G-8-Gipfel: Großmächte diskutieren, wie der „Arabische Frühling“ eingedämmt werden kann

Der G-8-Gipfel begann am Donnerstag mit der Diskussion über eine Reaktion auf den sogenannten „Arabischen Frühling“, d.h. die Massenaufstände gegen vom Westen unterstützte Regimes.

Das zweitägige Treffen findet im Schatten der sich verschärfenden weltweiten Krise des Kapitalismus statt, darunter die europäische Schuldenkrise und die immer weiter steigende Staatsverschuldung der USA, die mittlerweile die 14-Billionen-Marke überschritten hat.

Der Entwurf der Stellungnahme, die für den Gipfel vorbereitet wurde, beinhaltet Versprechen der europäischen Länder, Finanzkrisen innerhalb der Europäischen Union „mit Entschlossenheit“ zu bekämpfen, und fordert die Obama-Regierung dazu auf, ein „klares und glaubwürdiges Rahmenprogramm für eine mittelfristige Haushaltskonsolidierung zu schaffen.“

Beides bedeutet die Durchsetzung brutaler Sparmaßnahmen gegenüber der arbeitenden Bevölkerung auf beiden Seiten des Atlantiks, was unweigerlich zu Massenprotesten und einem Widerstand führen wird, wie es ihn bereits in Spanien, Griechenland und anderen Ländern gibt.

Trotz der farblosen Sprache der G-8-Diplomatie und dem Anspruch, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, unterstreicht das aktuelle Gipfeltreffen nur die Unfähigkeit der acht größten westlichen kapitalistischen Mächte, ihr Vorgehen in der Finanzkrise, zu koordinieren, die seit September 2008 die Weltwirtschaft erschüttert.

Eine der Hauptsorgen der Obama-Regierung war, dass die Schuldenkrise der schwächeren EU-Mitglieder den Wert des Euro senkt, wodurch die Bemühungen des amerikanischen Kapitalismus beeinträchtigt würden, seine Exporteinnahmen zu erhöhen.

In dieser Ausgangslage erschien das Hauptthema des ersten Tages – ein großes Hilfsprogramm zur Unterstützung des „Arabischen Frühlings“ und des Aufbaus der „Demokratie“ im Nahen Osten und Nordafrika - unangebracht. In Wirklichkeit waren aber keine festen Beträge auf neue Entwicklungshilfe genannt worden, und angesichts der bisherigen Praktiken der G-8 ist es unwahrscheinlich, dass abgegebene Versprechen eingehalten werden.

Zu den Gästen, die zum Gipfel eingeladen wurden, gehörten die Premierminister von Tunesien und Ägypten – Premierminister Beji Caid el Sebsi und Essam Sharaf. Sie kamen an die Macht, nachdem Anfang des Jahres die Diktaturen von Zine El Abidine Ben Ali und Hosni Mubarak durch Massenaufstände gestürzt wurden.

Kurz vor dem Gipfel sagte der tunesische Minister für Ausbildung und Beschäftigung, Said Aydi, seine Regierung hoffe, dass die G-8-Staaten einen „großen Plan für finanzielle Unterstützung“ im Wert von etwa 25 Milliarden Dollar allein für Tunesien vorschlagen würden. Die Summen, die für Tunesien und Ägypten zusammen vorgeschlagen werden, belaufen sich auf einen Bruchteil davon.

Die G-8-Mitgliedsstaaten haben betont, dass der Großteil der Finanzpakete, die für Tunesien und Ägypten geschnürt werden, vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank kommen, und mit der Bedingung wirtschaftlicher Umstrukturierungsprogramme verknüpft sein sollen.

Weltbank-Präsident Robert Zoellick kündigte am Donnerstag an, dass die beiden Länder mit einem weiteren Darlehen in Höhe von „bis zu 6 Milliarden Dollar“ rechnen können, sofern sie Fortschritte bei der „Modernisierung“ ihrer Wirtschaft machen würden.

David Lipton, Direktor für internationale Wirtschaftsfragen des Nationalen Sicherheitsrates der USA, sagte, Washington verlasse sich darauf, dass der IWF die Wirtschaften der Region unterstützt. Er sagte, die Programme des IWF „werden in kurzer Zeit die Probleme Ägyptens und Tunesiens in den Griff bekommen.“

Die USA hatten zuvor ein Hilfspaket in Höhe von 2 Milliarden Dollar angekündigt, das hauptsächlich für Ägypten bestimmt ist. Das Land hat bei der US-Regierung mehr als 3 Milliarden Dollar Schulden, der Schuldenberg beläuft sich insgesamt auf mehr als 35 Milliarden Dollar.

Großbritannien hat derweil angekündigt, es werde finanzielle Hilfe im Wert von mageren 175 Millionen Dollar für den „Übergang zur Demokratie“ in der Region leisten: Diese Summe soll über die nächsten vier Jahre verteilt, aus bereits bestehenden Entwicklungshilfegeldern gezahlt werden. Deutschland hat sich zur Zahlung eines vergleichbaren Betrags verpflichtet, der ebenfalls über mehrere Jahre verteilt gezahlt werden soll.

Die Führer der wichtigsten Großmächte machten bei der Zahlung dieser armseligen Summen scheinheilige Bemerkungen und erklärten ihre Unterstützung für den „Arabischen Frühling“.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte vor ihrer Abreise zum Gipfel nach Frankreich im Bundestag, es sei „selbstverständlich“, dass Deutschland die Tunesier und Ägypter unterstützen werde, die „im Kampf für die Freiheit und die Demokratie ihr Leben riskiert haben.“ Sie sagte auch, sie würde die anderen G-8-Führer dazu drängen, sicherzustellen dass „der anfängliche politische Fortschritt nicht von wirtschaftlicher Instabilität gefährdet werde.“

Merkel schlug besonders vor, dass die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung auf die Wirtschaften des Nahen Ostens und Nordafrikas ausgerichtet werden könnte.

