Bulgarien: Pro-EU-Kandidat gewinnt Präsidentenwahlen

Rosen Plewneliew, der Kandidat der rechtsgerichteten Regierungspartei GERB (Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens), hat am 30. Oktober die bulgarische Präsidentenwahl gewonnen.

Plewneliew erhielt in der Stichwahl 52,5 Prozent der Stimmen, der Gegenkandidat Iwailo Kalfin von der Sozialistischen Partei (BSP) 47,4 Prozent. Kalfins Kandidatur war von 25 „linken“ Organisationen – Sozialdemokraten, Kommunisten, Umweltorganisationen bis hin zur Vereinigung thrakischer Verbände – unterstützt worden. Die Wahlbeteiligung lag bei 48 Prozent.

Mit der Übernahme des Präsidentenamts kontrolliert GERB alle wichtigen Staatsämter. Parteigründer Bojko Borissow ist seit zwei Jahren Ministerpräsident und die GERB-Abgeordnete Tsetska Tsacheva Parlamentspräsidentin. Bei den Kommunalwahlen, die parallel zur Präsidentenwahl stattfanden, gewann GERB auch die Mehrheit der Bürgermeisterposten in den großen Städten.

GERB war erst 2006 von Borissow gegründet worden. Sie ist Mitglied der Europäischen Volkspartei, der auch die deutschen Regierungsparteien CDU und CSU und die französische Präsidentenpartei UMP angehören. Sie gewann 2009 die Parlamentswahl, nachdem die Vorgängerregierung des Sozialisten Sergei Stanischew massiven Sozialabbau und beispiellose Lohnsenkungen durchgeführt und eine Flat Tax von 10 Prozent eingeführt hatte, die den Unternehmen die europaweit niedrigsten Steuersätze bietet.

GERB-Gründer Borissow hatte seine Laufbahn unter dem stalinistischen Regime im bulgarischen Innenministerium begonnen und außerdem die bulgarische Karate-Mannschaft trainiert. 1991 gründete er eine private Sicherheitsfirma, später wurde er Polizeichef des Landes und Bürgermeister von Sofia. Seine Markenzeichen sind Wirtschaftsliberalismus, Law and Order, Antikommunismus und eine starke Orientierung auf die EU. Seine Minderheitsregierung stützt sich im Parlament auf die rechtsextremistische, fremdenfeindliche Ataka-Partei.

Der neue Präsident Rosen Plewneliew gilt als enger Gefolgsmann Borissows. Er war bisher Minister für regionale Entwicklung und öffentliche Projekte in seinem Kabinett. Er verfügt über enge Verbindungen zur EU und vor allem zu Deutschland, wo der studierte Informatiker in den 90er Jahren als Subunternehmer der Baufirma Lindner an mehreren Dutzenden Bauprojekten, unter anderem auch am Bau der CDU-Zentrale in Berlin, beteiligt war.

Nach seiner Rückkehr nach Bulgarien baute seine Firma im Auftrag Lindners den Sofia Business Park. Sein Unternehmen bekam auch die Aufträge zum Bau der Sofioter U-Bahn und eines Autobahnrings um Sofia. Seit dieser Zeit begleiten Korruptionsvorwürfe den zum Millionär gewordenen Plewneliew, der als reichster Minister in Borissows Kabinett gilt.

Im Wahlkampf präsentierte sich Plewneliew gerne als Technokrat, der erfolgreich EU-Infrastrukturprojekte gemanagt hat, die Bulgarien an die EU anbinden. Auch die Verkehrs- und Energieversorgungsrouten, die Zentraleuropa über Südosteuropa mit dem kaspischen Raum und dem Nahen Osten verbinden sollen, hielt er sich zugute. Er begründete sie damit, dass so die Energieabhängigkeit von Russland reduziert werde.

Als Minister für Regionalplanung hat Plewneliew auch die vom deutschen Bundesland Baden-Württemberg initiierte „Donau-Strategie“ im Rahmen der EU-Regionalpolitik regsam unterstützt. Mit diesem Projekt beabsichtigt die Stuttgarter Landesregierung die Exportbedingungen für deutsche Produkte nach Südosteuropa und weiter in den russischen und asiatischen Raum, die Investitionsbedingungen in den dortigen Billiglohnländern sowie die Nutzung billige Arbeitskräfte zu verbessern

„Unser deutsche Junge“ nennt dann auch das Bulgarische Wirtschaftsblatt den neuen Bulgarischen Präsidenten in der Überschrift zu einem Artikel zur Präsidentschaftswahl vom 2. November. Schon am Taufbecken der im Dezember 2006 gegründeten GERB hatten CDU, CSU und die Konrad-Adenauer-Stiftung Pate gestanden, deren Coaching und mediale Schützenhilfe für zunehmende Wahlerfolge bei Gemeinde-, Europa- und Parlamentswahlen sorgten.

