Washington entdeckt Terroristen in Syrien

Am Dienstag erklärte das US-Außenministerium eine der wichtigsten Milizen, die in Syrien gegen das Regime von Bashar al-Assad kämpfen, offiziell zur „ausländischen Terrororganisation.“

Die Gruppe ist als Jabhat al-Nusra oder al-Nusra-Front bekannt und gilt weithin als die fähigste Kampforganisation in dem blutigen Bürgerkrieg in Syrien. In letzter Zeit hat sie mindestens drei syrische Militärbasen überrannt und im Osten des Landes Gebiete erobert.

Bei einer Telefonkonferenz mit ausgewählten Vertretern der Medien erklärte ein anonymer Beamter des Außenministeriums die Entscheidung damit, dass al-Nusra für „hunderte von Angriffen“ verantwortlich ist, „fast 600 in Großstädten in ganz Syrien, bei denen zahlreiche unschuldige Syrer verletzt oder getötet wurden.“

Zuvor hatte die Sprecherin des US-Außenministeriums Victoria Nuland in einer Stellungnahme erklärt: „Al-Nusra versucht, sich als Teil der legitimen Widerstandsbewegung in Syrien darzustellen. In Wirklichkeit versucht AQI (Al Qaida im Irak), mit dieser Gruppe die Kontrolle über den Kampf des syrischen Volkes für seine eigenen bösartigen Ziele zu übernehmen.“

Washington ist selbst der Experte dafür, „die Kontrolle über Kämpfe zu übernehmen.“ Seit vor zwei Jahren in Syrien eine Protestbewegung entstand, hat Washington daran gearbeitet, die Kontrolle über die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu erlangen, um Assad durch eine Marionettenregierung zu ersetzen. Das ist Teil einer größeren Strategie, mit der die amerikanische Regierung die Hegemonie über die geostrategisch wichtigen und ölreichen Regionen am Persischen Golf und in Zentralasien sichern will. Syrien ist ein Dreh- und Angelpunkt dieser imperialistischen Kampagne, vor allem wegen seiner engen Beziehungen zum Iran, den Washington als das wichtigste Hindernis bei der Errichtung seiner neokolonialen Herrschaft ansieht.

Offiziell bedeutet die Einstufung von al-Nusra als Terrororganisation, dass jeder amerikanische Staatsbürger, der sie unterstützt, vor Gericht gestellt werden kann. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es jemals dazu kommt, da die einzigen Amerikaner, die mit derartigen Aktivitäten beschäftigt sind, verdeckte Mitarbeiter der CIA sind.

Laut mehreren Berichten in den amerikanischen und europäischen Medien sind al-Nusra und andere sunnitische Dschihad-Milizen die am besten bewaffneten und ausgerüsteten Gruppen, die gegen das syrische Regime kämpfen. Waffen und Ausrüstung kommen angeblich größtenteils von den beiden wichtigsten Verbündeten Washingtons in der Region, Katar und Saudi-Arabien. Außerdem hat die CIA Anfang des Jahres in der Türkei ein Kommandozentrum aufgebaut, um die Verteilung von Waffen und Material an die syrischen „Rebellen“ zu koordinieren.

Weitere Waffen und ausländische Kämpfer sind aus Libyen eingetroffen, nachdem im letzten Jahr das Regime von Muammar Gaddafi durch einen Krieg der USA und der Nato gestürzt wurde. Wie in Syrien wurde auch damals der Großteil der Kampfhandlungen von Dschihadisten geführt, die aus der Libyschen Islamischen Kampfgruppe hervorgingen, die ihrerseits Verbindungen zu Al- Qaida hat.

Mittlerweile ist durch ein scheinbares Zerwürfnis zwischen Vertretern der US-Regierung und eines Teils dieser islamistischen Kämpfer in Libyen, das den amerikanischen Botschafter und drei weitere Menschen das Leben gekostet hat, bekannt geworden, dass die CIA in der ostlibyschen Hafenstadt Bengasi ein großes geheimes Hauptquartier gegründet hat. Zweifellos war eine der wichtigsten Aufgaben dieses Vorpostens die Kontrolle des Nachschubs an Waffen und Kämpfern nach Syrien.

Die USA waren direkt daran beteiligt, Al Qaida-Elemente auszurüsten und zu bewaffnen, obwohl sie die Vorwürfe der syrischen Regierung, sie werde von einer internationalen Terrororganisation angegriffen, als „Ablenkung“ darstellten. Die Entscheidung des Außenministeriums ist ein selbst ausgestelltes Armutszeugnis. Washington gibt selbst zu, wieder als größter Terrorsponsor enttarnt worden zu sein.