Die EBWE wurde 1991 gegründet, um nach der Auflösung der Sowjetunion und dem Zusammenbruch der stalinistischen Regimes in Osteuropas Direktinvestitionen aus dem kapitalistischen Ausland in die Wirtschaften der Region zu leiten. Dieser Prozess, bei dem das ausländische Kapital in diese Länder schwemmte und von billiger Arbeitskraft und dem Ausverkauf des Staatseigentums profitierte, machte die Region wehrlos gegenüber der Weltwirtschaftskrise, die im September 2008 ausbrach, nachdem das plötzliche Ausbleiben des ausländischen Kapitals zum Zusammenbruch der nationalen Wirtschaften der Region führte.

Der britische Premierminister David Cameron gab seine eigene Stellungnahme bei dem Gipfel ab. Er erklärte, dass die Unterstützung nötig war, um eine weitere Radikalisierung der Massen ebenso zu verhindern, wie eine verstärkte Einwanderung nach Westeuropa.

Was die Obama-Regierung angeht, so schickte sie einen Brief an den Gipfel. Er war unterzeichnet von Außenministerin Hillary Clinton und Finanzminister Timothy Geithner, Er bezeichnete die Ereignisse im Nahen Osten und Nordafrika als „historische Gelegenheit“. Darin wurden die G-8 gedrängt, sich „nicht nur auf Handel, sondern auch auf Hilfe, nicht nur auf Unterstützung, sondern auch auf Investitionen zu konzentrieren“ und „ihre Märkte in die Region und die Weltwirtschaft zu integrieren.“

Was Washington dabei für Tunesien und Ägypten vorschwebt, sind Regimes, die auch weiterhin die Interessen der USA und ihres Hauptverbündeten, Israels, aufrechterhalten, ihre Wirtschaften den Profitinteressen der US-basierten transnationalen Firmen unterordnen und die drohende soziale Revolution systematisch unterdrücken.

In beiden Ländern unterdrücken die Regimes, die durch die tunesischen und ägyptischen Sicherheitskräfte konsolidiert wurden, systematisch die politische Opposition, Demonstrationen und Streiks. Heute wurde in Kairo auf dem Tahrir-Platz eine Massenkundgebung, genannt „Tag der Wut“, angekündigt, um gegen die Verhaftung und Verfolgung von Demonstranten durch das Militär und dessen eisernen Griff um die Regierung zu protestieren.

Die Politik des „Freien Markes“, die Washington und seine westeuropäischen Verbündeten propagieren, sind eine Ausweitung der Politik, die für das Wachstum von sozialer Ungleichheit und Massenarbeitslosigkeit verantwortlich war, die Anfang des Jahres zu den Massenaufständen führte.

Am Eröffnungstag des G-8-Gipfels gab es Forderungen an den jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, nach 33 Jahren an der Macht zurückzutreten, um einen Bürgerkrieg in dem verarmten Land zu verhindern. Es gab auch Forderungen an die syrische Regierung, die Unterdrückung von Demonstrationen durch das Militär einzustellen, aber keine Forderung nach dem Rücktritt des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad.

Die G-8-Staaten schwiegen über die brutale Unterdrückung von Massenprotesten durch die monarchische Regierung in Bahrain. Dieses Regime, in dessen Land die 5. US-Flotte stationiert ist, hat von den USA stillschweigende Unterstützung für sein Vorgehen bekommen.

Und es gab auch keine gemeinsame Stellungnahme zu Libyen, wo die USA und die NATO schon seit drei Monaten einen Bombenkrieg führen, der immer größere Zerstörung und immer mehr Tote in dem nordafrikanischen Land verursacht.

Vor Beginn des Krieges versuchte Frankreich erfolglos, bei einem Treffen der G-8-Minister eine Resolution für eine Militärintervention zum „Schutz der Zivilbevölkerung“ einzubringen. Daraufhin enthielten sich Russland und Deutschland ihrer Stimme zu einer Resolution des UN-Sicherheitsrates, die zu „allen nötigen Mitteln“ befugt, um die Zivilisten gegen Unterdrückung durch das Regime von Oberst Muammar al-Gaddafi zu schützen.

Vor Beginn des Gipfels gaben Frankreich und Großbritannien bekannt, dass sie Kampfhubschrauber einsetzen werden, wodurch die imperialistische Intervention qualitativ eskaliert, während die NATO-Kampfflugzeuge mehrere Nächte in Folge schwere Bombenangriffe auf die libysche Hauptstadt Tripolis flogen.

Russland sieht die Intervention von USA und Nato als direkte Bedrohung seiner eigenen Ansprüche auf die libysche Öl- und Gasindustrie, und verurteilte die Bombenangriffe als Verletzung der UN-Resolutionen. Russland hat seine eigenen diplomatischen Initiativen verstärkt und sich mit Repräsentanten des libyschen Regimes und der von Washington und der NATO unterstützten „Rebellen“ getroffen, um einen Waffenstillstand auszuhandeln.

Im Krieg gegen Libyen zeigen sich die wahren Ziele der USA und der westeuropäischen Mächte ganz deutlich: Die ölreichen Regionen des Nahen Ostens und Nordafrikas sollen wieder zu Kolonien gemacht werden, um die sich verschlimmernde Krise der eigenen Wirtschaften abzumildern.

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