Weitere Kürzungen in Griechenland

Eigentlich sollten die Eckpunkte der von der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) geforderten Haushaltskürzungen am Montag der Öffentlichkeit präsentiert werden. Nach einem Treffen der Vorsitzenden der Regierungsparteien wurde die Bekanntgabe aber vertagt. Man sei sich über einige Punkte noch nicht einig, hieß es aus Regierungskreisen.

Zwar stimmten sowohl die konservative Nea Dimokratia (ND) als auch die sozialdemokratische PASOK und die kleine Demokratische Linke (DIMAR) dem Volumen der Kürzungen zu, doch hätten sich letztere für eine Streckung der Einsparungen von zwei auf vier Jahre ausgesprochen, wie es zuvor auch schon Premierminister Andonis Samaras (ND) in Erwägung gezogen hatte. Der Tageszeitung Kathimerini zufolge schlug PASOK vor, zunächst 6 Milliarden Kürzungen für 2013 zu verabschieden und mit den weiteren 5,5 Milliarden, die für 2014 vorgesehen waren, abzuwarten.

Die bisher an die Öffentlichkeit gelangten Details legen derweil nahe, dass es bei den Auseinandersetzungen innerhalb der Regierung darum geht, wie die Kürzungen am besten durchgesetzt werden können, aber nicht um deren Kern, der sich fast ausschließlich gegen die Arbeiter und Armen richtet.

Schon letzte Woche war berichtet worden, die drei Parteien hätten sich auf Kürzungen des Budgets des Arbeitsministeriums um fünf Milliarden Euro und auf Einsparungen bei den Krankenhäusern von 300 Millionen Euro geeinigt. Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung kann schon jetzt nicht mehr gewährleistet werden. In Nordgriechenland protestieren derzeit hunderte Klinikärzte durch „Dienst nach Vorschrift“ gegen empfindliche Lohnkürzungen.

Ebenfalls wahrscheinlich ist die massive Senkung der Löhne Angestellter in öffentlichen Unternehmen, wie den Elektrizitätswerken. Berechnungen zufolge sollen die Kürzungen zwischen 30 und 50 Prozent liegen. Damit wird zugleich die Privatisierung der Firmen vorbereitet, die auf diese Weise attraktiver für Investoren werden.

Zudem sollen die staatlichen Renten erneut gesenkt werden. Dabei werden wahrscheinlich die Renten der Landwirtschaftsversicherungskasse von 360 auf 330 Euro und alle weiteren Renten, die über 1.000 Euro liegen, um 15 Prozent gesenkt. Ab 2.200 Euro soll die Altersvorsorge vollständig gedeckelt werden. Eine weitere Kürzung ergibt sich aus der Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre.

Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent sowie kaum vorhandener Arbeitslosenversicherung sind die schmalen Renten oft das einzige Einkommen in einer Familie. Deren Kürzung wird Millionen Familien existentiell treffen.

Die wohlhabenden Schichten werden hingegen vollständig verschont. Laut offiziellen Regierungszahlen wurden allein in den letzten beiden Jahren 16 Milliarden Euro von griechischen Millionären ins Ausland geschafft, ohne dass ernsthafte Maßnahmen ergriffen wurden, dies zu stoppen. Einige der reichsten Unternehmer Griechenlands, die Reeder, müssen sogar laut Verfassung keine Steuern zahlen.

Unabhängig von dem jetzt diskutierten Sparpaket brachte die Regierung ein Gesetz auf den Weg, das es dem Kabinett ermöglicht, ohne weitere Zustimmung des Parlaments ganze Universitäten zu schließen.

Für ein Land wie Griechenland „mit einer Bevölkerung von elf Millionen ist es unmöglich, sich 40 Universitäten zu leisten, wenn andere Länder, wie Israel, nur sieben oder acht haben“, sagte Bildungsminister Costas Arvanitopoulos Mega TV und kündigte damit an, dass die Regierung rasch von dem Gesetz Gebrauch machen wird.

All diese Maßnahmen sind, ebenso wie die Verzögerung der Ankündigung der Kürzungen, mit der Troika abgesprochen. Am Dienstagmorgen trafen sich Samaras, der von PASOK ernannte Finanzminister Giannis Stournaras und weitere Regierungsmitglieder mit Vertretern des Gremiums, um das weitere Vorgehen zu beratschlagen. Troika-Vertreter kündigten an, solange in Athen zu bleiben, bis das Kabinett das Sparpaket verabschiedet habe.

