Perspektive

US-Zentralbank Federal Reserve:

Protokolle deuten auf Bankrott der Wirtschaftsordnung

Seit der Veröffentlichung der Protokolle des Treffens des Federal Open Market Comittee (FOMC) der US-Zentralbank Federal Reserve vom 31. Juli / 1. August hat sich ein Großteil der Aufmerksamkeit der Finanzmärkte und der Medien auf Spekulationen darüber konzentriert, wann und unter welchen Umständen die Federal Reserve die nächste Runde des „quantitative easing“ einläuten wird. Unter „quantitative easing“ versteht man den Prozess, durch den die Zentralbanken hunderte von Milliarden Dollar in die Geldmärkte pumpen.

Die Kurzsichtigkeit der Medien hat allerdings dazu geführt, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf die kurzfristigen Fluktuationen der Finanzmärkte gelenkt und die wirkliche Bedeutung und die Konsequenzen der Beratungen der Federal Reserve schweigend übergangen haben.

Der Blick der Medien und der Finanzmärkte auf die Aktionen der Federal Reserve wird sich in dieser Woche noch stärker auf die angekündigte Rede ihres Vorsitzenden Ben Bernanke richten, der beim jährlichen Treffen der Zentralbanker in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming sprechen wird. Mit Spannung erwartet wird auch die für Samstag angekündigte Rede des Chefs der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, der versprochen hat, die EZB werde „alles tun, was notwendig ist“, um den Euro zu stützen.

Während man nicht davon ausgeht, dass der Vorsitzende der Federal Reserve eine neue Runde des „quantitative easing“ ankündigt, rechnet man doch damit, dass schon bald etwas unternommen werden wird. In den Aufzeichnungen der FOMC heißt es: „Viele Mitglieder sind zu dem Schluss gelangt, dass zusätzliche Geldspritzen erforderlich werden könnten, falls nicht neue Informationen auf eine grundlegende und nachhaltige Stärkung der wirtschaftlichen Erholung deuten.“

Die Erwartungshaltung der Märkte wurde durch Bemerkungen von Ben Bernanke weiter angeheizt, der am vergangenen Freitag meinte, dass es „Raum gibt für weiteres Handeln der Federal Reserve, um die finanziellen Bedingungen zu verbessern und die Erholung der Wirtschaft zu stärken.“

Das jüngste Treffen des FOMC kam einem Eingeständnis gleich, dass das Finanzsystem zwar von Tag zu Tag aufrecht erhalten wird, dass es langfristig gesehen, also im historischen Sinne, aber vollkommen zusammengebrochen ist. Das Ausmaß des inneren Zerfalls ist mittlerweile so groß, dass die Zentralbank nicht einmal mehr versucht, den Rahmen für wirtschaftliches Wachstum zu bieten.

Stattdessen soll sie nach neuen Wegen suchen, um Geld in die Banken und Finanzhäuser zu schaufeln, damit diese ihren Geschäften nachgehen können – und zwar aus Angst davor, dass das ganze System zusammenbrechen könnte.

Seit dem Bankrott von Lehman Brothers im September 2008 hat die Federal Reserve Geld in der Größenordnung von 3,2 Billionen US-Dollar in Form von Ankäufen von Staatsanleihen und Hypothekenanleihen in die US-Finanzmärkte gepumpt.

Allerdings hat diese Politik, die darauf hinausläuft, die Banken und Finanzhäuser mit riesigen Summen billigen Geldes zu versorgen, damit sie ihren Finanzspekulationen nachkommen können, zu keinerlei wirtschaftlicher Erholung geführt.

Wie die Aufzeichnungen vom FOMC-Treffen bestätigen, befinden sich Schlüsselsektoren der US-Wirtschaft in einem Zustand der Stagnation oder der Schrumpfung. Dem Treffen vorgelegte Informationen zeigen, dass die Wirtschaft sich insgesamt verlangsamt und dass es auf dem Arbeitsmarkt wenig Verbesserung gegeben hat. Die Zahl öffentlicher Bediensteter war leicht zurückgegangen, während sich die Industrieproduktion „erheblich verlangsamt“ hat.

