Eurokrise verschärft Rezessionstendenzen in Russland

Unter dem Druck der Eurokrise verstärken sich die Anzeichen einer Rezession in Russland.

Der Rubel wertete in der letzten Woche sowohl gegenüber dem Dollar als auch dem Euro stark ab. Nach den Wahlen in Griechenland und Frankreich, die eine breite Opposition gegen die Sparpolitik der Europäischen Union zum Ausdruck brachten, stürzten die russischen Börsenkurse in der vergangenen Woche auf 1401 Punkte und näherten sich damit dem Vorjahrestief von 1217 Punkten.

Die russische Zentralbank verglich die gegenwärtige Lage mit der Situation am Vorabend der Krise von 2008, und die liberale Zeitung Nezavisimaya Gazeta sah den „Beginn eines neuen Wirtschaftswinters“.

Insgesamt hat der Micex-Index, in dem die 30 führenden Werte zusammengefasst sind, seit Mitte März 21 Prozent verloren, während der in Dollar berechnete RTS-Index 25 Prozent eingebüßt hat. Der Bankensektor des Landes stagniert seit Anfang des Jahres.

Nach der Amtseinführung von Wladimir Putin am 7. Mai waren die Kurse vorübergehend in die Höhe gegangen. Die Analystin Angela Henkel von der Alfa-Bank erklärte der Zeitung Vedomosti, der „Ansteckungseffekt der Eurozone“ habe sich als stärker erwiesen als die „lokalen positiven Daten“.

Die russische Wirtschaft ist stark von der europäischen abhängig. Europa ist Russlands wichtigster Absatzmarkt und der Hauptabnehmer russischer Gas- und Öllieferungen. Europäische Investitionen spielen zudem eine Schlüsselrolle in der russischen Wirtschaft.

Der Chefökonom der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Erik Bergloff, sagte der Zeitung Vedomosti, dass sich ein „starker Wirtschaftsrückgang in der Eurozone … signifikant auf die russische Wirtschaft auswirken“ und „starke Fiskalprobleme“ hervorrufen würde.

Auch der sinkende Weltölpreis macht der russischen Wirtschaft zu schaffen. Er ist ebenfalls eine Folge der durch die Eurokrise ausgelösten internationalen Rezessionstendenzen. Der russische Staatshaushalt hängt zu gut 50 Prozent von den Einnahmen aus Gas- und Ölexporten ab. Analysten und Ratingagenturen halten einen Ölpreis von 117 bis 120 US-Dollar pro Barrel für notwendig, damit der Haushalt ausgeglichen ist. Zurzeit beläuft er sich aber nur auf 108 Dollar.

Seit Beginn des Jahres setzt sich außerdem der Kapitalabfluss fort, der seit 2008 außergewöhnliche Ausmaße angenommen hat. Allein zwischen Januar und Mai haben Investoren 43 Mrd. US-Dollar aus Russland abgezogen. 2011 betrug der Kapitalabfluss insgesamt rund 80 Mrd. US-Dollar. Als Hauptgründe für diesen massiven Investitionsabzug gelten die Eurokrise und die politische Instabilität in Russland.

Der Kreml unterstützt die Sparmaßnahmen in der EU voll und ganz und hat bereits mehrfach ihre Durchsetzung angemahnt. Gleichzeitig führt die russische Regierung ähnliche Angriffe auf die Arbeiterklasse in Russland durch.

Premierminister Dmitrij Medwedew, der an der Stelle von Präsident Wladimir Putin am G8-Gipfel vom Wochenende teilnahm, bekräftige dort die Unterstützung des Kremls für den europäischen Sparkurs und meinte, es hänge nun viel davon ab, ob „die griechische Regierung erfolgreich und in der Lage sein wird, die Verpflichtungen umzusetzen, die sie bereits auf sich genommen hat“.

Medwedew bestätigte zudem das Vorhaben der russischen Regierung, die 2008 initiierte „Strategie 2020“ umzusetzen, die tiefgehende Sparmaßnahmen und Strukturreformen vorsieht. Er warnte die Strategie zu erweitern, falls sich die Weltwirtschaftskrise weiter verschärfen sollte.

Auch Präsident Wladimir Putin betonte kurz vor seiner Amtsübernahme, dass es „unbedingt notwendig“ sei, den gegenwärtigen Sparkurs in Russland fortzusetzen, um 2015 einen ausgeglichen Haushalt zu haben.

Putin hatte während des Wahlkampfes die Erhöhung verschiedener Sozialausgaben angekündigt, darunter die Erhöhung von Renten und Gehältern. Gleichzeitig hatte er jedoch mit Politikern und Wirtschaftsexperten hinter verschlossenen Türen Gespräche über umfassende Sparmaßnahmen geführt, wie die Internetzeitung Finmarket.ru im April berichtete.

Das russische Wirtschaftsministerium hat inzwischen erklärt, die Umsetzung der Wahlversprechen Putins sei nicht zu realisieren. Die angekündigte Einführung einer Steuer auf Luxusgüter wurde bereits wenige Tage nach der Präsidentschaftswahl wieder fallen gelassen.

Dagegen haben sich mehrere führende Regierungspolitiker auf die Umsetzung der „Strategie 2020“ festgelegt, die eine Erhöhung des Rentenalters auf 63 Jahre, umfassende Privatisierungen und Lohnsenkungen vorsieht (siehe: Kreml bereitet Sparprogramm vor). Die Lebenserwartung für Männer beträgt in Russland nur 60 Jahre, für Frauen 73 Jahre. Die Erhöhung des Rentenalters bedeutet damit, dass die Hälfte der Bevölkerung bis zum Tod arbeitet, während die Renten für den Rest fast halbiert werden.

Schon jetzt sieht sich die arbeitende Bevölkerung Russlands bei einer hohen Inflationsrate und stagnierenden Löhnen mit wachsenden Lebenshaltungskosten konfrontiert. Im April hat der Kreml dem Gasmonopolisten Gazprom einen „freien Korridor“ für 15 Prozent seiner inländischen Gasversorgung eingeräumt. Damit sollen die Gaspreise in Russland, die im internationalen Vergleich relativ niedrig sind, an den Weltpreis angepasst werden. Für die russische Bevölkerung bedeutet dies eine deutliche Erhöhung der Lebenshaltungskosten.

Auch eine Erhöhung der Preise für öffentliche Verkehrsmittel von 12 bis 15 Prozent in allen Regionen des Landes bis zum Herbst ist in Angriff genommen worden.

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