Pläne für Bankenunion scheitern an innereuropäischen Konflikten

In der letzten Woche scheiterten die Gespräche zwischen den Finanzministern der Europäischen Union über die Gründung einer Bankenunion für die Eurozone an starken Meinungsverschiedenheiten zwischen den einflussreichsten europäischen Staaten.

Der Widerstand gegen die Pläne für eine Bankenunion kam vor allem von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Dieser hatte in Berlin erklärt, er werde sich den Forderungen nach einer allgemeinen Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) aller europäischen Banken nicht beugen. Auf dem Treffen erklärte er: „Es wird sehr schwierig sein, vom Bundestag die Zustimmung dazu zu bekommen, dass alle deutschen Banken unter Aufsicht gestellt werden. Schäuble fügte hinzu, es könnte mehr als zehn Jahre dauern, die Kontrolle durch die EZB so weit auszuweiten, wie Frankreich es fordert – d.h. auf alle 6000 Banken des europäischen Kontinents.

Schäuble erklärte weiter, er wolle eine klare Trennung zwischen der Bankenaufsicht der EZB und ihrer Kontrolle über die Geldpolitik – das heißt, die Bestimmung der Zinssätze, das Drucken von Geld und die Kontrolle der Geldmenge.

Die Europäische Kommission hatte im Juni die Forderung nach einer Bankenunion erhoben. Die Kommission wollte, dass die EZB mehr Befugnisse zur Aufsicht über die Konten der europäischen Banken, zur Abwicklung insolventer Finanzinstitute und zur Erleichterung der Rettung überlebender Banken erhält.

Im Rahmen der Pläne für eine Bankenunion hatten sich die europäischen Staatschefs auf die Gründung eines neuen dauerhaften Rettungsfonds für die Eurozone geeinigt, den Europäischen Stabilitätsmechanismus, der mit 500 Milliarden Euro ausgestattet ist.

Die Anhänger einer derartigen Union versuchten, sie als Mittel darzustellen „exzessive Spekulationen“ der Banken zu bremsen, aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Die größten Banken des Kontinents unterstützen die Idee einer europäischen Bankenunion. Die erbitterten Konflikte, die beim Treffen der Finanzminister am Dienstag letzter Woche aufkamen, drehten sich darum, welche Banken welcher Nation von den lukrativen Einnahmen durch Spekulationen in der Eurozone profitieren würden.

Der heftigste Widerstand gegen eine europäische Bankenunion kam aus der City von London, wo ein Großteil der Finanztransaktionen der EU durchgeführt werden. Die City empfindet es als direkte Bedrohung für die Rolle der britischen Banken und Unternehmen in Europa, wenn die EZB mehr Macht bekommt. Die Financial Times bezeichnete den EU-Markt in einem Artikel über die Bedeutung britischer Investitionen in die EU als „die goldene Eintrittskarte der City.“

Europa hat bereits eine Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die die Banken überwacht. Sie hat ihren Sitz in London und wird vom britischen Bankensektor beeinflusst.

Laut einer britischen Informationsquelle würden die Pläne für neue Vollmachten der EZB das Risiko bergen, dass die EBA zu „einem Arm der EZB wird.“

Die französische Tageszeitung Le Monde bezeichnete den Konflikt um eine Bankenunion letzte Woche in einem Leitartikel als „eine Schlacht zwischen London und Paris.“ Christian Noyer, der Gouverneur der französischen Zentralbank, hatte diese Woche außerdem erklärt, er lehne die britische Dominanz über die Finanztransaktionen der Eurozone ab.

„Wir haben kein Problem damit, wenn in London Geschäfte gemacht werden, aber das Gros der Geschäfte sollte unter unserer Kontrolle sein,“ erklärte Noyer in der Financial Times. Noyer hatte in diesem Jahr auch erklärt, dass Ratingagenturen eher Großbritanniens Kreditwürdigkeit herunterstufen sollten als die von Frankreich, denn Großbritannien habe „genauso große Schulden, mehr Inflation und weniger Wachstum als wir.“

Die britische Bankenlobby und die Medien reagierten erbost auf Noyers Kommentare. Premierminister David Cameron warnte, er sei bereit, gegen eine europäische Bankenunion sein Veto einzulegen, wenn britische Interessen dabei nicht berücksichtigt würden.

Deutschland will ebenso wie Frankreich seinen Anteil am europäischen Finanzmarkt zum Nachteil Großbritanniens vergrößern. Dennoch scheiterten die Verhandlungen am Dienstag an den Streitigkeiten zwischen den kontinentaleuropäischen Mächten.

Frankreich hat klargestellt, dass es von Deutschland als größter Wirtschaftsmacht erwarte, dass es die führende Rolle bei der Rettung von Südeuropas zunehmend gefährdetem Bankensystem spielt.

Das französische Finanzkapital hat mehr als 540 Milliarden Euro in südeuropäische Banken investiert und ist daher entschlossen, seine Investitionen zu schützen. Deshalb will es, dass die EZB regelmäßiger Kredite an notleidende Banken verteilt. Aber das hat Berlin begrenzt. Schäuble weigert sich, Plänen für eine Bankenunion zuzustimmen, die der EZB einen Blankoscheck für weitere Rettungspakete ausstellen würden.

Angesichts der Bundestagswahl im nächsten Jahr und dem starken Widerstand des eigenen Koalitionspartners ist die Bundesregierung entschlossen, kein weiteres Geld für Rettungspakete zu zahlen. Die Bundesbank hat ebenfalls erklärt, dass sie eine Bankenunion ablehne, die die EZB zu einer aktiveren Rolle in der europäischen Geldpolitik zwingen würde.

Berlins Hauptkritikpunkt während des Treffens der Finanzminister war Frankreichs Beharren darauf, dass die EZB die Befugnis dazu erhalten soll, alle 6000 Banken der Eurozone zu kontrollieren.

In Deutschland gibt es dutzende kleine regionale Sparkassen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Geschäften in den Regionen und Bundesländern. Diese Banken fürchten die Folgen der Kontrolle durch die EZB. Der erste Vorschlag des Bundesfinanzministeriums zu dem Thema ging sogar so weit, die Bankenaufsicht der EZB auf die fünfundzwanzig größten Banken zu beschränken.

Der Vorsitzende der Sparkasse Karlsruhe Ettlingen, Michael Huber, ergriff in einem Interview mit der Financial Times Partei für die kleinen Banken in Deutschland: „Man kann einer Jacht, die mit fünf Passagieren in Küstennähe fährt, nicht die gleichen Sicherheitsregeln verordnen wie einem Kreuzfahrtschiff für 2000 Passagiere,“ erklärte er. „Das würde zu enormen Verwaltungskosten führen, die an die Kunden weitergegeben würden…. Mittelständische Unternehmen und die Wirtschaft der Region wären davon betroffen.“

Europäische Staatschefs hatten im Sommer vorgeschlagen, die Grundlagen für eine Bankenunion bis Ende 2012 zu vervollständigen. Das Scheitern der Gespräche am letzten Dienstag bedeutet, dass die Gründung wohl auf nächstes Jahr verschoben wird.

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