Arbeiter setzten daraufhin ihre Streikbewegung im Oktober 2010 fort, besonders in den Häfen und Raffinerien. Als diese von der Polizei niedergeschlagen wurde, organisierten die Gewerkschaften keinerlei Widerstand. Sie bestanden darauf, dass Widerstand ausschließlich „symbolisch“ sein dürfe.

Es ist unabwendbar, dass die Unterdrückung gesellschaftlicher Forderungen und des Klassenkampfs reaktionäre Konsequenzen nach sich zieht. Erbittert über den sozialen Kahlschlag der Kapitalistenklasse, fühlen sich rückständigere Bevölkerungsschichten von reaktionären und nationalistischen politischen Strömungen angezogen. Nationalistische und chauvinistische Traditionen, die von politischen Kräften wie der KPF und der PS gepflegt werden, begünstigen das.

Das ganze vergangene Jahrzehnt über weigerten sich die PS und ihre politischen Verbündeten, sich von der Law-and-Order-Propaganda, mit der Sarkozy seinen Wahlkampf für 2007 vorbereitete, klar abzugrenzen. Im Gegenteil: Royal schlug vor, jugendliche Straftäter in Armeelager zu stecken.

Zu Beginn des Sommers 2009 arbeitete Sarkozy auf Initiative des KPF-Abgeordneten André Gérin zusammen mit der PS und der KPF ein Gesetz für ein Burka-Verbot aus. Dann ging es mit Sarkozys brutaler Kampagne gegen die Roma im letzten Sommer weiter. Dieses Vorgehen sollte den Ausbau des Unterdrückungsapparates zur Verteidigung „republikanischer“ Werte legitimieren.

Die wachsende Annäherung von Neo-Faschismus und den Parteien der offiziellen französischen “Linken” in Fragen von Nationalchauvinismus, Militarismus und der Ablehnung demokratischer Grundrechte unterstreicht die vordringliche Bedeutung des proletarischen Internationalismus.

Wie in der WSWS festgestellt wurde (siehe: Griechische Schuldenkrise eröffnet neues Stadium des Klassenkampfs), ist „ die dringendste Aufgabe der Arbeiterklasse - in Griechenland, ganz Europa und weltweit - der Aufbau einer neuen revolutionären Partei auf den Prinzipien des internationalen Sozialismus. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale ist die einzige politische Organisation, die darum kämpft, die Arbeiterklasse gegen kapitalistische Ausbeutung, Armut und Krieg zu organisieren und zu vereinen.“

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