Inwieweit dient diese zynische Einschätzung den amerikanischen Interessen? Das Timing ist von größter Bedeutung. Die Medien berichten seit Monaten über die Rolle von al-Nusra und laut Informationen aus Regierungskreisen hatten sich US-Außenministerin Hillary Clinton und ihre Berater schon vor einem Monat zu dieser Einschätzung entschieden.

Die Ankündigung kam jedoch nur einen Tag vor einer Konferenz der „Freunde Syriens“ in Marrakesch, Marokko. Frankreich, die Türkei und die Monarchien vom Persischen Golf haben die Nationale Koalition der Syrischen Revolutions- und Widerstandskräfte bereits als „einzige rechtmäßige Vertretung“ des syrischen Volkes anerkannt und Präsident Obama erklärte am Dienstag in einem Fernsehinterview, die USA würden dies ebenfalls tun. Man rechnet damit, dass Washington diese Entscheidung während des Treffens offiziell bekanntgeben wird.

Es deutet allerdings nichts darauf hin, dass die Koalition wirklich etwas von dem ist, was sie sich nennt. Sie wurde letzten Monat unter Leitung des amerikanischen Außenministeriums und Washingtons Botschafter in Syrien Robert Ford in einem Luxushotel in Doha, Katar, zusammengestellt. Ihr Anführer Ahmed Moaz al-Khatib wurde von Washington und den westlichen Medien als „zweiter Gandhi“ apostrophiert und als „Gemäßigter“ und „Vereiniger“ bezeichnet.

Tatsächlich ist Al-Khatib mit der syrischen Moslembruderschaft verbündet und fiel in der Vergangenheit durch spalterische Brandreden gegen Nichtsunniten auf. Seine wichtigste Qualifikation für die Führungsposition scheint seine langjährige intime Beziehung mit dem Ölkonzern Shell zu sein.

Indem sich Washington vor der Konferenz von al-Nusra distanziert, versucht es, die optimalen Bedingungen dafür zu schaffen, direkt in die Bewaffnung der „Rebellen“ einzugreifen. Als Vorwand dient dabei die Absicht, die angeblich „säkularen“ und „demokratischen“ Milizen unter Führung der Koalition zu unterstützen, die vermutlich den Status einer Übergangsregierung zugesprochen bekommen wird.

Die Einstufung von al-Nusra als Terrororganisation dient noch einem anderen Zweck, nämlich dazu, den Vorwand für eine direkte Intervention zu schaffen. Nachdem Washington gegen das Assad-Regime haltlose Anschuldigungen erhoben hatte, es bereite den Einsatz von Chemiewaffen gegen die syrische Bevölkerung vor, äußerten Obama, Clinton und andere die Sorge, dass diese Waffen Gruppen in die Hände fallen könnten, die mit Al Qaida in Verbindung stehen. Das Pentagon hatte erklärt, es würde den Einsatz von 75.000 Soldaten in Syrien erfordern, diese Waffen sicherzustellen.

Der Irakkrieg wurde damit gerechtfertigt, dass eine unmittelbare Gefahr bestünde, „Massenvernichtungswaffen“ könnten Al Qaida in die Hände fallen. Mit dem gleichen Vorwand wird jetzt eine direkte Militärintervention in Syrien vorbereitet.

Die Ereignisse in Syrien und die ganze Bilanz des US-Militarismus in der Region in den letzten zehn Jahren zeigen, dass alle Regimes, die von Washington ins Visier genommen wurden, säkular und gegenüber Al Qaida feindselig eingestellt waren. Im Irak, in Libyen und Syrien führten amerikanische Interventionen dazu, dass Al Qaida mehr Einfluss gewann. In den letzteren beiden Ländern hatten die USA die islamistische Organisation für Stellvertreterkriege zum Regimewechsel benutzt.

Die Entwicklungen in Libyen und jetzt in Syrien zeigen, dass der „Krieg gegen den Terror“, den George W. Bush und Barack Obama propagieren, ein Betrug ist. Es ist unmöglich, die amerikanische Politik im Nahen Osten zu verstehen, ohne zu erkennen, dass der US-Imperialismus mit Al Qaida verbündet ist. Er hat geholfen, ihn während des Krieges gegen das prosowjetische Regime in Afghanistan in den 1980ern aufzubauen, seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist Al Qaida das Schreckgespenst, mit dem Militarismus nach außen und umfassende Angriffe auf demokratische Grundrechte im Inneren gerechtfertigt werden.

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