Rhein-Main Airport: Vorfeldlotsen im Streik

Am Frankfurter Flughafen sind am Donnerstag, den 16. Februar, rund 200 Rollfeld-Mitarbeiter in den Streik getreten. Sie kämpfen für die Durchsetzung eines Schlichterspruchs, der ihnen höhere Löhne und eine Arbeitszeitverkürzung zusprach. Organisiert wird der Streik von der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), während Verdi den Streik verurteilt.

Die Streikenden arbeiten auf dem Flughafenvorfeld; ihre Aufgabe ist es, die Flugzeuge vor dem Start und nach der Landung als Vorfeldlotsen, Flugzeugeinweiser und „Follow-me“-Fahrer zu begleiten und zu sichern – eine verantwortungsvolle und anstrengende Tätigkeit.

Der Schlichterspruch sieht vor, dass die Rollfeldbeschäftigten einen eigenen Tarifvertrag erhalten sollen, der spürbare Gehaltserhöhungen bei einer Laufzeit von vier Jahren vorsieht. Die Lohnerhöhungen würden die Vorfeld-Mitarbeiter am Flughafen Frankfurt nur auf das Niveau vergleichbarer Tätigkeiten an den Flughäfen München und Berlin bringen. Der Rhein-Main Airport ist der bei weitem größte Flughafen, der die komplexesten Anforderungen stellt.

Fraport, die Flughafenbetreiber-Gesellschaft, lehnte den Schlichterspruch ab, obwohl sie den Schlichter selbst ausgewählt hatte: den früheren Hamburger Bürgermeister Ole von Beust, ein CDU-Mitglied, der übermäßiger Sympathien für Gewerkschaften und Arbeiterinteressen sicher völlig unverdächtig ist.

Fraport-Arbeitsdirektor Herbert Mai beschuldigte die Streikenden am Mittwoch, unverantwortlich zu handeln, und forderte die GdF auf, „zu vernünftigen Verhandlungen“ zurückzukehren. Mai behauptete, die Lohnerhöhungen seien gegenüber den übrigen Flughafenbeschäftigten nicht vertretbar, und ihre Erfüllung wäre „schädlich für den sozialen Frieden“. Ein Argument, das viele Zeitungen rasch aufgriffen. Sie argumentierten, eine kleine Splittergruppe dürfe nicht für Bedingungen kämpfen, die jene des übrigen Personals überstiegen.

Herbert Mai, war früher selbst Gewerkschaftsführer: Von 1995-2000 war er Vorsitzender des Verdi-Vorläufers ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr), ehe er im April 2001 Fraport-Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor wurde.

Nicht überraschend lehnte auch die Gewerkschaft Verdi selbst den Schlichterspruch rundheraus ab und fiel den Streikenden in den Rücken. Die Verdi-Betriebsräte am Flughafen verurteilten den Streik und argumentierten fast gleich wie die Flughafendirektion: Die Forderungen seien im Verhältnis zu den Einkommen anderer Flughafenbeschäftigter zu hoch.

Dem Handelsblatt gegenüber warf Edgar Stejskal, Betriebsratschef am Frankfurter Flughafen, den Kollegen von der GdF „reinen Egoismus“ vor. Ihre Forderungen seien viel zu hoch. „So bricht uns der Flächentarifvertrag auseinander“, behauptete Stejskal.

Dies wiesen die Sprecher der GdF zurück. Markus Siebers, Tarifsekretär der GdF, erklärte: „Sie fürchten, dass unser Beispiel Schule machen und Verdi zwingen könnte, ihre Mitglieder ausnahmsweise wirklich zu vertreten.“

GdF-Streikführer (von links): Markus Siebers, Marcus Garske, Jens Everts GdF-Streikführer (von links): Markus Siebers, Marcus Garske, Jens Everts

Siebers erläuterte, man müsse das Berufsbild mit dem der Beschäftigten der Deutschen Flugsicherung, den eigentlichen Fluglotsen, vergleichen. Selbst der Schlichter habe anerkannt, dass es nötig sei, endlich mit der Flugsicherung in München und Berlin gleichzuziehen, und das höhere Niveau würde ja erst in vier Jahren erreicht. „Die Zahlen in der Presse sind aus dem Zusammenhang gerissen“, so Siebers. „Das Ergebnis des Schlichterspruchs zeigt nur, wie wenig wir im Vergleich vorher verdient haben.“

Die Streikführer erklärten, es habe sie doch etwas überrascht, dass die Fraport den Spruch nicht angenommen habe. Die GdF habe in den sieben Jahren ihrer bisherigen Existenz schon neun Schlichtungen erlebt, doch eine solche Konfrontation habe es noch nie gegeben. Sie vermuteten, dass die Flughafendirektion vor allem die Signalwirkung fürchte.

Siebers dazu: „Wenn die andern Beschäftigten Verdi zwingen würden, endlich auch zehn oder fünfzehn Prozent mehr Lohn zu erkämpfen, – was sich schon längst gehört hätte –, dann würde das richtig ins Geld gehen. Bis jetzt konnte Fraport mit Verdi alles auskungeln.“ Jens Everts sagte: „Wir spielen eine Vorreiterrolle. Wir ziehen den ganzen Tross nach oben.“

In Wirklichkeit hat Verdi am Frankfurter Flughafen die Verteidigung einheitlicher Lohntarife und vernünftiger Bedingungen für alle Beschäftigten längst aufgegeben und Arbeitet eng mit dem Management zusammen. Verdi hat mit Fraport einen Standortvertrag abgeschlossen und dafür langfristig auf Lohnzuwächse verzichtet. Ein großer Teil der Tätigkeiten ist an Leihfirmen ausgegliedert. Hunderte schlecht bezahlter Leiharbeiter erledigen bei Wind und Wetter die Knochenarbeit wie Kofferschleppen, Flugzeuge säubern und vieles mehr – ein Ergebnis des jahrelangen gewerkschaftlichen Ausverkaufs.

Im Kelsterbacher Streiklokal Im Kelsterbacher Streiklokal

Die versammelten Vorfeldlotsen im Kelsterbacher Streiklokal bekräftigten ihre Entschlossenheit, ihre Forderungen durchzusetzen: „Unsere Tätigkeit ist extrem stressig“, bestätigten mehrere Streikende. Einer sagte: „Die Piloten sagen uns immer, in Frankfurt seien die am meisten frequentierten Start- und Landebahnen.“ Ein anderer äußerte die Befürchtung, dass durch den Einsatz von ehemaligen Vorfeldbeschäftigten und kurzfristig eingewiesenen Ersatzleuten auf dem Rollfeld die Gefahr von Unfällen zunehmen könnte.

Der Streik des Vorfeldpersonals hat den Flughafen an einer empfindlichen Stelle getroffen. Der Versuch der Flughafengesellschaft, diese hoch qualifizierten Spezialkräfte durch kurzfristig angelernte Manager zu ersetzen, war bisher wenig erfolgreich: Am Donnerstag mussten schon 140 Flüge und am Freitag nochmals über 250 Flüge gestrichen werden.

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