In den Aufzeichnungen heißt es, die „Sparpolitik des Staates“ bremse die Wachstumsraten, während Daten, die seit dem Juni-Treffen eingegangen seien, zeigten, dass „die wirtschaftliche Aktivität in den vergangenen Monaten“ stärker als erwartet abgenommen habe.

Die Arbeitslosigkeit werde sich bis Ende 2014 noch auf „erhöhtem Niveau“ bewegen. In den Aufzeichnungen heißt es: „Mehrere Mitglieder merkten an, dass die Wirtschaft bei weiter andauernden schwachen Wachstumsraten kaum in der Lage sein werde, einen größeren Schock wegzustecken, ohne in die Rezession zurückzufallen.“

Es gibt eine Reihe potenzieller Quellen der Instabilität in der Weltwirtschaft. Mit der relativen Ruhe auf den europäischen Finanzmärkten in den letzten Wochen könnte bald Schluss sein, wenn die Vertreter der „Troika“ – der EZB, der EU und des IWF – ihren Bericht über den Zustand der griechischen Finanzen präsentieren.

Da die griechische Wirtschaft weiterhin schrumpft – sie befindet sich im fünften Jahr in Folge in der Rezession – könnte sich die Frage des Staatsbankrotts und des Austritts des Landes aus der Eurozone erneut stellen, und das trotz aller Beteuerungen von Kanzlerin Merkel, Griechenland innerhalb des Euro halten zu wollen.

Langfristig wird die finanzielle Instabilität in Europa durch die zunehmende Rezession auf dem gesamten Kontinent verstärkt. Sechs Mitglieder der Eurozone befinden sich bereits offiziell in der Rezession und Europa als Ganzes könnte ein zweites Quartal negativen Wachstums erleben.

Der Abwärtstrend, der in der sogenannten „Peripherie“ begann, weitet sich jetzt auf das Zentrum aus. Die deutsche Wirtschaft zeigt deutliche Anzeichen einer Abschwächung. Bei Exportaufträgen kam es zum stärksten Rückgang seit drei Jahren, die Industrieproduktion ist seit sechs Monaten rückläufig und für das dritte Quartal wird mit einem negativen Wirtschaftswachstum gerechnet.

Analysten von Barclays Capital warnten, dass „schwächere globale Nachfrage bald in Deutschland spürbar und sich auf die Exporte auswirken wird, während heimische Investitionen weiterhin unter den Unsicherheiten leiden werden, die die Eurokrise erzeugt.“

Die Auswirkungen des Rückgangs der globalen Nachfrage spiegeln sich in Japan wider, der noch immer drittgrößten Volkswirtschaft der Welt. Die jüngsten Voraussagen rechnen angesichts des Rückgangs der Exporte nach China und Europa für das dritte Quartal entweder mit einer Stagnation oder einer Abnahme des Bruttoinlandsproduktes.

Die Verlangsamung in China, Indien und Brasilien, wo die Regierungen erwägen, ihrer Wirtschaften anzukurbeln, deutet auf die zugrunde liegenden Prozesse in der Weltwirtschaft. Diese Länder sind weit davon entfernt, dem globalen Kapitalismus entscheidende Impulse für ein erneutes Wachstum zu geben. Stattdessen werden sie schwer von den Rezessionskräften gebeutelt, die der Finanzzusammenbruch auslöst.

Es fiel auf, dass es in den Aufzeichnungen vom FOMC-Treffen keine Hinweise darauf gab, ob und wann es zu einer Rückkehr zu „normalen“ wirtschaftlichen Bedingungen kommen könne.

Dies liegt daran, dass die globale Rezession, ansteigende Arbeitslosigkeit und das permanent drohende Finanzchaos die „neue Normalität“ der historisch bankrotten globalen kapitalistischen Wirtschaft darstellen. Verbunden ist sie mit gewaltigen Angriffen auf die soziale Stellung der Arbeiterklasse in allen Ländern. 

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