Perspektive

Weltweites Finanzchaos: Eine deutliche Warnung

Letzte Woche kam es zum schlimmsten Sturz der Rohstoffpreise seit dem Zusammenbruch von Lehmann Brothers. Die Financial Times schrieb dem Ausverkauf ein „episches“ Ausmaß zu. In dieser Woche stiegen die Märkte wieder an. Wer weiß, was nächste Woche sein wird? Ein weiterer Ausverkauf, ein Bankenzusammenbruch, ein Staatsbankrott, eine Wiederholung des noch immer nicht erklärten „Flash Crash“ an der Wall Street vor einem Jahr, als der Markt innerhalb von Minuten um fast zehn Prozent nachgab, oder irgendetwas vollkommen Unerwartetes?

Die nie dagewesene Volatilität auf den internationalen Finanzmärkten sollte als deutliche Warnung verstanden werden. Sie weist auf zwei fundamentale Eigenschaften der globalen kapitalistischen Wirtschaft hin: Zum einen ist keiner der grundlegenden Widersprüche, die zur globalen Finanzkrise vom September 2008 führten, gelöst. Zum anderen geraten die politischen Strategien der wichtigsten Regierungen und Zentralbanken einander zunehmend ins Gehege, da alle unter dem Motto „Jeder für sich und den Letzten beißen die Hunde“ im nationalen Eigeninteresse handeln.

Der Fall der Rohstoffpreise am 5. Mai betraf zunächst das Öl, das in einem von den Händlern als „horrend“ bezeichneten Sturzflug um mehr als zehn Prozent nachgab. Bei der dadurch ausgelösten Kapitalflucht verlor der weltgrößte Rohstoff-Hedgefond Clive Capital mehr als 400 Millionen US-Dollar, das meiste davon im Verlauf eines Tages. In einem Brief an seine Kunden konnte das Management des Fonds allerdings nicht erklären, was die „Vernichtung“ des Ölmarktes verursacht hatte.

Auch sonst schien niemand eine Antwort auf die Frage nach der Ursache zu haben. In einem Leitartikel der Financial Times vom 6. Mai hieß es nach dem Versuch einer Erklärung, dass nicht nur die angebotene Theorie, sondern „auch ihr exaktes Gegenteil“ richtig sein könnte. Der Artikel schloss: „Die Leichtigkeit, mit der wir Preisausschläge – in jede Richtung – erklären, legt nahe, dass wir sie absolut nicht verstehen.“

Was immer der direkte Auslöser für den Absturz war, die grundlegende Ursache der Turbulenzen liegt in dem derzeit vor sich gehenden Zusammenbruch des globalen Finanzsystems.

Einer der Hauptfaktoren hinter dem Rohstoff-Boom des vergangenen Jahres ist der Wertverlust des US-Dollars gegenüber allen anderen größeren Währungen. Dies spiegelt sowohl den langfristigen Niedergang der wirtschaftlichen Position der USA in Beziehung zu den anderen kapitalistischen Großmächten wider, wie auch die politische Strategie der Federal Reserve.

Die US-Zentralbank versorgt die amerikanischen Banken zu einem Zinssatz zwischen Null und 0,25 Prozent mit Liquidität. Da die Inflation derzeit zwei bis drei Prozent beträgt, erhalten die Banken das Geld praktisch zu einem negativen Zinssatz.

Dieses Geld wird nicht in die Entwicklung der Industrie investiert, sondern benutzt, um in Rohstoffen und an anderen Märkten zu spekulieren. Während diese Strategie den Banken und Finanzhäusern der USA sehr zugute kommt, richtet sie in der Weltwirtschaft Chaos und Verwüstung an, da die Regierungen und die Zentralbanken den inflationären Auswirkungen von Preissteigerungen und den wachstumsbremsenden Folgen steigender Wechselkurse auf ihre Wirtschaften entgegensteuern müssen.

Ohne die US-Federal Reserve beim Namen zu nennen, wies die Zentralbank Australiens in ihrem letzten Quartalsbericht über Geldpolitik auf die Risiken hin, die die Aktivitäten der Fed für die Weltwirtschaft bedeuten. Bei weiterhin niedrigen Zinssätzen, so hieß es, würden steigende Rohstoffpreise „wirtschaftliche Aktivitäten hemmen“ und „zu höheren Inflationserwartungen führen“.