Zu den Wahlhelfern Plewneliews gehören u.a. die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Konrad-Adenauer-Stiftung und Wilfried Martens, der Präsident der Europäischen Volkspartei. Mitte Oktober reiste auch der Präsident der Europäischen Kommission Manuel Barroso nach Sofia, um den Bau der Sofioter U-Bahn als Beispiel für gelungene europäische Wirtschaftsförderung zu preisen.

Plewneliew gewann die Präsidentenwahl, obwohl die Regierung Borissow keines ihrer 2009 abgegebenen Wahlversprechen gehalten hat. Lag der Durchschnittslohn 2008 noch bei 270 Euro, sind die Haushaltseinkommen inzwischen nochmals real gesunken. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosenrate auf über 11 Prozent.

Eine äußerst restriktive Fiskalpolitik hat katastrophale Folgen in der öffentlichen Bildung und im Rentenbereich und lässt das Gesundheitswesen kollabieren. Im Juli dieses Jahres hat Finanzminister Simeon Djankow seinen „Finanzstabilitätspakt“ im Parlament durchgebracht, der eine Obergrenze von 2 Prozent des BSP für Neuverschuldung vorsieht und den Steuersatz von 10 Prozent faktisch festschreibt.

Laut dem Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche gibt es allerdings ein enormes Schuldenproblem der Unternehmen, die sich nach der Krise 2008 in Folge mangelnder Kredite und Investitionen aus dem Ausland und Konjunkturspritzen der eigenen Regierung mit 120 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldeten und jetzt zusammenbrechen.

Die angestrebten Beitritte zur Euro-Zone und zum Schengen-Raum konnten ebenfalls nicht realisiert werden.

Auch mit ihrem Kernthema, dem Kampf gegen das organisierte Verbrechen und die von der BSP-Vorgängerregierung hinterlassenen korrupten Verhältnisse, macht sich die Regierung immer unglaubwürdiger. Mitte dieses Jahres verhinderte GERB eine Abstimmung über ein Gesetz zur Einrichtung einer „Mafia-Kommission“, indem ihre Abgeordneten das Parlament vor der Abstimmung verließen. Besitzer von Luxusimmobilien, Yachten und anderen Vermögenswerten bleiben weiter vom Herkunftsnachweis und dem möglichen Requirieren ihres Reichtums verschont.

Das GERB die Präsidenten- und die Kommunalwahl trotzdem gewann, verdankt sie vor allem dem rechten Kurs der Sozialisten, die aus der alten stalinistischen Staatspartei hervorgegangen sind. Auch deren Kandidat Kalfin richtete seinen Wahlkampf an den Forderungen der EU nach Deregulierung und Privatisierung aus – und vermischte dies zeitweilig mit nationalistischen Tönen.

Insgesamt war der Wahlkampf politisch inhaltslos und hatte nichts mit der gesellschaftlichen Situation im Land zu tun, die durch extreme Armut und Unsicherheit für die arbeitende Bevölkerung, obszönen Reichtum der Elite, Wirtschaftskrise und mafiöse politische Verhältnisse gekennzeichnet ist.

Als Ende September pogromartige Ausschreitungen gegen die bitterarme Roma-Minderheit stattfanden, die von der rechtsextremen Partei Ataka und ihrem Präsidentschaftskandidaten Wollen Siderow angestachelt und von den Ordnungskräften weitgehend passiv hingenommen wurden, schwieg Plewneliew lange und bezeichnete die Ereignisse dann als politisch nicht bedeutsam.

Schon beim 1. Wahlgang kritisierten OSZE-Beobachter Unregelmäßigkeiten. So gab es beispielsweise bei den Gemeinderatswahlen eine so genannte „Verbotsliste“, auf der die Namen von 400.000 Wahlberechtigten standen, die an der Stimmabgabe gehindert wurden.

Alexander Andreev von der Deutschen Welle äußerte nach dem zweiten Wahlgang den Verdacht, „dass GERB beim Wahlergebnis nachgeholfen hat. Bis zu 50 Mio. Euro sollen für den Stimmenkauf ausgegeben worden sein.“ Auch der sozialistische Kandidat Kalfin warf GERB „Stimmenkauf, Druck und Drohungen gegen die Wähler“ vor. „Die Wahlen in Bulgarien haben nichts gemeinsam mit demokratischen Wahlen“, sagte er im Staatsradio.

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