Neben den neuen Kürzungen überwacht die Troika auch die Umsetzung früher beschlossener Einsparungen, die wegen der beiden Wahlkämpfe und dem massiven Widerstand der Bevölkerung noch nicht vollständig umgesetzt worden sind. Von dem Bericht wird abhängen, ob die nächste Tranche der europäischen Hilfskredite an Griechenland ausgezahlt wird. Ansonsten droht dem Land binnen Wochen der Bankrott.

Schon jetzt steht das Land wegen der Verzögerung der Auszahlung kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Am 20. August wird ein Kredit der EZB fällig, den Griechenland aus eigenen Mitteln nicht begleichen kann. Der stellvertretende Finanzminister Christos Staikouras sagte am Dienstag, die Barreserven des Landes seien fast bei Null. „Wir befinden uns sicherlich am Abgrund. Wir haben die Tranche, die wir eigentlich bekommen sollten, nicht erhalten“, sagte er dem staatlichen Fernsehsender NET.

Die Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires meldet unter Berufung auf mehrere Insider aus der griechischen Regierung und der Troika-Mission zudem, Griechenland müsse zusätzlich zu den jetzigen Kürzungen 30 weitere Milliarden aufbringen, um die Vereinbarungen mit der Troika einhalten zu können. Dies ergibt sich daraus, dass die Rezession deutlich stärker ausgefallen ist, als prognostiziert.

Unter diesen Bedingungen erhöhen die europäischen Staaten den Druck auf Griechenland. EU-Kommissions-Präsident José Manuel Barroso hatte schon in der letzten Woche erklärt, dass das Land der europäischen Währungsunion nur weiter angehören könne, wenn es seinen Gläubigern „Ergebnisse, Ergebnisse, Ergebnisse“ liefere. „Worte sind nicht genug, Taten sind wichtiger“, sagte er bei seinem Besuch in Athen.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schloss gegenüber der Welt am Sonntag jede Änderung der Kreditvereinbarung erneut aus. Diese sei „schon sehr entgegenkommend. Ich kann nicht erkennen, dass es noch Spielraum gibt für weitere Zugeständnisse“, sagte er. Es helfe nicht, „jetzt über mehr Geld oder mehr Zeit zu spekulieren“.

Zudem mehren sich in der deutschen Regierung die Stimmen, die für einen Bankrott Griechenlands und dessen Ausschluss aus der Eurozone eintreten. Nachdem sich der Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler bereits letzte Woche dafür ausgesprochen hatte, dem Land jede weitere Hilfe zu verweigern, schloss sich dem nun auch Unions-Vizefraktionschef Michael Fuchs (CDU) an. „Griechenland ist nicht zu retten, das ist simple Mathematik“, sagte er gegenüber der Wirtschaftswoche. Rückendeckung erhielten sie zudem vom CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer.

Auch wenn dieser Standpunkt in führenden Kreisen Deutschlands an Einfluss gewinnt, dienen solche Aussagen unmittelbar dazu, den Druck auf die griechische Regierung zu erhöhen, das Sparpaket zügig gegen die Bevölkerung durchzusetzen. Denn der Widerstand gegen die Kürzungen ist enorm.

Aus diesem Grund hat der Minister für Bürgerschutz, Nikos Dendias, angekündigt, die Polizeikräfte in den Stadtvierteln um 1.500 Beamte zu erhöhen. Zudem will er 100 neue Wagen und 60 Motorräder anschaffen. Als Generalsekretär des Ministeriums hat er Athanasios Andreoulakos ernannt, der unter der Obristen-Diktatur einem Militärtribunal angehörte, das mindestens sechs Widerstandskämpfer verurteilt hat. In der letzten Woche hatten bereits hunderte Polizisten einen Streik von Stahlarbeitern in einem Werk bei Athen gewaltsam beendet und Streikposten verhaftet.

In diesem Zusammenhang ist auch der Rücktritt des Personalchefs der Armee Constantinos Ziazias und seine Ersetzung durch den ND-treuen General Michail Kostarakos zu sehen. Offensichtlich ist die konservative Regierung bemüht, die Armee eng an sich zu binden.

Das wichtigste Mittel der Regierung gegen den Widerstand der Arbeiter ist aber die größte Oppositionspartei, die Koalition der Alternativen Linken (SYRIZA). Diese hat zwar angekündigt, Proteste gegen die Kürzungen zu unterstützen, setzt aber alles daran, diese Proteste an die EU-Institutionen zu binden und ins Leere laufen zu lassen. Mantra-mäßig wiederholen Vertreter der Partei, dass die Kreditvereinbarungen mit der EU humaner gestaltet werden könnten. Im Wahlkampf hatte sie selbst die Aufrüstung der Polizei unterstützt.

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