Perspektive

Politische Ökonomie des spanischen Bankenbailouts

Vergangene Woche haben sich die Finanzminister der Eurozone für einen Bailout zur Rettung der spanischen Banken entschieden. Dies ist offenbar ein Testlauf für viel weitergehende Maßnahmen, um die soziale Position der Arbeiterklasse weiter anzugreifen.

Nach der Vereinbarung bekommen vier Großbanken, die schon von der spanischen Regierung gestützt werden, 37 Milliarden Euro. Zudem werden zweieinhalb Milliarden Euro in einer so genannten „Bad Bank“ deponiert, um Verluste aus dem Zusammenbruch des spanischen Immobilienmarktes aufzufangen.

Die Maßnahmen sind an Bedingungen geknüpft, denen zufolge die betroffenen Banken Arbeitsplätze abbauen müssen, während die spanische Regierung stark unter Druck gerät, ihre sozialen Kürzungen von bisher schon hundertfünfzig Milliarden Euro noch zu verschärfen. Der Bailout deckt jedoch längst nicht alle spanischen Bankenschulden ab.

Im Juni war geschätzt worden, dass die spanischen Banken mindestens hundert Milliarden Euro benötigen würden. Die zweieinhalb Milliarden Euro, welche Verluste aus dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes auffangen sollen, sind, verglichen mit den geschätzten Verlusten von sechzig Milliarden Euro, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Diese anfänglichen Maßnahmen werden weithin als Auftakt für einen umfassenden Bailout des spanischen Staates und die Errichtung einer Finanzdiktatur wie heute in Griechenland aufgefasst.

Die jüngste Intervention hat nichts mit der Förderung von Wirtschaftswachstum zu tun. Solche durchsichtigen Behauptungen dienen nur der Beruhigung der Öffentlichkeit. Die von den Finanzbehörden der Eurozone verlangten Kürzungsmaßnahmen werden die Rezession in Spanien nur vertiefen. Die Arbeitslosigkeit hat in dem Land schon 25 Prozent erreicht und beträgt bei Jugendlichen sogar mehr als fünfzig Prozent.

Das Rettungsprogramm soll die Finanzelite stützen und sämtliche Lasten auf die Arbeiterklasse abwälzen, deren Sozialprogramme gekürzt und deren Lebensstandard heruntergeschraubt wird. Arbeiter werden in die Armut getrieben, damit die notwendigen Geldmittel frei werden, um die Banken und Finanzhäuser zu retten und ihre Verluste aus Grundstücks- und Immobilienspekulation zu decken.

In den letzten Wochen haben alle wichtigen Zentralbanken ihre Konjunkturmaßnahmen verstärkt und beinahe unbegrenzte Mengen an billigen Krediten in das Finanzsystem gepumpt. Was sie antreibt, sind immer stärkere Anzeichen einer globalen Rezession und infolgedessen die wackelige Position der großen internationalen Banken. Der Banken-Bailout in Spanien in der letzten Woche ist Teil einer breiteren, europaweiten und internationalen Politik.

Die Ausweitung der zahlreichen Banken-Bailouts geht Hand in Hand mit einer Verschärfung der Angriffe auf die Arbeiterklasse und der Ausweitung dieser Angriffe auf ganz Europa.

Dieser Politik liegen nicht nur ökonomische, sondern auch politische Überlegungen zugrunde. Weil es dem Finanzkapital bisher gelungen ist, den griechischen Arbeitern Bedingungen wie in Zeiten der Depression aufzuzwingen, fühlt es sich jetzt ermutigt, seine soziale Konterrevolution auf Spanien, Italien und andere europäische Länder auszudehnen

Aber es konnte diese historischen Angriffe in Griechenland trotz des erbitterten und hartnäckigen Widerstands der griechischen Arbeiterklasse nur durchsetzen, weil pseudolinke Organisationen wie Syriza den Widerstand konsequent den Gewerkschaften unterordnen und die Entwicklung einer revolutionären Bewegung ablehnen, die um die politische Macht und für die Zerschlagung des kapitalistischen Staats in Griechenland kämpfen würde.

Die Partei Syriza spielt eine durch und durch doppelbödige Rolle. Einerseits erhält sie bei Wahlen Unterstützung, indem sie sich gegen die Kürzungen ausspricht, und andererseits betont sie, Griechenland werde in der Europäischen Union bleiben, die dieselben Kürzungen diktiert. Syriza stützt sich auf privilegierte Teile der Mittelschichten und ist entschieden gegen einen revolutionären Kampf der Arbeiterklasse. Sie sieht die Wirtschaftskrise als einen Weg, sich selber enger in den Staat zu integrieren, indem sie dem Finanzkapital ihre Dienste anbietet.

Um den Widerstand der Arbeiterklasse ins Leere laufen zu lassen, müssen die europäischen Regierungen und herrschenden Klassen sich mehr denn je auf die pseudolinken Gruppen wie Syriza in Griechenland, die Linkspartei in Deutschland, die Antikapitalistische Partei in Frankreich, die Socialist Workers Party in Großbritannien und die von Stalinisten dominierte Izqierda Unida in Spanien stützen. Diese Organisationen feiern Syriza als Modell für die europäische und internationale „Linke“ und signalisieren dadurch ihre Bereitschaft, die ihnen zugedachte Rolle zu spielen.

Gleichzeitig wird in großem Umfang staatliche Unterdrückung vorbereitet. Die spanische Regierung erhöht die Ausgaben für Polizei und Sicherheitskräfte. Die Ausgaben für Personal und Ausrüstung der Bereitschaftspolizei werden in den nächsten zwei Jahren um fast zwei Prozent erhöht.

In Spanien geht es um viel mehr als in Griechenland. Der Grund ist, dass die deutschen Banken viel tiefer in die spanische Finanzkrise verstrickt sind. Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zufolge haben deutsche Kreditgeber in Spanien fast hundertvierzig Milliarden Euro investiert. Das ist der höchste Wert für ganz Europa. Davon wurden alleine 46 Milliarden Euro an die Banken verliehen. Das ist einer der Gründe, warum die deutsche Regierung einen Schuldenschnitt für Griechenland ablehnt. Sie fürchtet, das könnte als Beispiel für Spanien dienen.

Als im Juni zuerst über einen hundert Milliarden Euro schweren Bailout für die spanischen Banken gesprochen wurde, hieß es in einem Reuters-Bericht: „Das ist praktisch hintenherum ein Bailout für verantwortungslose Kreditvergabe deutscher Banken.“ Der Bericht fuhr fort: „Wenn zugelassen wird, dass spanische Banken Bankrott gehen, dann wären die Folgen für das deutsche Bankensystem äußerst schwerwiegend.“

Vor mehr als 150 Jahren führte Karl Marx das schlagende Argument an, dass die Stabilität des Kredit- und Finanzsystems vom Verlauf des Klassenkampfs abhänge. Solange die Bourgeoisie das Vertrauen habe, dass die „Finanzwölfe“ sich weiter an den Mitteln des Staates bedienen könnten, solange werde das Kreditsystem weiter funktionieren

Angesichts eines revolutionären Aufschwungs der Arbeiterklasse werde das Vertrauen jedoch schwinden, und eine Krise werde eintreten. Diese Bemerkungen weisen auf einen wichtigen Aspekt der politischen Ökonomie der Eurozonenschuldenkrise hin.

Das Finanzkapital ist mehr und mehr darauf angewiesen, dass die Organisationen der Pseudolinken und die Gewerkschaftsapparate eine solche Entwicklung verhindern. Das zeigt Griechenland, und das zeigt jetzt auch Spanien.

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