Wenn die Zentralbanken zu langsam reagierten, würde das zu einer “weiteren Zunahme der Inflationserwartung führen“, gefolgt von einer „plötzlichen Verlangsamung des Wachstums, da die Politik zu spät angepasst würde.“ In anderen Worten: Die Inflationsspirale wird in einer Pleite enden und zu einer globalen Rezession führen.

Die amerikanische Geldpolitik ist nicht die einzige Ursache der globalen Turbulenzen. Eine weitere ist die gegenwärtige Krise der Eurozone, die vor kurzem als eine „Zeitlupen-Lawine“ bezeichnet wurde.

Der Absturz an den Rohstoffmärkten vergangene Woche wurde von einer frischen Krise um das Rettungspaket für Griechenland begleitet, nachdem Spiegel Online berichtet hatte, Griechenland bereite sich darauf vor, die Eurozone zu verlassen. Der Bericht wurde vehement dementiert, aber das Magazin konnte aus einem Papier des deutschen Finanzministeriums zitieren, das die Konsequenzen eines solchen Schrittes beschrieb.

Die zunehmenden Probleme des griechischen Finanzsystems, wie auch die der beiden anderen sogenannten Peripherie-Wirtschaften, denen Rettungspakete zugesichert wurden – Portugal und Irland – belegen das Versagen der finanziellen Maßnahmen , die vor einem Jahr in Kraft gesetzt wurden. Das damalige Szenario sah vor, dass die griechische Wirtschaft sich nach einer Phase fiskalischer Kontraktion erholen werde und die Regierung sich an den internationalen Märkten wieder werde finanzieren können.

Ein Jahr später hat sich die Situation drastisch verschlimmert: das Niveau griechischer Schulden ist auf 160 Prozent des Bruttoinlandproduktes gestiegen, die Arbeitslosigkeit nimmt zu, die Wirtschaft schrumpft und Griechenland ist als Ergebnis der letzten Herabstufung seiner Schulden durch Standard & Poor’s von den internationalen Märkten praktisch ausgeschlossen worden.

Bei der Unfähigkeit der Euroländer, auch nur den Ansatz einer Lösung für die Schuldenkrise zu liefern, spielen die sich verschärfenden Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen eine wichtige Rolle, vor allem die zwischen Deutschland und Frankreich.

Die politische Linie ist auf der Grundlage der Tatsache festgelegt worden, dass es keine “Restrukturierung” griechischer oder anderer Staatsschulden geben kann, da dies zu größeren Verlusten bei den Banken oder gar zu einer finanziellen Kernschmelze vom Ausmaß des Zusammenbruches des Bankhauses Lehmann Brothers führen könnte. Folglich ist eine Art Ponzi-(Schneeball)-System eingeführt worden, mit dem Kreditfristen verlängert und neue Schulden finanziert werden.

Aber ein solches System kann nicht endlos weiter existieren. An einem gewissen Punkt wird es zu dem führen, was die Financial Times eine „erzwungene Staatsumschuldung und (eine) darauffolgende Welle von Bankenzusammenbrüchen“ genannt hat.

Ursache der Turbulenzen ist die Tatsache, dass die Finanzmärkte seit langem über die staatlichen Grenzen hinausgewachsen und durch ein komplexes Gerüst von Wechselwirkungen miteinander verknüpft sind, das den gesamten Erdball umspannt und sich der Kontrolle sämtlicher Regierungen oder regulierender Behörden entzieht.

Das Chaos des Systems erinnert an Marx’ Worte im Kommunistischen Manifest: “Die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor.“

Dieses Chaos und die zunehmende soziale Verwüstung, die Hunderten von Millionen Menschen zugemutet wird, zeigen: Das Profitsystem und das Nationalstaatensystem, auf das es sich gründet, müssen abgeschafft werden. Die blinde Irrationalität des Marktes muss ersetzt werden durch das bewusste Management der globalen Wirtschaft und eine demokratisch kontrollierte Wirtschaftsplanung, um menschlichen Bedürfnissen in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Vernunft zu genügen. All das kann nur erreicht werden durch die Übernahme der politischen Macht durch die Arbeiterklasse und die Errichtung des internationalen Sozialismus.

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